Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: passion

Taglied 7.4.2012

Noch ein­mal Pas­sion: Aus der Johannes-Pas­sion von Bach die schöne Alt-Arie “Es ist voll­bracht”, hier vom unver­gle­ich­lichen Andreas Scholl gesun­gen:

Es Ist Voll­bracht — Andreas Scholl

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Taglied 6.4.2012

Natür­lich heute etwas aus ein­er Pas­sion — nein, nicht Bach, den hat­ten wir ja schon, son­dern Schütz, ein­er der ganz großen, lei­der etwas unter­repräsen­tierten Kirchen­musik­er:


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(ein Auss­chnitt, näm­lich unge­fähr das let­zte Drit­tel bis zum Schluss­chor, aus der “His­to­ria des Lei­dens und Ster­bens unseres Her­rn und Hei­lands Jesu Christi nach dem Evan­ge­lis­ten St. Johannes

Taglied 5.4.2012

Eigentlich schon ein Vor­griff auf mor­gen (aber am “richti­gen” Tag kann man ja nicht all die tollen Pas­sions-Musiken hören …) — Got­tfried Hein­rich Stölzels “Brock­es-Pas­sion”:


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Golgatha in Weisenau

Man muss Bruno Leipold nicht ken­nen. Und man kann es eigentlich auch gar nicht: Auf den Konz­ert­pro­gram­men taucht sein Name nicht mehr auf, selb­st ein­schlägige Nach­schlagew­erke wis­sen wenig über ihn zu bericht­en. Das war ein­mal anders, zu Beginn des 20. Jahrhun­derts hat­te der Kan­tor, Vio­lin­ist und Kom­pon­ist zumin­d­est regionale Berühmtheit in Thürin­gen erlangt. Die Weise­nauer katholis­che Gemeinde hat ihn jet­zt in Erin­nerung gerufen – aber nicht, um eine Leipold-Renais­sance anzus­toßen, son­dern zur Feier des 700jährigen Gemeinde-Jubiläums und als Gedenkkonz­ert für Wei­h­bischof Gubal­la. Dafür haben dort ein Proe­jk­tchor mit Unter­stützung des Peter-Cor­nelius-Kon­ser­va­to­ri­ums Leipolds Pas­sion­so­ra­to­ri­um unter der Leitung vo Ronald R. Pel­ger aufge­führt.

Schlicht „Gol­gatha“ ist es betitelt, schlicht und ungekün­stelt ist auch die Musik, die Leipold zur Pas­sion­s­geschichte geschrieben hat. Das ist echte Kirchen­musik aus der Prax­is: Leipold arbeit­et mit beschei­de­nen und sparsamen, aber wirkungsvollen Mit­teln. Schon in der Beset­zung: Neben der Orgel sind noch einige Stre­ich­er vorge­se­hen, ein ergänzen­des Englis­chhorn und für den Schluss­chor auch noch Pauken. Auch die Singstim­men ver­lan­gen keine hochgezüchteten Stim­men: So wer­den auch in Weise­nau alle Solis­ten­par­tien aus dem Chor beset­zt. Und das funk­tion­iert. Denn die Pas­sion­s­geschichte erhält so den Charme unmit­tel­bar­er Überzeu­gung und den Aus­druck echter Herzens­fröm­migkeit. Das gelingt auch ohne aus­ge­fal­l­ene kün­st­lerische Mit­tel: Man hört es auch in der Weise­nauer Kirche, wie begeis­tert und engagiert die Sän­gerin­nen und Sänger das vor­tra­gen.

Zumal Leipolds „Gol­gatha“ sowieso nicht so offen­sichtlich konz­er­tant ist: Man muss das gar nicht als Konz­ert ver­ste­hen, son­dern kann es wie einen Gottes­di­enst auf­fassen. Sog­ar mitsin­gen lässt der Kom­pon­ist die Besuch­er – die Gemeinde – wieder, wie es lange Tra­di­tion war. Und das klappt sog­ar: Zunächst zwar zögernd, aber dann dur­chaus vernehm­lich stim­men die ver­sam­melten Zuhör­er und/oder Gläu­bi­gen in die Choräle ein. Auch son­st merkt man dem Opus 216 den umtriebi­gen und erfahre­nen Kirchen­musik­ers an: Das ist solide gear­beit­et, greift von der Ein­gangs-Sin­fo­nia bis zum schon öster­lich jubilieren­den Schluss­chor immer wieder ver­schiedene Choralthe­men auf. Direkt, leicht ver­ständlich bleibt „Gol­gatha“ auch in den weni­gen Arien und Ensem­bles: Musik für Ama­teure kön­nte man das nen­nen, aus ein­er Zeit, in der „Ama­teur“ noch kein Schimpf­wort war. Ronald R. Pel­ger dirigiert das in zügi­gen, gefäl­li­gen Tem­pi, mit Gespür für die drama­tis­chen Höhep­unk­te und die Dichte des Geschehens. Und er macht deut­lich: Das ist hier, in der Pfar­rkirche, aufge­führt von einem Chor aus der Gemeinde, genau die richtige Musik genau am richti­gen Platz.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung.)

Leiden für die ganze Welt: Die Matthäuspassion im Mainzer Dom

Manche Musik ist bes ser als jed­er Film. Bachs Matthäus­pas­sion ist so ein Fall: Obwohl es nichts zu sehen gibt außer ein­er großen Menge klöster­lich schwarz gek­lei­de­ter Musik­er erzählt sie unheim­lich viel. Eigentlich steckt sog­ar alles darin: Nieder­tra­cht, Opfer­bere­itschaft, Helden­tum, Schmerz, Trauer, Verzwei­flung und Erlö­sung, aber auch Dankbarkeit, Versenkung, Liebe und Hoff­nung – kaum eine Emo­tion, die sich hier nicht find­et. Und bei Math­ias Bre­itschaft im Dom darf man das qua­si in 3D miter­leben, auf ein­er riesi­gen Lein­wand, mit großem Über­wäl­ti­gungspoten­zial spüren und erfahren. Groß und mächtig entwick­elt der Domkapellmeis­ter mit Dom­chor, Domkan­tor­ei und dem Mainz­er Kam­merorch­ester näm­lich die bekan­nteste Ver­to­nung der Pas­sion­s­geschichte, richtig mas­siv und bedeut­sam wirkt alles hier. Aufge­laden mit dem Bewusst­sein ihrer heils­geschichtlichen Bedeu­tung bekommt jede Hand­lung, jedes Rez­i­ta­tiv und jede Arie ein unge­heuere The­atral­ität. Die Details an sich sind dabei nicht so wichtig, worauf es ankommt, ist die Idee, das große Ganze.

Über­haupt geht es nicht so sehr darum, dass hier die Geschichte ein­er Kreuzi­gung musikalisch erzählt wird. Son­dern um die Bedeu­tung dieses Opfers für die Men­schheit – mit weniger gibt sich Bre­itschaft nicht zufrieden. Das merkt man schon im Ein­gangschor, dieser enge Verknüp­fung dreier Chöre mit dem Orch­ester. Und dann auch ganz deut­lich immer wieder ger­ade in den Chorälen. Bre­itschaft reizt hier das Poten­zial des gewohnt sta­bilen, har­monisch weichen Chork­langs des Dom­chors und der Domkan­tor­ei weit aus. Aber auch die Solis­ten lassen sich nicht groß bit­ten. Der tech­nisch unge­mein sou­veräne Evan­ge­list Thomas Dewald lässt seine Rez­i­ta­tive fast unetwegt vor Bedeu­tung vib­ri­eren. Das hat große drama­tis­che Stärken – manch­mal aber sog­ar zu viel davon, weil die dauer­hafte Drama­tisierung ver­gle­ich­sweise wenig Abwech­slung bietet. Daniel Pohn­ert singt die Chris­tus­worte als Gegen­pol dazu: klar, kraftvoll und zugle­ich großar­tig gelassen. Auch die anderen Solis­ten bemühen sich um indi­vidu­elle Lesarten. Alsion Brown­er gefällt mit präg­nan­ter und präzis­er Tonge­bung, während Clau­dia von Tilz­er eher die weiche Klan­glichkeit bevorzugt.

Und doch fügt sich diese Vielfalt recht gut zusam­men: Math­ias Bre­itschaft vere­int das in solid­er Kapellmeis­terkun­st, die – mit weni­gen Aus­nah­men wie den gekürzten Arien – gewis­senhaft der Par­ti­tur fol­gt. Das ist mal mehr, mal weniger drama­tisch, mal wirk­lich über­wälti­gend wuchtig und manch­mal auch inspiri­erend inten­siv. Vor allem seine Sou­veräität und Gelassen­heit der lan­gen Erfahrung mit diesem kom­plex­en Werk machen sich da pos­i­tiv bemerk­bar: Bre­itschaft muss sich nichts beweisen, er muss nicht um jeden Preis eine neue, spek­takuläre Inter­pre­ta­tion find­en. Son­dern er kann sich ganz unprä­ten­tiös auf die großen Zusam­men­hänge der Pas­sion­s­geschichte konzen­tri­eren und sie mit der Musik Bachs erzählen.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung.)

Taglied 25.3.2012

Es passt (für mich) zwar über­haupt nicht zum schö­nen Som­mer­wet­ter der let­zten Tage, aber weil ich heute die Matthäus­pas­sion im Dom gehört habe, bin ich auch bei YouTube über eine sehr schöne Auf­nahme unter Philipp Her­reweghe gestolpert:


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Sind auch nur 2 Stun­den und 41 Minuten …

passionsmusik aus siebenbürgen

Sieben­bür­gen ist nicht ger­ade ein Zen­trum deutsch­er Kirchen­musik. Genauer gesagt, ist es eher ein Zen­trum von gar nichts. Manch­mal sind aber die Rän­der dur­chaus inter­es­san­ter als die Mitte. Etwa, wenn dort bes­timmte Tra­di­tio­nen über­leben, wie zum Beispiel die über lange Zeit weit­ergegebe­nen lokalen Pas­sion­s­musiken. Das sollte man wis­sen, wenn man sich die „Sieben­bür­gis­che Pas­sion­s­musik“ für Chor, Solis­ten und Orgel von Hans Peter Türk anhört. Denn Türk ist ein sieben­bür­gis­ch­er Kom­pon­ist.

Eine neue Matthäus-Pas­sion also, als Fort­führung noch erhal­tener Bräuche – aber den­noch über­haupt nicht bloß bewahrend, son­dern eben weit­er­führend. Denn Türk ist zwar kein Avant­gardist, aber doch – trotz sein­er geo­graphis­chen Rand­lage – als Kom­po­si­tion­spro­fes­sor ein Ken­ner der Entwick­lun­gen und Tech­niken in der Musik. Und zwar nicht nur der Musik der let­zten Jahre. Denn seine „Sieben­bür­gis­che Pas­sion­s­musik“ bedi­ent sich bei For­men und Tech­niken aus eigentlich der ganzen abendländis­chen Musikgeschichte. Das führt zu eini­gen eige­nar­ti­gen und bemerkenswerten Ergeb­nis­sen, die die Ein­spielung mit der Meißn­er Kan­tor­ei 1961 unter Christ­fried Brödel und mit Ursu­la Philip­pi an der Orgel ein­drück­lich vor­führt.
Denn wie immer, wenn sich Bekan­ntes mit Frem­dem, Ver­trautes mit Exo­tis­chem mis­cht, ent­deckt man reilich Neues und Inter­es­santes – in Bei­dem. Der Text bleibt ganz auf ver­trautem Boden, in der Musik entwick­elt der 1940 geborene Sieben­bürge aber einen eige­nen Ton. Dabei ver­traut Türk auf die Worte – und zwar sehr stark. Daraus und damit entwick­elt er eine Musik, die sich dem Hör­er unmit­tel­bar unmit­teilt. Und sie zeigt deut­lich: Hier geht es nicht darum, um jeden Preis außergewöhn­liche Musik zu find­en. Türk strebt offen­bar viel mehr danach, der Pas­sion­serzäh­lung ein zeit­gemäßes musikalis­ches Gewand zu geben, sie aber zuallererst als Erzäh­lung zu ver­ste­hen. Und das kann dann eben auch heißen, sich als Kom­pon­ist extrem zurück­zunehmen. Auch in dieser konzen­tri­erten Form, mit weni­gen Ein­wür­fen, behut­sam unter­mal­en­den Tönen der Orgel etwa gelingt es ihm ohne Weit­eres, starke Kon­traste und nahege­hende Stim­mungen zu ver­mit­teln, span­nende Rez­i­ta­tive zu schreiben, die natür­lich und kun­stvoll zugle­ich wirken. Und vor allem hochgr­a­dig ein­fühlsame, inten­siv vib­ri­erende Choräle, die den wahren Kern dieser Pas­sion­s­musik bilden.

Das ist dann in der Summe eine dur­chaus mod­erne Musik, die ver­ständlich und unbe­d­ingt zugänglich auch für Nicht-Ken­ner der zeit­genös­sis­chen Musik ist. Und eigentlich sog­ar für deren Verächter zu ertra­gen. Gut funk­tion­ierende Kirchen­musik also.

Hans Peter Türk: Sieben­bür­gis­che Pas­sion­s­musik für den Kar­fre­itag nach dem Evan­ge­lis­ten Matthäus für Chor, Solis­ten und Orgel. Ursu­la Philip­pi, Orgel. Meißn­er Kan­tor­ei 1961, Christ­fried Brödel. Musikpro­duk­tion Dabring­haus und Grimm 2009. MDG 902 1554–6.

(geschrieben für die neue chorzeit)

einmal quer durch die musikgeschichte: schütz, pergolesi und brahms im passionskonzert

Es war ein Hin und Her wie sel­ten bei den Domkonz­erten: Die Chöre wech­sel­ten, es wurde mit und ohne Orch­ester musiziert, die Solis­ten­blieben auch alle nicht lange, selb­st der Diri­gent wurde getauscht. Und doch herrschte auch ganz viel Andacht im Pas­sion­skonz­ert. Im Zen­trum stand dabei die Matthäus-Pas­sion von Hein­rich Schütz, die eigentlich gar keine Pas­sion ist. Zumin­d­est nicht im musikalis­chen Sinn. Denn bei Schütz heißt die Ver­to­nung der Pas­sion­s­geschichte noch His­to­rie – eine Erzäh­lung der Lei­den Christi. Und die hält sich, von Ein­gangs- und Schluss­chor abge­se­hen, streng an den Text des Evan­ge­lis­ten. Arien und Choräle wird man hier also vergebens erwarten. Die Nähe zum Bibel­text führt dazu, dass große Teile vom Evan­ge­lis­ten und den anderen Solis­ten über­nom­men wer­den, der Chor mehr oder min­der auf kurze Ein­würfe beschränkt bleibt. Das sollte allerd­ings nicht zu so ein­er Het­ze führen wie im Dom. Denn wed­er Math­ias Bre­itschaft noch der eigentlich sehr solide Evan­ge­list Daniel Käs­mann nah­men sich im Gle­ich­maß der fort­laufend­en Bewe­gung, des unun­ter­broch­enen Bericht­es Zeit für beson­dere Momente, für Augen­blicke der Dra­matik. Die sind aber auch bei Schütz dur­chaus vorhan­den – man muss sich nur etwas mehr Mühe geben, sie freizule­gen. Wie das geht, weiß Bre­itschaft ja dur­chaus. Das stellte er dann etwa im Schluss­chor unter Beweis: Hier hat­te er auf ein­mal Zeit für sub­tile Aus­deu­tung, die die Domkan­tor­ei auch – trotz der starken Beset­zung – sehr deut­lich und trans­par­ent, vor allem aber mit leichtem Klang mit­machte und mit­trug.

Karsten Stor­ck über­nahm das Diri­gat der anderen bei­den Werke. Neben dem etwas blassen und unschein­baren 13. Psalm für Frauen­chor von Johannes Brahms, den der Mäd­chen­chor sehr brav sang, war das vor allem Gio­van­ni Per­gole­sis „Sta­bat Mater“. Dessen reine Melo­di­en ver­her­rlichen im Wohlk­lang sowohl der Chorsätze als auch der Arien und Duette mit den bei­den schön aufeinan­der abges­timmten Solistin­nen, Dorothee Laux und Patri­cia Roach, die süße Wol­lust der Schmerzen. Ger­ade der ständi­ge Wech­sel zwis­chen Chor und Soli gelang Stor­ck dabei sehr schön. Denn die Chorsätze ließ er immer etwas stärk­er zele­bri­eren als unbe­d­ingt nötig. Zusam­men mit der Intim­ität der Arien kam das „Sta­bat Mater“ so in sein­er gesamten Länge zu einem wohlgerun­de­ten Pulsieren, ein­er angenehmen Mis­chung aus zügi­gen Tem­pi und inni­gen Momenten der Empfind­samkeit. Und darum geht es schließlich: Das Mit-Gefühl zu weck­en.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung.)

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