so, ersteinmal der „offizielle” text, den ich für die mainzer rhein-zeitung geschrieben habe:
Motorräder kommen im klassischen Konzertleben recht selten vor. Aber andererseits sind auch Posaunenkonzerte im traditionellen Repertoire eher dürftig gesät. Was liegt also näher, als diese beiden Seltenheiten zur potenzierten Unwahrscheinlichkeit zu kombinieren?
Der Posaunist Christian Lindberg hat keinen Hinderungsgrund gefunden. Er geht sogar noch einen Schritt weiter: Um das „Motorbike Concerto” von Jan Sandström so richtig authentisch aufzuführen – schließlich ist es eigens für ihn komponiert worden – schlüpft er sogar in eine passende Motorradkluft. Nur das Motorrad fehlt also noch in der Rheingoldhalle. Aber zusammen mit der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz und deren Dirigenten Ari Rasilainen entfaltete Lindberg immerhin eine täuschend echte Geräuschkulisse.Das Motorrad, das Lindberg hier eloquent und mit vollem Einsatz verkörpert, dröhnt und röhrt, quietscht und braust durch die diversen Landschaften. Sehr pittoresk ist das alles, serviert immer mit einem gehörigen Schuss Komik. Denn Sandström hat hier Programmmusik reinsten Wassers geschrieben. Bekanntermaßen ist ja ein Motorrad mehr als ein bloßes Fortbewegungsmittel, sondern ein regelrechter Lebensstil. Und auf Tour bekommt so einiges mit – so viel, dass auch das „Motorbike Concerto” noch nach allen Seiten von Eindrücken und Einfällen überquillt.1
Ganz im Gegensatz dazu dann der Klassiker überhaupt, Beethoven. Und gleich noch seine „Über&”-Sinfonie, die Fünfte. Hochtrabende und gewichtige Deutungen umranken und überwuchern das Werk seit der Uraufführung vor ziemlich genau zweihundert Jahren. Aber das schein Rasilainen gar nicht so sehr zu bekümmern. Ohne besonders übereifrige Überhöhung nimmt er sie erst einmal einfach als das, was sie schließlich ist: Musik. Und so offen bleibend, ohne der Vagheit anheim zu fallen, entwickelte die Staatsphilharmonie ein sehr geschlossenes Klangbild. Der Dirigent profilierte sich als fließender Erzähler, der ganze Lebensentwürfe und Geschichten entfaltet.2 Ohne Zweifel oder auch nur das leiseste Zögern überstehen die selbst die harten Konfrontationen mit der Realität im dritten Satz. Und immer wieder überwältigend ist natürlich die Wucht dieses unzerstörten Glaubens an die Kraft des Individuums, die das Finale unter der herrisch gebietenden Hand des Dirigenten entfaltet. Und auch wenn die Staatsphilharmonie ausgerechnet auf der Zielgeraden, in den letzten Takten, das Ende schon vorwegnimmt und deutlich an Präzision und Klarheit verliert, bleibt das Zusammenwirken aller Kräfte selbstverständlich immer noch triumphal – anders kann Beethovens Fünfte gar nicht enden.3
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