willi weiss reiste für die süd­deutsche zeitung durch den oden­wald. und es schon inter­es­sant, so etwas mal zu lesen, wenn man das ziel­ge­bi­et etwas ken­nt. da kom­men näm­lich so einige unge­nauigkeit­en und verz­er­run­gen zutage.

zum beispiel ste­ht da: erbach wurde im späten mit­te­lal­ter zum zen­trum der elfen­bein­schnitzer. franz I, graf von erbach, der dafür maßge­blich ver­ant­wortlich war, lebte lei­der erst 1754–1823 — also unbe­deu­tend später (übri­gens, um den abstand zum mit­te­lal­ter zu verdeut­lichen: franz I. war auch der let­zte graf vor der medi­atisierung der graf­schaft erbach). im späten mit­te­lal­ter war im oden­wald noch nicht so viel los mit spezial­isiert­er wirtschaft­spoli­tik und so …

was mich aber am meis­ten stört (abge­se­hen von der unge­nauen darstel­lung der geschichte um die fusion von erbach und michel­stadt): der oden­wald ist hier eine einzige wal­didylle, nahezu men­schen­leer — abge­se­hen von den weni­gen hier hausenden orig­i­nalen, den kün­stlern auf der suche nach “kon­tem­pla­tion” und den alten bauern -, ständig wer­den mythen und aber­glauben des 18. und 19. jahrhun­derts zitiert und evoziert, die im oden­wald fak­tisch kaum noch jemand ken­nt …und  son­st: vor allem lauter abgele­gene dör­fchen, einzelne höfe, alte sche­unen etc. — das der oden­wald inzwis­chen ziem­lich großflächig zuge­baut wurde, erfährt man da kaum. stattdessen heißt es dann: “wasser­re­iche wälder, aus denen immer wieder hügel mit bur­gen oder fach­w­erk-städtchen … auf­tauchen” — nun ja. so viele bur­gen tauchen da nicht auf. und fach­w­erk-städtchen auch nicht so oft. aber das wäre ja zu nor­mal und würde nicht in die rezep­tion des oden­waldes als magisch-ver­wun­sch­ene land­schaft passen, in der auch heute noch die bauern schauergeschicht­en erzählen, wenn sie dem vor­beis­chauen­den reisenden aus der fer­nen großs­tadt kochkäse auftis­chen — wie das gespräch mit dem land­wirt in ober-kains­bach wirk­lich abge­laufen ist, würde ich ja schon gerne wis­sen. und ob weiss wirk­lich glaubt, dass sei real, was er hier schreibt und andeutet.

der artikel mit dem passenden titel “der rit­ter der lüfte” will sich ausweis­lich seine run­terzeile dem “roden­stein­er land im oden­wald” wid­men. selt­sam, dass weiss dann auf ein­mal in hes­se­neck und am kräh­berg auf­taucht — das ist doch eine ziem­lich andere ecke. immer­hin hat er mit­bekom­men, dass der oden­wald ein größeres prob­lem mit gehir­nam­putierten motor­rad­fahrern hat, die sich wie die lem­minge auf den straßen in den tod stürzen. aber selb­st dieser ziem­lich mod­erne irrsinn wird dann wieder in das aber­gläu­bis­che, mythisch-ver­wusch­ene bild des oden­waldes ganz naht­los eingepasst: “Was sind das für Geräusche? Sind es ferne Motor­räder  oder ist es anschwellen­des Geschrei aus der Höhe? [Weiss sollte sich mal im Som­mer an einem son­ntag an einem ziem­lich beliebi­gen ort im oden­wald raus­set­zen — er wird den krach der motor­räder schnell ken­nen­ler­nen] Bellen Hunde? Klir­ren Schw­ert­er? Man kann da nicht so sich­er sein — im Oden­wald.” na ja, eil­li weiss vielle­icht nicht — man schon.