so etwas gibt es wohl nur bei sibylle berg. auch ihr neuestes buch die fahrt (recht forsch und großzügig als „roman” etiket­tiert) kreist wieder um ihre ganz eige­nen the­men, die sie immer wieder neu auf­greift, neu abklopft und in ihrem lakonis­chen anti-stil vor­führt: die ein­samkeit des (post-) mod­er­nen men­schen, das altern, das bewusst­sein bzw. das bewusst-wer­den des alterns. das wirkt, in dieser manch­es mal fast mon­strös anmu­ten­den bal­lung (und dur­chaus auch ein­seit­i­gen sichtweise …) manch­es mal aus­ge­sprochen depres­siv und bedrück­end. aber sibylle berg wäre nicht sibylle berg, wenn nicht die möglichkeit des glücks doch noch ab und an irgend­wo hin­durch schim­mern würde: immer­hin ist sie auch in der fahrt mehr als nur the­o­retisch gegeben, einige aus dem reich­halti­gen fig­ure­narse­nal schaf­fen es, der sinnlosigkeit (momen­tan zumin­d­est) zu entrin­nen (wobei mir  natür­lich sofort ein ander­er titel bergs ein­fällt: ein paar leute suche das glück und lachen sich tot). aber die stärk­sten momente hat die fahrt — und das unter­schei­det sie von den bish­eri­gen büch­ern der autorin — nicht nur dann, wenn sie die sinnlosigkeit und absur­dität des urlaubens und des reisens beschreibt, son­dern in den bericht­en aus den elends­ge­bi­eten. denn das sind zweifel­los einige der berührend­sten, aufwüh­lend­sten beschrei­bun­gen des elends des lebens, die hier eingestreut sind — ger­ade im kon­trast zu den „luxus”-problemen den anderen fig­uren. ihre wirk­mächtigkeit ver­danken diese abschnitte auch der tat­sache, dass berg sie durch nichts mildert, nichts erk­lären will, son­dern nur — als qua­si geset­ztes gegen­bild — beschreibt — und damit wirkungsvoller die men­schen anklagt, die so etwas zulassen, als es jede stre­itrede ver­möchte. und das kün­st­lerisch beein­druck­ende ist dann auch noch die tat­sache, dass sich selb­st diese zunächst als mutwillige fremd­kör­p­er eingestreut erscheinen­den pas­sagen wun­der­bar in das konzept des buch­es fügen — die (verge­bliche? weil nur zufäl­lig von erfolg gekrönte?) suche nach sinn und glück im irdis­chen leben … auf jeden fall ein großar­tiges leseer­leb­nis!

gut find­et die fahrt auch kristi­na maidt-zinke in der süd­deutschen zeitung: „Mit der roman­tis­chen Vorstel­lung, dass die Men­schen in den Armut­szo­nen der Erde zufrieden­er lebten als die über­fresse­nen Abendlän­der, wird in diesem Fahrten-Buch gründlich aufgeräumt. […] DIe stärk­sten Momente ihrer Prosa aber sind nach wie vor die, in denen sie die fortschre­i­t­ende Verkom­men­heit und Abgewrack­theit des Plan­eten sowie die grassierende Unzurech­nungs­fähigkeit sein­er Bewohn­er mit der ihr eige­nen Has­s­lust aus­malt: Die Schärfe ihres schrä­gen Blicks ist unnachahm­lich.” (SZ 232, 9.10.2007, Beilage zur Frank­furter Buchmesse, S. 3)

sibylle berg: die fahrt. köln: kiepen­heuer & witsch 2007.