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Schlagwort: adolf hitler

Ins Netz gegangen (21.12.)

Ins Netz gegan­gen am 21.12.:

  • Die Hände Johann Sebas­t­ian Bachs | Forschung & Lehre → bach war nicht genial, er hat­te ein­fach große hände — nun­ja, das wurde nicht behauptet. aber zumin­d­est let­zteres ist nun gesichert
  • Dubiose Quellen | Süd­deutsche → willi win­kler hat schon ein­mal die jan­u­ar-aus­gabe der viertel­jahrshefte für zeit­geschichte gele­sen und fasst einen beitrag von mikael nils­son zusam­men, der offen­bar nach­weist, dass die als “hitlers tis­chge­spräche” veröf­fentlicht­en texte als (primär)quelle eigentlich nichts tau­gen, weil ihre authen­tiz­ität (und ihre edi­tierung) frag­würdig ist
  • Das große Beicht­en | Süd­deutsche → ein gast­beitrag von nathalie wei­den­feld, der zur diskus­sion stellt, ob die öffentliche kund­machung per­sön­lich­er und intimer gedanken, erleb­nisse, stim­mungen in den sozialen medi­en nicht ein reflex, eine mod­erne vari­ante des öffentlichen beicht­ens der puri­tan­er ist (ich bin nicht ganz überzeugt, ob das stimmt — aber bedenkenswert scheint es mir schon).
  • Many Shades of Gen­der | LMU → paula-irene vil­la hat — zusam­men mit Kolleg*innen und mitarbeiter*innen — eine schöne FAQ zu typ­is­chen, wiederkehren­den fra­gen und vor­wür­fen an die gen­der stud­ies geschrieben

    Die Gen­der Stud­ies wollen ins­ge­samt wed­er Geschlecht abschaf­fen noch, wie manch­mal auch ver­mutet wird, es allen aufzwin­gen. Vielmehr wollen die Gen­der Stud­ies forschend her­aus­find­en, wo wie für wen warum in welch­er Weise und mit welchen Fol­gen Geschlecht über­haupt eine Rolle spielt (oder auch nicht).

  • Records Revis­it­ed | hhv­mag → kristof­fer cornils’ schöne und ehrliche würdi­gung des großar­ti­gen “spir­it of eden” von talk talk
  • Der alte Hass auf die Aufk­lärung | Geschichte der Gegen­wart → philipp sarasin ord­net die “neue rechte” in die tra­di­tion der anti-aufk­lärung und der geg­n­er­schaft des libr­eral­is­mus ein:

    Zu behaupten, die Unter­schei­dung zwis­chen links und rechts habe seine Bedeu­tung ver­loren, ist ange­sichts solch­er Aus­sagen wenig über­zeu­gend. Dring­lich ist aber auch, dass die Linke aufhört, die Libe­ralen und auch die „Lib­er­al-Kon­ser­v­a­tiv­en“ in die rechte Ecke zu stellen und die falschen Schlacht­en zu schla­gen. „Rechts“ ist nur dort, wo der alte Hass auf die Aufklä­rung dräut. Alles andere sind Zänke­reien unter den Kindern der Mod­erne.

Ins Netz gegangen (24.2.)

Ins Netz gegan­gen am 24.2.:

  • Das MoMa New York erwirbt Alvin Luciers “I am sit­ting in a room” « Kul­turtech­no
  • Hochschwarzwald: Ab ins gemachte Nest! | ZEIT ONLINE — die zeit macht ein biss­chen wer­bung für mod­ernisierte (teure) ferien­woh­nung im schwarzwald, die mit schick­em design über­nach­tungs­gäste anlock­en wollen, dafür aber die wertschöp­fung schön zen­tral­isieren und konzen­tri­eren (und eben nur noch einen bruchteil bei den besitzern vor ort lassen)

    Im Hochschwarzwald hat die Touris­mus GmbH vorhan­dene Ferien­woh­nun­gen mod­ernisiert. Ein Gewinn für alle Seit­en?

  • If Our Sons Were Treat­ed Like Our Daugh­ters | Lori Day — sehr schönes gedanken­spiel …

    Come with me. Let’s open the door to a par­al­lel uni­verse. Here in this par­al­lel world, the rules are dif­fer­ent because gen­der roles are flipped. Lov­ing par­ents and teach­ers accept this strange cul­ture as if it’s not so bad, or per­haps even good.…

  • Edi­tion: Hitlers “Mein Kampf” kommt 2016 rund 2000 Seit­en dick — DIE WELT — sven felix keller­hoff war bei der vorstel­lung der kom­men­tierten aus­gabe von hitlers “mein kampf”, die er sehr begrüßt:

    Das IfZ und sein Vizechef Mag­nus Brechtken jeden­falls sind den richti­gen Weg in ein­er offe­nen Gesellschaft gegan­gen: Sie suchen gegen den offen­sichtlich beschränk­ten Hor­i­zont von Beamten und (eini­gen) Poli­tik­ern in München die Unter­stützung der Öffentlichkeit. Denn jede Fort­set­zung des absur­den Tanzes um Hitlers “Mein Kampf” führt nur in die Irre.

  • Ver­bot für Brechts Stück „Baal“: In Grabesruhe — taz.de — es ist ganz ein­fach mit dem brecht-the­ater:

    Es zählt zur pos­tu­men Ironie von Brechts Leben, dass der große Zertrüm­mer­er des Klas­sik­erthe­aters schlussendlich selb­st zum Klas­sik­er gewor­den ist. Pos­tum wer­den Brechts Ideen in Stein gemeißelt, wofür sie der Autor nie vorge­se­hen hat­te.

  • Kiel­er Matrose­nauf­s­tand 1918 : Berühmtes Foto ent­pup­pt sich nach fast 100 Jahren als Irrtum — quel­lenkri­tik bei fotografien ist eine schwierige und aufwändi­ge sache:

    Erstaunlich­er Erken­nt­nis im Bun­des­bil­darchiv: Das bekan­nteste Foto, mit dem seit fast 100 Jahren der Kiel­er Matrose­nauf­s­tand von 1918 illus­tri­ert wurde, ist in Wahrheit in Berlin ent­standen.

    hier war es die “orig­i­nalvor­lage” (was auch immer das genau ist …), die durch ihre beschrif­tung eine kor­rek­tur erzwang

  • Alte Schriften — wahnsin­nig umfan­gre­ich, auch mit eini­gen ttf-fonts für aus­ge­fal­l­enes wie die merowingis­che minuskel …

    Auf diesen Seit­en find­en Sie eine Samm­lung alter Schriftze­ichen aller Völk­er und Kul­turen von Abur bis Zapotekisch.

Ins Netz gegangen (11.12.)

Ins Netz gegan­gen am 11.12.:

  • Kathrin Pas­sig über Wolf­gang Her­rn­dorf und sein Buch »Arbeit und Struk­tur« — Lit­er­atur — Kathrin Pas­sig über Wolf­gan Her­rn­dorf, sein Blog/Buch, das Prob­lem der Ster­be­hil­fe und die Schwierigkeit, sich “vernün­ftig” selb­st zu töten.

    Man hat es nicht leicht mit den Schrift­stellern. Sie vertreten ihre Mei­n­ung schön und überzeu­gend, auch wenn es sich um eine mäßig durch­dachte Mei­n­ung han­delt. Eben­so schwierig ist es mit ihren Fre­un­den. Als ich zusagte, diesen Beitrag zu schreiben, wollte ich für eine bessere Regelung der Ster­be­hil­fe in Deutsch­land plädieren – nicht ger­ade für die Extrem­form der Lib­er­al­isierung, die Her­rn­dorf sich wün­schte, aber doch dafür, dass Ster­be­wil­lige es leichter haben soll­ten als er. Aber vor dem Gesetz beste­ht kein Unter­schied zwis­chen meinem Wun­sch und denen ander­er Hin­terblieben­er, die aus akutem Unglück her­aus die Todesstrafe für Kin­der­mörder fordern, ohne sich dafür zu inter­essieren, dass das Recht noch andere Sit­u­a­tio­nen als die ihre zu berück­sichti­gen hat.

    Es ist ein­fach, anhand von Arbeit und Struk­tur die Nachteile des beste­hen­den Sys­tems zu kri­tisieren. Aber es ergibt sich keineswegs ein­fach daraus, wie ein anderes Sys­tem auszuse­hen hätte.

  • Pub­lika­tion von “Mein Kampf” — “Der Auf­trag ist gestoppt” — Süddeutsche.de — die spin­nen wirk­lich in Bay­ern: Nach 70 Jahren hin und her um Hitlers “Mein Kampf” beschließen sie nun, das sei volksver­het­zend und blasen kurz­er­hand die schon ziem­lich weit fort­geschrit­tene wis­senschaftlich kom­men­tierte Edi­tion des IfZ ab.

    Nun trifft die Staat­sregierung die Entschei­dung im Allein­gang. Das Buch sei volksver­het­zend, sagte Staatskan­zle­ichefin Haderthauer. Wenn Ver­lage das Buch in Zukun­ft veröf­fentlichen woll­ten, werde die Staat­sregierung Strafanzeige stellen./

  • ZDF-Geschichts­fernse­hen: Pein­lich­ste Miss­geschicke der His­to­ry — FAZ — Nach­dem ich gele­sen habe, was Ste­fan Nigge­meier über die ZDF-Ver­suche, mit Geschichte Fernse­hen und Quote zu machen, geschrieben hat, möchte ich mir den Kram wirk­lich nicht mehr anse­hen:

    Manch­mal wirkt es, als mussten die Autoren blind in einen Con­tain­er mit wiederzu­ver­w­er­ten­dem Mate­r­i­al greifen und es irgend­wie zu einem gemein­samen Ober­be­griff zusam­men­klöp­peln.

  • xkcd: File Exten­sions — xkcd ist heute mal wieder außergewöhn­lich gut:
  • Twit­ter / medieval­gill: Feel­ing frisky? Pls con­sult … — RT @AndyKesson: For those who missed it, the medieval sex flow chart, cour­tesy of @sirthopas and @medievalgill. Stop! Sin!
  • Zustell­prax­is von Paket­di­en­sten: Post war da — Geld — Süddeutsche.de — Jour­nal­is­mus ist anders: Eine SZ-Schreiberin hat ihr Paket nicht bekom­men. Und schimpft. Ohne die Gegen­seite zu hören
  • Georg Büch­n­er: Ausstel­lung zum 200. Geburt­stag | ZEIT ONLINE — Der Tagesspiegel ist von der Darm­städter Büch­n­er-Ausstel­lung auch nicht so ganz begeis­tert:

Aus-Lese #4

Ulf Stolter­fo­ht: holzrauch über hes­lach. Basel, Weil am Rhein: Urs Engel­er Edi­tor 2008. 122 Seit­en.

Eine Schande, dass ich das erst jet­zt lese — irgend­wie hat sich das immer wieder in meinem Stapel unge­le­sen­er Büch­er ver­steckt. Dabei bin ich ein großer Bewun­der­er und Schätzer der Stolterfoht’schen Dichtkun­st, seine “fachsprachen”-zyklen habe ich mit großer Begeis­terung gele­sen. holzrauch über hes­lach ist denen ganz ähn­lich, und doch ganz anders: In stren­gen, metrisch klaren sechs-ver­si­gen Stro­phen, aufgeteilt in neun Teile zu 36 Stro­phen (und einen kurzen Pro­log), schreibt Stolter­fo­ht ein Porträt des Örtchens Hes­lach. Oder lässt schreiben, denn wie gewohnt nutzt er eine Mis­chung aus ecri­t­ure automa­tique, mas­sivster Inter­tex­tu­al­ität, Zitat­en und Allu­sio­nen, gepaart mit ein­er unbändi­gen deskrip­tiv­en Phan­tasie — das ist sehr ein­drück­lich und faszinierend. Und wer einen Text unter ein Mot­to aus Klaus Hof­fers Bei den Bieresch-Roma­nen stellt, der hat bei mir sowieso fast schon gewon­nen. Zu Recht ist das von der Kri­tik ein “eth­nol­o­gis­ches” Gedicht genan­nt wor­den. Denn genau das macht Stolter­fo­ht: Er nimmt den eth­nol­o­gis­chen Stand­punkt ein und find­et dafür, für seine Beschrei­bung der Wirk­lichkeit (s)einer Jugend in Hes­lach in den 1970er Jahren, eben eine eigene poet­is­che Sprache, so dass Inhalt und Form zu ein­er faszinieren­den Deck­ung kom­men. Wenn schon auto­bi­ographis­ches Schreiben, dann bitte doch so.

Timur Ver­mes: Er ist wieder da. Der Roman. Köln: Eich­born 2012. 396 Seit­en.

Nun ja, auch wenn (fast) alle begeis­tert sind: Ich fand das nur mäßig — mäßig über­raschend, mäßig orig­inell, mäßig lustig. Natür­lich ist die Idee ganz nett und erst­mal auch witzig, Hitler im Herb­st 2011 aus ein­er Art Schlaf nach dem miss­glück­ten Selb­st­mord­ver­such mit Kopf­schmerzen aufwachen zu lassen, ihn auf die verän­derte Gegen­wart mit ihren neuen Medi­en und Gewohn­heit­en tre­f­fen zu lassen. Aber da wird es schon schwierig: Dieses Aufeinan­dertr­e­f­fen ist schon nicht so span­nend und komisch (oder wenig­stens tragisch), wie es hätte sein kön­nen und eigentlich müssen. Dass Hitler dann als schein­bar per­fek­ter Komö­di­ant gle­ich beim Fernse­hen lan­det, ist auch eine nette Idee. Aber die Leute und das Geschehen beim Fernse­hen ist schon wieder so ober­fläch­lich und banal geschildert, dass es nicht ein­mal die Ober­fläch­lichkeit und Banal­ität des Fernse­hens abbilden kann. Und so geht das halt dann weit­er — zum “lit­er­arischen Kabi­nettstück erster Güte”, dass der Umschlag ver­heißt, ist da noch ein gutes Stück Weg …

Arnold Stadler: Mein Stifter. Por­trait eines Selb­st­mörders in spe und fünf Pho­togra­phien. München: btb 2009. 196 Seit­en.

Das ist auch so ein selt­sames Büch­lein. Stadler, der ja als Romanci­er sog­ar den Georg-Büch­n­er-Preis bekam (auch wenn ich nie so recht ver­stand, warum), schickt sein­er Auseinan­der­set­zung mit Adal­bert Stifter vor­sicht­shal­ber eine “Notiz” voran. Da heißt es:

Dies ist kein Sach­buch, son­dern eine — vielle­icht son­der­bare — Liebe­serk­lärung. […] Es ist ein Verge­gen­wär­ti­gunsver­such von einem, der selb­st schreibt, Romane und so weit­er. Der Ver­such ein­er Liebe­serk­lärung, ein Essay.

Und das ist es auch, da hat er schon recht. Dabei ist es aber nicht nur vielle­icht, son­dern wirk­lich son­der­bar und selt­sam. Er berichtet von sein­er Lek­türe und vom Leben Stifters — aber immer unge­heur sprung­haft und wie unkonzen­tri­ert wirk­end. Kluge Beobach­tun­gen, vor allem zu Stifters rei­hen sich mit Banal­itäten, Ein­sicht­en ver­steck­en sich im Geschwafel. Das mag etwas hart klin­gen, aber Stadler nutzt die Frei­heit der Form “Essay” ziem­lich aus — für mäan­dern­den und repet­i­tive Bruch­stücke, die in der Summe mehr über Stadler als über Stifter erzählen. Wie immer geht das natür­lich nicht ab ohne den Ver­weis auf seine Herkun­ft und sein Koket­tieren mit der Reli­gion bzw. der katholis­chen Kirche — für mich blieb das eher unergiebig und auch ein wenig freud­los: Von Liebe (zu Stifter) ist nur hin und wieder etwas zu spüren.

Kon­stan­tin Ames: sTiL.e(ins) Art und Welt­waisen. Berlin und Solothurn: rough­books 2012 (rough­book 024). 112 Seit­en mit CD.

Ames ist ein Genie — ein Genie, das sich (so ist mein Ein­druck bish­er) nicht immer ganz im Griff hat: Vieles ist ein­fach großar­tig, auch hier, in sTiL., manch­es aber auch manieris­tisch und aufge­setz und nervig. Aber, davon bin ich ja felsen­fest überzeugt, das Scheit­ern gehört zum Gelin­gen immer dazu: Nur wer den Unter­gang wagt, kann den Gipfel erre­ichen. Jeden­falls: Mir macht solche Poe­sie großen Spaß — mehr dazu im passenden Blo­gein­trag.

Netzfunde vom 7.5.

Meine Net­z­funde vom 7.5.:

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