Wien also mal wieder. Dieses Mal aber unter ganz besonderen Gesichtspunkten: “Wien — die kaiserliche Residenzstadt” hieß die Exkursion des Historischen Seminars, an der ich — aufgrund einiger glücklicher Umstände — trotz verspäteter Anmeldung noch teilnehmen durfte/konnte. So machte ich mich am Freitag also wieder einmal auf nach Wien, eine meiner Lieblingsstädte.
Das war aber auch schon gleich die erste Herausforderung: Treffpunkt zur Abfahrt war 7:30 Uhr am Mainzer Hauptbahnhof. Das hieß für mich: Der Wecker klingelte um 5:30 Uhr, damit ich noch ohne größere Zeitnot eine Runde laufen gehen konnte. Trotz der unbarmherzigen Zeit hat das gut geklappt, ich war dann sogar noch fast zu früh am Bahnhof, wo so langsam alle anderen der 15 Teilnehmer eintrudelten. Der Regionalzug braucht uns dann unproblematisch zum Frankfurter FLughafen, von dort ging’s mit Air Berlin — bzw. mit dem Airbus 320 der Niki Air — ohne Problem nach Wien Schwechat. Und dort erst mal wieder in den Zug, der uns zu Wien Mitte brachte, von wo aus die Straßenbahn weiterhalf. Und nach ein paar hundert Metern Fußmarsch standen wir dann in der Baustelle, d.h. direkt vor dem Hotel Academia in der Pfeilgasse. Das liegt zwar recht praktisch, nicht weit vom Burgring, ist aber auch recht spartanisch und fast schon ein Denkmal. Seit der Eröffnung in den 1960ern hat sich an der Inneneinrichtung nämlich offenbar gar nichts getan — nur etwas abgenutzt wurde sie im Laufe der Zeit. Aber immerhin war’s sauber — und viel Zeit verbrachten wir da ja eh nicht.
Schon am ersten Tag ging es gleich mittags los — mit einem großen Rundgang durch den 1. Bezirk und entsprechenden Ausführungen zur “Stadttopographie” — Parlament, Rathaus (Alt und Neu), Burgtheater, Universität, Votivkirche, Judenplatz, St. Ruprecht, St. Stephan, Albertina, Staatsoper — und schließlich noch die Hofburg in all ihren Teilen (vor der neuen Burg, auf dem Heldenplatz, wurde allerdings gerade noch das Erntedankfest des Bauernverbandes aufgebaut). Mit dem Extra-Referat zur Baugeschichte waren wir dann erst fertig, als die Sonne schon längst verschwunden war und das Licht nur noch vom Mond und aus den Straßenlaternen schien.
Samstags klingelte mein Handywecker wieder ausgesprochen früh, nämlich bereits um 6:30. Wieder eine Morgenlaufrunde, die mich über den Ring und Karlsplatz zum Bellevue führte, wo um diese Zeit noch (fast) nichts los war. Über Naschmarkt und Karlsplatz fand ich deann den Weg zurück — auch wenn ich zwischendurch an meinem Orientierungssinn etwas zweifelte. Und angesichts der Alkoholleichen, die beim Naschmarkt aus dem Club in die Taxen fielen, einen anderen Rückweg bevorzugt hätte. Nach dem eher kargen Frühstück (leider ohne Müsli) war es auch schon Zeit für dem gemeinsamen Abmarsch: Zurück zum Belvedere. Dieses Mal aber mit der Straßenbahn. Und dort dann ausführliche Erkundung: Erst mit dem biographischen Referat zu Prinz Eugen, dem Erbauer dieser Sommerresidenz (das auch gleich den Hintergrund für mein eigenes Referat am Mittag lieferte). Und dann ein super ausführlicher Vortrag zur barocken Gartenbaukunst, mit dem großartigsten Handout, das ich je gesehen habe — vollgestopft mit (farbigen!) Abbildungen und Hinweisen … Der Garten beschäftigte uns noch den Rest des Vormittags — bei dem strahlenden Sonnenschein und Temperarturen um 30 °C hatten wir allerdings die Tendenz, Schattenzu suchen. Danach führte uns unser Weg zum Arsenal, wo sich das Herresgeschichtliche Museum befindet. Davor, im Schweizerpark, durfte ich noch zu “Prinz Eugen als österreichischem Erinnerungsort” referieren — trotz meiner etwas knappen Vorbereitung und meiner eher konfusen Notatate hat das ganz gut geklappt. Das Heeresgeschichtliche Museum war ein sehr seltsames Erlebenis: Ein großartiger Bau (vor allem wenn man den ursprünglichen Zweck als Arsenal bedenkt), der ganz unbescheiden auf das Arsenal von Venedig (vor allem in der äußeren Gestaltung) und den dortigen Markusdom (insbesondere im Inneren, den Decken und der Benutzung von Gold(-farbe), Die Ausstellung in diesem Meisterwerk des Historizismus war allerdings so ziemlich die schrecklichste, die ich ich erinnere — nicht nur wegen der Exponate, sondern auch wegen der Präsentation: Ohne Zusammenhang, ohne Erklärung, ohne Ordnung und Einordnung werden hier einfach mannigfaltige Waffen, Schlachtenbilder, Heerführer etc … hingestellt. Der Prinz-Eugen-Raum ist dann auch ein ziemlicher Witz: Ein unbeleuchtetes, stark nachgedunkeltes Porträt, die Bahrtücher und kaum mehr, das ganze unauffällig in der Ecke untergebracht. Etwas besser war die Ausstellung im Teil zum Zweiten Weltkrieg — aber auch hier noch total überladen. Ntürlich interessiert mich Militärgeschichte auch allerhöchstens peripher — aber das ist ja sozusagen mein Problem. Hier zeigte sie sich aber auch von ihrer unansehnlichsten Seite. Eine kleine spezielle Freude bereitete allerdings die Probe einer kleinen Schauspieltruppe, die an Heiner Müllers “Wolokolamsker Chaussee “arbeitete und auf dem Balkon des Arsenals einiges ausprobierte — ich habe lange keinen Müller-Text (in diesem unverwechselbaren Sound!) mehr live gehört …
Nach der Mittagspause in der “kleinen Steiermark” im Schweizerpark trafen wir uns am Karlsplatz wieder zur Abfahrt zum von Touristen natürlich total überlaufenen Schloss Schönbrunn, wo wir uns an der Ecke des Gartens zunächst Maria Theresia widmeten, bevor wir den Garten spazierend erschlossen — inklusive einem Abstecher zur Gloriette mit ihrem schönen Ausblick über Garten, Schloss und Stadt. Nach der Rückkehr in die Stadt verschlug es uns in die “Kantine” im Museumsquartier, wo man nicht nur gut speisen konnte, sondern auch sehr schön am Samstag Abend einfach noch entspannt den Tag ausklingen lassen konnte.
Der Sonntag begann — natürlich — wieder mit einem Morgenlauf. Dieses Mal führten meine Füße mich über die Westbahn auf die Heiligenstädter Straße, einfach gerade stadtauswärts. Zum GLück fand ich auf dieser Strecke eine McDonalds-Filiale, sonst wäre es zu einem Notfall gekommen — morgens laufen ist einfach nicht mein Ding …Vormittags standen zunächst zwei weitere Sommerresidenzen auf der Stadt, die im 18. Jahrhundert noch vor der Stadt lagen, heute aber schon zum Kern gehören. Wir begannen mit dem Palais Schönborn: Davon ist aber nur sehr wenig übrig, vor allem vorm Garten gar nichts — und auch noch dazu mit einer falsch beschriftete Beschilderung, wie wir feststellen mussten. Dann widmeten wir uns dem Palais Liechtenstein, das nicht nur von Anfang an wesentlich repräsentativer, größer und ästhetische beeindruckernder angelegt war, sondern auch schön restauriert wurde und vor allem über einen schönen Garten verfügt. Das ist allerdings auch nicht mehr die origianle barocke Anlage, sondern eine Umgestaltung des 19. Jahrhunderts zum Englischen Garten. Natürlich wurde der “reine” Besuch der Orte auch hier jeweils mit den entsprechenen Fachreferaten zur Familiengeschichte ergänzt. Das Ende des Vormittagsprogramms bildete — nach einem Überblick über Wien als “Stadt, in der der Kaiser residierte” — der Besuch des Wien-Museums neben der Karlskirche. Und das lohnt sich wirklich. Nicht nur wegen der vielen Stadtansichten, auch die Exponate sind hier bunt gemischt aus Stadtleben und Kunst und mit kurzen, aber ausreichenden Texten schön zusammengestellt. Highlights sind — neben den Fenstern und Statuen von St. Stephan (den Originalen, die dort schon im 19. Jahrhundert durch Kopien ersetzt wurden) — vor allem die drei auf-/nachgebauten Räume: Das Wohnzimmer Alfred Loos’, die Wohnugn von Grillparzer und ein großbürgerlicher-adliger Jugendstil-Salon. Eine lebendige, umfassende Austellung zur Geschichte Wiens in Schlaglichtern.
Den Nachmittag widmeten wir ausführlich der Karlskirche, dem äußeren und inneren Bildprogramm, ihrer Planung, Entstehung und Ausführung. Und natürlich besodners den Fresken der inneren Kuppeln, weil noch die Möglichkeit bestand, das ehemal szu Restaurierungsarbeiten aufgestellte Gerüst mit dem Lift (und einigen abschließenden Treppen) zu nutzen, die Fresken aus wirklich unmittelbarer Nähe zu bestaunen — erstaunlich, wie detailreich die ausgeführt wurden, obwohl sie doch eigentlich für die Betrachtung vom Boden aus angelegt waren. Aus der Laterne ganz oben konnte man sogar einen schönen, weiten Blick über die Wiener City werfen — nur schade, dass man nicht hinaus konnte: Das wäre spannend gewesen … Den Rest des Nachmittags verbrachten wir dann mit einem Spaziergang über den Graben und auf dem angenehm entspannten Erntedankfest, wo es auch leckeren Saft gab — bei gut 30 °C und weiterhin purem Sonnenschein ein wahre Genuss. Abends landeten wir dann zu Speis und Trank im “Bettelstudenten”, der uns mit einem großzügigen Gutschein über die Hälfte des Rechnungswertes überraschte — damit war der Plan für Montag auch klar …
Aber noch war es nicht so weit. Der Montag begann nämlich noch etwas früher — wegen des Aufbruchs um 8:30 Uhr fiel mein Morgenlauf allerdings auch etwas kürzer aus. Unser Programm führte uns zunächst zum Haus‑, Hof- und Staatsarchiv, mit interessanter, weit ausgreifender Führung. Interessant nicht nur die Geschichte des Archives, sondern auch die des Archivsbaus, einer Stahlträgerkonstruktions mit Gitterböden (für die bessere Luftzirkulation) in den Depots, die auch über erstaunlich kunstvoll gearbeitete Metallregale (die zugleich Teil der tragenden Konstruktion sind) aus dem 19. Jahrhundert verfügt. Und in denen natürlich wahnsinnige Schätze lagern … Sehen durften wir — neben einigen Faksimiles — davon einige der privaten Tagebücher Karl VI. Interessant, wie sich so eine Schrift im Laufe der Jahre verändert. Und wie auf manchen Seiten mehr Ziffern als Buchstaben zu finden sind, weil Karl gerade in späteren Jahren doch einiges nur chiffriert notierte. Dem Besuch der “archivalischen Sätze” schloss sich ein Besuch der weltlichen an: In der Schatzkammer der Burg bestaunten wir vor allem die Reichsinsignien (mit Referat, natürlich), die alte Kaiserkrone, Szepter, Schwert, Reichsapfel und den ganzen wertvollen Krempel, nicht zuletzt die Krönungsgewänder. Und natürlich auch den Schatz des Ordens vom Goldenen Vlies, den uns ein anderes Referat schon vorgestellt hatte.
Nach unserer kleinen Pause im Cafe Central — ein Kaffeehausbesuch pro Wienbesuch ist ja sozusagen obligatorisch — fuhren wir mit U‑Bahn und Bus nach Klosterneuburg, bestaunten unterwegs schon den Karl-Marx-Hof, eines der größten Projekte des Sozialwohnungsbaus und widmeten dann viel Aufmerksamkeit dem Stift Klosterneuburg, seiner barocken Kirche mit ihrer fast pronographischen Pracht und vor allem dem Residenzteil, den mageren Resten des Escorial-Plans Karls VI. (allein die Reichskrone auf der Mittelkuppel hat jagigantische Ausmaße auch wenn sie nur aus Kupfer ist …) und sahen auch, wie solche Prachtbauten im Rohbau aussahen … Auf dem Rückweg kehrten wir noch beim Heurigen ein und genossen ausreichende Mengen des “Sturms”, wie die Österreicher den Federweißen nennen. Abschließen mussten wir den Abend natürlich mit einer Rückkehr zum Bettelstudenten — schließlich brannte der Gutschein ein Loch in unsere Tasche (überlebte aber naturgemäß den Abend nicht …).
Am Dienstag schließlich ging es noch einmal früher los, jetzt klingelte mein Wecker um 6:15 Uhr — so langsam wurde es hart. Und die Lust, überhaupt zu laufen, schwand auch merklich … Nach dem Frühstück zogen wir um 8 Uhr los, die Koffer schon einmal in Wien Mitte für den Flug aufgeben und widmeten uns dann noch, ganz zum Schluss, der habsburgischen Memorialkultur: Zunächst in der schönen Augustinerkirche, wo vor allem die Herzgruft Beachtung fand, dann in der Kapuzinergruft mit den irrsinnigen Sakrophagen der Habsburger, vor allem den Prachtexemplaren von etwa Karl VI. oder dem gemeinsamen Sakrophag von Maria Theresia und ihrem Gemahl Franz Stephan. Und das war’s auch schon fast: In der verbleibendne Freizeit gingen wir zu dritt noch ins Mumok, in die großartige, gerade erst eröffnete Ausstellung “Museum der Wünsche” — so etwas wie eine Retrospektive des Museums, aus der eigenen Sammlung v.a., die grandiose Klassiker der Moderne mit zeitgenössischen Verrücktheiten kombiniert und versucht, da so etwas wie Ordnung hineinzubringen: Ungemein faszinierend wirklich in fast jedem Raum, nur halt wahnsinnig viel …
Nach dem abschließenden leckeren Käsekrainer düsten wir mit dem CAT zum Flughafen — und dann auch schon Up & Away nach Deutschland, mit der S‑Bahn von Frankfurt zurück nach Mainz, wo mein Bett mich sozusagen schon erwartete …
Eine spannende Exkursion war das, sicher, auch ziemlich anstrengend — aber schön. Und lehrreich. Und interessant. Nicht zuletzt wegen der angenehmen Gruppe ;-)
PS: Der Titel ist natürlich eine popkulturelle Referenz [die mit Wien nix weiter zu tun hat …] — wer findet’s heraus?
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