Mainz — Stahringen: Eine kleine Mehrtagestour mit meinem “Tsunami” genannten Liegerad (so wild ist es aber gar nicht …) von Mainz bis (fast) an den Bodensee. Das war zugleich meine längste Fahrt mit dem Liegerad: 360 Kilometer in drei Tagen, so viel habe ich noch nie gemacht. Geplant habe ich die Strecke mit zwei praktischen Seiten für Radler: radweit.de und radreise-wiki.de. Ulrich Lamm hat auf Radweit eine sehr gute und umfangreiche Sammlung von erprobten Routen. Die haben gegenüber den “normalen” Radwegen den Vorteil, dass sie wo immer möglich auf asphaltierte Wege oder Straßen setzen, bei fehlenden Radwegen Routen mit möglichst geringer Verkehrsbelastung auf Nebenstraßen nutzen und das ganze in eine ziemlich augeklügelte Karte übertragen. Da ich fürs Fahrrad kein vernünftiges GPS-Routensystem habe, schien mir das die beste Navigationsmöglichkeit. Und es hat auch ziemlich gut geklappt. Benutzt habe ich die Routen Mainz-Heidelberg, Heidelberg-Karlsruhe und Karlsruhe-Konstanz von Radweit, ergänzt um die Heidelberg-Umfahrung aus dem Radreise-Wiki.
Tag 1: Mainz-Karlsruhe
Am langen ersten Tag mit einer flachen Etappe, die dafür die meisten Kilometer hat — nach meiner Rechnung 140 Kilometer — ging es nach einem lockeren und kurzen Morgenlauf um 8.15 in Mainz los. Das Wetter war noch verhalten freundlich: Wolken mit einigen kurzen Sonnenfenstern, aber immerhin kein Regen. Und mit um die 15 °C am Morgen auch angenehme Temperaturen.
Den Anfang der Strecke kannte ich immerhin schon, so dass ich zunächst meine Karte gar nicht brauchte. Die steckte praktisch und griffbereit in der Oberschenkeltasche — auf dem Liegerad kann ich die ja nicht so einfach am Lenker befestigen …
So ging es also los: Über Mainz-Kostheim nach Gustavsburg, wo ich mich erst einmal durch eine riesige, aber langsame Radlergruppe drängeln musste, die auf mein Klingeln so überhaupt nicht reagierte, nach Ginsheim, wo ich den Rheinradweg schon wieder verließ. Denn meine Route kürzte sozusagen ab, um erst in Erfelden wieder auf den (Alt-)Rhein zu stoßen. Von dort ging es ohne Probleme weiter nach Stockstadt, Gernsheim in Richtung Bergstraße. Bei Erfelden, wo ich eine kleine Früstückspause machte, merkte ich dann auch: Mist, das Handy ist gar nicht in der Packtasche! Das lag friedlich noch in Mainz auf dem Schreibtisch … Blöd, damit hatte ich nicht nur keinen Foto, sondern auch meine “Not-Navigation” fiel aus.
In Lorsch hatte ich das erste kleine Navigationsproblem, weil ich wohl einfach zu schnell durch die Innenstadt rauschte und dabei den Abzweig verpasste. Das konnte ich aber schnell korrigieren und den Radweg nach Hüttenfeld und Viernheim wieder finden. Da passierte wieder ähnliches: In den Städten ist die Navigation mit einer Karte im Maßstab 1:100.000 gewöhnungsbedürftig, das hatte ich noch nicht so recht raus. Auch in Viernheim verpasste ich jedenfalls wieder einen Abzweig, merkte das aber zum Glück auch sehr bald, so dass ich nur wenig zurückfahren musste. Hinter Viernheim war es dann einfach, durch die Felder vorbei an Muckensturm, durch Heddesheim nach Ladenburg, wo ich am Neckar erst einmal Mittagspause machte. Von dort folgte ich dann der Radreise-Wiki-Route, die mich über Plankstadt und Oftersheim nach Walldorf führte, wo ich wieder auf eine Radreise-Route (Heidelberg-Karlsruhe) stoßen wollte. Zwischen Oftersheim und Walldorf musste ich noch einmal kurz pausieren, weil ich den Wolkenbruch abwarten wollte. Das war ziemlich heftig, dauerte aber zum Glück nicht lange, so dass ich bald wieder auf dem Rad saß und durch Walldorf radelte. Das erwies sich aber als schwierig, weil das Ortszentrum von Walldorf eine große Baustelle war, die mich ziemlich durcheinander brachte. Dann waren die Radweg-Schilder auch noch so seltsam aufgestellt, dass ich an der SAP vorbei komplett in die falsche Richtung radelte und mir wieder ein bisschen Umkehrweg einfing. Aus der anderen Richtung kommend waren die Radweg-Schilder durch die SAP-AG etwas besser zu erkennen, auch wenn die Wegführung eine große Katastrophe war — kreuz und quer durch das Firmengelände bzw. seine Ränder, mit ständigen Richtungswechseln und Abzweigungen … Aber nachdem ich da durch war, ging es dann wieder etwas voran — durch St. Leon-Rot (mit einer kurios-katastrophalen Brücke über die A6), und dann erste einmal lange — kilometerweit — schnurgeradeaus.
Karlsdorf und Spöck (wo ich noch einmal kurz pausierte und meine Getränkevorräte auffrischte) sorgten noch einmal für ein paar Kurven, bevor es von Friedrichsthal aus wieder kilometerweit geradeaus durch den Wald nach Karlsruhe ging. Dort stieß ich dann auf den Konrad-Adenauer-Ring und versuchte mein Glück, den Hauptbahnhof zu finden. Wäre die entscheidende Kreuzung (wo ich abbiegen musste) nicht wieder eine große Baustelle gewesen, hätte ich das vielleicht ohne Nachfragen geschafft. Aber auch so ging es dann und ich landete am Bahnhof, wo mein Bett im A&O‑Hostel wartete. Das ist zwar vergleichsweise günstig, aber auch sehr laut (durch die Straßenbahnen vor allem) und ein bisschen abzockerisch: Statt dem gebuchten 4er-Zimmer war ich im 6er ohne vernünftigen Schrank, Lampen oder Steckdosen … Aber für eine Nacht reichte es. Und es gab immerhin die Möglichkeit, mein Rad in der Garage unterzustellen.
Im Hostel merkte ich dann erst so richtig, wie anstrengend der Tag doch war: Knapp 160 Kilometer waren es geworden, außer den Brücken fast topfeben, aber dennoch einfach ziemlich lang … Meine Oberschenkel waren ziemlich kaputt, was mich den nächsten Tag mit etwas Bangigkeit erwarten ließ. Denn dann sollte es eigentlich erst anstrengend werden, weil meine Route mich dann in den Schwarzwald führen sollte …
Aber mit viel Nachtruhe würde das schon klappen … Daraus wurde es dann aber nicht so recht etwas, ich bin zwar früh im Bett gewesen, aber auch super früh aufgewacht, nämlich schon gegen 5 Uhr. Frückstück gab es da noch nicht, aber schlafen konnte ich auch nicht mehr … Das Frühstück habe ich dann genossen, das war auch ganz solide. Um kurz nach 8 war ich dann aber doch wieder auf dem Rad, die Taschen gepackt und startbereit für einen neuen Tag.
Die gefahrene Strecke (mitsamt den Verfahrern) als gpx-Datei: Mainz-Karlsruhe
Tag 2: Karlsruhe-Schömberg
Der zweite Tag wurde hart. Der Start in Karlsruhe war aber noch harmlos. Erst einmal durch die fremde Stadt. Das ist mit dem Liegerad nicht immer das größte Vergnügen, weil die Übersicht über Verkehr und Schilder doch etwas weniger gut ist. Dieses Mal hat es aber ohne Verfahren gut geklappt, ich habe den Weg durch den Park gefunden und war schnell in Oberreut, wo mir der Wind ganz schön kräftig entgegenblies. Überhaupt war das Wetter nicht mehr ganz so schön: Die Temperaturen waren niedriger, die Wolken bedrohlicher und dichter, der Wind deutlich frischer. Hinter Neu-Forchheim verschwand ich dann im Hardtwald — so ziemlich die schlechteste Teilstrecke, weil der Waldweg unbefestigt war und mich deswegen etwas ausbremste. Zum Glück ging es bei Malsch wieder auf die Landstraße, da kommt man einfach zügiger voran. Hinter Muggensturm musste ich dann allerdings anhalten und die Kleidung wechseln: Es fing an zu regnen. Dabei hat mir der Wind dann auch noch das etwas unstabil abgestellte Rad umgeschmissen und meine Klingel zerdeppert (naja, von besonders großem Nutzen war sie eh nicht …). Den restlichen Tag bin ich dann in Regenjacke gefahren — so richtig hörte das nämlich nicht mehr auf mit dem Nieseln und Regnen. Viel Wasser war das zwar nicht, was von oben kam — aber von unten kam es auch, und von vorne. Meine Brille jedenfalls wurde nicht mehr trocken — das ist fast das nervigste an dem Wetter gewesen, dass die Sicht immer so bescheiden war.
Vor mir sah ich jetzt schon den Schwarzwald ganz schön bedrohlich aufsteigen. Und es wurde auch hügeliger. Hinter Muggensturm (nicht zu verwechseln mit dem Muckensturm bei Viernheim!) ging es über Beischweier nach Gaggenau, wo ich auf die Murg stieß. Und damit war ich auch auf der “Tour de Murg”, dem Radweg, der den gesamten Flussverlauf begleitet, mehr oder weniger nah am Wasser. Und jetzt ging es bergauf, kontinuierlich fast den ganzen Tag. Manchmal flacher, manchmal steiler — und manchmal sehr steil: so steil, dass ich geschoben habe. Von Gaggenau aus bin ich dann erst Mal einige Zeit dem Radweg gefolgt, durch Gernsbach und Weisenbach bis Langenbrand. Da habe ich mich dann vertan auf meiner Radweit-Karte und bin auf dem Radweg geblieben, obwohl der Routenvorschlag hier ein Stück Straße vorschläg — zu Recht, denn der Radweg ist zunächst im Ort sausteil (habe ich geschoben …) und führt dann auch außerhalb des Ortes sehr weit hoch in den Wald bei entsprechend bescheidenem Wegzustand. Und die ganzen Höhenmeter verliert man dann wieder in einer Abfahrt nach Gausbach hinunter, die wegen des holprigen Weges aber auch nicht besonders schnell war. Nun ja, jetzt schaute ich wenigstens wieder genauer auf die Karte …
Die “Tour de Murg” führte mich nun in langen, halbwegs sanften Steigungen vorbei an Forbach und Raumünzach über Schönmünzach nach Baiersbronn, wo ich mich noch einmal verpflegte, bevor ich mich auf den Rest des Weges machte. Nun ging es erst einmal nach Freudenstadt. Und so langsam wurde es wirklich hart, die Steigungen wurden wirklich anstrengend für meine Beine … Bei Freudenstadt bin ich mir auch nicht sicher, ob Ulrich Lamm den besten Weg gefunden hat: Um eine steile Strecke zu vermeiden, blieb ich auf der Talstraße im Christophstal, die aber auch weit und hoch bergauf ging. Man, das zog sich vielleicht, dieses kleine Tal! Dafür führte sie mich an Freudenstadt vorbei. In Freudenstadt war aber noch nicht Schluss für mich, 8 Kilometer lagen noch zwischen mir und dem Tagesziel. Und die waren extrem hart. In Freudenstadt ging es einfach immer noch weiter bergauf, da bin ich schwer ins Schwitzen und Keuchen gekommen. Immerhin hatte ich mich jetzt schon auf über 800 Meter hoch gearbeitet. Und da oben war es auch nicht flach, sondern hügelig — Schwarzwald eben. Aber auch die letzten Kilometer schrumpften, die letzten kleinen Hügel erklomm ich in noch kleineren Gängen und erreichte schließlich Schömberg, wo ich in der “Sonne” übernachtete.
Vor dem Schlaf stand aber noch ein kurzer Lauf auf dem Programm, rund ums Dorf, das ja nicht so besonders groß ist. Das war zwar superlangsam, aber für die Beine doch mal eine ganz nette Abwechslung und wenigstens ein kleines bisschen Lockerung.
Danach bin ich dann aber auch ziemlich schnell weggedämmert …
Die gefahrene Strecke als gpx-Datei: Karlsruhe-Schömberg
Tag 3: Schömberg-Stahringen
Der dritte und letzte Tag sollte eigentlich wieder easy werden, so hatte ich mir das gedacht. Schon beim Aufstehen und der klitzekleinen Morgenlaufrunde war aber klar, dass es so ganz einfach nicht werden würde: Die Beine waren jetzt so richtig müde, viel Restkraft war da offenbar nicht mehr vorhanden. Dafür war es richtig frisch auf dem kleinen Hochplateau von Schömberg — als ich um halb neun auf meinem Liegerad Platz nahm, waren es gerade mal 8 °C. Und so richtig warm wurde es den ganzen Tag auch nicht mehr. Dafür erfrischte mich der Morgen erst einmal: Mit einer spannenden Abfahrt nach Loßburg hinunter begann die Fahrt auf der schlechten Landstraße richtig aufregend. Und kurz hinter Loßburg fing es dann in den welligen Hügeln des Schwarzwald erst einmal kräftig an zu regnen. Und es regnete eine gute Stunde ziemlich viel. Aber immerhin hörte es dann auch wieder auf und blieb den Rest des Tages zwar trüb und feucht-kalt, aber wenigstens regenfrei. Von Loßburg aus fuhr ich auf kleinen und nicht ganz so kleinen Straßen — in manchen Abschnitten waren da erstaunlich viele LKWs unterwegs — dann durch die Hügellandschaft des Schwarzwaldes. Eine sehr schöne Strecke eigentlich, nur machte es wegen dem Regen zunächst nicht ganz so viel Spaß. Von Loßburg aus ging es über Fluorn-Winzeln und Dunningen dann zwischen Villingen-Schwenningen und Trossingen vorbei in Richtung Tuttlingen. Da waren zwar keine wirklich harten Steigungen dabei (bis auf das Stück in Niedereschach, das ich nur schiebend bewältigte), aber es ging eben doch immer mal wieder bergauf. Dafür waren auch schöne Abfahrten dazwischen, so dass die Durchschnittsgeschwindigkeit nicht ganz in den Keller sank. Denn bei den “Berg”-Fahrten merkte ich zunehmend, das die Kraft in den Beinen zu Neige ging.
Nach der Mittagspause in Tuttlingen nahm ich dann den letzten Anstieg in Angriff: Hinauf zum Windegg, noch einmal auf knapp 850 Meter hoch. Das war brutal … Oben angekommen, begrüßte mich eine steife Brise, die dem Namen alle Ehre machte. Und das Wissen, dass es ab jetzt fast nur noch bergab gehen würde. Und zwar richtig schön: Zunächst führte mich der Radweg nach Emmingen udn von dort durch den Wald nach Eigeltingen. Die Straße dort hinunter war zwar eigentlich wegen Bauarbeiten gesperrt, der Radweg aber offiziell nicht — obwohl er auf der Straße verläuft ;-). Also habe ich mich einfach nicht um die Sperrung geschert und mein Glück versucht. Und das war auch gut so, die Straße war nämlich gerade komplett neu gemacht worden — und schon fertig. Nur ein paar Bäume wurden am Straßenrand noch beseitigt — aber das störte mich nicht weiter, ich genoss es, die ganze neue glatte Straße für mich allein zu haben. Und dann war ich ja auch schon fast am Ziel: Hinter Eigeltingen geht es noch durch ein paar kleine Dörfer und dann ist man schon in Stahringen angelangt. Und ich war froh, dass ich am nächsten Tag nicht mehr weiterfahren musste: Meine Beine brauchten dringen mal etwas Ruhe.
Die gefahrene Strecke als gpx-Datei: Schömberg-Stahringen
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