Obersalzberg: Gratwanderung auf Hitlers Hausberg | derStandard → der “standard” war auf dem obersalzberg und berichtet sehr anschaulich, wie schwierig es (immer noch) ist, dort zu einem angemessenen umgang mit der vergangenheit des ortes, seiner gestaltung und den überresten aus der zeit des nationalsozialismus umzugehen
Der Kalte Krieg verhinderte eine wirkliche Beschäftigung mit diesem kriminellen Feldzug. Wir Deutschen wissen sehr genau, was in Oradour in Frankreich passierte, wo ein Dorf samt Einwohnern ausgelöscht wurde. Wir wissen aber nicht, dass es allein in Weißrussland mehr als 200 solcher Oradours gab.
Im Kalten Krieg war es eben nicht opportun, darüber zu forschen. Deshalb hat noch in den neunziger Jahren die Wehrmachtsausstellung von Reemtsma einen solchen Aufruhr erzeugt.
“Unabdingbare Erschütterung”, “verfallene Gemäuer”, “die Begegnung zweier Menschen im Zenit des Untergangs einer verlorenen Welt” — der Umschlagtext hält sich nicht zurück. Dabei ist Weisenfels eigentlich ein ziemlich seltsamer Roman: Zwei (ehemalige) Freunde treffen sich im Familiensitz des einen, einem verfallenden Schloss, dass gefüllt ist mit Artefakten der abendländischen Kunst- und Kulturgeschichte — aber nicht mit Menschen. Die beiden wandeln durch die Gemäuer und durch die Sammlungen und durch die Erinnerung an eine Welt oder eine Epoche, die nicht mehr verfügbar ist — eine Unternehmung, die ganz folgerichtig nur mit dem Tod enden kann. Es war nicht so sehr der plot, der mir schwerfiel, sondern die sehr seltsame Prosa, die Sofsky hier pflegt. Das ist ein unentwegtes Deklarien, Dozieren und Deklamieren, sowohl der Figuren als auch des Erzählers. Überhaupt die Figuren, die sind auch sehr seltsam — nämlich eigentlich nur (noch) als Maske, als Rolle oder als Platzhalter präsent und damit untote Hüllen, leblose Überreste einer einst lebendigen Welt (dem christlichen Abendland, das mit seiner Tradition und Bildung so gerne beschworen wird, aber schon lange nicht mehr lebendig ist …). Religion und ihre Anziehungskraft, aber auch ihre Ausprägungen, Praxen und Theologien spielen eine große Rolle, vor allem aber ein ganz wörtlich genommenes Leben „in“ Kulturen: Wenn hier überhaupt noch Leben ist, dann im Überrest der Kultur, nicht aber in dem, was man Welt nennen möchte.
Der Verlust der Bildung und der Kultur ist sozusagen die Grundthese, von der aus dieser Text geschrieben ist. Der kokettiert aber zugleich selbst auf allen Ebenen und aufdringlich permanent damit, mit dem Bildungswissen seiner Protagonisten bzw. deren Erzähler: Tabak, Whiskey, Renaissance-Malerei, Kunstmusik des 19. Jahrhunderts, Literatur, Enzyklopädistik, Skulpturen — alles ist hier da, präsent und wird erzählt. Man könnte auch sagen: Das ist lauter bedeutungsschwangeres Wissen-Geklingel … Denn die Idee ist schnell klar, ebenso schnell zeigen sich Längen im Text, der manchmal recht zäh daherkommt. Denn auch ihm gelingt natürlich nicht das, was im und mit dem Schloss versucht wird: Der Versuch, den ewigen Prozess des Zerfallens und Verfalls anzuhalten, den Verlust zu vermeiden: Deshalb das manische Sammeln und Rekonstruieren verlorener Bildungs- und Kulturgüter — ein Versuch, der nahezu zwangsläufig mit dem Verlust der Erinnerungen, des Selbst und des Lebens — also dem Tod — enden muss.
Mit dem “dünnen Faden” konnte Strobel mich nicht so recht begeistern. “Schnörkellose Schilderungen des mühsam unterdrückten Alptraums im Häuschen im Grünen” verspricht der Schutzumschlag. Das trifft die Erzählungen auch ziemlich genau, verschweigt aber, dass sie dabei eher fad herüberkommen — unter anderem, weil das Muster schnell erkannt ist: Es geht um einbrechende Gefahren, Drohung, Androhungen und Streit. Immer wieder wird der Alltag durch ein plötzlich über die Protagonisten herbrechendes Unheil, ein Unglück und Tragik, in der Realität des Figurenlebens oder auch nur in Gedanken, Träumen und Ahnungen, unterbrochen. Das besondere bei Strobel ist dabei, dass gerade die Momente der Erwartung des Unheils, das spürbare, aber (noch) nicht zu benennende (und damit auch nicht zu hegende) Brodeln unter der Oberfläche des gewönlichen Alltags eine große Rolle spielt. Vieles ist und bleibt dabei auffallend unspezifisch — nicht nur Ort, Raum und Zeit, sondern vor allem die Figuren selbst. Das kann man natürlich aus dem erzählten Geschehen — etwa dem Nebeneinanderleben der Paare, der ausgestellten Nicht-Kommunikation — motivieren. Das wird auch dementsprechend ganz unauffällig erzählt, in unmarkiertem Stil und unmarkierter Form. Lauter Normalität — oder eben leider oft: Mittelmaß — also. Klar, der “mühsam unterdrückte Alptraum” ist da: unter den Oberflächen brodelt es gewaltig. Aber der Text verrät das kaum, seine „schnörkellose Schilderungen“ bleiben selbst schrecklich oberflächlich und vom Geschehen oder dessen Ahnung und Ankündigung gänzlich unberührt. Wofür dann die Stilverknappung, die künstliche Kunstlosigkeit gut ist, erschließt sich mir also nicht wirklich. Alles in allem überzeugen mich diese Erzählungen also leider überhaupt nicht.
Die Sprache. Sie ist ein unzureichendes Hilfsmittel, und sie ist das einzige Hilfsmittel. Ein schönes Dilemma. (131)
Peter Neumann: geheuer. Dresden: edition azur 2014. 88 Seiten.
Eine maritime Gedichtsammlung. Das Meer mit seiner Bewegung, der Grenze zwischen Land und Wasser, der (möglichen) Fremde und den unbeherrschten und unbeherrschbaren Gewalten spielt hier — der Titel weist darauf hin und das Titel“bild” unterstützt das noch — eine große Rolle. Sind das also Naturgedichte? Nunja, Natur taucht hier eher und vorrangig als Impuls für Wahrnehmung des Menschen und für Poesie auf, sie steht nicht für sich selbst und wird auch nicht so wahrgenommen und beschrieben. Neumanns Gedichte eröffnen oft und gerne einen großen Raum (der Imagination), ohne den auch nur annäherungsweise auszuloten und ohne das auch überhaupt zu wollen. Gewissermaßen wird eine Tür geöffnet, der Blick des Lesers in den Raum gewiesen — und dann alleine gelassen. Schön gemacht und deutlich zeigt das Gedicht “buddelschiff” dieses Verfahren:
das gefühl einer langen reise aufgeklappte masten und takelage, das englische
schiffstau zum reißen gespannt der wind humpelt auf eingeschlafenen beinen
durch die schmale öffnung im flaschenhals flaut ab, ein helles pfeifen (55)
Typisch für Neumanns Gedichte ist außerdem ihre Kürze. Immer wieder sind sie durch das Anreißen von solchen Augenblicken der (erkenntnishaften) Wahrnehmung, die dann aber nicht weitergeführt und ausgearbeitet wird, gekennzeichnet. Selten sind sie länger als 10/12 Verse. Formal scheinen sie mir vor allem dem Fließen, dem Flow verpflichtet, ohne erkennbare Regelhaftigkeit. Die Gedichte stehen zwar gerne in Gruppen von drei Versen, aber einen Grund erkenne ich dafür nicht …
Durch die inhaltliche und formale Kürze — wenn man das mal so nennen mag — kommt es manchmal zur Überfülle der visuellen und sprachlichen Bilder, die angehäuft, nebeinander gesetzt werden, aber im Text kaum beziehungen zueinander haben — außer eben dem vor allem als (ausgesparten) auslösenden Moment der Erinnerung an ein Gefühl, eine Empfindung, eine beobachtende Wahrnehmung. Das (fast) rein bildliche Sprechen wirkt dabei für mich etwas übersättigend — man darf wohl nicht zu viel am Stück lesen, dann wird die kunstvolle Schönheit dieser Gedichte schnell etwas schal. Aber es lohnt sich, immer wieder zurück zu kommen.
Jörg Döring, Felix Römer, Rolf Seubert: Alfred Andersch desertiert. Fahnenflucht und Literatur (1944–1952). Berlin: Verbrecher 2015. 277 Seiten.
Eine schöne Gemeinschaftsarbeit ist dieses Buch über Alfred Andersch, seine letzten Tage als Soldat im Zweiten Weltkrieg, seine Gefangenschaft und vor allem die literarische — oder eben autobiographische? — Verarbeitung dessen in mehreren Anläufen in der Nachkriegszeit, mit der sich Andersch auch und gerade im öffentlichen Diskurs sehr eindeutig und nachhaltig positionierte. Eine Arbeit des biographisches Forschens also. Aber nur bedingt biographisch, denn die drei Autoren betonen wiederholt, dass es nicht primär darum geht, die biographische Dimension fiktionaler Texte in den Blick zu nehmen (das wäre ja auch unsinning und wenig hilfreich), sondern darum, die spezifische Situation von Desertion, Kriegsende und Nachkriegszeit bzw. vor allem ihre Deutung in der Retrospektive zu untersuchen. Da Andersch die autobiographische Dimension der “Kirschen der Freiheit” stark forciert — und damit in der Lektüre und Diskussion des Textes auch erfolreich ist -, lässt sich das vertreten. Zumal die drei Autoren aus Germanistik und Geschichtswissenschaft sich mit weit(er)gehenden Deutungen und Spekulationen zurückhalten, sondern einen starken Fokus auf die Rekonstruktion der Ereignisse um Alfred Andersch im Krieg in Italien, um die (Möglichkeit der) Niederschrift und literarischen Bearbeitung solcher Erlebnisse in der Nachkriegszeit richten. Das ist, auch wenn ich mich für Andersch nur am Rande interessiere, gerade in der Vereinigung verschiedener fachlicher Perspektiven, sehr interessant und aufschlussreich — und trotz der teilweise sehr akribischen Aufarbeitung der militärhistorischen und werkstrategischen Zusammenhänge auch sehr gut — zu lesen.
Jules Renard: Das Leben wird überschätzt.Berlin: Matthes & Seitz 2015. 72 Seiten.
Diese ganz kleine — aber auch ausgesprochen feine — Auswahl aus dem “Journal” Jules Renards hat der inzwischen leider verstorbene Henning Ritter besorgt und auch selbst übersetzt, der Verlag Matthes & Seitz hat sie in seiner überaus empfehlenswerten Reihe “Fröhliche Wissenschaft” nun veröffentlicht. Das hier vorgelegte ist zwar chronologisch — von 1890 bis 1910 — an- und zugeordnet, aber dennoch kein eigentliches Tagebuch, sondern eher eine Notate-Sammlung (Ritter selbst hat sein ähnliches Unternehmen “Notizhefte” genannt). Man könnte auch sagen: Das sind Extrem-Aphorismen. (Zu überlegen wäre freilich, ob das im Original auch so ist, oder ob das erst durch die darauf abzielende Auswahl des Herausgebers so erscheint.) Denn was Ritter ausgewählt hat und hier veröffentlicht wird, das sind lauter kleine und knackige, treffende und totale Sätze. Das hat natürlich immer wieder ein Hang zum Apodiktischen, beruht aber andererseits auf einer genauen Beobachtung der Welt und ihrer Kunst, die sich mit einer ausgefeilten Präzision der genauesten Formulierung paart.
Ich denke nicht nach: Ich schaue hin und lasse die Dinge meine Augen berühren. (13)
Oft geht es in den Miniatur-Einträgen um die Literatur, noch mehr um das Schreiben an sich, aber auch um die Felder der Kritik und des Journalismus — lauter Zeitlosigkeiten also. Das Ich, sein selbst und seine Tugenden wird dabei genauso unbarmherzig und oft hart beobachtet wie die anderen um ihn und um die Jahrhundertwende herum. Da kann ich sehr viel Zustimmungsfähiges finden — man nickt dann beim Lesen immer so schön mit dem Kopf … -, auch pointiert Überraschendes, aber auch Fragliches. Gerade in seiner Haltung zur Welt, die vor allem aus seiner Absolutierung seiner Individualität resultiert, sehe ich nicht nur Vorbildhaftes.
Das Recht eines Kritikers ist es, seine Grundsätze einen nach dem anderen zu verleugnen, seine Pflicht ist es, keine Überzeugung zu haben. (5) Was ist das Leben, wenn es nur mit Augen gesehen wird, die nicht Augen von Dichtern sind? (22)
außerdem unter anderem gelesen:
Alexander Osang: Im nächsten Leben. Reportagen und Porträts. Berlin: Ch. Links 2010. 254 Seiten
Heinrich Detering: Vom Zählen der Silben. Über das lyrische Handwerk. München: Stiftung Lyrik Kabinett 2009. 28 Seiten.
Hans-Werner Richter: Die Geschlagenen. München: Kurt Desch 1949. 459 Seiten.
Siri Hustvedt: The Blazing World. London: Sceptre 2014. 379 Seiten.
Jürgen Kaube: Im Reformhaus. Zur Krise des Bildungssystems. Springe: zu Klampen 2015 (Zu Klampen Essay). 174 Seiten.
Isabella Straub: Das Fest des Windrads. Berlin: Blumenbar 2015. 348 Seiten.
Daniel Martin Feige: Philosophie des Jazz. Berlin: Suhrkamp 2014. 142 Seiten.
Thomas Hecken: Avantgarde und Terrorismus. Rhetorik der Intensität und Programme der Revolte von den Futuristen bis zur RAF. Bielefeld: Transcript 2006. 158 Seiten.
Harald Welzer, Dana Giesecke, Luise Tremel (Hrsg.): FUTURZWEI Zukunftsalmanach 2015/16. Geschichten vom guten Umgang mit der Welt. Schwerpunkt Material. Frankfurt am Main: Fischer 2014. 544 Seiten.
Benjamin Stein: Ein anderes Blau. Prosa für 7 Stimmen. Berlin: Verbrecher 2015. 107 Seiten.
Einerseits hat es ein gewaltiges Umverteilungsprogramm gegeben, bei dem private Schuldner – also vor allem die hoch verschuldeten Großbanken – mithilfe öffentlicher Gelder saniert wurden. Andererseits hat man mit der Restauration des Finanzsystems auch das alte Schlamassel der Zeit vor 2008 wieder herbeifinanziert: Es herrschen heute wieder die gleichen Risikolagen, die gleiche Instabilität an den Finanzmärkten. Paradoxerweise entsteht diese neue Unsicherheit eben genau durch die Maßnahmen, also das Ausschütten von viel Geld, mit denen die Krise bekämpft werden sollte. Was sich in dieser Zeit hingegen tatsächlich verändert hat, ist die Art und Weise, wie wir regiert werden. […]
Wir erleben also gerade ein finanzpolitisches Doublebind: Einerseits gibt die herrschende Dogmatik vor, dass das Wirtschaftswachstum nur mit Investitionen und neuem billigem Geld zu erreichen ist. Andererseits erhöht das gleiche billige Geld die Risikoanfälligkeit auf den Märkten. Dieses Dilemma kennzeichnet also an einem Punkt ihre Macht und gleichzeitig ihre strukturelle Ohnmacht.
— er sagt noch einiges mehr, was das interview sehr lesenswert macht. und sehr bezeichnend ist, dass solche eigentlich eminent ökonomischen (und politischen) beobachtungen gerade ein kulturwissenschaftler machen muss — die “fachleute” scheinen da (zumindest in der deutschen öffentlichkeit) keine position und/oder stimme zu finden …
Das Urheberrecht denkt auch in den sozialen Netzwerken viel zu sehr vom klassischen Werkbegriff her und nicht vom Ort, an dem etwas stattfindet. Und da sehe ich die Parallelen zur Problematik in der Kunst. Wer etwas in die Social Media platziert, gibt es frei – und die Welt kann damit machen, was sie will. Aber in den meisten Fällen macht die Welt gar nichts damit. Ab und zu passiert dann doch etwas, es entsteht gar ein Mem.[…]
Meiner Meinung nach hinkt bei etlichen Urteilen die Rechtsprechung der Kunstpraxis um zwei bis drei Jahrzehnte hinterher. Und das ist auch beim Technoviking der Fall.
Nicht nur in der populären Erinnerung wurde das Ausmaß der militärischen Kriegsunterstützung von Frauen lange vergessen, selbst in der umfangreichen Geschichtsschreibung zum Zweiten Weltkrieg werden Frauen zumeist nur als Arbeiterinnen in der Kriegsindustrie oder Krankenschwestern porträtiert. Dies ist um so bemerkenswerter, als wir heute auf fast dreißig Jahre Forschung zum Thema Geschlecht, Militär und Krieg zurückblicken können und die Ära der Weltkriege zu den am besten erforschten Perioden überhaupt gehört. Dieser Befund gilt nicht nur für die deutsche, sondern ähnlich auch für die internationale Geschichtswissenschaft. Wie ist die Verdrängung zu erklären? Warum fällt es vielen offenbar noch heute so schwer, sich Frauen als Soldatinnen vorzustellen? Ein Grund hierfür dürfte die Bedeutung sein, die dem Recht, im Dienste des Staates oder einer anderen höheren Macht Waffen tragen und töten zu dürfen – oder im Kriegsfall zu müssen – für die Markierung der Geschlechterdifferenzen zukommt. Seit der Antike ist dieses Recht männlich konnotiert. Die komplementäre Rolle der Frauen bestand bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein vor allem darin, Männer zum Kampf zu motivieren, Verwundete zu pflegen und Gefallene zu betrauern. […]Teil der Demobilisierung in der Nachkriegszeit war in allen kriegsbeteiligten Staaten eine Politik, die die Vorkriegsgeschlechterordnung und damit die soziale Stabilität wiederherstellen sollte. Frauen wurden aus den Armeen entlassen und mussten ihre während des Krieges eingenommenen Arbeitsplätze in Industrie, Handel und Verwaltung für die heimkehrenden Veteranen frei machen, die wieder alleinige Familienernährer werden sollten. Die 1950er Jahren mit ihrem Wirtschaftswunder wurden in Westdeutschland und anderen Ländern Westeuropas dank einer entsprechenden Familienpolitik zum “goldenen Zeitalter” des Modells der “Alleinverdiener-Hausfrau”-Familie.
Stradivaris Cello: Oh, Mara! | ZEIT ONLINE — carolin pirich über eines der berühmtesten cellos aus der stradivari-werkstatt und seinen momentanten besitzer, christian poltéra:
“Das Mara zu spielen ist wie mit der Stimme eines anderen zu sprechen”, sagt der neue Partner des Mara. “Das dauert ein, zwei Jahre, bis es nach mir klingt.”
Social Media: Das Netz bist du! | ZEIT ONLINE — kilian trotier porträtiert den britischen anthropologen daniel miller (und seine forschung), der weltweit die nutzung sozialer netzwerke erforscht und schon mal eines festgestellt hat: die regionalen nutzungsunterschiede sind gewaltig.
Heikel für Münkler ist, dass einige der ihm zugeschriebenen Einlassungen, die ihn in keinem guten Licht dastehen lassen, für Leute, die ihn kennen, einen nur allzu glaubwürdigen Sound haben.
Nachruf auf Odo Marquard — Mit Witz zum Denken anregen — ein Nachruf auf den Philosophen Odo Marquard beim deutschlandradio
Gewalt | Schmalenstroer.net — michael schmalenstroer bringt auf den punkt, warum man bei der darstellung von gewalttätigen momenten der geschichte manchmal sich einer sehr krassen sprache (und/oder bilder) bedienen muss:
Wenn DigitalPast also brutal ist, dann beschwert euch bei euren Großeltern. Weil die brutal waren.
Streik: Hurra, Deutschland liegt lahm | ZEIT ONLINE — sehr guter kommentar zum streiken in deutschlnd, unter anderem mit diesem schönen und leider so absolut zutreffenden satz: »Die SPD agiert momentan also ungefähr so sozialdemokratisch wie Ayn Rand beim Restpostenverkauf.«
Die Opernplattform ist eine Partnerschaft zwischen Opera Europa, einem 155 Opern und Festspiele umfassenden Netzwerk, dem Kultursender ARTE und 15 Opernhäusern aus ganz Europa. Sie wird vom Programm Kreatives Europa der Europäischen Kommission unterstützt und ist für alle Beiträge offen, die Oper einem breiteren Publikum zugänglich machen wollen.
Volksbanken: Meine Bank ist krank | ZEIT ONLINE — heinz-roger dohms hat eine (sehr) kleine und nicht sehr profitable genossesnchaftsbank besucht und berichtet von deren stellung probleme wohltuend unaufgeregt und ohne große lösungen …
Historische Jubiläen haben ziemlich viel mit Heilsgeschichte zu tun, mit kollektiven Erlösungswünschen plus Sinnangebot.[…]
Wie viel Platz für Überraschendes kann denn in den kollektiven Inszenierungen von Gedenken sein? 2017 ist Luther-Jubiläum – dann wird es ähnlich sein. Ein bisschen zugespitzt formuliert: Das Verhältnis zur Vergangenheit wird über Gebetsgemeinschaften organisiert.
Der 8. Mai 1945 – Tag der Befreiung? | resonanzboden — hubertus knabe findet die bezeichnung “tag der befreiuung” für den 8./9. mai 1945 unpassend und schlägt eine zurückhaltendere, bitterere lesart der erinnerung an das kriegsende vor
Die Deutschen tun gut daran, sich von solcher Mythenbildung fernzuhalten. Für sie sollte der 8. Mai vor allem ein Tag der Scham und der Trauer sein. Über 50 Millionen Menschen kamen durch die Politik der damaligen deutschen Regierung ums Leben – eine Last, die zu einer differenzierten und realistischen Sicht der Geschichte verpflichtet.
Wenn aber der immer gleiche Spin aus den offenbar immer gleichen “anonymen” Quellen kommt, dann sollte Ihnen als Leser klar sein, dass hier Journalisten vorsätzlich instrumentalisiert werden, um eine “Storyline” unter die Leute zu bringen.
Platten aus dem Plattenbau — taz.de — andreas hartmann hat für die taz das kleine, aber sehr feine (vor allem, wenn man auf abgefahrene musik so abfährt wie ich …) plattenlabel karlrecords entdeckt
Karl ist eines dieser vielen kleinen, aber feinen Labels, die es weltweit gibt und die nach der Krise der Musikindustrie durch die Digitalisierung in den nuller Jahren in einer Nische blühen und gedeihen — wegen des überraschenden Vinyl-Revivals.
(ich bin aber immer froh, dass die ihre sachen nicht nur auf vinyl, sondern auch digital — bei bandcamp — anbieten)
Das Neue der Neuzeit war die Bejahung der Unruhe, nicht jedoch das Empfinden der Unruhe selbst.
Digitale Agenda der Bundesregierung — Böses Netz — Christian Heise vom Centre for Digital Cultures der Leuphana Universität in Lüneburg kommentiert in der süddeutschen zeitung das totalversagen der bundespolitik bei digitalen und netzpolit. themen:
Die Netzpolitik der schwarz-roten Koalition ist ein Witz. Sie ist gekennzeichnet durch fehlenden Sachverstand und eine grundlegende Abwehrhaltung gegenüber der Digitalisierung. Statt Prioritäten zu deren Ausbau zu definieren, konzentriert sich die Bundesregierung darauf, die Potenziale des Digitalen zur Kontrolle und zur Überwachung der Bürger zu nutzen.
— auch der rest ist pointiert, treffend und sehr lesenswert!
Ich versteh nicht, was mit Verstehen gemeint sein soll. […] Verstehen im ästhetischen Sinne aber, wäre die Offenheit der Kunstwerke auszuhalten, und ihre Verweigerung, sich in einem instrumentellen Sinn übersetzen zu lassen, dass heißt, sich ersetzen zu lassen durch Handlung oder Aussage.
— ich glaube, dass “wäre” sollte durch ein “ist” ersetzt werden …
Der Fall zeigt, wie krank das Geschäft der Geheimdienste ist. Er zeigt, wie verschoben deren moralische und rechtliche Maßstäbe sind. Sehenden Auges nahm der BND hin, dass ihn die NSA dazu missbraucht, Unternehmen, Behörden und Politiker in Europa auszuspähen. Ein Pakt mit dem Teufel, dem zugestimmt wurde, weil man glaubte, ihn kontrollieren und vor allem davon profitieren zu können. Aber wenn jeder jeden betrügt und austrickst, wo bleiben dann Recht und Gesetz? Richtig, auf der Strecke. Keiner der Beteiligten scherte sich darum, niemand interessierte sich für Grundrechte der Bürger, auch das wurde in den Befragungen im Untersuchungsausschuss klar. […] Wenn nicht einmal die Regierung ihre Spione im Griff hat, dann hat niemand sie im Griff.
Der Bestand der deutschen Dokumente im Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums umfasst ca. 28.000 Akten und ist insgesamt in 50 Findbücher gegliedert. Nach dem Abschluss der ersten Projektphase werden am 29. April 2015 die für die Forschung besonders wichtigen Unterlagen des Oberkommandos der Wehrmacht (271 Akten) und des Heeres (988 Akten) sowie der Heeresgruppe Mitte (852 Akten) weitgehend online zugänglich gemacht. Ausgenommen sind bislang großformatige Karten, deren Digitalisierung besonders aufwändige Technologien erfordert. In einer zweiten Projektphase folgen in Kürze die Bestände der Heeresgruppe „Weichsel“ (54 Akten), des Amts Ausland/Abwehr im OKW (52 Akten), der Waffen-SS und Polizei (120 Akten) sowie Beutedokumente der Aufklärungsverwaltung beim Generalstab der Roten Armee –GRU (332 Akten).
John Deere and General Motors want to eviscerate the notion of ownership. Sure, we pay for their vehicles. But we don’t own them. Not according to their corporate lawyers, anyway
Einen Unterschied zwischen „Qualitätsjournalismus“ und Boulevard kann es dann nicht mehr geben, wenn alle Nachrichtenmedien einerseits aus den gleichen Interessen und den gleichen Quellen entstehen, und wenn sie andererseits alle an die gleichen Kunden (Anzeigen auf der einen, Leute die Kaufen, einschalten, klicken usw. auf der anderen) wollen, wenn sie Downgraden von Niveau und Respekt als Überlebensstrategie rechtfertigen. Dabei werden die Tricks der Nachrichtenerzeugung aus mehr oder weniger nichts immer selbstzerstörerischer.[…]
Kann denen mal vielleicht jemand sagen, dass die Unterscheidung zwischen gutem und schlechtem Journalismus nicht darin liegen kann, dass man letzte Grenzen der Niedertracht überschreitet oder nicht, sondern darin, dass man seine Arbeit und seinen Auftrag grundsätzlich anders versteht?
Auf Kante gepresst — Warum der Vinyl-Hype die Schallplatte kaputtmacht | Das Filter — interessante einblicke in die schwierigkeiten, die es mit sich bringt, ein “veraltetes” medium wie die schallplatte weiter zu produzieren — v.a. die probleme, die fehlender neubau von produktionsmaschinen und ‑werkzeug verursachen (von der frage nach material für zwischenstufen ganz abgesehen) …
The war diaries of Dieter Finzen in both world wars: Ende — Das Tagebuch von Dieter Finzen aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg ist vollständig online — mit dem 23. Oktober 1940 enden die Eintragungen, und damit ist auch das Blog mit den zeitversetzten Veröffentlichungen seiner Tageseinträge zu einem Ende gekommen. Spannend ist die Lektüre trotzdem …
die Anzahl der Romane, die mittlerweile von Spiegel-Redakteuren neben ihrem Job verfasst werden, korreliert auffällig mit dem Qualitätsverlust im Blatt.
BMW i3: Carsharing bestimmt das Autofahren von morgen — SPIEGEL ONLINE — Margret Hucko interviewt für den Spiegel den Verkehrsplaner Konrad Rothfuchs, der halbwegs optimistisch ist, dass die Situation in den Städten sich in nächster Zeit doch allmählich ändern wird — nicht so sehr aus ökologischen oder ökonomischen Gründen, sondern weil Zeit und Raum knapper werden:
aber schauen Sie mal mit welcher Selbstverständlichkeit die Autos die Straßen dominieren. Es ist ja nicht nur Raum weg. Autos stellen ein großes Unsicherheitsproblem dar […]
Die derzeit noch relativ hohe Durchschnittsgeschwindigkeit in deutschen Städten sinkt weiter kontinuierlich. Damit wird ein Umstieg oder ein Rückschritt aufs Auto eher unwahrscheinlich. Weniger der ökologische Gedanke veranlasst uns, Bus und Bahn zu nehmen. Vielmehr zählt der Faktor Zeit. […] Dem öffentlichen Nahverkehr gehört die Zukunft.
Eigentlich hat der alte Affe Männlichkeit nur Angst. Wenn er ein Mann wäre, wüsste er, dass das in Ordnung ist. Aber so wird er manchmal ziemlich fies. Dann sagt er Sachen wie “Feminismus ist hasserfüllt und verhasst – lasst ihn uns töten!” und merkt nicht einmal, wie sehr er sich damit entlarvt. Denn spätestens dann weiß man ganz genau, wie man mit ihm umzugehen hat: Gib dem Affen keinen Zucker!/
„Am Anfang bekam die ganze Gemeinde mit, wenn wir Metallrahmen herstellten“, erzählt Hollants. „Die Maschine brauchte so viel Spannung, dass immer kurz das Licht ausging, wenn wir sie eingeschaltet haben.“
Geltungsprobleme beschäftigen die Deutsche Akademie seit ihrer Gründung. Auch leidet sie an Raumnot und ist unterfinanziert. Da Wehklagen nicht hilft, sucht sie sich Unterstützung durch Leistungsbeweise zu sichern. Durchaus mit Erfolg.
SA-kuva-arkisto — cool: das finnische Verteidigungsministerium stellt 3000 Fotografien aus dem Zweiten Weltkrieg (“From the front line to the home front 1939–1945”) zur freien Verfügung online
“Songs for Kommeno” ist ein ambitioniertes Projekt: Mit den acht Jazz-Songs will Günter Baby Sommer auf das Massaker einer deutschen Wehrmachtseinheit im griechischen Kommeno am 16.8.1943 erinnern. Und das umfangreiche Büchlein dazu dokumentiert die Ernsthaftigkeit, mit der sich Baby Sommer auf die Aufgabe, den Ort, die Geschichte eingelassen hat (allerdings nicht so sehr das Geschehen selbst).
So weit, so gut. Aber “Songs for Kommeno” hat leider einen großen Nachteil: Musikalisch lässt mich die CD reichlich kalt. Das ist mir alles arg betulich und viel zu langweilig — und zugleich immer so bedeutungsschwanger. Vielleicht hätte ich erstmal einfach die Musik hören sollen, ohne nähere Informationen. Hat man die Texte im großzügigen Begleitbuch gelesen, geht das aber nicht mehr: Die Musik kann dann nicht mehr für sich stehen, sie muss mehr sein. Nämlich Vergangenheitsbewältigung in irgendeiner Form, Erinnerung, auch Erinnerungspolitik, zugleich Vesöhnung und Bitte um Vergebung und so weiter. Das ist (in meinen Ohren) doch ein bisschen viel für diese Klänge. Vielleicht funktioniert das für andere Hörer hervorragend, vielleicht hat es auch am quasi authentischen Ort gelingen können — in meinem Heim, wo ich im bequemen Sessel sitze und draußen der erste Vor-Herbst-Regen nieselt, klappt das aber einfach nicht. Aber ich bin bei solchen Unternehmungen (fast) immer recht skeptisch — meiner Erfahrung nach wird dabei die Musik (und die ist es besonders, die für solche Projekte eingespannt wird) mit einer Aufgabe überfrachtet, die sie einfach nicht leisten kann — nämlich konkrete Inhalte irgendwie zu transportieren. Aber das sind grundsätzliche Einstellungen, was man von Musik erwarten will und ihr an kommunikativen Aufgaben (im weiteren Sinne) zu-muten möchte. Ich bin da generell sehr zurückhaltend, weil ich überzeugt bin, dass Klang und Form (um das mal so abstrakt zu lassen) die besseren Vermittlungsinstanzen sind — und auch ohne bestimmte bzw. bestimmbare Inhalte Menschen bewegen und letztlich auch verändern können.
Aber, um noch mal von den grundsätzlichen Dingen zurück zu den “Songs for Kommeno” zu kommen: Ganz abgesehen von diesem ganzen Hintergrund ist die Musik hier zwar oft schön (Baby Sommer ist natürlich ein sehr guter Schlagzeuger und auch Floros Floridis ein toller Klarinettist), aber für meinen Geschmack zu flach, zu eindimensional — kurz: einfach zu langweilig. Da hilft auch die geborgte Authentizität des Klagegesangs einer Überlebenden nicht. Und die griechische Nationalität der beteiligten Musiker. Ich bleibe skeptisch: Ich halte Musik (und Kunst allgemein) nicht für das ideale Medium des Umgangs mit Geschichte, schon gar nicht mit konkreten Ereignissen. Das tut beiden Seiten nicht gut.
Günter Baby Sommer (mit Savina Yannatou, Floros Floridis, Evgenios Voulgaris, Spilios Kastanis): Songs for Kommeno. Intakt Records CD 190, 2012.