Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

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Krieg

Krieg

Alle Straßen sind mit Blut beglitzt.
Gierig leck­en viel­er Hunde Mün­der.
Bajonette lüstern hochge­spitzt.
Wit­ternd reck­en sich die Zwanzigpfün­der.

In den Nächt­en dro­hte der Komet.
Über Städten platzen die Granat­en.
Trom­meln, Trom­meln wird weit­ergewe­ht.
Braunge­plät­tet liegen alle Saat­en.

Her­mann Plagge (1914)

Zitat

Ein Zitat
ist keine Abschrift.
Ein Zitat
ist eine Zikade.
Es läßt sich nicht
zum Schweigen brin­gen.
Hat es sich erst
eingstimmt,
hört es nicht mehr auf.

—Ossip Man­del­stam, Gepräch über Danke (TItel)

Radikalisierung

es ist an der zeit

sich zu radikalisieren
dafür muss ich aber erst ein­mal aufhören
die wollmäuse unter
dem bett
wegzufe­gen
[…]
- Lüt­fiye Güzel, elle-rebelle (2017)

Ins Netz gegangen (3.7.)

Ins Netz gegan­gen am 3.7.:

  • Twit­ter / Stroem­feld: Sind Schwäne giftig? Notizzettel … — RT @Stroemfeld: Sind Schwäne giftig? Notizzettel aus dem Nach­laß von Peter Kurzeck, vmtl. Ende der 1960er Jahre
  • Richard Sen­nett: “Wir müssen die Arbeit umverteilen” | ZEIT ONLINE — richard sen­net im inter­view mit zeit-online:

    Mehr Sozial­is­mus, mehr Mitbes­tim­mung, kleinere Fir­men und die Schwächung des Finanzkap­i­tals zugun­sten pro­duk­tiv­er Arbeit. Wir benöti­gen alter­na­tive Man­age­ment­mod­elle, die auf eine kon­tinuier­liche (Weiter-)Entwicklung der Men­schen set­zen. Das Prob­lem, mit dem wir es im mod­er­nen Kap­i­tal­is­mus zu tun haben, ist die Manip­u­la­tion der Zeit.

    und am schluss emp­fiehlt er das grun­deinkom­men als lösung:

    Mein­er Auf­fas­sung nach wäre die Ein­führung eines exis­ten­zsich­ern­den Grun­deinkom­mens eine Erfolg ver­sprechende Herange­hensweise. Man ver­sucht, die vorhan­dene Arbeit zu bes­tim­men, um sie dann unter zwei oder drei Leuten zu verteilen. Diese wer­den als Teilzeitkräfte bezahlt. Der Staat gibt ihnen dann zusät­zlich ein Grun­deinkom­men, um den Unter­schied auszu­gle­ichen.

  • Kopen­hagen: “Rad­fahrer machen eine Stadt erst richtig lebendig” | ZEIT ONLINE — noch ein paar gründe, warum es (ger­ade städten) gut tut, sich um den rad­verkehr zu küm­mern

    Rad­fahrer machen eine Stadt erst richtig lebendig. Man sieht Gesichter auf der Straße, und nicht nur hin­ter Wind­schutzscheiben. Die Stadt wird als men­schen­fre­undlich wahrgenom­men und dadurch attrak­tiv.

  • Ein später Sieg der his­torischen Wahrheit — taz.de — klaus hil­len­berg ist sehr ange­tan von der neuen dauer­ausstel­lung zum wider­stand gegen das ns-regime im bendlerblock:

    Mit dieser Ausstel­lung hat die Rezep­tion der Wider­stands­geschichte einen vor­läu­fi­gen Schlusspunkt gefun­den, oder anders gesagt: Die Wahrheit hat nach Jahrzehn­ten der Geschicht­sklit­terung, der offe­nen und verdeck­ten Ein­flussnahme von Poli­tik­ern, Kirchen­vertretern, ehe­ma­li­gen Offizieren und, ja das auch, von Wider­stand­skämpfern und deren Ange­höri­gen gesiegt. Es ist ein ver­dammt später Sieg, der wohl nur möglich wurde, weil die Täter­gen­er­a­tion nicht mehr unter den Leben­den weilt. Aber es ist doch ein his­torisch­er Sieg.

  • World Cup Phi­los­o­phy: Ger­many vs France — Exis­ten­tial Comics — cool. (für die philoso­phiegeschichtlich nicht so bewan­derten gibt es auch eine aus­führliche erk­lärung dazu …)
  • Autoren­schaft revist­ed | Fix­po­et­ry — »Autoren von Qual­ität tun und sagen Uner­hörters, Schw­er­hör­bares, Neuhör­bares, sie exper­i­men­tieren«
  • Font­blog | Ed Sheeran’s Album Cov­er Fail — Klein­er Typo-Fehler ganz groß (was es nicht alles gibt!)

Zeitenwandel

1985: Fritz J. Rad­datz erfind­et ein Goethe-Zitat, in dem der Dichter über den Wan­del Frank­furts nach dem Bahn­hofs­bau schreibt (was eben nicht geht, weil die ersten Eisen­bah­nen in Deusch­land erst 1835, 3 Jahre nach Goethes Tod, fuhren):

Man begann damals, das Gebi­et hin­ter dem Bahn­hof zu verän­dern.

— Rad­datz ver­liert danach seinen Posten als Leit­er des Feuil­letons der “Zeit”.

2014: Elke Hei­den­re­ich erfind­et ein Hei­deg­ger-Zitat, in dem der Philosoph die Ver­nich­tung der Juden Deutsch­lands fordert:

Die ver­bor­gene Deutschheit müssen wir ent­ber­gen, und das tun wir, indem wir die Juden endlich beseit­i­gen aus Deutsch­land.

Der Sender, in dessen Sendung Hei­den­re­ich trotz Wider­spruchs des Kri­tik­ers und Mod­er­a­tors Ste­fan Zweifel auf der Wahrhaftigkeit ihres Zitats behar­rt, weigert sich erst, das Zitat zu ver­i­fizieren bzw. zu prüfen und kündigt dann — Zweifel.
Mehr muss man wohl zum Nieder­gang der “Qual­itätsme­di­en” und ihrer Lit­er­aturkri­tik nicht mehr sagen.

Aus-Lese #5

Matthias Bech­er: Karl der Große. 5. Auflage. München: Beck 2007. 128 Seit­en.

Eine Biogra­phie, die keine Biogra­phie sein will. Und vor allem keine sein kann: Denn die im eigentlichen Sinne biographis­chen Zeug­nisse über Karl den Großen sind extrem rar gesät. Bech­er greift deshalb recht weit aus, bis zu den Anfän­gen der Merowingern — deren Geschichte wird auf weni­gen Seit­en ganz dicht erzählt. Nah an den Quellen, aber mir angenehmer Dis­tanz zum (ange­blichen) Kro­nzeu­gen Ein­hard beschreibt Bech­er das Leben und die Leis­tun­gen Karl des Großen wohltuend nüchtern und aus­ge­wogen, allerd­ings in manchen Din­gen zwangsläu­fig auch sehr knapp, v.a. was die Organ­i­sa­tion des Franken­re­ich­es und ins­beson­dere die “kul­turelle” Seite sein­er Herrschaft ange­ht.

U. D. Bauer: O.T.. Berlin: Die Andere Bib­lio­thek 2013. 245 Seit­en.

Ein schönes Spiel: Ein Buch — ein Roman? — der auss­chließlich eine Mon­tage ist: Die “Autorin” rei­ht 2857 Zitate aneinan­der und macht daraus so etwas wie einen Text. Also ein Spiel mit post­mod­er­nen The­o­rien von Inter­tex­tu­al­ität und Autoren­funk­tion. Aber eigentlich ein recht plattes, sozusagen die Dum­my-Ver­sion der The­o­rien: Denn ger­ade durch das Ausstellen des Zitatcharak­ters — das Buch ist so gedruckt, das sich das Mon­tieren als Kleben von Zettelchen/Textschnipseln ver­mit­telt — und vor allem durch den peniblen Nach­weis der Zitate und ihrer Fund­stellen wird natür­lich die eigentliche Idee der Inter­tex­tu­al­ität, des “il n’y a pas de hors-texte”, des Ver­schwindens des Autors gle­ich wieder kon­terkari­ert und ad absur­dum geführt. Also eher eine Kuriosität als irgend etwas wirk­lich überzeu­gen­des …
Der Leser (zumin­d­est ich) bleibt auf Dis­tanz, das ständi­ge Wech­seln der Zitate und Stile sorgt dafür schon alleine. Wenn man etwas bewun­dern kann, dann ist es wohl haupt­säch­lich die Fleißar­beit, die in dem Buch steckt — und die Pass­ge­nauigkeit, mit der U. D. Bauer die Zitate mon­tiert. Eine schöne Idee, deren Umset­zung mir aber etwas ent­lar­vend und etwas banal oder schlicht scheint.

Wahn und Wirklichkeit

“Du weißt wohl nicht, daß der Wahn, den du von dir selb­st hast, wahrer ist als die Wirk­lichkeit der Frauen. Ach, glauben die Men­schen immer noch an diese arm­selige Erfind­ung, diese erbärm­liche Hil­f­skon­struk­tion, die Wirk­lichkeit? Diese Ver­här­tung, Kruste, schwindende und wieder aufgekratzte Nar­bie, die uns juckt auf den atmenden Wun­den unseres fließen­den Blutes.”

—Franz Hes­sel, Heim­lich­es Berlin (2012 [1927]), 47

double meanings

“All words have dou­ble mean­ings, even the lit­tlest of ones, that’s why you can’t trust words.”

Dodge, in: Sebas­t­ian Gutier­rez, Girl Walks Into A Bar (2011)

Universitäres Blutgeld

schön und auch gar nicht weit­er kom­men­tierungs­bedürftig, dieser Seit­en­hieb, den Diederich­sen (der die Uni­ver­sität ja inzwis­chen von innen ken­nt) in seinem Büch­lein zu den “Sopra­nos” da schnell noch in Rich­tung (privat-)spendenfinanierte Uni­ver­sitäten austeilt:

In dieser Episode ist nicht nur endlich ein­mal befriedi­gens beschrieben wor­den, wie Hochschulen sich dort finanzieren, wo dies der Staat nicht tut — indem sie durch geschulte Kräfte Druck auf die ide­ol­o­gisch unsicheren und legit­i­ma­tions­bedürfti­gen Teilde des pri­vatwirtschaftlich-mafiösen Kom­plex­es ausüben -, son­dern vor allem sehen wir zu, wie die Akteure der “Sopra­nos” sich ihren See­len­frieden zurechtkon­stru­ieren

Diedrich Diederich­sen: The Sopra­nos. Zürich: Diaphanes 2012, S. 84

… es kommt ein Gedicht …

‘Kay. Brauchen wir einen Absatz für eine Zeile.
Oder? Ruf ich ein Wort, und es kommt ein Gedicht,
ste­ht beläm­mert herum wie Rilkes Zom­biemäd­chen,
wie die einst Gerufe­nen noch immer, mit karolisch
langsamen Bärten Redak­tion­s­gesänge durch­segeln,
wie das niedliche Gestampf in der Bar, die gern unsere wäre,
so haben alle recht, denn die Tem­per­a­turen sind da,
“10 Der­ri­da”, sagt man zueinan­der, und noch mal,
denn der Witz ist scharf genug für ne ganze Zeile.

— Ann Cot­ten, Das Pferd, 14</div)

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