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Aus-Lese #46

Hans Jür­gen von der Wense: Über das Ste­hen. Hrsg. von Rein­er Niehoff. Berlin: blauw­erke 2014 (split­ter 02). 76 Seit­en. ISBN 978–3‑945002–01‑8.
Hans Jür­gen von der Wense: Die Schaukel. Her­aus­gegeben und mit einem Vor­wort verse­hen von Rein­er Niehoff. Mit ein­er Lek­türe von Vales­ka Bertonci­ni. Berlin: blauw­erke 2016 (split­ter 08). 52 Seit­en. ISBN 9783945002087.

wense, die schaukel (cover)Das sind zwei (sehr) kleine Texte — Essays wohl am besten zu nen­nen — die sich auf den ersten Blick ganz unter­schiedlichen The­men wid­men: Über das Ste­hen wid­met sich der Sta­tik (des Men­schen), Die Schaukel dage­gen einem Ding, das wie kaum ein anderes Bewe­gung verge­gen­ständlicht.

Natür­lich stimmt der Gegen­satz bei Hans Jür­gen von der Wense so eigentlich gar nicht. Das merkt man schon, wenn man den ersten Satz in Über das Ste­hen liest:

Ste­hen ist eine bewe­gung; es ist schwanken und wanken, um sich im gle­ichgewichte zu hal­ten, aufrecht.. Ste­hen ist eine lage. (13)

Dem fol­gt ein manch­mal meines Eracht­ens etwas aus­fasern­der Essay über das Ste­hen, der mich vor allem in seinen wel­te­t­y­mol­o­gis­chen Abschnit­ten nicht immer gle­icher­maßen faszinieren kon­nte. Trotz­dem ein schönes “Groschen­heft des Welt­geistes” — so nen­nt der kleine, rührige blauw­erke-Ver­lag seine split­ter-Rei­he, die im kleinen Notizheft­for­mat kleine Texte mit viel zusät­zlichem (Archiv-)Material vor­bildlich ediert und zu wohlfeilen Preisen (näm­lich jew­eils 1 Euro) zugänglich macht. Auch diese bei­den Wense-Essays haben jew­eils ein ein­führen­des Vor­wort von Rein­er Niehoff, das unter anderem über Entste­hungszusam­men­hänge und Pub­lika­tions- bzw. Über­liefer­ungs­geschichte berichtet, und ein einord­nen­des, erk­lären­des “Nach­wort” von Vales­ka Bertonci­ni, das als “Lek­türe” fungiert.

Das ger­ade erst erschienen Heft Die Schaukel bietet einen recht kurzen Wense-Text von weni­gen Seit­en, der sich — qua­si kul­turgeschichtlich avant la let­tre — mit dem Gegen­stand, dem Ding “Schaukel” und vor allem seinen Bedeu­tun­gen und Imp­lika­tio­nen für den Men­schen (ob er nun schaukelt, anstößt oder zuschaut …) befasst. Auch eine sehr vergnügliche, kluge und bere­ich­ernde Lek­türe. Denn an der Schaukel fasziniert Wense offen­bar die Gle­ichzeit­igkeit bzw. dingliche Iden­tität von Bewe­gung und Ruhe, von der Möglichkeit, bei sich selb­st zu sein und zugle­ich über sich hin­aus zu gelan­gen:

Schaukeln ist Mut-Wille. Es ist Ent­fer­nen, Abwe­ichen von der Mitte, dem Ruhe-Punk­te, Ab-Fall. (23)

Michael Star­cke: Das Meer ist ein alter Bekan­nter, der warten kann. Net­te­tal: Elif 2016. 74 Seit­en. ISBN 9783981750928.

starcke, das meer ist ein alter bekannter, der warten kann (cover)

Das Meer ist ein alter Bekan­nter, der warten kann ist ein inter­es­san­ter Gedicht­band. Nicht nur des schö­nen Titels wegen. Und auch nicht nur der graphis­chen Ausstat­tung wegen. Son­dern vor allem wegen der schöpferischen Kraft, die Star­cke aus let­ztlich einem The­man, einem Gegen­stand entwick­elt: Dem Meer. Denn darum geht es in fast allen Gedicht­en. Und trotz der monothe­ma­tis­chen Anlage des Ban­des — neben dem Meer spie­len Sand, Wolken und der hohe Baum vor dem Haus noch eine gewisse Rolle –, der erstaunlich engen Fix­ierung auf einen Ort und eine Posi­tion des Betra­chters und Schreiben­den ist das alles andere als lang­weilig. Eine Rolle spielt dabei sicher­lich die verge­hende Zeit, deren Lauf man beim Lesen des Ban­des gewis­ser­maßen nachvol­lziehend miter­leben kann.

Man ist dabei, sozusagen, alleine mit dem Meer. Men­schen kom­men näm­lich recht sel­ten (wenn über­haupt vor). Das Meer selb­st ist in diesen Gedicht­en vor allem als insta­bile Sta­bil­ität, als dauer­hafter Wan­del, als vergehende/bewegte/bewegende/fortschreitende Zeit präsent. Auch wenn oft ein recht pro­sais­ch­er Duk­tus vorherrscht, kaum Sprach­spiele oder aus­ge­fal­l­ene, gesuchte Bilder zu ent­deck­en und entschlüs­seln sind, ist das den­noch ger­ade in den Details oft sehr span­nend, in den kleinen Abwe­ichun­gen, den min­i­malen Störun­gen und poet­is­chen Sig­nalen (etwa bei der Wort­stel­lung, der Kom­maset­zung, der (unter­broch­enen) Rei­hung). Fast jedes Gedicht hat einen Moment, einen (Teil-)Satz, der beson­ders berührt, der beson­ders die Inten­sität (des Erlebens vor allem) ausstrahlt. Als „wegzehrung der erin­nerung“ (56) sind die Gedichte aber immer auch ein Ver­such, die Vergänglichkeit festzuhal­ten.

Viele dieser Meer-Gedichte funk­tion­ieren dabei wie ein „inneres fer­n­glas“ (56): der Blick auf die Land­schaft der Küste (ich glaube, das Wort “Küste” kommt dabei gar nicht vor, nur Meer, Sand, Wolken und Him­mel als Ele­mente des Über­gangsraums) ermöglicht und fördert den Blick nach innen, mit dem gle­ichen Instru­men­tar­i­um, das zugle­ich das große, weite Panora­ma erfasst und das kleine, maßge­bliche Detail. Und obwohl es oft um Vergänglichkeit und Abschied geht, um Ort- und Heimat­losigkeit, bleibt den Gedicht­en eine auf­fäl­lige Leichtigkeit eigen: Die Sprache bleibt lock­er, die Bilder beweglich, das Syn­taxge­füge flex­i­bel, die Begriffe immer konkret: „sie [d.i. die geschicht­en vom meer] lieben das offene / im ver­bor­ge­nen.“ (47) heißt es ein­mal — und damit ist Meth­ode Star­ck­es in Das Meer ist ein alter Bekan­nter, der warten kann als Mot­to ziem­lich genau beschrieben.

vielle­icht, dass sich
unterm meer ein
weit­eres meer ver­steckt
wie erin­nerun­gen im
sand der gedanken, die,
für geheimnisse offen,
momente von stille verkör­pern.
an seinen geräuschen, schlussverse (72)

Juli Zeh: Unter­leuten. München: Luchter­hand 2016. 508 Seit­en.

zeh, unterleuten (cover)

Juli Zehs Unter­leuten hält sich zwar hart­nächkig auf der Best­seller-Liste, ist aber eigentlich ein eher lang­weiliges, unbe­merkenswertes Buch. Das ist rou­tiniert erzählt und kann entsprechend mit unbeteiligter Neugi­er ohne nach­halti­gen Ein­dr­cuk gele­sen wer­den. Vieles in dem Plot — den ich jet­zt nicht nacherzäh­le — ist ein­fach zu abse­hbar. Dazu kommt noch ein erzäh­lerisches Prob­lem: Der Text wird mir per­ma­nent erhoben­em Zeigefin­ger erzählt, bei jed­er Fig­ur ist immer (und meist sofort) klar, was von ihr zu denken ist — das wird erzäh­lerich überdeut­lich gemacht. Dazu eignet sich der wech­sel­nde erzäh­lerischere Fokus der auk­to­ri­alen Erzäh­lerin natür­lich beson­ders gut. Das Schlusskapi­tel, in dem sie (bzw. eine ihrer Instanzen) als Jour­nal­istin, die Unter­leuten recher­chiert hat, auftritt und die Fäden sehr unel­e­gant zum Ende führt, zeigt sehr schön die fehlende künstlerische/poetische Imag­i­na­tion der Autorin: Das ist so ziem­lich die bil­lig­ste Lösung, einen Schluss zu find­en — und zugle­ich auch so über­aus unnötig … Ander­er­seits hat mich die erzäh­lerische Anlage schnell gen­ervt, weil das so deut­lich als die ein­fach­ste Möglichkeit erkennbar wir, alle Seit­en, Posi­tio­nen und Beteiligten des Kon­flik­ts in der Pseu­do-Tiefe darzustellen.

„[E]ine weitre­ichende Welt­be­tra­ch­tung, einen Gesellschaft­sro­man mit ein­er bestechen­den Vielfalt lit­er­arisch­er Ton­la­gen, voller Esprit und Tragik, Ironie und Drastik“, die Klaus Zeyringer im „Stan­dard“ beobachtet hat, kann ich da beim besten Willen nicht erken­nen. (Jörg Mage­nau hat die „Qual­itäten“ des Romans in der “Süd­deutschen Zeitung” bess­er und deut­lich­er gese­hen.) Let­ztlich bleibt Unter­leuten ein eher unspan­nen­der Dor­fkri­mi, der sich flott wegli­est, (mich) aber wed­er inhaltlich noch kün­st­lerisch beson­ders bere­ich­ern kon­nte. Schade eigentlich.

Sophie Rey­er: :nachkom­men nack­tkom­men. Wien: hochroth 2015. 34 Seit­en. ISBN 9783902871664.

Auch :nachkom­men nack­tkom­men ist wieder so ein Zufalls­fund, bei dem ich dem Ver­lag — hochroth — ver­traut habe … Sophie Rey­ers Gedichte sind knapp konzen­tri­erte Kurzzeil­er, die oft abgründig leicht sind, aber immer sehr auf den Punkt gedacht und for­muliert sind — beziehungsweise auf den Dop­pelpunkt als Gren­ze und Über­gang, der den Beginn aller Gedichte zeichen­haft markiert. Immer wieder fall­en mir die küh­nen, wilden, ja ger­adezu über­bor­den­den und über­schießen­den Bilder auf, die jeglich­er sprach­lich­er Ökonomie Hohne sprechen und die, so scheint es mir, manch­mal auch ein­fach nur um ihrer selb­st willen da sind. Außer­dem scheint Rey­er eine große Freude am Spiel mit Asso­nanzen und Allit­er­a­tio­nen zu haben. Über­haupt ist vielle­icht das Spiel, der spielerische Umgang mit Sprache und Ein­fällen trotz der The­men, die einen gewis­sen Hang zum Dunkeln aufweisen, beson­ders beze­ich­nend für ihre Lyrik.

Manch­es wirkt in :nachkom­men nack­tkom­men auch eher wie das spon­tane Notat ein­er Idee, wie eine Ein­fallsskizze im Notizbuch der Autorin und noch nicht wie ein fer­tiges Gedicht. Zweizeil­er wie der auf S. 27 zum Beispiel:

die kur­sivschrift des korn­felds
son­nen strahlen stenogra­phie

Inter­es­sant fand ich bei der Lek­türe auch, dass Takt und Rhyth­mus der Lyrik wieder­holt (im Text selb­st) anz­i­tiert wer­den, durch die Texte aber nur sehr bed­ingt (wenn über­haupt) umge­set­zt wer­den. Vielle­icht kommt daher auch der Ein­druck der Spon­tan­ität, des augen­blick­lichen Ein­falls …

:nachkom­men nack­tkom­men ist dabei ein typ­is­ches kleines hochroth-Bänd­chen — ich mag das ja, ich brauche nicht immer gle­ich 80–100 Seit­en Lyrik von ein­er Autorin, es reichen oft auch 20, 30 (kleinere) Texte. Und die Kaufhürde ist auch nicht so hoch, wenn das nur 8 Euro statt 25 sind … Zudem sind die hochroth-Pub­lika­tio­nen eigentlich immer schön gemacht, liebevoll und umsichtig gestal­tet. Die hier ist die erste, bei der mir typographis­che Fehler aufge­fall­en sind — ein nach unten „fal­l­en­des“ l, das ich auf sechs Seit­en ziem­lich wahl­los ver­streut gefun­den habe (aber wer weiß, vielle­icht ist das ja auch ein geheimes fea­ture der Texte, das sie auch ganz geschickt mit dem Para­text verbindet?).

Wolf von Kalck­reuth: schlum­mer­schwarze Nächte. Gedichte. Leipzig: hochroth 2015. 26 Seit­en. ISBN 978–3‑902871–67‑1.
Wolf Graf von Kalck­reuth: Gedichte und Über­tra­gun­gen. Her­aus­gegeben von Hell­mut Kruse. Hei­del­berg: Lam­bert Schnei­der 1962. 190 Seit­en.

kalckreuth, gedichte (cover)Über die schmale Auswahl beim feinen hochroth-Ver­lag bin ich eher zufäl­lig auf die Lyrik Wolf von Kalck­reuths gestoßen. Kalck­reuth ist gewis­ser­maßen eine tragis­che Fig­ur: 1887 in eine Mil­itär- und Kün­stler­fam­i­lie geboren, set­zt er seinem Leben bere­its 1906 ein Ende. Bis dahin war er in der Schule, hat sein Abitur gemacht, ist etwas gereist und dann — trotz eigentlich­er Nicht-Eig­nung — im Okto­ber 1906 auf eige­nen Wun­sch ins Mil­itär einge­treten, wo er es keine zehn Tage bis zu seinem Fre­itod aushielt. In dieser kurzen Leben­szeit ent­standen aber nicht nur eigene Gedichte, son­dern auch diverse (wichtige) Über­set­zun­gen der Lyrik Ver­laines und Baude­laires.

Erstaunlich ist in seinen Gedicht­en immer wieder die aus­ge­sprochen sichere (handw­erk­liche) Sprach- und Form­be­herrschung trotz des jun­gen Alters. Nicht immer und nicht alles ist wahnsin­nig orig­inell, vieles ist sehr deut­lich ein­er späten Spätro­man­tik ver­haftet, die aber durch die mal mehr, mal weniger zaghaften Ein­flüsse des Expres­sion­is­mus inter­es­sant wird. Viele sein­er Gedichte pen­deln sich gewis­ser­maßen in der Dialek­tik von Ver­fall und Sehn­sucht ein. Und aus ihnen spricht auch immer wieder das Bewusst­sein um die eigene (Ver-)Spätung, um Endzeit, Unter­gang, vor allem aber Ster­benswun­sch und Todessehn­sucht etc. — nicht ohne Grund spie­len die Däm­merung (und natür­lich die Nacht), der Abend und der Herb­st eine große Rolle in diesen Gedicht­en.

Aber was mich wirk­lich am meis­ten fasziniert hat, war doch die sorgsame Fügung der Gedichte, ger­ade der Sonette, die nahe an per­fek­te Gedichte her­an­re­ichen. Die hochroth-typ­isch sehr kleine Auswahl — 26 Seit­en inkl. Nach­wort! — hat mich dann immer­hin neugierig gemacht und mich zu der deut­lich umfan­gre­icheren Auswahl von 1962 greifen lassen. Da find­en sich natür­lich auch wieder viele faszinierende Sonette, aber auch inter­es­sante und anre­gende Gedichte, eigentlich ja Elo­gen, auf Napoleon, den Kalck­reuth wohl sehr bewun­derte. Und schließlich enthält der Band auch noch eine umfan­gre­iche Abteilung mit Über­set­zun­gen der Lyrik Ver­laines und Baude­laires, bei­de auch wesentliche Vor­bilder und Ein­flüsse Kalck­reuths.

Das Leben eilt zum Ziele wie eines Welt­stroms Flut
Die uns ins Meer ent­führt mit dun­klen Wogen­massen,
In schwindel­hafter Hast, die nie entschlum­mernd ruht,
Bis wir das eigne Herz erken­nen und erfassen. (72)

Annette Pehnt: Hier kommt Michelle. Ein Cam­pus­ro­man. München: Piper 2012. 140 Seit­en. ISBN 9783492300827.

pehnt, hier kommt michelle (cover)Eine nette kleine Satire — das heißt, ein schar­fer und bis­siger Text, der das deutsche Uni­ver­sitätssys­tem und ‑leben, ins­beson­dere aber die zeit­genös­sis­che Studieren­den­gener­a­tion gekon­nt auf­spießt. Nur not­dürftig fik­tion­al­isiert, bekom­men so ziem­lich alle ihr Fett weg: Die Studieren­den, die Lehren­den vom akademis­chen “Unter­bau” über den Mit­tel­bau bis zu den vertrot­tel­ten Emer­i­ti, von der Ver­wal­tung bis zur Presse und Poli­tik. Selb­st die Haupt­fig­ur, Michelle, ist so über­haupt nicht liebenswert, son­dern — natür­lich als Zer­rbild — eher ein abschreck­endes Beispiel der Ziel- und Ver­nun­ft­losigkeit als ein Iden­ti­fika­tion­sange­bot für den Lesen. Sehr schön fand ich den erzäh­lerischen Kun­st­griff, dass sich die Erzäh­lerin selb­st mit ihrer eige­nen Stimme wieder­holt ein­mis­cht und sich und ihren (?) Text im Text selb­st gle­ich mitkom­men­tiert (auf die eher unwitzige Her­aus­ge­ber­fik­tion hätte ich dafür gerne verzicht­en kön­nen).

Hier ist die Erzäh­lerin. Sie reibt sich die Hände, weil sie dieses harm­lose Mäd­chen mit groben Strichen ent­wor­fen hat und sich jet­zt schon, wo die Erfind­ung doch ger­ade erst zu leben begonnen hat, darauf freut, ihr Knüp­pel zwis­chen die Beine zu wer­fen. (13)

Trotz einiger handw­erk­lich­er Män­gel wie etwa einem schlecht gear­beit­eten Zeit­sprung oder ein­er etwas unge­fü­gen Makrostruk­tur ist Hier kommt Michelle ein­fach nett zu lesen, aber halt auch — der Umfang ver­rät es ja schon — recht dünn. Der Witz ist eben schnell ver­braucht, die Unter­hal­tung trägt auch nicht viel länger. Zum Glück hat Annette Pehnt das nicht über­mäßig aus­ge­walzt, denn viel mehr als diesen kleinen Text gibt die Grun­didee alleine wohl nicht her.

Das war auch eine wichtige Lek­tion: Nicht alles geht sie etwas an, es ist gut, allzu frem­den oder schwieri­gen Zusam­men­hän­gen nicht auf den Grund zu gehen, man muss sich zurück­hal­ten und sich auf das beschränken, was man ken­nt und kann, und das gilt auf jeden Fall auch für das Studi­um in Som­mer­stadt, das Michelle nun mit neuem Elan, aber auch ein­er Reife ange­ht, die sie schon am zweit­en Tag befähigt, zum Jun­gan­glis­ten zu gehen und zu fra­gen, ob er sie brauchen kann. (120)

außer­dem gele­sen:

  • Philipp Tin­gler: Juwe­len des Schick­sals. Kurze Prosa. Zürich: Kein und Aber 2005.
  • Georges Bataille: Der große Zeh. Hrsg. & übers. von Vales­ka Bertonci­ni. Berlin: blauw­erke 2015 (split­ter 01). 80 Seit­en.
  • Rain­er Hoff­mann: Abduk­tio­nen, Aber­ra­tio­nen I. Bern: edi­tion taber­na kri­ti­ka 2011. 57 Seit­en.

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  • Debat­te um Vergü­tung: Wenig Fair­ness im Umgang mit Autoren | Deutsch­landra­dio → hen­ry stein­hau über die beziehung zwis­chen ver­la­gen und autorin­nen:

    Ver­lage soll­ten ihre Kräfte darauf ver­wen­den, tragfähige Geschäftsmod­elle zu entwick­eln. Und zwar solche, die nicht darauf angewiesen sind, den Autoren eine Beteili­gung an Vergü­tun­gen abzurin­gen.

  • Der #öffentliche_Raum ist immer poli­tisch. Ein Gespräch mit Christoph Haer­le (Teil 1) | Geschichte der Gegen­wart → philipp sarasin hat sich mit dem architek­ten, stadt­plan­er und kün­stler christoph haer­le über den öffentlichen raum unter­hal­ten. im ersten teil geht es vor allem um die geschichte des öffentlichen raums bis ins 19. jahrhun­dert — sehr span­nend.
  • Der post­mod­erne #öffentliche_Raum. Ein Gespräch mit Christoph Haer­le (Teil 2) | Geschichte der Gegen­wart → der zweite teil des gesprächs von philipp sarasin mit christoph haer­le, nun zu den öffentlichen räu­men des 20. jahrhun­derts und der gegen­wart — und deren prob­le­men und gefährdun­gen.
  • Mein Vater, der bekan­nte Ver­schwörungs­the­o­retik­er | Broad­ly → die tochter eines ein­flussre­ichen ver­schwörungs­the­o­retik­ers (“truther”) erzählt

    Ger­ade weil Ver­schwörungs­the­o­retik­er immun gegen jedes noch so vernün­ftige Argu­ment aus der „Main­stream-Welt” sind, sehe ich diese Bewe­gung als äußerst gefährlich an. Wie viele sub­ver­sive Grup­pen aus dem recht­en Lager, holen sich die Truther meis­tens Leute aus schwieri­gen sozialen Ver­hält­nis­sen ins Boot. Men­schen, die froh über Sün­den­böcke sind und in elo­quenten Per­sön­lichkeit­en Führung suchen. Die Truther bestre­it­en eine Zuge­hörigkeit zum recht­en Lager zwar vehe­ment, jedoch sprechen meine per­sön­lichen Erfahrun­gen für sich. Sex­is­mus, Homo­pho­bie und Ras­sis­mus sind genau­so ver­bre­it­et, wie eine fehlgeleit­ete Vorstel­lung von Kul­tur und Heimatliebe.

  • Was darf die Satire? — Kurt Tuchol­sky, Jan Böh­mer­mann und die Fol­gen | literaturkritik.de → ste­fan neuhaus über satire von tuchol­sky und böh­mer­mann, unter beson­der­er berück­sich­ti­gung ihrer ästhetis­chen und poli­tis­chen imp­lika­tio­nen in deutsch­land
  • Ver­fas­sungsrechtler über die AfD: „Unvere­in­bar mit dem Grundge­setz“ | taz.de → jurist joachim wieland im taz-inter­view über das grund­satzpro­gramm der afd:

    Aus mein­er Sicht ver­sucht die AfD, die Gren­ze, die die Ver­fas­sung zulässt, bis ins Äußer­ste auszutesten. Dabei arbeit­et sie mit unklaren Begrif­f­en, damit sie, wenn sie zur Rede gestellt wird, sagen kann: So war das gar nicht gemeint. In eini­gen Punk­ten sehe ich den Men­schen­rechtskern des Grundge­set­zes ver­let­zt. Das kön­nte die AfD, selb­st wenn sie entsprechende Mehrheit­en hätte, nicht umset­zen, ohne dass es zu ein­er ein­deuti­gen Ver­fas­sungsver­let­zung käme. Man muss also sagen: Die AfD bewegt sich in vielem an der Gren­ze zur Ver­fas­sungswidrigkeit und in manchem hat sie diese Gren­ze bere­its über­schrit­ten.

  • EBooks vs Papi­er-Büch­er: Vom Kul­tur­wan­del und notwendi­gen Lern­prozessen (in der Schule) | herrlarbig.de → herr lar­big denkt darüber nach, was eigentlich den unter­schied zwis­chen papier­buch und ebook aus­macht

    Während wir das analoge Buch aus Papi­er nach wie vor gut im Rah­men der von uns erlern­ten (hart­näck­i­gen) Muster des Lesens aufzunehmen und zu bear­beit­en wis­sen, ver­langt das dig­i­tale Buch von uns, in einen Lern- und Gewöh­nung­sprozess einzutreten.

    Es muss gel­ernt wer­den, wie man mit den verän­derten Möglichkeit­en des Daten­trägers zu arbeit­en ver­mag und man muss sich gle­ichzeit­ig daran gewöh­nen, dass Texte die Dimen­sion der Tiefe im Sinne von Seiten­zahlen »ver­lieren«. – Dies ist allerd­ings viel mehr als eine Frage der Hap­tik.

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  • Lit­er­atur­blogs: Dieses Buch wird Ihr Leben verän­dern! | Zeit — ana maria michel schreibt am mythos der guten, objek­tiv­en lit­er­aturkri­tiken in (zeitungs)feuilletons und der schlecht­en, sub­jek­tiv­en wer­ben­den besprechun­gen in blogs und youtube-kanälen fort. eines der kri­te­rien ihres ziem­lich unzulänglichen textes: in blogs gäbe es nur pos­i­tive, lobende besprechun­gen — als ob das in feuil­leton anders wäre!
  • Stradi­vari: Frau Gen­er­al lässt bit­ten | ZEIT ONLINE — wol­fram goertz kann sich nicht einkriegen vor begeis­terung, dass frank peter zim­mer­mann für drei jahre eine neue geige hat.
  • Der Online-Freud — alle 17 bände der “gesam­melten werke” von freud gibt es hier online: zum lesen im brows­er oder als pdf- bzw. epub-down­load.
  • Open Access zer­stört die Wis­senschaft. Meint Urs Heftrich in der FAZ. | LIBREAS.Library Ideas — ben kaden set­zt der ver­lagspro­pa­gan­da der faz ent­ge­gen

    fak­tisch ist die Bedro­hung des wis­senschaftlichen Ver­lagswe­sens durch Open Access und Zweitveröf­fentlichungsrechte keines­falls so akut, wie sie ihren Lesern glauben machen wollen. Zum Diskurs gehört also auch, darauf hinzuweisen. Ursäch­lich für einen Rück­gang bei den Erwer­bun­gen sind sich­er nicht vor­rangig die Repos­i­to­rien und Open-Access-Ver­lage, son­dern vielmehr die grotesken Preis­steigerung der STEM-Monop­o­lis­ten sowie Kürzun­gen in den Bib­lio­thek­se­tats. Wie sehr würde man sich über regelmäßige, gern auch scharfe Feuil­leton-Beiträge aus Hei­del­berg gegen die Preis­poli­tik von Else­vi­er und für die bessere finanzielle Ausstat­tung von deutschen Hochschul­bib­lio­theken freuen.

  • Deutsch­land: Off Duty | NEO MAGAZIN ROYALE mit Jan Böh­mer­mann — ZDF­neo — YouTube — so bescheuert, dass es schon wieder gut ist: jan böh­mer­manns neuestes video “Deutsch­land: Off Duty”
  • Geschichte der Gegen­wart — “eine Gruppe von Geistes- und Kultur­wis­sen­schaft­le­rInnen” v.a. aus zürich startete ger­ade die “Geschichte der Gegen­wart” als plat­tform, um sich in die öffentliche diskus­sion einzu­mis­chen.

    Texte, in denen die Gegen­wart nicht verneint wird durch das, was man immer schon zu wis­sen glaubt, son­dern zugäng­lich wird durch das, was man erschließen und rekon­stru­ieren, erörtern und analy­sieren, begreifen und ein­schätzen ler­nen kann.

    Gegen­wart liegt nicht ein­fach vor, son­dern sie passiert, wobei sie sich unser­er Aufmerk­sam­keit laufend wieder entzieht… Hal­ten wir sie fest! Dabei gilt: Wie sie passiert und was in ihr passiert, fol­gt aus all ihren Vergan­gen­heiten, die nicht abgeschlossen sind.

    Geschichte der Gegen­wart bietet bewusst keine Möglich­keit, Artikel unmit­telbar zu kommen­tieren. Diese heute so verbrei­tete Form der medi­alen Öffent­lich­keit hat u. E. den Nach­weis ihrer publi­zis­ti­schen Unabding­bar­keit und politi­schen Produk­ti­vität bis­lang nicht erbrin­gen kön­nen, son­dern öffnete das Feld nicht zulet­zt dem ungefil­terten Vorur­teil, der Ranküne und der blossen Mutmas­sung, die sich um Argu­mente nicht zu küm­mern braucht.

    kön­nte inter­es­sant wer­den …

  • Stel­lung­nahme zu “Siegerkun­st” | ideen­frei­heit — wolf­gang ull­rich berichtet per­ver­sitäten des urhe­ber­rechts: künstler_innen nutzen das zunehmend, um abbil­dun­gen ihrer (öffentlich aus­gestell­ten) werke in pub­lika­tio­nen, die ihnen nicht gefall­en, zu ver­hin­dern und somit eine wis­senschaftliche auseinan­der­set­zung (fast) unmöglich machen. und das spiel kann man bis zu 70 jahre nach dem tod der urhe­berin­nen weit­er­spie­len …

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  • WM ver­sus The­ater: Sibylle Berg über deutsche Kul­tur — SPIEGEL ONLINE — wie eigentlich immer ist sibylle bergs kolumne diese woche sehr gut:

    Wenn Deutsch­lands Mannschaft nicht gewin­nen sollte, was für eine wun­der­bare Vorstel­lung! Tausende weinen­der Fußball­fans liegen sich heulend in den Armen. Und trösten einan­der schul­terk­lopfend mit den Worten: Ach komm, Schwamm drüber. Denk nur an unsere iden­titätss­tif­tende Kul­tur. Ja, du hast recht, Rudi, lass uns gle­ich mal wieder in ein gutes Berg-Stück gehen.

  • Der Briefwech­sel zwis­chen Schiller und Goethe — “Es ist unbe­grei­flich, wie eine Unklugheit auf die andere fol­gt und wie incor­ri­gi­bel er in seinen Schiefheit­en ist.”
  • Forschungsplatz Orgel­bank: Gerd Zach­er (1929–2014) | nmz — neue musikzeitung — Ein schön­er Nachruf von Georg Beck:

    Dass er sich seine Orgel­bank mit Vor­liebe als Forschungsplatz ein­gerichtet hat, war Wirkung fes­ter Überzeu­gung: „Kom­po­si­tions-Anwalt“ wollte er sein. Auf allen Feldern, dem des his­torischen Erbes wie dem der Zeitgenossen­schaft, musste sich für ihn die Inter­pre­ta­tion vor der Kom­po­si­tion ver­ant­worten. Egotripps  ver­achtete er. Ander­er­seits: Die „Köni­gin“ unter den Instru­menten, dies war ihm wichtig, sollte Staat machen, sollte neue Klei­der haben und sie auch stolz aus­führen. Dafür hat sich Gerd Zach­er eben­so einge­set­zt wie für neue For­men kirchen­musikalis­ch­er Prax­is, was für ihn mit der Fort- und Weit­er­bil­dung sein­er Hör­er notwendig zusam­men­fiel.

  • Last Week Tonight with John Oliv­er (HBO): FIFA and the World Cup — YouTube — Die FIFA als die Kirche des Fußballs: Ein wun­der­bar­er Überblick von John Oliv­er (Last Week Tonight with John Oliv­er)
  • Wie das Inter­net die Wahrnehmung von Men­schen verän­dert | schneeschmelze | texte — Der (bish­er) beste — und vielle­icht ehrlich­ste — Nachruf auf Frank Schirrma­ch­er:

    Das einzige, das sein Tod markiert, ist das Ende des Feuil­letons. Ein let­ztes Auf­bäu­men der Pressekonz­erne, um „Debat­ten“ zu insze­nieren, cross­me­di­al. Das kon­nte er.

  • “heute-show” im ZDF — Da lacht der Ochsen­frosch — Medi­en — Süddeutsche.de — Detlef Esslinger bringt mein Unbe­hange an/mit der “heute-show” gut auf den Punkt:

    Die “heute-show” gilt als Ret­ter der deutschen Fernsehsatire. Dabei scheuen die Pointen der ZDF-Sendung niemals ein Klis­chee. Eine Hal­tung erken­nt man bei den Mach­ern nicht.

  • Emser Depesche: Der Über­liefer­ungszusam­men­hang | Aktenkunde — Hol­ger Berwinkel set­zt seinen detail­lierten Bericht der aktenkundlichen Unter­suchung der berühmten “Emser Depesche” fort. Da find­et sich auch die schöne Anmerkung:

    Aus der Lit­er­atur ken­nen wir die mod­erne Archivsig­natur, R 11674, und auch Blattzahlen: 209–214. Also kön­nten wir uns sofort auf Abekens Bericht aus Ems stürzen. Viele Forsch­er tun das auch und verzicht­en darauf, “ihre” Funde im Akten­zusam­men­hang zu kon­tex­tu­al­isieren. Sie tun das auf eigene Gefahr.

Netzfunde der letzten Tage (7.5.–12.5.)

Meine Net­z­funde für die Zeit vom 7.5. zum 12.5.:

  • Wenig­stens ich kann anlässlich des NSU-Prozess­be­ginns etwas geste­hen | Rep­tilien­fonds — Jakob Hein gibt sich vor der Real­ität der Massen­me­di­en angesichts des NSU-Prozess­es in München geschla­gen und wirft als Satirik­er vor dem Grauen der Wirk­lichkeit das Hand­tuch:

    Die tat­säch­liche Berichter­stat­tungder über­re­gionalen Presse über den NSU-Prozess, die sich weit­ge­hend auf die Per­son Tschäpe beschränkt und im Übri­gen kaum etwas Ihn­haltlich­es über den Prozess zutage fördert, kann nicht von mir karikiert wer­den. Die einzige Möglichkeit, das Beste­hende noch zu übertreiben, wäre es, wenn Hei­di Klum direkt mit Zschäpe in eine Zelle ges­per­rt würde, wenn Zschäpe vom Gericht zur Teil­nahme am Dschun­gel­camp verurteilt würde, wenn irgen­deine Klei­der­serie bei irgen­deinem in Bangladesh nähen lassenden Klei­derkonz­ern von ihr designt wer­den würde. Ich jeden­falls kann mit meinen Mit­teln diese Real­ität nicht überze­ich­nen.

  • Sohn II im Heimat­dorf — Der Nor­dost­west­fale als solche … — ein­fach her­rlich!
  • re:publica Posters since 1913 — Fonts In Use

Netzfunde vom 31.12. bis zum 4.1.

Meine Net­z­funde für die Zeit vom 31.12. zum 4.1.:

Real-Satire?

Heute im Zug habe ich mit großem Vergnü­gen Nor­bert Hoppes “Ich war Gut­ten­bergs Ghost” gele­sen. Die Mitreisenden haben immer mal wieder selt­sam geschaut, wenn ich aus heit­erem Him­mel laut aufgelacht habe. Aber manche Stellen sind ein­fach zu witzig …

Dann sagte der alte Mann [d.i. Karasek] wieder: “Krull” — und ging weg, den Hauss­mann holen, den Regis­seur, “Son­nenallee”, Sie wis­sen Bescheid? Und der fand auch sofort: Felix Krull! The­ater­rolle in Bochum … Ein Mann in Bomber­jacke, den sie Eichinger nan­nten, sagte “Quatsch” Lieber Film draus machen”, und hat­te schon den Bierdeck­el für den Ver­trag vor­bere­it­et … Boris Beck­er fragte, ob er mal vor­bei­dürfe zur Toi­lette, und hat­te noch nicht ein­mal eine dunkel­häutige Frau dabei, jeden­falls auf dem Hin­weg. Und am Ende schaute sog­ar Thomas Gottschalk noch kurz here­in (64)

Natür­lich ist das von vorne bis hin­ten erlogen, selb­st der Autor­name ist ein Pseu­do­nym. Aber es ist ein­fach richtig gut gemacht, wie Hoppe hier als ange­blich­er Schul­fre­und und Adju­tant von “KT” dessen Charak­ter, seine Entwick­lung, den Auf­stieg und den plöt­zlichen Sturz schreibt — mit ihm als wesentlichen Drahtzieher, ja sog­ar als Schöpfer des “Poli­tik­ers” Gut­ten­berg. Und als Ghost­writer der “Gut­ten­bergschen” Dis­ser­ta­tion — als Betrüger, der von Gut­ten­berg bet­ro­gen wurde, weil dieser ihn über die Herkun­ft der Textfrag­mente auf den ange­blichen 60 Disket­ten täuschte, so dass der Ghost­writer gar nichts dafür kon­nte, dass er zum Pla­gia­tor wurde. Tragisch, so etwas …

Ich glaube heute, dieses Tech­no-Zeug war für ihn auch irgend­wie Wag­n­er, nur mit anderen Mit­teln, aber wenn man genau hin­hört, ist es doch über­raschend ähn­lich im tiefen Gedröhne. im hys­ter­ischen Gefiepe und in der gesamten Ufer­losigkeit, ja, ich glaube, er meinte Wag­n­er, wenn er Tech­no hörte, das Totale, das Allum­fassende, das Gesamtkunst­werkhafte hat­te es ihm eben ange­tan […]. (102f.)

Das ganze ist wun­der­bar mit vie­len kleinen, tre­f­fend­en Seit­en­hieben auf die Poli­tik der Bun­desre­pub­lik und ihre Akteure, auf die deutsche Gesellschaft und die Medi­en, das Kul­turleben (nicht nur Helene Hege­mann, auch Ingo Schulze kommt vor …) gespickt. Und es stilis­tisch gekon­nt durchge­hend als simulierte Beichte bzw. “Jet­zt sage ich euch mal die Wahrheit”-Rede geschrieben — so gut, dass man ein­fach eine Menge Spaß damit hat. Und an nicht weni­gen Stellen wirkt die Satire dann doch wieder so real­is­tisch, dass man fast Angst bekommt — Angst um ein Land und eine Gesellschaft, in der so eine “Kar­riere” und so viele Fehlzuschrei­bun­gen samt den Heilser­wartun­gen möglich sind.

Aber bei ARD und ZDF hieß es: Unsere Zuschauer mögen keine Kinder, die sind immer so laut und so frech und schießen mit dem Fußball Fen­ster­scheiben kaputt, wenn man Mit­tagss­chlaf hal­ten will. Sat.1 wollte nur mit­machen, wenn ein Pro­fil­er aus den Leichen der Opfer auf den Täter schließt. Und das richtige RTL bestand darauf, dass erst einbmal die Super­nan­ny mit allen Beteiligten redet. Aber ich hat­te Stephanie ver­sprochen, ihr Konzept unver­fälscht und ohne Wenn und Aber durchzubox­en. Da blieben am Ende nur der Home­shop­pingkanal und RTL2. Na ja, und dann doch wohl lieber RTL2, nicht wahr? (142f.)

Das Konzept für die unsägliche Sendung der Frau Gut­ten­berg hat­te natür­lich auch Hoppe en pas­ant mal entwick­elt. Am Ende übri­gens, auch eine schöne Pointe, find­et Hoppe doch wieder einen neuen Arbeit­splatz:

Ich habe inzwis­chen wieder einen Job, wieder als Reden­schreiber und als Stich­wort­ge­ber, auch lei­der wieder in Berlin, aber dafür dies­mal wenig­stens hüb­sch im Grü­nen.
Das Schloss Belle­vue ist Ihnen ein Begriff?
Die Wulffs — irre nette Leute, sag ich Ihnen. (Und die Haare von ihr! Die Haare!! Aber das ist ein anderes The­ma.)

Nor­bert Hoppe: Ich war Gut­ten­bergs Ghost. Eine Satire. Köln: Kiepen­heuer & Witsch. 156 Seit­en. ISBN 978–3‑452–04435‑5.

neues aus der anstalt

das zdf hat ja seit kurzem mal wieder (endlich) eine eigene polit-kabarett-sendung: „neues aus der anstalt„ mit Urban Pri­ol und Georg Schramm. erste ausstrahlung im let­zten jahr fand ich ziem­lich lang­weilig und form­los (nicht nur ich war der mei­n­ung, das das damals noch nicht der große wurf war — auch wenn es die erste polit­satire/-kabarett-sendung des zdf seit langer zeit war -, der autor der faz war ähn­lich­er mei­n­ung (immer­hin hat pri­ol jet­zt einen weißen kit­tel an …). gestern habe ich zufäl­lig beim zap­pen noch teile der sendung vom 15.5. gese­hen — und das war — zumin­d­est teil­weise, noch nicht durchge­hend lei­der — richtig gut. und zu mein­er über­raschung gab es beim zdf sog­ar die sendung als pod­cast zum down­load in voller länge (allerd­ings nur sieben tage lange, danach muss man auf’s stream­ing auswe­ichen). das musste ich ja gle­ich aus­nutzen und deshalb jet­zt mein kom­plettes urteil zur fün­ften aus­gabe von „neues aus der anstalt”: die idee der rah­mung ist immer noch recht lock­er. aber das macht nichts. denn urban pri­ol war gut in form. und dann läuft das fast von alleine. denn diese fün­fte sendung machte fast den ein­druck eines solo-pro­gramm für ihn. die anderen scheinen kaum mehr als mehr oder weniger aus­führliche stich­wort­ge­ber, damit es zu so schö­nen beobach­tun­gen kom­men kann: „für das abwatschen von unser­er worthülsen­frucht aus der uck­er­mar­ck bin immer noch ich zuständig” (pri­ol). schön, dass die unbarmherzige härte und die rich­t­ende schärfe bei pri­ol und schramm noch nicht abges­tumpft ist. nicht nur pri­ols kom­men­tar zu dem langsam immer mehr zum ratzinger zurück­kehren­den papst: „die jugend muss ziem­lich verzweifelt sein: wenn der papst zur enthalt­samkeit vor der ehe aufruft, jubelt ihm die jugend zu”; auch seine heftige abrech­nung mit der fdp-charge dirk niebel hat mich von tief­stem herzen erfreut. die gäste: naja … die entschuldigung-serie von michael mit­ter­meier war eine recht schlechte kopie von polt — vor allem aber ziem­lich lang­weilig …, auch moni­ka gru­ber hat mich nicht so begeis­tert. das mag aber bei bei­den daran gele­gen haben, dass sie nicht voll ins konzept passten: poli­tisch ist an deren tex­ten näm­lich ziem­lich wenig, das sind nette kleine gesellschafts­beobach­tun­gen ohne beson­dere schärfe, witz oder ein­sicht — nichts für mich …

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