Heute im Zug habe ich mit großem Vergnü­gen Nor­bert Hoppes “Ich war Gut­ten­bergs Ghost” gele­sen. Die Mitreisenden haben immer mal wieder selt­sam geschaut, wenn ich aus heit­erem Him­mel laut aufgelacht habe. Aber manche Stellen sind ein­fach zu witzig …

Dann sagte der alte Mann [d.i. Karasek] wieder: “Krull” — und ging weg, den Hauss­mann holen, den Regis­seur, “Son­nenallee”, Sie wis­sen Bescheid? Und der fand auch sofort: Felix Krull! The­ater­rolle in Bochum … Ein Mann in Bomber­jacke, den sie Eichinger nan­nten, sagte “Quatsch” Lieber Film draus machen”, und hat­te schon den Bierdeck­el für den Ver­trag vor­bere­it­et … Boris Beck­er fragte, ob er mal vor­bei­dürfe zur Toi­lette, und hat­te noch nicht ein­mal eine dunkel­häutige Frau dabei, jeden­falls auf dem Hin­weg. Und am Ende schaute sog­ar Thomas Gottschalk noch kurz here­in (64)

Natür­lich ist das von vorne bis hin­ten erlogen, selb­st der Autor­name ist ein Pseu­do­nym. Aber es ist ein­fach richtig gut gemacht, wie Hoppe hier als ange­blich­er Schul­fre­und und Adju­tant von “KT” dessen Charak­ter, seine Entwick­lung, den Auf­stieg und den plöt­zlichen Sturz schreibt — mit ihm als wesentlichen Drahtzieher, ja sog­ar als Schöpfer des “Poli­tik­ers” Gut­ten­berg. Und als Ghost­writer der “Gut­ten­bergschen” Dis­ser­ta­tion — als Betrüger, der von Gut­ten­berg bet­ro­gen wurde, weil dieser ihn über die Herkun­ft der Textfrag­mente auf den ange­blichen 60 Disket­ten täuschte, so dass der Ghost­writer gar nichts dafür kon­nte, dass er zum Pla­gia­tor wurde. Tragisch, so etwas …

Ich glaube heute, dieses Tech­no-Zeug war für ihn auch irgend­wie Wag­n­er, nur mit anderen Mit­teln, aber wenn man genau hin­hört, ist es doch über­raschend ähn­lich im tiefen Gedröhne. im hys­ter­ischen Gefiepe und in der gesamten Ufer­losigkeit, ja, ich glaube, er meinte Wag­n­er, wenn er Tech­no hörte, das Totale, das Allum­fassende, das Gesamtkunst­werkhafte hat­te es ihm eben ange­tan […]. (102f.)

Das ganze ist wun­der­bar mit vie­len kleinen, tre­f­fend­en Seit­en­hieben auf die Poli­tik der Bun­desre­pub­lik und ihre Akteure, auf die deutsche Gesellschaft und die Medi­en, das Kul­turleben (nicht nur Helene Hege­mann, auch Ingo Schulze kommt vor …) gespickt. Und es stilis­tisch gekon­nt durchge­hend als simulierte Beichte bzw. “Jet­zt sage ich euch mal die Wahrheit”-Rede geschrieben — so gut, dass man ein­fach eine Menge Spaß damit hat. Und an nicht weni­gen Stellen wirkt die Satire dann doch wieder so real­is­tisch, dass man fast Angst bekommt — Angst um ein Land und eine Gesellschaft, in der so eine “Kar­riere” und so viele Fehlzuschrei­bun­gen samt den Heilser­wartun­gen möglich sind.

Aber bei ARD und ZDF hieß es: Unsere Zuschauer mögen keine Kinder, die sind immer so laut und so frech und schießen mit dem Fußball Fen­ster­scheiben kaputt, wenn man Mit­tagss­chlaf hal­ten will. Sat.1 wollte nur mit­machen, wenn ein Pro­fil­er aus den Leichen der Opfer auf den Täter schließt. Und das richtige RTL bestand darauf, dass erst einbmal die Super­nan­ny mit allen Beteiligten redet. Aber ich hat­te Stephanie ver­sprochen, ihr Konzept unver­fälscht und ohne Wenn und Aber durchzubox­en. Da blieben am Ende nur der Home­shop­pingkanal und RTL2. Na ja, und dann doch wohl lieber RTL2, nicht wahr? (142f.)

Das Konzept für die unsägliche Sendung der Frau Gut­ten­berg hat­te natür­lich auch Hoppe en pas­ant mal entwick­elt. Am Ende übri­gens, auch eine schöne Pointe, find­et Hoppe doch wieder einen neuen Arbeit­splatz:

Ich habe inzwis­chen wieder einen Job, wieder als Reden­schreiber und als Stich­wort­ge­ber, auch lei­der wieder in Berlin, aber dafür dies­mal wenig­stens hüb­sch im Grü­nen.
Das Schloss Belle­vue ist Ihnen ein Begriff?
Die Wulffs — irre nette Leute, sag ich Ihnen. (Und die Haare von ihr! Die Haare!! Aber das ist ein anderes The­ma.)

Nor­bert Hoppe: Ich war Gut­ten­bergs Ghost. Eine Satire. Köln: Kiepen­heuer & Witsch. 156 Seit­en. ISBN 978–3‑452–04435‑5.