Man muss Bruno Leipold nicht ken­nen. Und man kann es eigentlich auch gar nicht: Auf den Konz­ert­pro­gram­men taucht sein Name nicht mehr auf, selb­st ein­schlägige Nach­schlagew­erke wis­sen wenig über ihn zu bericht­en. Das war ein­mal anders, zu Beginn des 20. Jahrhun­derts hat­te der Kan­tor, Vio­lin­ist und Kom­pon­ist zumin­d­est regionale Berühmtheit in Thürin­gen erlangt. Die Weise­nauer katholis­che Gemeinde hat ihn jet­zt in Erin­nerung gerufen – aber nicht, um eine Leipold-Renais­sance anzus­toßen, son­dern zur Feier des 700jährigen Gemeinde-Jubiläums und als Gedenkkonz­ert für Wei­h­bischof Gubal­la. Dafür haben dort ein Proe­jk­tchor mit Unter­stützung des Peter-Cor­nelius-Kon­ser­va­to­ri­ums Leipolds Pas­sion­so­ra­to­ri­um unter der Leitung vo Ronald R. Pel­ger aufge­führt.

Schlicht „Gol­gatha“ ist es betitelt, schlicht und ungekün­stelt ist auch die Musik, die Leipold zur Pas­sion­s­geschichte geschrieben hat. Das ist echte Kirchen­musik aus der Prax­is: Leipold arbeit­et mit beschei­de­nen und sparsamen, aber wirkungsvollen Mit­teln. Schon in der Beset­zung: Neben der Orgel sind noch einige Stre­ich­er vorge­se­hen, ein ergänzen­des Englis­chhorn und für den Schluss­chor auch noch Pauken. Auch die Singstim­men ver­lan­gen keine hochgezüchteten Stim­men: So wer­den auch in Weise­nau alle Solis­ten­par­tien aus dem Chor beset­zt. Und das funk­tion­iert. Denn die Pas­sion­s­geschichte erhält so den Charme unmit­tel­bar­er Überzeu­gung und den Aus­druck echter Herzens­fröm­migkeit. Das gelingt auch ohne aus­ge­fal­l­ene kün­st­lerische Mit­tel: Man hört es auch in der Weise­nauer Kirche, wie begeis­tert und engagiert die Sän­gerin­nen und Sänger das vor­tra­gen.

Zumal Leipolds „Gol­gatha“ sowieso nicht so offen­sichtlich konz­er­tant ist: Man muss das gar nicht als Konz­ert ver­ste­hen, son­dern kann es wie einen Gottes­di­enst auf­fassen. Sog­ar mitsin­gen lässt der Kom­pon­ist die Besuch­er – die Gemeinde – wieder, wie es lange Tra­di­tion war. Und das klappt sog­ar: Zunächst zwar zögernd, aber dann dur­chaus vernehm­lich stim­men die ver­sam­melten Zuhör­er und/oder Gläu­bi­gen in die Choräle ein. Auch son­st merkt man dem Opus 216 den umtriebi­gen und erfahre­nen Kirchen­musik­ers an: Das ist solide gear­beit­et, greift von der Ein­gangs-Sin­fo­nia bis zum schon öster­lich jubilieren­den Schluss­chor immer wieder ver­schiedene Choralthe­men auf. Direkt, leicht ver­ständlich bleibt „Gol­gatha“ auch in den weni­gen Arien und Ensem­bles: Musik für Ama­teure kön­nte man das nen­nen, aus ein­er Zeit, in der „Ama­teur“ noch kein Schimpf­wort war. Ronald R. Pel­ger dirigiert das in zügi­gen, gefäl­li­gen Tem­pi, mit Gespür für die drama­tis­chen Höhep­unk­te und die Dichte des Geschehens. Und er macht deut­lich: Das ist hier, in der Pfar­rkirche, aufge­führt von einem Chor aus der Gemeinde, genau die richtige Musik genau am richti­gen Platz.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung.)