Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: kunst

Luxus

In Lon­don. Wo die Muse­en umsonst waren. Dass das ein Luxus war. Und dass alle Muse­en in der gan­zen Welt gra­tis sein muss­ten. Sonst waren sie gar kei­en Muse­en. Dass nur ein Muse­um ein Muse­um | war, wenn es kei­nen Ein­tritt kos­te­te. Dass nur in so einem Muse­um die Kunst­wer­ke Kunst blie­ben. Wenn man zah­len muss­te, dann muss­te die Kunst gleich wie­der etwas leis­ten. Dann wur­den die alten Mecha­nis­men wie­der ein­ge­setzt und Wunsch­er­fül­lun­gen ein­ge­kauft. Bezah­lung. Das gab den Din­gen Sinn. Den fal­schen Sinn, aber Sinn. Dann war die Sinn­lo­sig­keit von Kunst ver­lo­ren. Und nichts blieb.

—Mar­le­ne Stre­eru­witz, Nach­kom­men., S. 424f.

Ins Netz gegangen (24.7.)

Ins Netz gegan­gen am 24.7.:

  • Wann ist ein Gedicht gut, und wann ist es bloss gut gemeint? – tagesanzeiger.ch – kers­tin hen­sel, ganz grund­sätz­lich über qua­li­tät, über gute und schlech­te lyrik, und dar­über, wie man den unter­schied erkennt:

    Die Fra­ge lau­tet nun, was denn ein gutes Gedicht sei bzw. wie man es von ­einem schlech­ten oder mit­tel­mäs­si­gen unter­schei­den kann. Die Ant­wort lässt sich nicht auf eine For­mel brin­gen, denn es gibt kei­ne «rei­nen» Kunst­ge­set­ze. Jeder Lyri­ker wür­de die Fra­ge anders beant­wor­ten, und jede Zeit hat ihre eige­nen poe­ti­schen Regeln und ihren Ton.

    ein paar aus­schnit­te & kri­te­ri­en:

    Gute Gedich­te bestehen aus Ver­sen, nicht aus aus­ein­an­der­ge­schnit­te­ner Pro­sa.

    Das wich­tigs­te Merk­mal eines guten Gedich­tes ist, dass es ein unaus­sprech­ba­res ­Geheim­nis bewahrt.

    Lyrik lebt wie jede Kunst aus dem oszil­lie­ren­den Ver­hält­nis zwi­schen Ratio­na­li­tät und Irra­tio­na­li­tät.

    Das Auf­re­gen­de in der Kunst ist der Wider­spruch, der Haken, der eine glat­te Schön­heit ver­hin­dert, der nicht mit Gefäl­lig­keit auf all­ge­mei­nen Applaus zielt.

  • Behin­der­ten­heim arbei­tet Geschich­te auf: Ein Leben außer­halb der Gesell­schaft – die nie­der-ram­städ­ter hei­me haben ihre geschich­te „auf­ge­ar­bei­tet“ (oder zumin­dest bear­bei­tet und unter­sucht) – mit zeit­zeu­gen, geschichts­werk­stät­ten etc.

    Men­schen­un­wür­di­ge Bedin­gun­gen, frag­wür­di­ge Erzie­hungs­me­tho­den, feh­len­de päd­ago­gi­sche Bemü­hun­gen, dafür die rei­ne Unter­brin­gung der Behand­lungs- und Pfle­ge­fäl­le zie­hen sich durch das gan­ze Buch.

  • Fahr­gast­in­for­ma­ti­on par excel­lence: Der digi­ta­le Wagen­stands­an­zei­ger » Zukunft Mobi­li­tät – coo­le idee: in den nie­der­lan­den wur­de – end­lich! – ein zeit­ge­mä­ßer wagen­stands­an­zei­ger ent­wi­ckelt, der gleich noch ein paar zusatz­in­for­ma­tio­nen lie­fert und auch für nicht-gewohn­heits-rei­sen­de, die das kon­zept „wagen­stands­an­zei­ger“ nicht ken­nen, kaum zu über­se­hen sein dürf­te:

    Statt ein­zel­ner Bild­schir­me und Anzei­gen über­spannt ein 180 Meter lan­ger LED-Bal­ken den Bahn­steig. Auf die­sem wer­den über ver­schie­de­ne Sym­bo­le und intui­ti­ve Farb­codes diver­se Infor­ma­tio­nen wie die exak­te Hal­te­po­si­ti­on, die Posi­ti­on der Türen, die ein­zel­nen Wagen­klas­sen, Ruhe­ab­tei­le, Fahr­rad- und Roll­stuhl­plät­ze sowie die Fahrt­rich­tung ange­zeigt. Hin­zu kom­men Infor­ma­tio­nen über den Beset­zungs­grad ein­zel­ner Wagen.

  • Enzy­klo­thek – eine irr­sin­ni­ge arbeit, die sich peter ketsch mit der eny­klo­thek da macht – aber auch, trotz vor­han­de­ner lücken, ein unge­mein hilf­rei­ches recher­che­mit­tel für his­to­ri­sche wis­senspei­cher

    Die Enzy­klo­thek ist eine Lite­ra­tur­da­ten­bank, die mög­lichst umfas­send die von der Anti­ke bis etwa 1920 ver­fass­ten Nach­schla­ge­wer­ke mit ihren ver­schie­de­nen Aus­ga­ben und Auf­la­gen doku­men­tiert.

  • Child­ren pay­ing a ter­ri­ble pri­ce in Gaza – The Washing­ton Post – so etwas nennt man dann wohl asym­me­tri­sche kriegs­füh­rung MT @KenRoth: the death toll of the cur­rent #Gaza fight­ing.
"Eine neue Version ist verfügbar" - Frontcover

Die neueste Version der neuen Version

So sieht sie also aus, mei­ne per­so­na­li­sier­te Neue Ver­si­on, die jetzt ver­füg­bar ist – aber das hat­te ich ja schon get­wit­tert.

Schön ist das Buch gewor­den, mit den far­bi­gen Sei­ten der ver­schie­de­nen Kapi­teln (nur eine bes­se­re und fle­xi­ble­re Kle­be­bin­dung hät­te ich mir gewünscht …). Wobei ver­füg­bar schon falsch ist: Der Text hät­te mir schon lan­ge bekannt sein kön­nen und war es teil­wei­se auch, weil der Autor Dirk von Geh­len (des­sen Mas­hup ich auch schon mit Gewinn gele­sen habe) sei­ne Unter­stüt­zer am Ent­ste­hungs­pro­zess hat teil­ha­ben las­sen (was ich aber nicht alles gele­sen und ange­hört habe). Jetzt also die neue Ver­si­on von Eine neue Ver­si­on ist ver­füg­bar, die auch nur eine vor­läu­fig letz­te ist: Im Herbst erscheint es als über­ar­bei­te­te Ver­si­on noch ein­mal bei einem Ver­lag.

Wor­um geht es in Eine neue Ver­si­on ist ver­füg­bar? Um Ver­flüs­si­gung. Von Geh­len beob­ach­tet und beschreibt eine Ver­än­de­rung, die durch die Digi­ta­li­sie­rung viel­leicht nicht her­vor­ge­bracht, aber zumin­dest beschleu­nigt wur­de: Gesell­schaft und ihre „Pro­duk­te“ ver­än­dert sich. Sie wird beweg­li­cher, eben flüs­si­ger, über­win­det also die Star­re des Fest­stof­fes. Das heißt auch: Sie exis­tiert immer in ver­schie­de­nen Ver­sio­nen: Alles – z.B. auch die Kul­tur – wird zur Soft­ware.

Auch ein schöner Rücken kann entzücken ...

Auch ein schö­ner Rücken kann ent­zü­cken …

Meta­phern spie­len dabei – die Vor­stel­lung der „Ver­flüs­si­gung“ macht es ja schon deut­lich – eine gro­ße Rol­le. Viel­leicht manch­mal eine zu gro­ße: Hin und wie­der hät­te ich mir (auch) noch etwas mehr Kon­kre­ti­sie­rung gewünscht. Sicher, dass ist nicht das pri­mä­re Ziel von Geh­lens. Aber gescha­det hät­te es dem Text und sei­ner ana­ly­ti­schen Schär­fe viel­leicht nicht ;-). Und für mei­nen unmaß­geb­li­chen Geschmack wird der Fuß­ball­spiel­ver­gleich etwas über­stra­pa­ziert. Aber das sind Klei­nig­kei­ten, im Gro­ßen und Gan­zen bin ich – glau­be ich zumin­dest – auf einer Linie mit der Neu­en Ver­si­on.

Ver­flüs­si­gung heißt also: Der Künst­ler – denn obwohl von Geh­len immer mit dem Blick auf die gesam­te Gesell­schaft schreibt, bleibt die Künst­le­rin und ihr Kul­tur­schaf­fen doch im Fokus – steht „nicht mehr am Anfang, son­dern in der Mit­te eines krea­ti­ven Pro­zes­ses […], des­sen Aus­gang offen ist“ (S. 149f.) Und des­halb heißt es ganz fol­ge­rich­tig ein­mal: „Wir müs­sen schwim­men ler­nen!“ Und das ist also von Geh­lens For­de­rung für alle. Er schlägt dazu einen Weg in fünf Schrit­ten vor:

  1. Das Pro­dukt als Pro­zess den­ken (führt zu grö­ße­rer Nähe zw. Pro­du­zent und Kon­su­ment)
  2. Das Gespräch füh­ren (der sozia­le Aspekt der Kul­tur – dazu gehört auch, die „Meta­da­ten“ offen­zu­le­gen, also den Pro­zess zu zei­gen und auch nach­voll­zieh­bar zu machen)
  3. Ein Netz­werk erstel­len (Künst­ler als (Ver-)Mittler)
  4. Einen Salon eröff­nen (Gemein­sam­keit spe­zi­fisch defi­nier­ter (vir­tu­el­ler) Öffentlichkeit(en))
  5. Erleb­nis­se schaf­fen (auch der Ent­ste­hungs­pro­zess ist ein Erleb­nis)

Zusam­men­ge­nom­men heißt das dann:

Schwim­men ler­nen bedeu­tet des­halb vor allem: die neu­en Bedin­gun­gen im ver­än­der­ten Ver­hält­nis zwi­schen Autor und Publi­kum zu erspü­ren. Denn hier liegt eine der zen­tra­len Fol­gen der digi­ta­len Kopie für die zu Soft­ware gewor­de­ne Kul­tur. (S. 150)

Und damit hat er wohl ziem­lich recht. Es wird also span­nend, davon bin ich über­zeugt: Noch gibt es ja erst weni­ge Ver­su­che, die­sen Weg (in der Kunst) zu gehen. Das wer­den in den nächs­ten Jah­ren sicher­lich viel mehr wer­den – und dar­auf freue ich mich. Und so gelas­sen und freund­lich-posi­tiv, wie von Geh­len die­sen ja durch­aus radi­ka­len Ver­än­de­rungs­pro­zess beschreibt, freut er sich genau­so dar­auf …

Dirk von Geh­len: Eine neue Ver­si­on ist ver­füg­bar. Exklu­si­ve Erst­auf­la­ge, indi­vi­dua­li­sier­te Pre­mi­um-Edi­ti­on. Mün­chen 2013. 224 Sei­ten.
Individualisierte Premium-Edition

Indi­vi­dua­li­sier­te Pre­mi­um-Edi­ti­on

Aus-Lese #1

Elke Erb: Das Hünd­le kam wei­ter auf drein. Ber­lin, Wuisch­ke und Solo­thurn: rough­books 2013 (rough­book 028). 62 Sei­ten.

Ich bin ja ein gro­ßer Bewun­de­rer Elke Erbs. Und ich genie­ße ihre etwas ver-rück­te, manch­mal absei­ti­ge Poe­sie sehr – weil sie genau das kann, was ich an Kunst so mag: Mich berüh­ren und ver­än­dern, neue Wahr­neh­mun­gen und Kon­struk­tio­nen der Welt ermög­li­chen (ohne sie zu erzwin­gen, nur durch das Anbie­ten). Der für sei­ne lyri­sche Über­zeu­guns­ar­beit auch kaum genug zu loben­de Urs Enge­ler (den das deut­sche Feuil­le­ton ja inzwi­schen weit­ge­hend ver­ges­sen zu haben scheint, wenn mich mein Ein­druck nicht sehr täuscht …) hat genau die­ser Elke Erb anläss­lich der Ver­lei­hung des Ernst-Jandl-Prei­ses für Lyrik die­ses schma­le Bänd­chen her­aus­ge­ge­ben und den Abon­nen­ten sei­ner tol­len Buch­rei­he „rough­book“ als Geschenk gesandt. Man­ches auf die­sen 62 Sei­ten ist sehr, sehr knapp, ande­res dafür fast zum Aus­gleich rich­tig lang. Manch­mal schei­nen die weni­gen Ver­se eines Text­leins „nur“ Nota­te zu sein, manch­mal zei­gen sie ihre Er-Arbeit-ung. Jeden­falls scheint hier eine per­sön­li­che­re Dich­te­rin durch, als ich sie aus ihren anderen/​letzten Bän­den wahr­ge­nom­men habe, eine Dich­te­rin, die sich stär­ker selbst als Per­son und Indi­vi­du­um in ihre Tex­te (und deren Zen­trum) ein­bringt und dabei auch/​gerade ihr poet(olog)isches Selbst­ver­ständ­nis erkun­det und erschreibt. Jeden­falls sind hier wie­der eini­ge wun­der­bar gelun­ge­ne Bei­spie­le der Erb’schen Sprach­macht und Sprach­phan­ta­sie zu fin­den – und mehr braucht es auch gar nicht, um mich glück­lich zu machen (zumin­dest für die Lese­zeit und etwas dar­über hin­aus …)1

Peter Fisch­li, David Weiss: Fin­det mich das Glück? Köln: Ver­lag der Buch­hand­lung Walt­her König 2003. [unpa­gi­niert]

Die­se (Kunst-)Büchlein, das (m)ich nur zufäl­lig gefun­den habe – was an sich schon eine gro­ße Schan­de ist – ist ohne Zwei­fel eines der wei­ses­ten Bücher unse­rer Zeit. Oder viel­leicht gera­de mit Zwei­fel. Denn Fisch­li & Weiss fra­gen ein­fach nur.2 Das Buch besteht aus irrs­sin­nig vie­len Kar­ten – je zwei pro Sei­te – die mit wei­ßer Hand­schrift auf tief­schwar­zem Hin­ter­grund fra­gen stel­len: Phi­lo­so­phi­sche (v.a. onto­lo­gi­sche und phä­no­me­no­lo­gi­sche), auch bana­le und wit­zi­ge, tief- und flach­grün­di­ge. Vor allem unheim­lich vie­le, unheim­lich span­nen­de und berüh­ren­de (Und dazwi­schen gibt es noch ein paar (weni­ge) klit­ze­klei­ne lus­ti­ge Zeich­nun­gen …). Natür­lich füh­ren sich die Fra­gen alle letzt­lich gera­de durch ihre Kom­bi­na­ti­on und Kon­stel­la­ti­on in der qua­si-unend­li­chen Abfol­ge voll­kom­men ad absur­dum. Aber das ist eben eine schö­ne Idee, schön gemacht .…

Chris­toph Schlin­gen­sief: AC: Church Of Fear (Aus­stel­lungs­ka­ta­log Muse­um Lud­wig, Köln). Köln: Ver­lag der Buch­hand­lung Walt­her König 2005. 48 Sei­ten.

Chris­toph Schlin­gen­sief erklärt das Kon­zept, die Idee und die Rea­li­sie­rungs­ge­schich­te der „Church of Fear“ in zwei aus­führ­li­chen Inter­views. Mit eini­gen „Ori­gi­nal­do­ku­men­ten“ der „Church of Fear“ und Bil­dern des für die CoF gebau­ten Kir­chen­ge­bäu­des, die min­des­tens genau­so inter­es­sant sind …

Wiglaf Dros­te: Sprichst du noch oder kom­mu­ni­zierst du schon? Neue Sprachglos­sen. Ber­lin: Edi­ti­on Tiamat 2012 (Cri­ti­ca Dia­bo­lis 196). 192 Sei­ten.

Wiglaf Dros­te beob­ach­tet Spra­che und Spre­cher mit­samt ihren Erzeu­gern, den Spre­che­rin­nen und Schrei­be­rin­nen, sehr genau. Und er legt ger­ne den gesal­ze­nen Fin­ger auf die offe­ne Wun­de. Dass er selbst sehr bis­sig, genau und tref­fend for­mu­lie­ren kann, macht das Meckern am schlech­ten Sprach­ge­brauch der ande­ren umso inter­es­san­ter. Zumal Dros­te sich auch die eine oder ande­re Abwei­chung von der rei­nen Sprach­krik­tik – die er aber sowie­so immer als Teil der not­wen­di­gen Gesell­schaft­kri­tik und nicht als blo­ße Beck­mes­se­rei auf dem Gebiet der Spra­che emp­fin­det – erlaubt – ein ech­tes Bil­dungs­ver­gnü­gen (wie übri­gens auch David Hugen­dick in der „Zeit“ fand)!

Show 2 foot­no­tes

  1. Der Titel – Das Hünd­le kam auf drein – hat mich übri­gens erst ein­mal gründ­lich ver­wirrt – bis ich im Zusam­men­hang – er ist ein Zitat aus dem Gedicht „Iss mit Ver­stand“, wo er sei­nen Sinn von ganz allei­ne erfährt.
  2. Damit ist das übri­gens ein Buch, dass den Plan Vivi­ans aus Tho­mas Meine­ckes Tom­boy rea­li­siert: Ein Werk nur in Fra­gen abzu­fas­sen.

Kunstwerk

kunstwerk

Kunst­werk

und im Zusam­men­hang:
Arche Noah

Arche Noah (Kunst­werk)

(das steht am Rhein­ufer beim Win­ter­ha­fen in Mainz)

venedig: erste eindrücke

übers wochen­en­de (von don­ners­tag nach­mit­tag bis mon­tag mit­tag – also ein sehr groß­zü­gi­ges wochen­en­de) war ich in vene­dig – dank dani­el und sei­ner gast­freund­schaft im deut­schen stu­di­en­zen­trum dort eine sehr kos­ten­güns­ti­ge bil­dun­g­rei­se.

heu­te nur ein paar ers­te ein­drü­cke, der kom­plet­te bericht kommt spä­ter.

die rei­se­zeit war opti­mal: für vene­zia­ni­sche ver­hält­nis­se war die stadt aus­ge­stor­ben. bis auf den abso­lu­ten kern­be­reich war es wirk­lich sehr leer – über­all. am mon­tag frei­lich nicht mehr ganz so sehr wie am frei­tag zuvor. die tem­pe­ra­tu­ren waren zwar nicht aus­ge­spro­chen ange­nehm, aber durch­aus erträg­lich. zumin­dest für einen heiß­blüt­ler wie mich. und das wet­ter war wun­der­bar: ganz viel son­nen­schein, ein biss­chen leich­te bewöl­kung, über­haupt kein nie­der­schlag. so konn­ten wir die stadt und ihre schät­ze herr­lich erlau­fen.

ach ja, das lau­fen: natür­lich bin ich auch in vene­dig jeden tag gelau­fen. aber das ist dafür eine unbarm­her­zi­ge stadt. gleich drei­fach: der boden ist immer nur stein. und wirk­lich nur. (na gut, eine win­zi­ge ecke gar­der­inie gibt es. viel wei­cher ist’s da aber auch nicht). und es gibt ein­fach kei­ne gera­de stre­cken: ecken, kan­ten, schar­fe kni­cke – die gas­sen sind schwer zu ren­nen. und dann noch­die kanä­le. d.h. die brü­cken dar­über. die stö­ren den rhyth­mus auch noch­mal gewal­tig. und wenn dann noch leu­te unter­wegs sind, wird es wirk­lich fast zum par­cour, das lauf­trai­ning.

aber des­we­gen war ich ja nicht dort. son­dern um vene­dig zu erle­ben und ken­nen­zu­ler­nen. das ist die stadt: ver­rückt. der reich­tum der ver­gan­gen­heit. und auch noch der gegen­wart. und dann zugleich auch der ver­fall: schon immer – zumin­dest aber lan­ge (man lese nur tho­mas mann) eine mor­bi­de stadt: liebt den tod. das ende. das ver­ge­hen. das ver­fal­len. so sieht es da auch aus: über­all brö­ckelt es. über­all ste­hen hal­be rui­nen rum, die noch bewohnt wer­den. sehr selt­sam. und dann dane­ben oder dar­in die präch­tigs­ten kul­tur­schät­ze.
die geschich­te: wahn­sinn. die­ses selbst­be­wusst­sein. bzw. die gran­dio­se selbst­über­he­bung und ‑ver­herr­li­chung. da ist jede kon­zern­zen­tra­le heu­te dreck dage­gen. und auch in dubai kann das nur schwer zu top­pen sein. und die dich­te an kunst – das ist ein­fach über­wäl­ti­gend. mir brummt jetzt immer noch der kopf von den gan­zen ein­drü­cken. das muss ich jetzt erst ein­mal alles noch men­tal sor­tie­ren. und hof­fent­lich bin ich noch halb­wegs in der lage, das aus­ein­an­der­zu­hal­ten …

„… das Denken.

Es ist unüb­lich im Kunst­kon­text, die Leu­te haben Angst davor, zurecht. Den­ken ist destruk­tiv, es hemmt, es lähmt, es macht die Din­ge kom­pli­ziert und aus­weg­los, es wider­spricht der Kunst, die blind, glück­lich und naiv her­vor­spru­deln möch­te, fun­da­men­tal.“ (Rai­nald Goetz, Kla­ge, 136)

„Kunst soll …

… unver­ständ­lich sein, die Welt ist auch so.“ (Rai­nald Goetz, Kla­ge, 17)

„ich will, …

… dass alles, was gesagt wird, ins wackeln kommt, immer wie­der neu.“ (paul wühr)

Denkmuskeln

Was Lite­ra­tur kann, ist ver­spann­te Denk­mus­keln auf­lo­ckern. Diet­mar Dath

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