In London. Wo die Museen umsonst waren. Dass das ein Luxus war. Und dass alle Museen in der ganzen Welt gratis sein mussten. Sonst waren sie gar keien Museen. Dass nur ein Museum ein Museum | war, wenn es keinen Eintritt kostete. Dass nur in so einem Museum die Kunstwerke Kunst blieben. Wenn man zahlen musste, dann musste die Kunst gleich wieder etwas leisten. Dann wurden die alten Mechanismen wieder eingesetzt und Wunscherfüllungen eingekauft. Bezahlung. Das gab den Dingen Sinn. Den falschen Sinn, aber Sinn. Dann war die Sinnlosigkeit von Kunst verloren. Und nichts blieb.
Die Frage lautet nun, was denn ein gutes Gedicht sei bzw. wie man es von einem schlechten oder mittelmässigen unterscheiden kann. Die Antwort lässt sich nicht auf eine Formel bringen, denn es gibt keine «reinen» Kunstgesetze. Jeder Lyriker würde die Frage anders beantworten, und jede Zeit hat ihre eigenen poetischen Regeln und ihren Ton.
ein paar ausschnitte & kriterien:
Gute Gedichte bestehen aus Versen, nicht aus auseinandergeschnittener Prosa.
Das wichtigste Merkmal eines guten Gedichtes ist, dass es ein unaussprechbares Geheimnis bewahrt.
Lyrik lebt wie jede Kunst aus dem oszillierenden Verhältnis zwischen Rationalität und Irrationalität.
Das Aufregende in der Kunst ist der Widerspruch, der Haken, der eine glatte Schönheit verhindert, der nicht mit Gefälligkeit auf allgemeinen Applaus zielt.
Menschenunwürdige Bedingungen, fragwürdige Erziehungsmethoden, fehlende pädagogische Bemühungen, dafür die reine Unterbringung der Behandlungs- und Pflegefälle ziehen sich durch das ganze Buch.
Fahrgastinformation par excellence: Der digitale Wagenstandsanzeiger » Zukunft Mobilität – coole idee: in den niederlanden wurde – endlich! – ein zeitgemäßer wagenstandsanzeiger entwickelt, der gleich noch ein paar zusatzinformationen liefert und auch für nicht-gewohnheits-reisende, die das konzept „wagenstandsanzeiger“ nicht kennen, kaum zu übersehen sein dürfte:
Statt einzelner Bildschirme und Anzeigen überspannt ein 180 Meter langer LED-Balken den Bahnsteig. Auf diesem werden über verschiedene Symbole und intuitive Farbcodes diverse Informationen wie die exakte Halteposition, die Position der Türen, die einzelnen Wagenklassen, Ruheabteile, Fahrrad- und Rollstuhlplätze sowie die Fahrtrichtung angezeigt. Hinzu kommen Informationen über den Besetzungsgrad einzelner Wagen.
Enzyklothek – eine irrsinnige arbeit, die sich peter ketsch mit der enyklothek da macht – aber auch, trotz vorhandener lücken, ein ungemein hilfreiches recherchemittel für historische wissenspeicher
Die Enzyklothek ist eine Literaturdatenbank, die möglichst umfassend die von der Antike bis etwa 1920 verfassten Nachschlagewerke mit ihren verschiedenen Ausgaben und Auflagen dokumentiert.
So sieht sie also aus, meine personalisierte Neue Version, die jetzt verfügbar ist – aber das hatte ich ja schon getwittert.
Schön ist das Buch geworden, mit den farbigen Seiten der verschiedenen Kapiteln (nur eine bessere und flexiblere Klebebindung hätte ich mir gewünscht …). Wobei verfügbar schon falsch ist: Der Text hätte mir schon lange bekannt sein können und war es teilweise auch, weil der Autor Dirk von Gehlen (dessen Mashup ich auch schon mit Gewinn gelesen habe) seine Unterstützer am Entstehungsprozess hat teilhaben lassen (was ich aber nicht alles gelesen und angehört habe). Jetzt also die neue Version von Eine neue Version ist verfügbar, die auch nur eine vorläufig letzte ist: Im Herbst erscheint es als überarbeitete Version noch einmal bei einem Verlag.
Worum geht es in Eine neue Version ist verfügbar? Um Verflüssigung. Von Gehlen beobachtet und beschreibt eine Veränderung, die durch die Digitalisierung vielleicht nicht hervorgebracht, aber zumindest beschleunigt wurde: Gesellschaft und ihre „Produkte“ verändert sich. Sie wird beweglicher, eben flüssiger, überwindet also die Starre des Feststoffes. Das heißt auch: Sie existiert immer in verschiedenen Versionen: Alles – z.B. auch die Kultur – wird zur Software.
Auch ein schöner Rücken kann entzücken …
Metaphern spielen dabei – die Vorstellung der „Verflüssigung“ macht es ja schon deutlich – eine große Rolle. Vielleicht manchmal eine zu große: Hin und wieder hätte ich mir (auch) noch etwas mehr Konkretisierung gewünscht. Sicher, dass ist nicht das primäre Ziel von Gehlens. Aber geschadet hätte es dem Text und seiner analytischen Schärfe vielleicht nicht ;-). Und für meinen unmaßgeblichen Geschmack wird der Fußballspielvergleich etwas überstrapaziert. Aber das sind Kleinigkeiten, im Großen und Ganzen bin ich – glaube ich zumindest – auf einer Linie mit der Neuen Version.
Verflüssigung heißt also: Der Künstler – denn obwohl von Gehlen immer mit dem Blick auf die gesamte Gesellschaft schreibt, bleibt die Künstlerin und ihr Kulturschaffen doch im Fokus – steht „nicht mehr am Anfang, sondern in der Mitte eines kreativen Prozesses […], dessen Ausgang offen ist“ (S. 149f.) Und deshalb heißt es ganz folgerichtig einmal: „Wir müssen schwimmen lernen!“ Und das ist also von Gehlens Forderung für alle. Er schlägt dazu einen Weg in fünf Schritten vor:
Das Produkt als Prozess denken (führt zu größerer Nähe zw. Produzent und Konsument)
Das Gespräch führen (der soziale Aspekt der Kultur – dazu gehört auch, die „Metadaten“ offenzulegen, also den Prozess zu zeigen und auch nachvollziehbar zu machen)
Ein Netzwerk erstellen (Künstler als (Ver-)Mittler)
Einen Salon eröffnen (Gemeinsamkeit spezifisch definierter (virtueller) Öffentlichkeit(en))
Erlebnisse schaffen (auch der Entstehungsprozess ist ein Erlebnis)
Zusammengenommen heißt das dann:
Schwimmen lernen bedeutet deshalb vor allem: die neuen Bedingungen im veränderten Verhältnis zwischen Autor und Publikum zu erspüren. Denn hier liegt eine der zentralen Folgen der digitalen Kopie für die zu Software gewordene Kultur. (S. 150)
Und damit hat er wohl ziemlich recht. Es wird also spannend, davon bin ich überzeugt: Noch gibt es ja erst wenige Versuche, diesen Weg (in der Kunst) zu gehen. Das werden in den nächsten Jahren sicherlich viel mehr werden – und darauf freue ich mich. Und so gelassen und freundlich-positiv, wie von Gehlen diesen ja durchaus radikalen Veränderungsprozess beschreibt, freut er sich genauso darauf …
Dirk von Gehlen: Eine neue Version ist verfügbar. Exklusive Erstauflage, individualisierte Premium-Edition. München 2013. 224 Seiten.
Elke Erb: Das Hündle kam weiter auf drein. Berlin, Wuischke und Solothurn: roughbooks 2013 (roughbook 028). 62 Seiten.
Ich bin ja ein großer Bewunderer Elke Erbs. Und ich genieße ihre etwas ver-rückte, manchmal abseitige Poesie sehr – weil sie genau das kann, was ich an Kunst so mag: Mich berühren und verändern, neue Wahrnehmungen und Konstruktionen der Welt ermöglichen (ohne sie zu erzwingen, nur durch das Anbieten). Der für seine lyrische Überzeugunsarbeit auch kaum genug zu lobende Urs Engeler (den das deutsche Feuilleton ja inzwischen weitgehend vergessen zu haben scheint, wenn mich mein Eindruck nicht sehr täuscht …) hat genau dieser Elke Erb anlässlich der Verleihung des Ernst-Jandl-Preises für Lyrik dieses schmale Bändchen herausgegeben und den Abonnenten seiner tollen Buchreihe „roughbook“ als Geschenk gesandt. Manches auf diesen 62 Seiten ist sehr, sehr knapp, anderes dafür fast zum Ausgleich richtig lang. Manchmal scheinen die wenigen Verse eines Textleins „nur“ Notate zu sein, manchmal zeigen sie ihre Er-Arbeit-ung. Jedenfalls scheint hier eine persönlichere Dichterin durch, als ich sie aus ihren anderen/letzten Bänden wahrgenommen habe, eine Dichterin, die sich stärker selbst als Person und Individuum in ihre Texte (und deren Zentrum) einbringt und dabei auch/gerade ihr poet(olog)isches Selbstverständnis erkundet und erschreibt. Jedenfalls sind hier wieder einige wunderbar gelungene Beispiele der Erb’schen Sprachmacht und Sprachphantasie zu finden – und mehr braucht es auch gar nicht, um mich glücklich zu machen (zumindest für die Lesezeit und etwas darüber hinaus …)1
Peter Fischli, David Weiss: Findet mich das Glück? Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König 2003. [unpaginiert]
Diese (Kunst-)Büchlein, das (m)ich nur zufällig gefunden habe – was an sich schon eine große Schande ist – ist ohne Zweifel eines der weisesten Bücher unserer Zeit. Oder vielleicht gerade mit Zweifel. Denn Fischli & Weiss fragen einfach nur.2 Das Buch besteht aus irrssinnig vielen Karten – je zwei pro Seite – die mit weißer Handschrift auf tiefschwarzem Hintergrund fragen stellen: Philosophische (v.a. ontologische und phänomenologische), auch banale und witzige, tief- und flachgründige. Vor allem unheimlich viele, unheimlich spannende und berührende (Und dazwischen gibt es noch ein paar (wenige) klitzekleine lustige Zeichnungen …). Natürlich führen sich die Fragen alle letztlich gerade durch ihre Kombination und Konstellation in der quasi-unendlichen Abfolge vollkommen ad absurdum. Aber das ist eben eine schöne Idee, schön gemacht .…
Christoph Schlingensief: AC: Church Of Fear (Ausstellungskatalog Museum Ludwig, Köln). Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König 2005. 48 Seiten.
Christoph Schlingensief erklärt das Konzept, die Idee und die Realisierungsgeschichte der „Church of Fear“ in zwei ausführlichen Interviews. Mit einigen „Originaldokumenten“ der „Church of Fear“ und Bildern des für die CoF gebauten Kirchengebäudes, die mindestens genauso interessant sind …
Wiglaf Droste: Sprichst du noch oder kommunizierst du schon? Neue Sprachglossen. Berlin: Edition Tiamat 2012 (Critica Diabolis 196). 192 Seiten.
Wiglaf Droste beobachtet Sprache und Sprecher mitsamt ihren Erzeugern, den Sprecherinnen und Schreiberinnen, sehr genau. Und er legt gerne den gesalzenen Finger auf die offene Wunde. Dass er selbst sehr bissig, genau und treffend formulieren kann, macht das Meckern am schlechten Sprachgebrauch der anderen umso interessanter. Zumal Droste sich auch die eine oder andere Abweichung von der reinen Sprachkriktik – die er aber sowieso immer als Teil der notwendigen Gesellschaftkritik und nicht als bloße Beckmesserei auf dem Gebiet der Sprache empfindet – erlaubt – ein echtes Bildungsvergnügen (wie übrigens auch David Hugendick in der „Zeit“ fand)!
Der Titel – Das Hündle kam auf drein – hat mich übrigens erst einmal gründlich verwirrt – bis ich im Zusammenhang – er ist ein Zitat aus dem Gedicht „Iss mit Verstand“, wo er seinen Sinn von ganz alleine erfährt. ↩
Damit ist das übrigens ein Buch, dass den Plan Vivians aus Thomas MeineckesTomboy realisiert: Ein Werk nur in Fragen abzufassen. ↩
übers wochenende (von donnerstag nachmittag bis montag mittag – also ein sehr großzügiges wochenende) war ich in venedig – dank daniel und seiner gastfreundschaft im deutschen studienzentrum dort eine sehr kostengünstige bildungreise.
heute nur ein paar erste eindrücke, der komplette bericht kommt später.
die reisezeit war optimal: für venezianische verhältnisse war die stadt ausgestorben. bis auf den absoluten kernbereich war es wirklich sehr leer – überall. am montag freilich nicht mehr ganz so sehr wie am freitag zuvor. die temperaturen waren zwar nicht ausgesprochen angenehm, aber durchaus erträglich. zumindest für einen heißblütler wie mich. und das wetter war wunderbar: ganz viel sonnenschein, ein bisschen leichte bewölkung, überhaupt kein niederschlag. so konnten wir die stadt und ihre schätze herrlich erlaufen.
ach ja, das laufen: natürlich bin ich auch in venedig jeden tag gelaufen. aber das ist dafür eine unbarmherzige stadt. gleich dreifach: der boden ist immer nur stein. und wirklich nur. (na gut, eine winzige ecke garderinie gibt es. viel weicher ist’s da aber auch nicht). und es gibt einfach keine gerade strecken: ecken, kanten, scharfe knicke – die gassen sind schwer zu rennen. und dann nochdie kanäle. d.h. die brücken darüber. die stören den rhythmus auch nochmal gewaltig. und wenn dann noch leute unterwegs sind, wird es wirklich fast zum parcour, das lauftraining.
aber deswegen war ich ja nicht dort. sondern um venedig zu erleben und kennenzulernen. das ist die stadt: verrückt. der reichtum der vergangenheit. und auch noch der gegenwart. und dann zugleich auch der verfall: schon immer – zumindest aber lange (man lese nur thomas mann) eine morbide stadt: liebt den tod. das ende. das vergehen. das verfallen. so sieht es da auch aus: überall bröckelt es. überall stehen halbe ruinen rum, die noch bewohnt werden. sehr seltsam. und dann daneben oder darin die prächtigsten kulturschätze. die geschichte: wahnsinn. dieses selbstbewusstsein. bzw. die grandiose selbstüberhebung und ‑verherrlichung. da ist jede konzernzentrale heute dreck dagegen. und auch in dubai kann das nur schwer zu toppen sein. und die dichte an kunst – das ist einfach überwältigend. mir brummt jetzt immer noch der kopf von den ganzen eindrücken. das muss ich jetzt erst einmal alles noch mental sortieren. und hoffentlich bin ich noch halbwegs in der lage, das auseinanderzuhalten …
Es ist unüblich im Kunstkontext, die Leute haben Angst davor, zurecht. Denken ist destruktiv, es hemmt, es lähmt, es macht die Dinge kompliziert und ausweglos, es widerspricht der Kunst, die blind, glücklich und naiv hervorsprudeln möchte, fundamental.“ (Rainald Goetz, Klage, 136)