Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: erzählung Seite 1 von 2

Bücherreihe

Aus-Lese #52

Ich pro­biere mal wieder etwas Neues … Da ich meine Mel­dun­gen “Aus-Lese” mit ein­er kurzen sub­jek­tiv­en Skizze der jew­eili­gen Lek­türe und meines Ein­druck­es dazu verse­hen habe, bedeutet das einen (zwar kleinen) gewis­sen Aufwand, der mich in der let­zten Zeit weit­ge­hend davon abge­hal­ten hat, die Serie fortzuführen. Also gibt es jet­zt einen neuen Ver­such im deut­lich reduzierten For­mat …

Heim­i­to von Doder­er: Unter schwarzen Ster­nen. Erzäh­lun­gen. München: Deutsch­er Taschen­buch-Ver­lag 1973. 153 Seit­en. ISBN 978–3‑423–00889‑1.

Der schmale Band mit Erzäh­lun­gen — über­wiegend aus den 1950er und 1960er Jahren — hat es nicht geschafft, meine respek­tvolle Dis­tanz zu Doder­er zu ver­ringern. Ich erkenne (und schätze) die Kun­st­fer­tigkeit und das Stil­be­wusst­sein des Autors, aber davon abge­se­hen bleiben mir die Texte (das ging mir mit seinen Roma­nen ähn­lich) eher fremd.

Wolf­gang Schuller: Cicero. Ditzin­gen: Reclam 2018 (Reclam 100 Seit­en). 101 Seit­en. ISBN 978–3‑15–020435‑1.

Eine nette kurze Feier­abendlek­türe, die den Men­schen Mar­cus Tul­lius Cicero flott, unter­halt­sam, auch pointiert porträtiert. Dabei klingt das große (selb­stver­ständliche) Fach­wis­sen der römis­chen Geschichte immer mit. Mir fehlt allerd­ings etwas die genauere und aus­führlichere Beschäf­ti­gung mit den Inhal­ten von Ciceros Werken. Der Band bleibt (absichtlich) weit­ge­hend (nicht nur, aber doch über­wiegend) am Äußeren von Ciceros Leben. — Natür­lich wäre das auch viel ver­langt, bei­des auf 100 Seit­en zufrieden­stel­lend zu erledi­gen, das ist mir dur­chaus bewusst. Für meinen Geschmack hätte eine zumin­d­est teil­weise Ver­schiebung des Fokus aber den­noch gut getan.

Ger­hard Pop­pen­berg: Herb­st der The­o­rie. Erin­nerun­gen an die alte Gelehrten­re­pub­lik Deutsch­land. Berlin: Matthes & Seitz 2018 (Fröh­liche Wis­senschaft 111). 239 Seit­en. ISBN 978–3‑95757–386‑5.

Ein faszinieren­der Text. Ich kön­nte aber nur schw­er genau sagen, was das eigentlich ist — und worauf der Text hin­aus will. Auf der Suche nach so etwas wie ein­er geisti­gen Sig­natur der BRD liest Pop­pen­berg Autoren und ihre Rück­blicke auf die let­zten Jahrzehnte. So kom­men Philipp Felsch, Frank Witzel, Ulrich Raulff und Friedrich Kit­tler gemein­sam in den Blick, wer­den genau (!) gele­sen und mit dur­chaus sujek­tive gefärbten Darstel­lun­gen und Erin­nerun­gen kom­biniert. Das klingt jet­zt viel selt­samer als es im Text ist. Der ist näm­lich dur­chaus faszinierend und gelehrt — eine über­aus anre­gende Mis­chung und auch eine anre­gende Lek­türe.

Valentin Sen­ger: Kaiser­hof­s­traße 12. 4. Auflage der Neuaus­gabe. Frank­furt am Main: Schöf­fling 2012. 316 Seit­en. ISBN 978–3‑89561–485‑9.

senger, kaiserhofstraße 12 (cover)Roman oder auto­bi­ographis­che Erzäh­lung — eigentlich ist das ja egal. Was es auf jeden Fall ist: Eine — angesichts des Sujets — erstaunlich leichte und leicht­füßige Erzäh­lung der jüdis­chen Fam­i­lie Sen­ger vor und während des Nation­al­sozial­is­mus. Das einzi­gar­tige daran ist, das merkt der Erzäh­ler auch selb­st, wie wun­der­voll das gelingt: Ein Wun­der ist das Über­leben, ein Wun­der ohne Staunen. Natür­lich gibt es, ganz klas­sisch, Schwierigkeit­en zu über­winden. Aber um Ende siegt doch die Leichtigkeit, das Leben, die fast unver­schämte Unver­nun­ft und Unbe­sorgth­eit des Erzäh­lers und sein­er Fam­i­lie. Das ganze ist sehr direkt, unmit­tel­bar erzählt — ein Text, dem man sich kaum entziehen kann (und es ja eigentlich auch nicht möchte). Die meis­ten­teils knap­pen Kapi­tel, fast Erin­nerungs­bruch­stücke (vor allem im ersten Teil, der frühen Kind­heit des Erzäh­lers) machen dne Text auch gut zugänglich und kon­sum­ier­bar — sicher­lich auch ein Fak­tor, der zum Erfolg des Buch­es, das seit 1978 in mehreren Aufla­gen und Aus­gaben (und Ver­la­gen) erschienen ist.

Nor­bert Frei/Christian Morina/Franka Maubach/Maik Tändler: Zur recht­en Zeit. Wider die Rück­kehr des Nation­al­is­mus. Berlin: Ull­stein 2019. 224 Seit­en. ISBN 978–3‑550–20015‑1.

frei et al., zur rechten zeit (cover)Der Titel kündigt eigentlich eher eine Stre­itschrift an: “Wider die Rück­kehr des Nation­al­is­mus”. Das kann der Band aber kaum ein­lösen. Was er aber kann, und das dur­chaus recht gut und überzeu­gend: Hin­ter­gründe für Entwick­lun­gen geben. Die Autor*innen bieten näm­lich eine Rückschau auf die deutsche Geschichte seit 1945, in West und Ost, mit dem Fokus auf die diversen recht­en, nation­al­is­tis­chen Strö­mungen, Diskus­sio­nen und Parteien, von der Ent­naz­i­fizierung bis in die unge­fähre Gegen­wart. Das ist als Einord­nung und Argu­men­ta­tion­shil­fe gut gemacht und gut zu nutzen. Die gesamt­deutsche Per­spek­tive ist dabei dur­chaus hil­fre­ich — unsich­er bin ich allerd­ings, ob Büch­er wie diese ihr Ziel wirk­lich erre­ichen kön­nen …

bücher (von oben & hinten)

Aus-Lese #51

Almut Tina Schmidt: Zeitver­schiebung. Graz, Wien: Droschl 2016. 189 Seit­en. ISBN 978–3‑85420–978‑2.

schmidt, zeitverschiebung (cover)Eigentlich ist Schmidts Zeitver­schiebung eine Geschichte des erweit­erten Erwach­sen­wer­dens: Das Ende des Studi­ums, die ersten Jobs, sich ver­fes­ti­gende Beziehun­gen, die Liebe und dann das Kind, ein neuer Job, Zusam­men­ziehen mit dem Part­ner und ein Hap­py End — das ist das Gerüst des Romans. Aber das ist auch der weniger inter­es­sante Teil des Romans. Schnell wird aber klar — der Titel ist in dieser Hin­sicht ja überdeut­lich … -, dass etwas anderes das eigentliche The­ma ist: Die Zeit, genauer vielle­icht: ihre Wahrnehmung, oder die wahrgenommene Posi­tion­ierung der Ich-Erzäh­lerin in ihrem strö­menden Fließen.

Zeit ist ohne­hin eine Illu­sion. (140)

Das Erleben und vor allem das Erzählen der Zeit verbindet sich mit ähn­lich abstrak­ten Konzepten wie For­tu­na oder Zufall.
Denn die Ver­spä­tung — um die Zeitver­schiebung etwas banaler zu ver­passen — ist das zen­trale Moment des Texte. Die chro­nol­o­gis­che Ver­spä­tung ist das eine, aber Ver­spä­tung ist eben auch ein Lebens­ge­fühl (oder genauer: das Lebens­ge­fühl ein­er Phase des Lebens): Das über­mächtige Gefühl des Ver­passens, des „zwis­chen“, „noch nicht“, und des immer schon zu spät sein, des Ein­drucks, immer schon den Anfang ver­passt zu haben … Aber selb­st das hap­py end schlägt sich doch auch noch auf das Zeit(empfinden) — hier des eige­nen, kleinen Kindes — nieder: „Und nimmt sich alle Zeit der Welt.“ (189) ist der Schlusssatz, der schön zum Anfangssatz passt: „Ich war ohne­hin zu spät, kon­nte mir also Zeit lassen.“ (5)

Das The­ma der Zeitver­schiebung ist damit auf indi­vidu­eller Ebene sozusagen erledigt. Aber es wird eben deut­lich (wie so oft in diesem Roman: überdeut­lich), dass es in der näch­sten Gen­er­a­tion (wieder/noch) ein The­ma sein kann. Allerd­ings, da schließt sich der Kreis nicht ganz: Noch ist das ein Kind, das “alle Zeit der Welt” hat. Vielle­icht gelingt ihm/ihr (?) ja das Erwach­sen­wer­den der Zeit(empfindung) gemäß den gesellschaftlichen Konventionen/Erwartungen par­al­lel zum restlichen Erwach­sen­wer­den? (Wobei Zeitver­schiebung ja eigentlich eher die Frage aufwirft, ob man ohne dieses spezielle, d.h. “nor­male” Empfind­en der Zeit, das Beha­gen darin, über­haupt erwach­sen gewor­den ist — der Text verneint das eher und situ­iert seine Pro­tag­o­nistin ja mehr als deut­lich in einem Zwis­chen, einem Über­gangssta­di­um (klas­sisch: Pubertät), unab­hängig von ihrem Alter.

Ger­ade der Anfang ist dur­chaus char­mant erzählt, das muss man Schmidt attestieren, mit läs­siger und heit­er­er Ironie-Dis­tanz. Über­haupt ist die Sprache oft lakonisch, knapp und direkt mit Ten­denz zum Humor. Es gibt wenig Auss­chmück­ung, das hohe Tem­po des Geschehens nimmt der Text gut auf: Die Zeit ist ein­fach nie genug, vor allem — so behauptet die Erzäh­lerin immer wieder — lebt sie im Bewusst­sein, sie zu ver­schwen­den und hat per­ma­nent das Gefühl, die Zeit nicht genü­gend auszukosten, nicht aus­re­ichend zu nutzen, immer nicht das Digentliche (des Lebens) zu tun, son­dern nur einen Not­be­helf, eine Zwis­chen­lö­sung. Lei­der wird die Erzäh­lung und die Sprache zunehmend kon­ven­tioneller — sozusagen par­al­lel zum Leben, dem Lebensen­twurf der Erzäh­lerin. Und damit ver­liert der Text lei­der meines Eracht­ens etwas: Sich­er, das ist in Übere­in­stim­mung mit der geschilderten Entwick­lung. Aber es machte den Text für mich gegen Ende auch deut­lich lang­weiliger.

Ich ver­schwen­dete mehr und mehr Zeit damit zu fürcht­en, meine Zeit ern­sthaft zu ver­schwen­den. (105)

Gwe­naëlle Aubry: Nie­mand. Graz, Wien: Droschl 2013. 150 Seit­en. ISBN 978–3‑85420–843‑3.

aubry, niemand (cover)Nie­mand ist das Alpha­bet ein­er selt­samen, schwieri­gen Vater-Tochter-Beziehung, die durch Abwe­sen­heit­en wesentlich mitbes­timmt ist und von der Tochter nach dem Tod ihres Vaters erforscht und aufgeschrieben wird. Der wird uns als Melan­cho­lik­er gezeigt, der auch daran stirbt (naja, eigentlich dann doch am Herz­in­farkt), dessen Leben bes­timmt ist vom Wahnsinn der Melan­cholie (?) und der sich immer wieder tem­porär in sta­tionär­er Behand­lung befind­et, zugle­ich aber (!) hoch ange­se­hen­er Jura-Pro­fes­sor. Nie­mand nutzt für diesen nachträglichen Abschied den emo­tionalen, psy­chis­chen und lit­er­arischen Nach­lass des Vater, aus dessen Schriften (teil­weise auch fik­tion­al gedacht) wird immer wieder zitiert. Denn zugle­ich ist der Roman auch ein Ver­such des Erin­nerns, mehr noch: der Verge­gen­wär­ti­gung des Vaters durch die Auseinan­der­set­zung, Aufar­beitung (Dur­char­beitung) des Ver­hält­niss­es der Ich-Erzäh­lerin mit ihm und ein Ver­such, ihn — als Men­schen, als Per­son — zu ver­ste­hen. Schwierig ist das insofern, als er schon während dem Leben ver­schwindet, (oder das zumin­d­est als — in seinen Nieder­schriften offen­bartes — Ziel hat­te): eben ein Nie­mand wer­den, ein Mann ohne Eigen­schaften.

Die Erzäh­lerin ver­liert sich wun­der­bar in ihren eige­nen Sätzen, häuft immer mehr Details und Erin­nerun­gen an, türmt das auf, fügt immer neue Ergänzun­gen, Präzisierun­gen, Erweiterun­gen an. Die Sätze fan­gen oft ganz harm­los an und ufern dann maß­los aus. Aber das ist ja aber ger­ade der schöne und sym­pa­this­che Witz des Textes: die ungetüme, wilde, chao­tisch-frag­men­tarische Erin­nerung wird nur durch das Alpha­bet der Kapi­tel gezähmt — zumin­d­est schein­bar. Und let­ztlich bleibt der Ver­such der Ord­nung, ein kohärentes Ganzes dadurch zu schaf­fen (von Anfang bis Schluss in ein­er fest­ge­fügten Abfolge) auch verge­blich, eben nur ein Ver­such, der im Text ein­mal als „Ord­nung ohne Bedeu­tung“ klas­si­fiziert wird (147). Aber sie ist wohl doch mehr: Denn die Buch­staben ste­hen ja nicht alleine, son­dern wer­den in den Kapitelüber­schriften zum Wort (mit Aus­nahme des “Y”, wo die Ord­nung dann eben auch reflek­tiert wird …).

„Nun gehen die Buch­staben aus, diese Ord­nung ohne Bedeu­tung, mit deren Hil­fe ich ver­sucht habe, seine Unord­nung und meine in den Griff zu bekom­men, unsere Erin­nerun­gen zu glät­ten und stam­mel­nd dieses sehr alte Wis­sen zu buch­sta­bieren, zu dem ich nicht durchge­drun­gen bin, als ob diese Wörter und Sätze, die unter dem Impuls und der Notwendigkeit ein­er ander­ern Ord­nung, der seini­gen – ein­er Auf­forderung oder eines Ver­sprechens (einen Roman daraus machen) –, hingeschrieben wur­den, sogle­ich wieder in ihre ursprünglichen Bestandteile auseinan­der­fall­en wür­den […] (147)

Michael Fehr: Glanz und Schat­ten. Erzäh­lun­gen. Luzern: Der gesunde Men­schen­ver­sand 2017. 141 Seit­en. ISBN 9783038530398.

fehr, glanz und schatten (cover)Sime­liberg hat­te mich ziem­lich begeis­tert. Glanz und Schat­ten kann da lei­der nicht ganz mithal­ten. Vor allem die starke Konzen­tra­tion und die fremde Härte, jew­eils in Form und Sprache, von Sime­liberg fehlt mir hier. Ganz oft weiß ich spon­tan (und später) über­haupt nicht, was die Texte wollen und/oder sollen, die Fremd­heit ist und bleibt oft ziem­lich groß: Irgend­wie finde ich nicht zu dem Text. Dessen “The­ma” kön­nte man oft nen­nen: die kalte, erbar­mungslose Welt des (Spät-)Kapitalismus und des Kon­sums, die Zurich­tungs­maschi­nen und ‑mech­a­nis­men der („freien“) Gesellschaft, wie sie sich vor allem in der Fremdbes­tim­mung (statt Indi­vid­u­al­ität) äußern — aber der Fremdbes­tim­mung ein­er gesicht­slosen, anony­men Macht. Das spie­len die Texte mit dem Vor­führen von Rol­len­bildern und ‑klis­chees, v.a. denen der Geschlechter, durch. Gewalt spielt dabei immer wieder eine außeror­dentlich Rolle: als Ven­til, als Aus­bruch aus den unen­tkomm­baren Zwän­gen, als Umschla­gen der Energien. Nico Bleutge hat in sein­er Rezen­sion des Ban­des vorgeschla­gen, die Texte als zum Vor­trag bes­timmte zu lesen — vielle­icht ist das wirk­lich hil­fre­ich, denn “alleine”, als blanker Text, finde ich nur in eini­gen weni­gen (zum Beispiel dem inten­siv­en “Stu­dentin” oder “Mais”) genü­gend Fasz­i­na­tion bei der Lek­türe.

Felix Hart­laub: Don Juan d’Aus­tria und die Schlacht bei Lep­an­to. Her­aus­gegeben von Wol­fram Pyta und Wolf­gang M. Schwiedrzik. Neckargemünd, Wien: Edi­tion Mnemosyne 2017 (Gegen­Satz 8). 292 Seit­en. ISBN 9783934012301.

felix hartlaub, don juan d'austria (cover)
Eine geschichtswis­senschaftliche Dis­ser­ta­tion aus dem Jahr 1940 über ein Ereig­nis aus dem Jahr 1571 — lohnt die Lek­türe eines solchen Textes heute noch? Dur­chaus, kann man sagen, wenn der Ver­fass­er For­mat hat­te. Und das muss man Felix Hart­laub bescheini­gen. Deshalb ist Don Juan d’Aus­tria und die Schlacht bei Lep­an­to tat­säch­lich auch noch inter­es­sant, als his­torische Darstel­lung eines his­torischen Ereigniss­es. Inter­es­sant ist auch die Form: Hart­laub arbeit­et erzäh­lend, er bringt (fast) keine Zitate und nutzt auch ver­gle­ich­sweise wenige Quellen (und sowieso zur gedruck­te): Als geschichtswis­senschaftliche Qual­i­fika­tion­ss­chrift hätte das heute wohl keine Chance mehr. Auch als “Sach­buch” bin ich mir nicht ganz sich­er, ob sich die Lek­türe heute wirk­lich noch so unbe­d­ingt lohnt, wie die Her­aus­ge­ber beto­nen … Sich­er, die Stil­isierung des sowieso schon zur Welt­geschichte hochstil­isierten Ereigniss­es ist gekon­nt umge­set­zt. Aber viel mehr sehe ich da jet­zt nicht unbe­d­ingt …

Die let­zte Sin­nge­bung des Tages von Lep­an­to gewann wir auch so noch nicht. An die Seite solch­er Über­legun­gen muß wohl die Ahnung treten, daß der Tag von Lep­an­to zu den sel­te­nen Ereignis­sen gehört, die, wenn man es so aus­drück­en darf, auf ein­er höheren Ebene der Geschichte liegen und bei denen die Frage nach den tat­säch­lichen Fol­gen im let­zten nicht angemessen ist. Nur materiell betra­chtet, gehörte der Sieg freilich wohl zu den — im Ver­hält­nis zu dem Erfolge — allzu ver­schwen­derischen Blu­topfern, an denen vor allem auch die deutsche Geschichte so reich ist. In dieser Hin­sicht ist manche aus den unmit­tel­bar fol­gen­den Jahren erhal­tene Äußerung auf­schlußre­ich. Das ide­al Bild der Schlacht aber, die noch über­all, in den Galeeren im Hafen, in den Waf­fen und Nar­ben gegen­wär­tig war, löste sich rasch aus dem Gefüge men­schlich­er Pla­nun­gen; es war ganz in sich abgeschlossen, man kon­nte kein­er­lei Abwand­lun­gen und Fort­set­zun­gen ersin­nen. (237)

außer­dem gele­sen:

  • Axel Matthes: Georges Bataille nach Allem. Berlin: blauw­erke 2016 (split­ter 07). 66 Seit­en. ISBN 978–3‑945002–07‑0.
  • Gün­ter de Bruyn: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter. Eine Biogra­phie. Über­ar­beit­ete und ver­mehrte Neu­fas­sung. Frank­furt: Fis­ch­er 2013. 350 Seit­en. ISBN 9783100096449.
  • Hans Jür­gen von der Wense: Das Nordlicht. Her­aus­gegeben von Vales­ka Bertonci­ni und Rein­er Niehoff. Mit einem Bei­wort von Vales­ka Bertonci­ni. Berlin: blauw­erke 2016 (split­ter 11). 58 Seit­en. ISBN 9783945002117.
  • Hans Jür­gen von der Wense: Das lose Werk. Mappe Nr. 01: Wolken. Berlin: blauew­erke 2016. ISBN 978–3‑945002–02‑5.
  • Ruth Klüger: Marie von Ebn­er-Eschen­bach. Anwältin der Unter­drück­ten. Wien: Man­del­baum 2016 (Autorin­nen feiern Autorin­nen). 56 Seit­en. ISBN 9783854765219.
  • Mar­lene Streeruwitz: Mar­lene Streeruwitz über Bertha von Sut­tner. Wien: Man­del­baum 2014 (Autorin­nen feiern Autorin­nen). 61 Seit­en. ISBN 9783854764564.
spinnennetz mit tautropfen

Ins Netz gegangen (3.4.)

Ins Netz gegan­gen am 3.4.:

  • Oh-ranien­platz, Ih-ranien­platz | taz → roland berg über die fehlende schöne/ästhetische gestal­tung von baut­en in der stadt heute:

    Und stets ori­en­tiert man sich dabei an der ver­meintlich „schö­nen“ Ver­gan­gen­heit. Zeit­genös­sisch-verbindliche Vorstel­lun­gen über das Schöne scheinen zu fehlen. Also das, was Immanuel Kant sein­erzeit „Gemeinsinn“ nan­nte. Heute scheint das Vor­mod­erne aus der Geschichte als einzige Norm für die Gegen­wart als verbindlich. Und selt­samer­weise wird – zumin­d­est in ästhetis­ch­er Hin­sicht – von den meis­ten das Frühere dem Heuti­gen vorge­zo­gen. […] Ret­ro­spek­tive Ästhetik und Rekon­struk­tion von (Alt‑)Bauten und ganz­er Stadträume bis hin zu Wieder­aufer­ste­hung des abgeris­se­nen Berlin­er Schloss­es füllen die Leere, die der Ver­lust des Gemeinsinns für das Schöne in der Gegen­wart mit sich gebracht hat.

  • Wer Gedichte liest, weiss mehr über das Leben | NZZ → die nzz doku­men­tiert leicht gekürzt die dankesrede von michael brauch für den alfred-kerr-preis

    Bei der Beschäf­ti­gung mit der Frage, warum sich ein­er wie ich mit Gedicht­en befasst und Rezen­sio­nen zu Gedicht­bän­den schreibt, gelangt man zu ähn­lichen Ein­sicht­en, wie sie Nico­las Born 1970 for­muliert hat: Es hat mit dem eige­nen Existieren zu tun, mit dem Ver­such, dem Rät­sel des eige­nen Daseins auf die Spur zu kom­men. Beim Lesen von Gedicht­en ist man fast immer mit den Fra­gen nach den let­zten Din­gen kon­fron­tiert, wir wer­den unmit­tel­bar und ohne schützende Ein­leitung in medias res gewor­fen. Die Verse der Gedichte, die wir lesen, ver­mit­teln uns das «punk­tuelle Zün­den der Welt im Sub­jecte», wie es ein Schüler des Philosophen Hegel for­mulierte. […] Beim Lesen von Gedicht­en wird ein Riss sicht­bar in dem Welt­ge­bäude, das uns eben noch ver­traut schien. Ein Riss wird sicht­bar im Welt­ge­bäude, und – so sagt es ein­mal der rus­sis­che Welt­po­et Ossip Man­del­stam – die poet­is­che Rede weckt uns mit­ten im Wort auf. Gedichte sprechen von dem skan­dalösen Fak­tum, dass wir geboren wor­den sind und dass wir in noch nicht vorstell­bar­er, aber doch nicht allzu fern­er Zukun­ft ster­ben wer­den.

  • Über ein richtiges Lehrer-Leben im falschen Schul­sys­tem | Bil­dungslück­en → schreibt über kri­tik an schule und ihrem sys­tem und möglichkeit­en der verbesserung und verän­derung, auch auf indi­vidu­eller ebene

    Denn unser Schul­sys­tem hat so viele grundle­gende Män­gel, dass ich mir oft die Frage stelle, ob es das über­haupt geben kann: ein richtiges Lehrerleben im falschen Schul­sys­tem. Im Laufe der Zeit habe ich einige (Über-)Lebensstrategien entwick­elt.

  • Secu­ri­ty | Ohne Text singt kein Men­sch mit

    Die Change-Man­age­ment-Fachkraft ein­er großen Unternehmens­ber­atung und ein Stu­dent im dun­klen Kapuzen­pul­li leg­en in der Schlange nacheinan­der ihre Gür­tel, die Geld­börsen und ihre Lap­tops in die Durch­leuch­tungs-Schalen auf das Band der Sicher­heit­skon­trolle. Sie schauen sich kurz lächel­nd an, weil bei­de das­selbe Lap­top-Mod­ell aus ihren Handgepäck-Reise­taschen nesteln.

  • Rad­fahren in Kopen­hagen und Berlin: Vom Paradies in die Vorhölle| Deutsch­land­funk Kul­tur → die über­schrift sagt eigentlich schon alles — ein kurz­er, sub­jek­tiv­er ver­gle­ich der rad­fahrmöglichkeit­en in den bei­den städten

    Lieber über gute Rad­wege ohne Helm als über schlechte mit.

  • Jüdisch, ehren­hal­ber | FAZ → claudius sei­dl sehr richtig zu dem blödsin­ni­gen geschwätz von “jüdisch-christlich­er prä­gung”:

    Insofern schließt die Rede von der „jüdisch-christlichen Prä­gung“ nicht nur den Islam aus – was ja der eigentliche Zweck dieser Behaup­tung ist. Auch Aufk­lärung und Athe­is­mus, auch die, ger­ade in der deutschen Lit­er­aturgeschichte, so wichtige Sehn­sucht nach jen­em heit­er­eren Him­mel, in welchem die men­schlicheren Göt­ter der Griechen wohnen, wer­den von dieser Rede, wenn nicht aus­geschlossen, dann doch zu den Apokryphen ein­er Tra­di­tion, deren Kanon ange­blich jüdisch-christlich ist (man möchte die Namen all der­er, die diese Rede zu Frem­den macht in der deutschen Kul­tur, gar nicht aufzählen müssen).

  • Wun­der­bar­er Eigensinn| Faust Kul­tur → ein wun­der­bares, kluges gespräch mit dem lyrikkri­tik­er michael braun, den ich immer wieder gerne lese (auch wenn ich nicht in allem mit ihm übere­in­stimme …):

    Ich würde für mich sagen: Es muss eine Störung der geläu­fi­gen Sprach­struk­turen erfol­gen, wir müssen beim Sprechen und Schreiben die Ver­trautheit ver­lieren – auch in unserem Ver­ste­hen -, wir müssen aus­ge­he­belt wer­den beim Lesen solch­er Verse, son­st kann kein gutes Gedicht entste­hen. […] Das poet­is­che Selb­st­ge­spräch ver­mag manch­mal eben doch andere zu erre­ichen. Und ob das nun 17 oder 97 oder 1.354 sind, spielt keine Rolle. Also, 1.354, diese berühmte Enzens­berg­er­sche Kon­stante, ist ja noch zu opti­mistisch angelegt. Nicht 1.354 Men­schen pro Pop­u­la­tion, ob in Island oder den USA, greifen zu Gedicht­bän­den, son­dern nur 135,4 Lyrik­leser! Also die Enzens­berg­er­sche Kon­stante müsste durch 10 geteilt wer­den. 135,4 Rezip­i­en­ten pro Gedicht­band ist die neue Kon­stante für öffentliche Aufmerk­samkeit auf Gedichte.

Aus-Lese #44

Nora Bossong: 36,9°. Berlin, München: Hanser 2015. 318 Seit­en.

bossong, 36,9°Das ist in meinen Augen ein sehr schwach­er Roman, der mich sehr ent­täuscht hat. Schon Gesellschaft mit beschränk­ter Haf­tung hat mich zwar auch nicht großar­tig begeis­tert, war aber doch deut­lich bess­er, was etwa die Kon­struk­tion und die stilis­tis­che Ausar­beitung ange­ht — bei­de Romane bestärken eigentlich nur meinen Wun­sch, von Bossong (wieder) mehr Lyrik zu lesen …

Der Text von 36,9° wirkt merk­würdig müde und erschöpft. Vielle­icht ist das ja eine beab­sichtigte Par­al­lele von Inhalt und Form (schließlich geht es um das aufzehrende, schwierige, harte Leben des Anto­nio Gram­c­si), aber mich hat das trotz­dem aus Grün­den, die ich nicht so genau benen­nen kann, eher abgestoßen. Erzählt wird in zwei Per­spek­tiv­en in zwei (groben) Zeit­ebe­nen das Leben Gram­c­sis und eine Art Forschungsaufen­thalt des Gram­c­si-Spezial­is­ten Anton Stöver, der in Rom nach einem ver­schol­lenen Manuskript sucht. Wieso es diese Dop­pelung von Erzäh­ler und Zeit­en eigentlich gibt, ist mir nicht so ganz klar gewor­den — nur um die Überzeitlichkeit zu beto­nen? Um nicht in den Ver­dacht zu ger­at­en, eine Gram­c­si-Biogra­phie zu schreiben? Und wozu ist dann der Man­skript-Kri­mi (der ja als solch­er über­haupt nicht funk­tion­iert, weil er nicht richtig erzählt wird, son­dern nur als Hil­f­s­mit­tel dient und ab und an her­vorge­holt wird …) gut? Oder sollen die Zeit­ebe­nen nur sig­nal­isieren, dass dies kein „nor­maler“ his­torisch­er Roman ist? (Der in den Gram­sci-Kapiteln als solch­er auch eher schlecht funk­tion­iert, aber das ja wiederum auch gar nicht sein will …)

Zur Poli­tik bleibt der Text dabei merk­würdig dis­tanziert, die Lei­den­schaft etwa Gram­c­si (im wahrsten Sinne, näm­lich mit all den Lei­den) wird vor allem behauptet, aber nicht eigentlich erzählt. Und das pri­vate fühlt sich oft auf­dringlich, etwas schmierig an (wie Boule­vard­jour­nal­is­mus). Das erschien mir oft als eine Art unge­wollte Nähe, ein intimes Stochern, von deren Notwendigkeit die Erzäh­ler selb­st nicht so ganz überzeugt schienen. Zumal Stöver ist ja auch ein aus­ge­sproch­en­er Unsym­pa­th — und auch Gram­c­si bleibt eine selt­same Fig­ur. Bei­de Charak­tere sind dabei selt­sam rück­sicht­s­los gegen sich selb­st und ihr pri­vates Umfeld. Und ger­ade das, was ja der Kern des Romans zu sein scheint, bleibt extrem blass, kaum motiviert — weil die Ideen, die diese Rück­sicht­slosigkeit erfordern, höch­stens angeris­sen wer­den.

Wenn die Ver­lagswer­bung das Ziel des Buch­es richtig beschreibt: „Nora Bossong erzählt vom Kon­flikt zwis­chen den großen Gefühlen und dem Kampf für die ganze Men­schheit“, dann funk­tion­iert 36,9° über­haupt nicht. Und das liegt unter anderem eben daran, dass der “Kampf für die ganze Men­schheit”, die Weltverbesserung eigentlich gar nicht vorkommt, der Text bleibt viel zu sehr im indi­vidu­ellen, biographis­chen Klein-klein steck­en. Dazu kommt dann noch eine für mich unklare Struk­tur — die Rei­hen­folge der Kapi­tel mit den Vor- und Rück­blenden sowie die Erzäh­ler­wech­sel erschließen sich mir ein­fach nicht. Ab und an funkelt mal ein schön­er Satz, ein gelun­gener Abschnitt. Aber der Rest ist ein grau zer­fließend Textbrei, der mich wed­er faszinieren noch überzeu­gen kann.

[…] ich wollte die Dinger nicht mehr bis zum Grund durch­schauen, denn was lag dort? Nur Steine und Kiesel, nur Fußnoten und Quel­lenangaben. (25)
Ulf Stolter­fo­ht: Wurl­itzer Juke­box Lyric FL — über Musik, Euphorie und schwierige Gedichte. München: Stiftung Lyrik Kabi­nett 2015. 32 Seit­en.

stolterfoht, wurlitzer jukebox lyric flDer Titel der Münch­n­er Rede zur Poe­sie von Ulf Stolter­fo­ht, dem Autor so vorzüglich­er Zyklen wie den Fach­sprachen und jet­zt Ver­leger der Brue­terich-Press (der selb­st viel zu wenig veröf­fentlicht …) sagt eigentlich schon alles: „Über Musik, Euphorie und schwierige Gedichte“ spricht er. Stolter­fo­ht, der sich als „Experte für Euphorie“ (7) vorstellt und „Ahnung“ von „der“ Lyrik erst ein­mal kat­e­gorisch verneint, führt anhand ein­er rei­he Gedichte exem­plar­isch vor, was Lyrik ist und kann, was Sprache im Gedicht aus­macht und natür­lich auch, was „schwierige Lyrik“ (heutzu­tage ja fast ein Pejo­ra­tivum) eigentlich ist. Und er betont, dass das „Nicht-ver­ste­hen-müssen“ dieser Gedichte eine großar­tige Erfahrung ist — für Leser und Schreiber. Für bei­de Seit­en ist das eine Befreiung, die einen uner­schöpflichen Reigen an Möglichkeit­en eröffnet.

Neben­bei weist er darauf hin, dass das — heute vielle­icht mehr als je zuvor vorhan­dene — Wis­sen und Kön­nen im Umgang mit Sprache und Gedicht­en noch lange keine Exper­i­men­tier­freudigkeit ist. Stolter­fo­ht bedauert aus­drück­lich, dass „die Bere­itschaft stark abgenom­men hat, ein höheres ästhetis­ches Risiko einzuge­hen“ (29). Auch wenn er dann das Gelin­gen eines Gedicht­es eher tra­di­tionell als „Regel“-Erfüllung beschreibt, oder bess­er als: „dass ein zuvor gefasster Plan, sei er for­maler und / oder inhaltlich­er Art, glück­haft erfüllt wurde“ (29), sollte für Stolter­fo­ht, das macht er unter anderem mit mehrfachen Bezü­gen auf Diedrich Diederich­sen deut­lich, aber zumin­d­est ergänzt wer­den um so etwas wie Authen­tiz­ität, einen Moment des Kairos vielle­icht. Trotz des deut­lich beton­ten Emphatik­er-Stand­punk­tes (Lyrik kann alles und ermöglicht Leben erst!) ste­ht dahin­ter aber genaueste Lek­türe und Analyse fremder und eigen­er Gedichte, ohne die Euphorie des erken­nen­den (und iden­ti­fizieren­den) Lesens dadurch zu verneinen oder auszuschal­ten, son­dern ger­adezu zu ver­stärken.

Und wie kon­nte es sein, dass ich kein Wort, keinen Satz ver­stand, und doch genau wusste, dass ich genau das immer hat­te lesen wollen, und dass ich es jet­zt gefun­den hat­te, und dass ich nie mehr etwas anderes würde lesen wollen. Das Gefühl, eine Mauer durch­brochen zu haben, ein­fach so, ganz leicht, ohne jede Anstren­gung, und hin­ter dieser Mauer tat sich etwas auf, ein Raum, ein wirk­lich­er Raum, in dem man würde leben kön­nen. (11)

Franz Richard Behrens: Erschossenes Licht. Her­aus­gegeben von Michael Lentz. Wiesen­burg: hochroth 2015. 36 Seit­en.

Es ist für mich immer wieder erstaunlich, welch große und großar­tige Gedichte die Expres­sion­is­ten in den Jahre während und um den Ersten Weltkrieg schrieben. Und ich ent­decke immer wieder, dass ich viel zu wenige davon kenne. Auch Franz Richard Behrens gehört zu diesen Dichtern. Er war eigentlich genau nur in dieser engen Zeitspanne über­haupt dich­ter­isch tätig: Ein einziger Band Lyrik — Blut­blüte — ist von ihm 1917 erschienen. Während des Nation­al­sozial­is­mus kann man ihn vielle­icht zur „Inneren Emi­gra­tion“ zählen, 1961 über­siedelte er dann nach Ost­ber­lin. Aber die ganzen Jahre bis zu seinem Tod 1977 blieben ohne weit­ere lit­er­arische Veröf­fentlichun­gen. Offenkundig war der Weltkrieg da so eine Art Katalysator, der die Lyrikpro­duk­tion auslösten/vorantrieb.

Auf­fäl­lig ist nun, finde ich, wie avanciert diese weni­gen Gedichte waren und sind — und wie zeit­gemäß und zeit­genös­sisch sie heute noch erscheinen. Aus allen Gedicht­en, die Michael Lentz in dieser kleinen Auswahlaus­gabe für den feinen hochroth-Ver­lag zusam­mengestellt hat, spricht eine beein­druck­ende Inten­sität und auch eine große Frei­heit: Sie sind frei von for­malen Zwän­gen und Tra­di­tio­nen, lassen so ziem­lich alle Kon­ven­tio­nen hin­ter sich. Hier erscheint Sprache als rein­er Aus­druck, hier spürt man, wie ein Dichter um Aus­drucksmöglichkeit für ganz neue und neuar­tige Erleb­nisse — vor allem die Gewalt und Sinnlosigkeit eines mech­a­nisierten Krieges — ringt. Und wie er sie auch find­et und den Vol­lzug des Erlebens am und im Wort fix­iert und nachvol­lzieht. Ein Moment der Seri­atl­ität gehört dazu, mit min­i­mal­is­tis­chen Ele­menten, etwa in „Preußisch“ oder „Quer durch Ost­preußen“. Aber auch gle­ich das eröff­nende „Expres­sion­ist Artillerist“ zeigt das, mit der Ver­schränkung einzel­ner Gedichtzeilen und einem kon­tinuier­lichen Zählen (ich lese das “Ein-und-zwanzig” etc. als das Abzählen von Sekun­den, etwa bis zum Ein­schlag der Granate …), das ganz geschickt ins Hinken gerät bzw. einzelne Zahlen über­springt, wenn die geschilderte Wahrnehmungs­dichte sozusagen steigt und das nicht mehr in einen Vers passt:

[…] Neun-und-zwanzig
die Luft stinkt Mil­lio­nen Schwe­fel, Kohle
Blutab­sinth
die Luft ist stahl und rein
Ein-und-dreis­sig
die Granat­trichter tüpfeln gar­nich har­monisch
Zwei-und-dreis­sig
[…]

Die kun­stvoll hergestellte Unmit­tel­barkeit dieser Lyrik ist, denke ich, kaum zu überse­hen. Ein anderes, von Behrens bevorzugtes Ele­ment, ist etwa die ver­bale Nutzung von Adjek­tiv­en. Bei aller Direk­theit und Leben­snähe sind die Gedichte, das zeigt etwa das titel­gebende „Erschossenes Licht“ oder das wun­der­bare „Ital­ien“, sowohl inhaltlich als auch stilis­tisch und for­mal sehr sorgsam kon­stru­iert. (Und außer­dem ist das wieder hochroth-typ­isch ein sehr fein und schön gemacht­es Heftlein …)

[…] Schnei­den das
Land
in
Streifen.
Begreifen kann das mal
Die Gen­er­al­stab­skarte. Vor­marsch im Regen (14)

Geor­gi Gospodi­nov: 8 Minuten und 19 Sekun­den. Graz, Wien: Droschl 2016. 143 Seit­en.

Hier wäre der Ort, zu sagen, dass ich vol­lkom­men nor­mal bin, auch wenn ich Erzäh­lun­gen schreibe. Ich weiß, dass dies die Dinge erschw­ert, aber alles andere an mir ist abso­lut in Ord­nung. (78f.)

„Ver­spielt, ele­gant und mit allen Wassern der Post­mod­erne gewaschen“ behauptet der Klap­pen­text — und hat tat­säch­lich mal recht. Denn Gospodi­nov ist ein wahrer Geschicht­en­erzäh­ler: Es geht ihm wirk­lich darum, „Geschicht­en“ zu erzählen, nicht Erzäh­lun­gen zu schreiben. Der Band ist dann auch richtig inter­es­sant und kurzweilig-unter­halt­sam, weil Gospodi­nov dabei ein viel­seit­iger und vielfältiger, tech­nisch sehr ver­siert­er Erzäh­ler ist, was die Fig­uren und die Sto­rys ange­ht.

gosporidov, 8 minuten und 19 sekundenAbwech­slungsre­ich pen­deln die meist sehr kurzen Texte (auf den 140 Seit­en find­en sich immer­hin 19 Erzäh­lun­gen) zwis­chen ein­er sym­pa­this­chen Weltof­fen­heit, die sich aus­drück­lich auch aufs Phan­tastis­che, das eigentlich sowieso nor­mal ist, erstreckt, und ein­er spür­baren Leichtigkeit — ein­er Lock­er­heit des Erzäh­lens, des Lebens, des Wahrnehmens. Gospodi­nov, der sich bzw. seine Erzäh­ler gerne als Geschicht­en­samm­ler bzw. ‑auf­schreiber, nicht als Geschicht­en­erfind­er insze­niert — vom „Anlock­en von Geschicht­en“ (84) schreibt er an ein­er Stelle — schafft es dabei, zugle­ich kos­mopoli­tisch und heimatver­bun­den zu wirken, zugle­ich witzig (im Sinne von komisch) und trau­rig (im Sinne von tiefernst) zu sein. Immer wieder spie­len die let­zten Tage, die let­zten Momente, das endgültige Ende, die Apoka­lypse als eigentlich ganz schelmis­ches, gewitztes Unternehmen eine große Rolle in seinen Erzäh­lun­gen. Das ist schon in der eröff­nen­den (und titel­geben­den) Geschichte „8 Minuten und 19 Sekun­den“ so, die die Zeit, die das Licht von der Sonne zur Erde braucht beschreibt — also die Zeit, die bleibt, bis die Erde nach dem Ende der Sonne im Dunkel versinkt. Immer, wenn das nicht passiert, weiß man also, dass noch 8 Minuten 19 Sekun­den bleiben … Die Imp­lika­tio­nen dieser glei­t­en­den Apoka­lypse spielt die Geschichte sehr schön und dabei dur­chaus knapp durch.

Außer­dem ist auch eine der „schön­sten“ Geschicht­en zum 11. Sep­tem­ber hier zu find­en: „Do not dis­turb“. Die erzählt von einem just für diesen Moment als Sprung aus dem Hochhaus­fen­ster eines New York­er Hotels geplanten Selb­st­mord. Und da Gospodi­nov ein schwarz­er Erzäh­ler ist, gibt es natür­lich kein Hap­py End — der Selb­st­mord find­et dann zwar nicht statt, wird aber natür­lich später nachge­holt. Das klingt in der knap­pen Nacherzäh­lung etwas banal — aber darum geht es Gospodi­nov ja nicht nur. Zwar sind seine Erzäh­lun­gen ohne ihre Hand­lung nicht zu denken, ihre Wirkung erlan­gen sie aber nicht zulet­zt durch die geschick­te und gelassen-ver­spielte erzäh­lerische Insze­nierung, die das zu ein­er sehr kurzweili­gen Lek­türe wer­den lässt.

Außer­dem kam es mir so vor, als fin­ge Z. an, die Geschichte zu ruinieren, indem er ihr mehr Pathos und Lit­er­ariz­ität ver­lieh als notwendig. Und ich war immer­hin der Käufer dieser Erzäh­lung. (54)

außer­dem gele­sen:

  • Judith Zan­der: Man­u­al numerale. München: dtv 2014.
  • Michael Braun, Michael Buselmeier: Der gelbe Akro­bat 2. 50 deutsche Gedichte der Gegen­wart, kom­men­tiert. Neue Folge (2009–2014). Leipzig: Poet­en­laden 2016. 18 Seit­en.
  • Roland Barthes: Das Neu­trum. Vor­lesung am Col­lège de France 1977–1978, hrsg. v. Eric Mar­ty, übers. von. Horst Brüh­mann. Frank­furt am Main: Suhrkamp 2005. 346 Seit­en.
  • Dieter Hein: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhun­dert. München: Beck 2015. 132 Seit­en.
  • Christoph Kleß­mann: Arbeit­er im ‘Arbeit­er­staat’ DDR. Erfurt: Lan­deszen­trale für poli­tis­che Bil­dung Thürin­gen 2014. 141 Seit­en.

Ins Netz gegangen (8.8.)

Ins Netz gegan­gen am 8.8.:

Aus-Lese #33

Es wird mal wieder höch­ste Zeit für die näch­ste Aus-Lese …

Ben­jamin Stein: Das Alpha­bet des Rab­bi Löw. Berlin: Ver­brech­er 2014. 286 Seit­en.

stein, alphabetDas Alpha­bet, ganz frisch vom Ver­lag, ist den­noch schon einige Jahre alt: Denn Stein legt hier ein Über­ar­beitung seines Erstlings vor. Das ist eine sehr aufwändig kon­stru­ierte, ver­track­te Geschichte, die ich jet­zt gar nicht rekon­stru­ieren (oder gar nacherzählen) möchte — und wohl auch kaum noch kön­nte. Was mich wieder ein­mal überzeugt und beein­druckt hat, ist das Erzählen des Erzäh­lens als The­ma selb­st, mit dem fast schon oblig­a­torischen Ver­wis­chen von Erzähltem und Real­ität, bei dem die Gren­zen zwis­chen erzäh­len­dem und erzählten Ich schnell über­wun­den (bzw. unken­ntnlich gemacht) wer­den. Wo das Wirk­liche unwirk­lich wird (zu wer­den scheint) — und die Phan­tasie auf ein­mal real: Da ist man in einem Text von Bejamin Stein. Seraphin mit See­len aus Feuer tauchen hier auf, Selb­stentzün­dun­gen der untreuen Lieb­haber — über­haupt bren­nt hier ziem­lich viel -: Engel, Golem und Rab­bis, Worte und Namen und ähn­lich­es bevölk­eren dieses amüsante Ver­wirspiel auf vie­len Ebe­nen der Erzäh­lung und der Wirk­lichkeit (aber ist eine Wirk­lichkeit, in der es Engel gibt, Men­schen, die selb­st entzün­den, Wiederge­burt/-erscheinen nach mehreren hun­dert Jahren als iden­tis­che Per­son, ist so eine Wirk­lichkeit über­haupt „wirk­lich“?), angere­ichert mit religiösen The­men (und eini­gen Kuriosa, zumin­d­est für mich, der ich mich in der jüdis­chen Reli­gion so gar nicht auskenne). Und wie in Agen­ten­thrillern/-fil­men/-serien wird sozusagen im nach­hinein immer noch eine Ebene der Täuschung/Illusion/Erzählung/Fiktion einge­baut, die jew­eils erst sicht­bar wird, in dem sie zer­stört wird, aufgelöst wird — und entsprechend rück­wirk­end den ganzen Text auflöst, entk­ernt, … Das ist ein alter Erzäh­ler­trick, gewiss, den Stein hier aber dur­chaus nett umset­zt. Manche Pas­sagen sind für meinen Geschmack etwas krim­i­haft, manch­mal auch etwas argl plaud­erend erzählt, zu sehr darauf angelegt, gemein­same sache mit dem Leser machen. Mit Ratio­nal­ität allein wird man diesem Buch über Engel, das zugle­ich ein ver­track­ter Mehrgenerationen-Familiengeschichte(n) im 20. Jahrhun­dert ist, in der alle mit allen zusam­men­hän­gen, kaum gerecht. Und sehr schön ist es übri­gens auch, mal wieder ein in Leinen gebun­denes Buch in der Hand zu haben — das liegt da gle­ich ganz anders …

Was weißt du schon? erwiderte die Stimme. Und das war der Satz, den er von nun an immer wieder hören sollte: Was weißt du schon? Sei nicht dumm. Es gibt ein Bild hin­ter dem Spiegel und eine Stadt tief unter dir. Es gibt Engel, die wer­den als Men­schen geboren, und Men­schen, die gehen in Flam­men auf, weil die Buch­staben keck ihre Plätze tauschen und die Welt auf den Kopf stellen, nicht mehr als ein Spiel. (201f.)

Fried­helm Rath­jen: Arno Schmidt lesen! Ori­en­tierung­shil­fe für Erstleser und Weg­weis­er im Lit­er­aturd­schun­gel. Süd­west­hörn: Edi­tion ReJOYCE 2014. 168 Seit­en.

rathjen, schmidt lesenEin schön­er, kurz­er und knack­iger Überblick aus der Rath­jen-Werk­statt: Zugle­ich eine ganz kurze Ein­führung in die Biogra­phie Schmidts und ein Überblick über sein Schaf­fen. Das geschieht vor allem im Modus der Kurzcharak­ter­is­tik aller Werke, die Rath­jen chro­nol­o­gisch abhan­delt und so zugle­ich auch ein biss­chen Rezep­tion­s­geschichte — vor allem für die nachge­lasse­nen Pub­lika­tio­nen und Edi­tion — bietet. Dazu gehört, den jew­eili­gen Werken zuge­ord­net, ein doch recht aus­führlich­es Verze­ich­nis der (wichti­gen?) Sekundär­lit­er­atur — lei­der ohne Kom­men­tar und deshalb also ein doch nicht ganz so poten­ter „Weg­weis­er“. Als Hil­f­s­mit­tel und Anre­gung für den (noch) nicht voll­ständi­gen Schmid­tian­er ist Arno Schmdit lesen! aber trotz­dem nüt­zlich, auch wenn für meinen Geschmack die Textlein zu den Werken manch­mal doch arg kurz ger­at­en sind. Doch weil Rath­jen ein guter Ken­ner des Schmidtschen-Kos­mos ist, hat das Büch­lein dur­chaus seinen Wert, der naturgemäß für Schmidt-Ken­ner geringer ist als für Novizen.

Ilma Rakusa: Ein­samkeit mit rol­len­dem »r«. Erzäh­lun­gen. Graz: Droschl 2014. 158 Seit­en.

rakusa, einsamkeitIn Kürze: Ganz tolle Erzäh­lun­gen sind hier zu find­en, unbe­d­ingt empfehlenswert — wenn man kleine Geschicht­en zwis­chen Reportage und Momen­tauf­nahme aus der Fremde Europas mit einem Hang zu leichter Melan­cholie und Trau­rigkeit mag. Meist geben sie kurze Ein­blicke in Leben und Charak­ter ein­er Per­son (die den Titel der jew­eili­gen Geschichte bildet), oft durch eine nah­es­tende Erzäh­lerin, einen Fre­und etwa. Das hat oft etwas von ein­er Pseu­do-Reportage, wie es etwa eingear­beit­ete Zitate der Pro­tag­o­nis­ten ein­er Erzäh­lung zur Darstel­lung ihres Hin­ter­grunds, ihrer Geschichte nutzt, als stammten sie aus einem Gespräch. Dazu passt auch die Schlichtheit der Sätze — zumin­d­est syn­tak­tisch, lexikalisch ist das dur­chaus kun­stvoll: Daher kommt auch der lyrische, oft leicht schwebende Ton der Erzäh­lerin­nen aus der Fed­er Rakusas.

Immer wieder wer­den beschädigte Leben erzählen: Heimatver­lust oder über­haupt Heimat­losigkeit, das (ewige) Weit­erziehen, die Suche nach einem Platz/Ort (nicht nur, aber auch geo­graphisch) im Leben bes­tim­men den Weg der Pro­tag­o­nis­ten, die ganz über­wiegend suchend sind, sich auf dem Weg bein­den, immer unter­wegs — nach Leben, Sinn etc., auch nach Erleuch­tung (mehrmals suchen sie die ganz plaka­tiv in Indi­en): entwurzelte Men­schen der Mod­erne zeigt Rakusa uns. Momen­tan oder zeitweise, vorüberge­hend kann die Ein­samkeit aufge­hoben oder sus­pendiert wer­den — in Freundschaft(en) und Liebe etwa, wobei die Enthe­bung aus der Ein­samkeit immer als solche, als nicht dauernde Erle­ichterung, auch wahrgenom­men und erkan­nt wird: Das Bewusst­sein der Endlichkeit der „Gesel­ligkeit“ ist immer vorhan­den, ihre Fragilität gewusst. So spie­len sich in den Fig­uren Dra­ma und Trau­ma der Gegen­wart ab: Kap­i­tal­is­mus, Krieg und Krankheit­en als Verur­sach­er der „Störung“. Und: Europa außer­halb Deutschlands/Mitteleuropa wird gezeigt, mit Krieg und Kriegs­fol­gen, Armut, Leere, Verzwei­flung, Leid, Trauer und Trau­rigkeit — ohne deshalb total schwarz zu sein, grundiert diese dun­kle Erfahrung doch nicht nur das Leben der Pro­tag­o­nistin­nen, son­dern auch den Ton der meis­ten Erzäh­lun­gen: dunkel, aber nicht depres­siv; hart, aber nicht verzweifelt. Auch die Orte sind keineswegs alles Idyllen: Kol­jan­sk etwa wird als rein­er Höl­lenort erzählt: Trost­los, aus­sicht­s­los, ret­tungs­los: „Ein Punkt, der bald ver­schwun­den sein wird. Dort.“ (158) — das sind zugle­ich die let­zten Worte des Buch­es — die dem Ganzen noch eine­mal einen etwas über­raschend düster­nen, trost­los-grauen Dreh geben

Wie geht das: im Leben eine Seite umwen­den? Aussteigen, wegge­hen, auf nichts hof­fen als auf die Richtigkeit der Entschei­dung. (73)

Wir waren kurz sehr lange weg gewe­sen. (79)

Tim B. Müller: Nach dem Ersten Weltkrieg. Lebensver­suche mod­ern­er Demokra­tien. Ham­burg: Ham­burg­er Edi­tion 2014. 174 Seit­en.

müller, demokratienDemokra­tien sind labile Gebilde, Dauer­haftigkeit gibt es nicht, die Demokratie muss immer neu hergestellt wer­den. Deswe­gen benöti­gen sie Entschei­dun­gen, Reagieren — und Entwick­lung, sie verzei­hen aber auch Fehler. Ganz beson­ders gilt das für Momente der Krise. Müller zeigt das anhand “der” Krise der mod­er­nen Demokra­tien nach dem Ersten Weltkrieg am Ende der 1920er Jahre, im Umfeld der Wirtschaft­skrise. Dabei zeigt Müller auch, wie eng soziale Demokratie (mit ihrer Umverteilung (die aus dem Gle­ich­heit­spos­tu­lat resul­tiert), also der „Wohlfahrtsstaat“ und demokratis­che Organ­i­sa­tion sowie Gesin­nung (der Bevölkerung) im 20. Jahrhun­dert in Europa (und den USA) zusam­men­hän­gen.

Demokratie will Müller ver­standen wis­sen als Prozess, ständi­ge Diskus­sion, Vergewis­serung und Anpas­sung sind notwendig und wesen­haft. Das geschieht nicht in allen Län­dern und Gesellschaften gle­ichzeit­ig und auf gle­iche Weise. Für Deutsch­land stellt er etwa fest:

Demokratie als Kul­tur und Lebensweise musste in Deutsch­land mit beson­derem Nach­druck ver­ankert wer­den, weil Kriegsver­lauf und Nieder­lage eine schwierige Aus­gangslage geschaf­fen hat­ten: Die Kriegsnieder­lage führte zur Demokratie, was die Demokratie belastete. (81)

Und später heißt es:

Es bedurfte ein­er gewalti­gen Erschüt­terung, um dieses Gefüge ins Wanken zu brin­gen. Die Weltwirtschaft­skrise ließ die Entwick­lung, die den Zeitgenossen seit dem Ersten Weltkrieg unaufhalt­sam erschienen war, still­ste­hen. Das war nicht der Unter­gang. Aber die Rou­ti­nen und Kon­ven­tio­nen der Demokra­tien, die auch unter großem Druck so lange so gut funk­tion­iert hat­ten, geri­eten ins Stot­tern. Jet­zt kam es auf kluges Regieren an, jet­zt kon­nte jed­er falsche Schritt in den Abgrund führen, jet­zt waren anti­demokratis­che Kräfte und Tra­di­tio­nen imstande, zur Bedro­hung zu wer­den. Die lib­erale und soziale Demokratie war nicht am Ende. Sie ging sog­ar gestärkt aus der großen Krise her­vor. Nur nicht in Deutsch­land. (112f.)

Das ist genau der Punkt, um den dieser Essay kreist: Die Entwick­lung der Geschichte war — auch in Deutsch­land — keine zwangsläu­fige, der Weg aus der Krise hätte auch anders ausse­hen kön­nen. Ver­sagen sieht Müller hier vor allem bei Brün­ing, dem er bescheinigt:

Vom Blick­winkel der Geschichte der Demokratie aus war es nicht diese oder jene Maß­nahme der Brün­ing-Regierung, die den Unter­gang der Demokratie ein­leit­ete, nicht das Sparen selb­st, son­dern ein fun­da­men­tales intellek­tuelles Ver­sagen, die Unfähigkeit, Poli­tik in ein­er der Demokratie angemesse­nen Kom­plex­ität zu denken. (120)

Die Modi, Lösun­gen oder Strate­gien zur Bewäl­ti­gung der Krise der Demokratie, darauf weist Müller aus­drück­lich hin, hät­ten aber ger­ade das zur Bedin­gung gehabt: Die Beherrschung des „The­aters der Demokratie“ (127) — das scheint für Müller nicht nur der/ein wesentlich­er Unter­scheid zwis­chen Brün­ing und Roo­sevelt zu sein, son­dern ein wesentlich­es Ele­ment erfol­gre­ich­er Krisen­be­wäl­ti­gung. Zumin­d­est kann man sein Lob von Roo­sevelts „demokratische[m] Exper­i­men­tieren“ (129), das Müller wohl als angemessen­stes Ver­fahren, die Krise zu be-/über­wälti­gen, ansieht, so sehen.

Im Grunde ist das auch schon ein wesentlich­er Teil des Haup­tar­gu­ments: „Wirtschaftswach­s­tum, Wohlfahrtsstaat und Demokratie waren unau­flös­lich miteinan­der ver­woben.“ (138f.). Und da sind, ger­ade in Krisen­zeit­en, für Müller han­del­nde Per­so­n­en gefragt, Indi­viduen (hier eben Poli­tik­er (& Keynes ;-))), die diese Kom­plex­ität erken­nen und zugle­ich im demokratis­chen Diskurs (dem “The­ater”) angemessen argu­men­tieren kön­nen. In allen seinen Beispie­len macht Müller Aktive aus, die die Demokratie „ret­ten“ (oder im falle Brün­ings, eben nicht). Angelegt ist das dabei dur­chaus in Struk­turen, aber die Notwendigkeit der/einer Entschei­dung und — das ist im demokratis­chen Han­deln eben immer genau­so wichtig — des Überzeu­gens bleibt (als vornehm­lich indi­vidu­elle Leis­tung!).

Als konkrete Über­lebensstrate­gien von Demokra­tien iden­ti­fiziert Müller dann vor allem drei Momente: Erstens die „soziale Sta­bil­isierung durch Sozialpoli­tik“ (das heißt auch, in wirtschaftlichen Krisen­zeit­en die staatlichen Investi­tio­nen auszuweit­en statt blind zu sparen), zweit­ens die „poli­tis­che Inte­gra­tion durch demokratis­ches Pathos, durch Par­tizipa­tion und Mobil­isierung der Bürg­er“ und drit­tens eine Wirtschaft­spoli­tik mit inten­sivem ein­greifen in ökonomis­che Struk­turen, „ohne Rück­sicht auf ökonomis­che Effizienz“, d.h. hier v.a. Arbeits­beschaf­fungs­maß­nah­men (152). Das kann man übri­gens, so deutet Müller sehr vor­sichtig an, dur­chaus auch für die gegen­wär­tige Krise als Lösungs­fak­toren annehmen … Über alle Krisen hin­aus aber gilt:

Demokra­tien mussten sich ihrer ständi­gen Gefährdung auch in guten Zeit­en bewusst bleiben. Unter allen Umstän­den galt es, ihr zivil­isatorischen Min­i­mum zu bewahren. (152)

Alexan­der Gumz: aus­rück­en mit mod­ellen. Berlin: kook­books 2011. 88 Seit­en.

gumz, modelleSelt­sam: das fes­selt oder berührt mich so gar nicht — ohne dass ich sagen kön­nte, warum. Irgend­wie zün­den die Bilder nicht, die Sprache (Stil und Form) set­zt sich nicht fest, die Inhalte inter­essieren mich nicht. Die Form­losigkeit (gerne in lan­gen Zweizeil­er) ist zwar irgend­wie gefühlt kook­books-typ­isch, aber ich erkenne nichts, was die Texte für mich inter­es­sant machte. Vielle­icht braucht’s nochmal eine Re-Lek­türe in ein paar Wochen — wer weiß, möglicher­weise sieht der Leseein­druck dann schon ganz anders aus …

Nette Momente hat das näm­lich schon — zum Beispiel im ersten Zyk­lus, „zer­beultes gelände“: Der Wald, der wie auf Dro­gen scheint. Über­haupt spie­len Zeichen (in) der Natur eine Rolle: das heißt nicht zufäl­lig „zer­beultes gelände“, geht es doch immer wieder um die Ein­wirkung und die Ein­griffe der Men­schen in die Natur bzw. den Wald. Aber dann lese ich eben auch vieles, was mir nur selt­sam und gewollt erscheint: wie gesagt, die Res­o­nanz fehlt bei mir (was dur­chaus an diesem spez­i­fis­chen Leser liegen kann): das sind nur lose gerei­hte gewollte Bilder für mich, nach den ersten Seit­en ist aber auch dieser Reiz weg.

wir lehnen an der gren­ze zum gewit­ter,
schüt­teln die köpfe.

unter unseren füßen
dehnt sich der steg. (11, zer­beultes gelände)

Christoph Bangert: War Porn. Hei­del­berg, Berlin: Kehrer 2014. 189 Seit­en.

bangert, war pornEin hartes, sehr hartes und grausames Buch. War Porn sam­melt Kriegs­fo­tografie aus Irak und Afghanistan vor allem, die in Zeitun­gen und Zeitschriften nicht gedruckt wird. Sie zeigt näm­lich vor allem die Opfer, die Reste, die von Men­schen manch­mal nur noch übrig bleiben, nach dem der Krieg über sie hin­weg gegan­gen ist. Aber das ist eben auch emi­nent wichtig, so etwas zu sehen, sich selb­st zuzu­muten — Krieg, Gewalt passiert ja nicht ein­fach, son­dern wird gemacht. Von Men­schen. Über­all und immer wieder. Daran muss man erin­nern: wie das aussieht — abseits der schick­en Kampf­jets oder der harm­los verniedlicht­en “Drohnen”. Klug ist das insofern, als Bangert sehr wohl um die „Nor­mal­ität“ sein­er Bilder weiß: Die sind — und das gilt eben lei­der auch für das dargestellte — keineswegs außergewöhn­lich. Ungewöhn­lich ist nur, dass sie gezeigt wer­den. Das — als Buch — zu loben, hat einen bit­teren Beigeschmack: Denn das ist zwar dur­chaus ein schönes Buch, schön­er wäre es aber, wenn es War Porn gar nicht gäbe.

What you see in this book is my per­son­al expe­ri­ence. And in a way it’s yours, too, because these things hap­pened in your life­time. You as a view­er are com­plic­it. (3)

außer­dem:

  • Peter Weiss, Ästhetik des Wider­stands — großar­tig und erschla­gend, fes­sel­nd und lang­weilend ohne Ende (je nach dem, wo man ger­ade ist — im 2. Buch hat­te ich ganz schöne Durch­hänger …)
  • Johann Beer (das “Tage­buch”, Jucun­di Jucundis­si­mi wun­der­liche Lebens-Beschrei­bung u.a.)
  • Chris­t­ian Reuter, Schmel­muff­skys wahrhafftige curiöse und sehr gefährliche Reisebeschrei­bung zu Wass­er und Lande
  • Joseph Roth, Das falsche Gewicht. Die Geschichte eines Eich­meis­ters
  • Max Frisch, Tage­buch 1966–1971

Aus-Lese #25

Marc Augé: Die For­men des Vergessens. Berlin: Matthes & Seitz 2013. 106 Seit­en.

Augé plädiert in diesem Essay dafür, Vergessen als Teil der Erin­nerung vom Ruch des Makels zu befreien: Vergessen ist für ihn insofern unau­flös­lich mit dem Erin­nern ver­bun­den, weil über­haupt nur durch das Vergessen von manchem manch­es erin­nert wer­den kann und als Erin­nerung ver­füg­bar sein kann. Die Sicht ist die des Eth­nolo­gen (und die Reflek­tion sein­er Methode(n) nimmt erhe­blichen Raum ein): Die zeitliche Gebun­den­heit der Fik­tion (bzw. der Nar­ra­tion) des Lebens, aus der der Eth­nologe (bei Augé gibt es keine Frauen ;-)) seine Erzäh­lun­gen formt, sind ein wiederkehren­des Motiv. Und diese Erzäh­lun­gen sind für ihn auf allen Ebe­nen immer Pro­duk­te des Gedächt­niss­es, wom­it das Vergessen wieder ins Spiel kommt. Fast neben­bei liefert er dazu viel Mate­r­i­al und Anek­doten aus dem Schatz des Eth­nolo­gen zu Erin­nern und Vergessen, aber eigentlich vor allem zu Fik­tion und Erzäh­lung (in die Vergessen und Erin­nern hier immer einge­bun­den sind).

Vergessen ist für Augé nicht nur als Ele­ment der Erin­nerung zu ver­ste­hen, son­dern als pro­duk­tiv­er Vor­gang der Erzäh­lung (und damit Gestal­tung) der Wirk­lichkeit — denn Vergessen, so Augé, öffnet Möglichkeit­en, Poten­tial­itäten der Ver­gan­gen­heit, der Gegen­wart oder der Zukun­ft. Also genau das, was Indi­viduen und Gemein­schaften brauchen:

Gedächt­nis und Vergessen bedin­gen sich gegen­seit­ig, bei­de sind notwendig zum umfassenden Gebrauch der Zeit. […] Das Vergessen führt uns zur Gegen­wart zurück […]. Man muss vergessen, um anwe­send zu bleiben, vergessen, um nicht zu ster­ben, vergessen, um treu zu bleiben. (102f.)/

Alexan­der Losse: Stro­phen. Berlin: Karin Kramer 2010. 65 Seit­en.

Stro­phen ist ein extrem deskrip­tiv­er Titel, denn das Lyrikde­büt Loss­es enthält genau das: Stro­phen. Genauer: 62 einzelne Stro­phen, alles Vierzeil­er (eine sechsver­sige Stro­phe ist auch dabei) mit dem sehr auf­fal­l­en­de­nen Ele­ment des Kreuz- bzw. umar­mende Reims organ­isiert. Getra­gen wer­den die kurzen Gedichte Loss­es durch ihre Lied­haftigkeit. Auch eine gewisse, schwebende Leichtigkeit ist ihrer Sprache eigen. Vor allem spricht aus ihnen (fast) allen aber ein großer, exis­ten­tieller Ernst: “Ver­wüs­tung eine Seele schuf” heißt es zum Beispiel gle­ich in der ersten Stro­phe. Fra­gende Meta­phern, offen für Antworten oder Ein­würfe bes­tim­men die meis­ten Stro­phen. Sie kön­nen sich auch recht gut ver­lieren — in der Kürze, der Klein­heit und der (fes­ten, vorgebe­nen, unange­tasteten) Form. Und manch­mal bleiben sie auch ein­fach in der Banal­ität des Reims und der religiös-christlich-kirch­lichen Meta­phern steck­en, so dass ich nicht so recht weiß, ob ich — bei eini­gen sicher­lich sehr guten „Stro­phen“ — den ganzen Band wirk­lich richtig gut finde …

XLVI
Gehst so leise in die Kirche,
fliehst so spät zum untern Grund.
Wessen Hand hat nur berühret,
wessen Weg dich herge­führet,
wessen Opfer schweigt dein Mund.
Gehst so leise in die Kirche.

Paulus Böh­mer: Kad­dish I‑X. Frank­furt am Main: Schöf­fling 2002. 345 Seit­en.

großar­tig: Die Form des Kad­dish, des jüdis­chen Trauerge­betes, nutzt Böh­mer, um den Leser mit so ziem­lich allem zu kon­fron­tieren, was sich denken lässt: Im Modus der Vergänglichkeit tauchen Sex­u­al­ität und Phan­tasie, Bil­dung und Erleben, Hochkul­tur und Under­ground neben‑, über- und hin­tere­inan­der auf. Das ist in sein­er Dichte und vor allem der per­ma­nen­ten Anspan­nung kaum am Stück zu lesen. Zehn Kad­dishs ver­sam­melt Böh­mer in diesem Band (inzwis­chen ist ja noch ein zweit­er erschienen), als eine Art Langgedichte mit 12 bis 50 Druck­seit­en Länge — also ganz schöne Brock­en. Und da Böh­mer immer mit ein­er kun­stvoll gesucht­en, unge­heuer vielfälti­gen, reichen Sprache auf höch­stem Niveau arbeit­et, ver­langt das auch dem Lesen viel Konzen­tra­tion, Aufmerk­samkeit und Durch­hal­tewil­len ab — Anstren­gun­gen, die sich aber lohnen, denn in sein­er konzen­tri­erten Erschöp­fung der Vergänglichkeit der Welt und des Lebens ist Böh­mer ein großar­tiger Lyrik­er.

Johannes Fried: Karl der Große. Gewalt und Glaube. Eine Biogra­phie. München: Beck 2013. 736 Seit­en.

Der Ver­lag — und auch einige Rezensen­ten — kön­nen sich ja vor Begeis­terung über diesen Wälz­er kaum einkriegen. Ganz so ging es mir nicht. Das liegt aber nur zum Teil an Fried selb­st, son­dern auch am Ver­lag. Nervig fand ich die — für einen Ver­lag wie Beck! — extrem niedrige Lek­torak­ts- und Pro­duk­tion­squal­ität. Ein paar Beispiele: die Kapitälchen ohne Klein­buch­staben, Flüchtigkeits­fehler (wie die falsche Veror­tung Ingel­heims auf der Karte oder falsche, nicht erk­lärte Abkürzun­gen im Text) und der auf Dauer etwas steife Stil, der etwas lek­to­ri­erende Glät­tung dur­chaus ver­tra­gen hätte, falsche Anmerkun­gen, die ver­wirrende Num­merierung der Abbil­dun­gen und Farbtafeln, das fehlende Abbil­dungsverze­ich­nis, der falsche Kolum­nen­ti­tel im Appen­dix, der bil­lige Umschlag …

Aber es geht ja um den Text selb­st. Der bietet sehr, sehr viel — aber nicht unbe­d­ingt das, was der Unter­ti­tel ver­spricht. “Eine Biogra­phie” ist das näm­lich aller­höch­stens periph­er, eigentlich über­haupt nicht. Das Leben eines karolingis­chen Herrsch­ers ist ja nicht mehr auszu­loten, worauf Fried selb­st natür­lich hin­weist — also bre­it­et ein Mit­te­lal­ter-His­torik­er alles aus, was er aus und über diese Zeit weiß. Das ist manch­mal sehr all­ge­mein und manch­mal sehr speziell (wie sich über­haupt mir manch­mal der Ein­druck auf­drängte, dass Fried nicht so genau wusste, für wen er eigentlich schreiben will: für den inter­essierten Laien? — Dafür set­zt er ziem­lich oft sehr gründliche Vorken­nt­nisse voraus. Für die Fachkol­le­gen? Dafür ist manch­es etwas all­ge­mein bis über­flüs­sig (und die Anmerkun­gen bzw. das Lit­er­aturverze­ich­nis etwas unge­nau …). Ger­ade das Panora­ma der früh­mit­te­lal­ter­lichen Welt macht diesen Karl aber so wertvoll.

Und Frieds Ansatz, Karls Leben und Hand­lun­gen mit zwei Moti­va­tion­ssträn­gen — den im Unter­ti­tel genan­nten Kom­plex­en “Gewalt” und “Glaube” — zu erk­lären, ist dur­chaus nachvol­lziehbar und richtig. Auch wenn, wie er es selb­st entwick­elt, die “Gewalt” — ins­beson­dere eben die Kriege wie die gegen die Sach­sen — (fast) immer aus dem “Glauben” erwächst. Das gelingt Fried übri­gens sehr schön, der Ver­such, Karl und seine Moti­va­tion aus dem Wis­sen und den Überzeu­gun­gen sein­er Zeit zu erk­lären. Fast bestechend wird das etwa bei der Frage nach der Kaiserkro­ne — ein Unternehmen, dass Fried dur­chaus schlüs­sig mit dem Ver­weis auf die ver­bre­it­ete und wahrgenommene Endzeit­stim­mung um 800 erk­lären kann.

Ann Cot­ten: Der schauernde Fäch­er. Erzäh­lun­gen. Berlin: Suhrkamp 2013. 253 Seit­en.

Obwohl ich Ann Cot­ten als Lyrik­erin dur­chaus mit Wertschätzung und Inter­esse wahrgenom­men habe, kann ich mit ihrem ersten Erzäh­lungs­band eher wenig anfan­gen. Das ist sehr wild, ungezähmt, unge­formt scheint es oft — wuch­ernd in Phan­tasie und Stil. Meistens/immer geht es um Liebes­beziehun­gen, um den Beginn ein­er Ver­trautheit und Zunei­gung und Liebe — aber in sehr selt­samen Kon­fig­u­ra­tio­nen und Beschrei­bun­gen. Schön und klug sind die eingear­beit­eten (oft eher unauf­fäl­li­gen, sel­ten expliziten) Gen­der-The­ma­tisierun­gen. Manch­es hat dur­chaus poet­is­ches Poten­tial, das sich auch beim ersten Lesen zeigt. Anderes erschien mir eher fahrig und ausufer­nd, mehr Ein­fall als Form, mehr Idee als Ausar­beitung, mehr Prä­ten­tion als Ein­lö­sung. Aber vielle­icht bin ich da etwas ungerecht — jeden­falls ver­spürte ich öfters ein­fach keine Lust, micht auf diese Tex­twel­ten wirk­lich einzu­lassen (warum auch immer).

Aus-Lese #18

Tobias Prem­per: Durch Bäume hin­durch. Göt­tin­gen: Stei­dl 2013. 93 Seit­en.

Und schon wieder kurze Prosa ohne Gat­tung: Szenen, Ein­fälle, … — Vignetten fasst das wohl am besten zusam­men. Prem­per sam­melt hier Absur­des, Groteskes, Komis­ches, Phan­tastis­ches unge­heuer verdichtet. Nur sel­ten ist ein Text eine ganze Seite (oder mehr) lang. Das ist vor allem eines: irrsin­nig amüsant. Dabei ist das aber über­haupt nicht hirn­los, denn in der Kürzest-Prosa über Bäume und Men­schen, über Nor­mal­ität und das Leben, über Träume und Erschei­n­un­gen, wun­der­same Beg­nun­gen, Abnor­mal­itäten als Grund­stim­mung, Nor­mal­ität als Aus­nahme steck­en alles großen Fra­gen — selb­st wenn das als “Szene aus dem wirk­lichen Leben” über­schrieben ist. Vor allem zeigt Prem­per aber immer wieder die Absur­dität der Banal­ität des All­t­ags, des ganz nor­malen Lebens mit seinen unzäh­li­gen, immer gle­ichen Hand­lun­gen, Momenten und Erfahrun­gen. Ein wirk­lich großar­tiges Vergnü­gen!

“Warum mann Büch­er machen muss”: Weil man son­st wieder Frauen ver­bren­nt und Schafe fickt. (38)

Moritz Rinke: Wir lieben und wis­sen nichts. Rein­bek: Rowohlt 2013. 124 Seit­en.

Wir lieben und wis­sen nichts ist ein nettes Kam­mer­spiel über mod­erne Paare, über Liebe, Beziehung, Kom­mu­nika­tion und den ganzen Rest — eine Vari­a­tion eines bekan­nten The­mas also:

Kann man zusam­men­bleiben, wenn man sich die Wahrheit sagt? (121)

Ganz geschickt gemacht ist das, und gut ver­packt — da merkt man die Erfahrung Rinkes. Und natür­lich spie­len auch und vor allem die Zumu­tun­gen des (post-)modernen Kap­i­tal­is­mus eine wesentliche Rolle: “[…] ich glaube, die Liebe ist irgend­wann mit dem Kap­i­tal­is­mus zusam­mengestoßen und dabei kaputtge­gan­gen.” (112)

Peter Salomon: Die Jahre liegen auf der Lauer. Neue Gedichte. Eggin­gen: Edi­tion Ise­le 2012. 90 Seit­en.

Lei­der fand ich den Band nicht ganz so span­nend, wie die Rezen­sion erwarten ließ. Salomon schreibt hier vor allem so etwas wie erzäh­lende Gedichte: Viele “intak­te” Sätze, die nur behut­sam umge­brochen und so in die lyrische Form gebracht wer­den. Es geht viel ums Erin­nern, viele Madeleines, und viel alte BRD tauchen hier auf, aber auch viel Glück — das aber nie dauer­haft und sich­er ist: “Ich ging nach Hause, ich glaube / Glück­lich — ” (66) schließen die “Momente des Glücks”, die genau so einen Moment des Endens der Ver­gan­gen­heit, des Nieder­legens eines alten Gebäudes aufzeigen. Genau dieser das Ende offen lassende, andeu­tende Gedanken­strich beschließt nicht wenige sein­er Gedichte (“Es war, als gäbe es nie ein Ende — ” (71)) Vieles ist hier ganz nett, aber berührt mich nicht sehr nach­drück­lich: Vielle­icht ist es deshalb für mich nicht so span­nend, weil Salomon der Kraft und Gestalt der “nor­malen” Sprache weit­ge­hend ver­traut — ich bevorzuge momen­tan Lyrik­er, die Sprache sozusagen gegen den Strich bürsten, wesens­fremd ver­wen­den — und daraus Bedeutung(en) erzeu­gen. Das passiert hier nicht.

Das Buch als Mag­a­zin #2: Woyzeck

Sehr schön und inspiri­erend: Gute grafis­che Gestal­tung, vor allem span­nende und anre­gende Fotografien. Und natür­lich auch inter­es­sante, fes­sel­nde Texte. Zum Beispiel das wun­der­bare Inter­view mit ein­er psy­cha­trischen Oberärtztin …

Georg Büch­n­er: Lenz. Her­aus­gegeben von Eva-Maria Ver­ing and Wern­er Wei­land. Darm­stadt: Wis­senschaftliche Buchge­sellschaft 2001 (=Sämtliche Werke und Schriften. His­torisch-kri­tis­che Aus­gabe mit Quel­len­doku­men­ta­tion und Kom­men­tar (Mar­burg­er Aus­gabe), Band 5).

Ein Klas­sik­er, natür­lich … Ein biss­chen Büch­n­er-Lek­türe muss zu seinem 200. Geburt­stag auch unbe­d­ingt sein. Der Lenz fes­selt mich immer wieder: Die Inten­sität und die gewaltige Sprache der Erzäh­lung finde ich faszinierend. Auch wenn mir dieses Mal sehr aufge­fall­en, wie “unfer­tig” der Text eigentlich ist …

Diet­mar Dath: Kleine Polizei im Schnee. Erzäh­lun­gen. Berlin: Ver­brech­er 2012. 236 Seit­en.

Kleine Polizei im Schnee ist ein typ­is­ch­er Dath. Natür­lich ist das (wieder) eine Mis­chung aus Sci-Fi, Dys- & Utopie, Gegen­warts­beschrei­bung & ‑kri­tik, phan­tastis­ch­er und real­is­tis­ch­er Lit­er­atur (sein Marken­ze­ichen und eine sein­er besten Qual­itäten — der größte Stilist ist er schließlich nicht …). Untyp­isch ist nur die kleine, kurze Form von sehr unter­schiedlich­er Länge, die seinen Kos­mos etwas zugänglich­er wirken lassen als die großen Schinken. Dabei ist zugänglich aber rel­a­tiv. Denn wieder prä­gen Verknüp­fun­gen kreuz und quer diese Texte (die eigentlich einen großen Text bilden). Es gibt also viel zu entwirren: Dath prak­tiziert ein sehr faszinieren­des Erzählen aus ver­schiede­nen Rich­tun­gen. Man kann (und darf) das dann wie ein Puz­zle zusam­menset­zen. Die einzel­nen Teile sind aber auch schon sehr schön, so dass es nicht so schlimm ist, wenn das Puz­zle nicht ganz fer­tig wird ;-). (Daths Werk gibt mal viel Arbeit für fleißige Ger­man­is­ten, mit all seinen intra- und inter­textuellen Allu­sio­nen und Bezü­gen, v.a. inner­halb seines eige­nen Werkes …)

Kon­se­quenz ist näm­lich noch schön­er als Erfolg. (167)

Aus-Lese #15

Wolf­gang Fröm­berg: Etwas Besseres als die Frei­heit. Luh­mar: Hablizel 2013. 202 Seit­en.

Der Rezensent der taz war von Fröm­bergs zweit­em Roman ziem­lich begeis­tert, ich nicht so sehr. Es fiel mir schw­er, da über­haupt reinzukom­men, in den Text über den Text über den Text: Die (Erzähl-)Ebenen ver­schwim­men hier per­ma­nent (im Roman gibt es z.B. einen Roman, der heißt wie der Roman). Das wäre ja noch kein Prob­lem (eher ein Plus­punkt), aber Fröm­bergs spröder Stil, seine trock­ene Sprache macht­en es mir schw­er, den ver­schiede­nen Hand­lungssträn­gen und Fig­urenkon­stel­la­tio­nen, die lose immer mal wieder mit einan­der verknüpft wer­den, ohne dass das beson­ders deut­lich wird, zu fol­gen — dazu kom­men noch ver­schiedene Zeit-Hand­lungs-Ebe­nen und Träume und Erin­nerun­gen. Vielle­icht lag’s auch an mein­er Lesesi­t­u­a­tion — aber ich sehe nicht recht, was Fröm­berg hier eigentlich will. Es geht irgend­wie um die Alt-68er und deren Kinder. Der Sohn zweier 68er und Kom­mu­nar­den, Leo, ist so etwas wie die Zen­tral­fig­ur. Er beschäftigt sich ablehnend mit der Geschichte seine Eltern, das als “Kün­stler” ver­ar­bei­t­end, seine Frau/Ex, die als „Detek­tivin“ zu den 68ern unter­wegs ist/war, die aber auch schon tot sind, spielt auch eine Rolle. Und dazu kommt noch die gesamte neueste Geschichte Deutsch­lands und der Welt, vom Anfang des 20. Jahrhun­derts bis in die Gegen­wart, die unbe­d­ingt ind en Text hinein gepackt wer­den musste. Das führt zu entsprechend lan­gen Erk­lärun­gen und Abschwei­fun­gen, trock­en und zäh macht es den Text. Und wieder mal schreiben alle Fig­uren: Wern­er und sein Sohn Leo, Ursu­la und auch der extrim­istis­che Aktivist Andreas, selb­st die „Geolo­gin“ Vic­to­ria — da kann man schön immer daraus zitieren, ohne sich die Zitate zu eigen machen zu müssen. Deshalb ist Etwas Besseres als die Frei­heit auch voller gewichtiger Sätze, die als philosophis­che Erkenntnisse/Sätze/Wahrheiten daherkom­men, meist aber Platitü­den sind. Und natür­lich endet das wieder im Schreiben: “Vic­to­ria schloss die Augen, set­zte den Stift aufs Papi­er, öffnete die Tür und stürzte sich in eine neue Welt.” (196)

Außer­dem ist das Buch ganz schlecht geset­zt: ungün­stiger Seit­en­spiegel, schlechter Block­satz (teil­weise richtige Löch­er in den Zeilen) — das sind handw­erk­liche Fehler, die beim Lesen ermü­den, vor allem weil der Text selb­st nur sehr grob gegliedert ist.

Ange­li­ka Meier: Stürzen, drüber schlafen. Kleine Geschicht­en und Stücke. Zürich: Diaphanes 2013. 194 Seit­en.

Skuriles und Absur­des mis­cht sich in Meiers kleinen Geschicht­en mit Groteskem und auch Lustigem: Das sind Minia­turen, die unsere ach-so-bekan­nte Welt ein­fach auf den Kopf stellen und mögliche Wel­ten erzählen. Da sich oft nur eine kleine Bedin­gung oder Begeben­heit ändert, kann man wun­der­bar sehen, was dann passiert — und hat erzählte Wel­ten, die der “Real­ität” unwahrschein­lich gle­ichen und doch ganz anders sind.

Wun­der­bar ist auch die Erzähltech­nik Meiers, die ich schon in Heim­lich, heim­lich mich ver­giss bewun­derte. Zum Beispiel die Raf­fi­nesse der Infor­ma­tionsver­gabe, die (meis­tens) sehr zurück­hal­tend, unauf­dringlich, fast unmerk­lich geschieht. So kann Meier etwa lange offen lassen kann, ob die Erzäh­ler­stimme weib­lich oder männlich ist (wenn es eben keine Rolle spielt). Eine sou­veräne Erzähltech­nik, die hier oft im Dienst des Wun­derns und Ver­wun­derns ste­ht, des Aufmerk­sam­machen auf die Gestalt der Welt, die wir immer wieder als gegeben und “nor­mal” hin­nehmen, die ja aber oft auch ganz kontin­gent ist und dur­chaus auch (ganz) anders sein kön­nte — zum Beispiel so, wie Meier es uns hier mal vor­führt und worüber wir dann staunen dür­fen oder rat­los und per­plex sein dür­fen. “Ihre Minia­turen sind vergnüglich zu lesende Etü­den in Sarkas­mus, alle­samt dazu geeignet, die Zumu­tun­gen der Wirk­lichkeit auf Dis­tanz zu hal­ten” hat Jörg Mage­nau das in sein­er Kri­tik genan­nt — und das stimmt. Auch wenn manch­mal — etwa und vor allem in den bei­den The­ater­stück­en am Ende des Ban­des das Moment der Fin­gerübung etwas arg deut­lich wird — die bei­den Texte hin­ter­lassen mich etwas rat­los, vor allem Wass­er! Ele­ment! Penthe­silea liest Kleist scheint mir in erster Lin­ie eine solche (stilis­tis­che) Fin­gerübung — aber vielle­icht überse­he ich ein­fach den entschei­den­den Punkt …

Berthold Seliger: Das Geschäft mit der Musik. Ein Insider­bericht. Berlin: Edi­tion Tia­mat 2013. 352 Seit­en.

Der Konz­erver­anstal­ter Seliger schreibt, warum das Musikgeschäft (wom­it er in erster Lin­ie das des Pop & Rock meint) so ist, wie es ist: Verkom­men, kor­rupt, unbe­friedi­gend. Eine “Stre­itschrift für eine andere Kul­tur” (so nen­nt der Klap­pen­text das) ist dieser Bericht. Und er ist zunächst mal ernüchternd und desil­lu­sion­ierend: Seliger hat vieles zusam­menge­tra­gen zum Zus­tand der Kul­turindus­trie, des “Geschäfts mit der Musik” — vieles, das dem aufmerk­samen Zeitgenossen dur­chaus schon bekan­nt sein dürfte (GEMA, Einkom­men, Konzen­tra­tionsprozesse im Label- & Ver­lagswe­sen, Musik­er­ga­gen, Spon­sor­ing & Wer­bung), hier aber noch mal geballt und zusam­menge­führt, detail­liert an vie­len Beispie­len aufgezeigt. Beson­ders beschäfti­gen ihn die vielfälti­gen Konzen­tra­tionsprozesse im Geschäft rund um die Musik und die Frage: “Doch was bedeutet das [die oli­garische Konzen­tra­tion] für die Kul­tur, was bedeutet das für unsere Gesellschaft? Was bringt unsere Gesellschaft voran? Ist es die Quote, die zählen soll, oder ist es die Qual­ität von Kul­tur?” (14). Das ist nicht nur ein Vor­wurf an den ver­sagen­den Markt — auch wenn dessen Neuau­rich­tung (share­hold­er-val­ue statt stake­hold­er-val­ue) seit den 1980er wesentlich­er Antrieb für den “Ver­fall” ist, son­dern auch eine Anklage an die diese Prozesse unter­stützende willfährige Poli­tik, die dem Ausverkauf der Kul­tur nicht nur nichts ent­ge­genset­zt, son­dern ihn auch vorantreibt und finanziell unter­stützt. Seliger prag­n­ert das als Ver­lust der Vielfalt an — und zwar eben nicht nur musikalisch, musik-intrin­sisch sozusagen, son­dern auch auf gesellschaftlich­er Ebene.

Stattdessen wün­scht Seliger sich eine Kul­tur der Dis­si­denz — mark­tkon­form ist aber immer nur der Gehor­sam, weshalb die reine Mark­to­ri­en­tierung der Kul­tur (als ganzes) schaden muss, weil das Moment des Gegen­läu­fi­gen weg­fall­en muss (dazu gezwun­gen wird …): “Heute dage­gen beherrscht der Quo­ten­ter­ror unser kul­turelles Leben, ob beim öffentlich-rechtlichen Rund­funk und Fernse­hen, bei der staatlichen Film­förderung oder bei unseren musikalis­chen Freizeitvergnü­gen. Wir leis­ten uns ein hochsub­ven­tion­iertes Kul­tursys­tem, unter­w­er­fen es allerd­ings frei­willig dem Dik­tat der Quote. Es zählt nur, was verkauft.” (20), oder: “Dis­si­denz ist in den mod­er­nen Geschäftsmod­ellen der Kul­turindus­trie nicht als Möglichkeit vorge­se­hen.” (21). Das ist keine neue oder über­raschende Erken­nt­nis — nicht ohne Grund ist Adorno (mit seinen Arbeit­en über die Kul­turindus­trie) sein Kro­nzeuge -, aber weil Seliger viel aus seinen langjähri­gen Erfahrun­gen mit den ver­schieden­sten Musik­ern, Ver­anstal­tern etc. erzählt, — manch­mal hat das auch ein biss­chen etwas von “Opa erzählt von früher” … — ist das eine dur­chaus span­nende und anre­gende Lek­türe. Er klagt dabei auch so ziem­lich alle Beteiligten an, von der Musik­erin bis zum Hörer/Konsumenten, vom Label über Konz­ern­ver­anstal­ter, Wer­bende bis zu Jour­nal­istin­nen oder Medi­en­ar­beit­er. Und natür­lich auch die Poli­tik (Urhe­ber­recht! Fördergelder!). Er sieht das Prob­lem aber immer als eines des Sys­tems, nicht des Indi­vidu­ums — ohne diesem allerd­ings Hand­lungsmöglichkeit und Ver­ant­wor­tung abzunehmen oder abzus­prechen (dafür führt er ja auch Gegen­beispiele an, die sich dem Zwang zur absoluten Unter­w­er­fung unter den Markt und seine (schein­baren) Geset­ze ver­weigern). Let­zlich hängt auch für ihn alles an der “Hal­tung” des Indi­vidu­ums: “In ein­er Zeit, in der das Men­schen­recht auf kul­turelle Teil­habe weltweit durch multi­na­tionale Konz­erne mas­siv gefährdert ist, kommt es mehr denn je darauf an, Hal­tung zu zeigen.” (348) — das ist so etwas wie der Kern, Aus­gangs- und End­punkt des Buch­es.

Chris­t­ian Hwakey: Sonette mit elis­a­bethanis­chem Maulwurf. Über­tra­gen von Uljana Wolf. Berlin: hochroth 2010. 38 Seit­en.

Eigentlich ganz span­nende und vielfältige Gedichte, die Sonette von Hawkey. Die Über­tra­gung von Wolf ist eigentlich eine Über­set­zung, die fast eine inter­lin­eare ist — extrem nah an dem Orig­i­nal. Das ist mal derb und ver­spielt, mal hochge­mut und ordinär zugle­ich — ein selt­sames sic-et-non, ein Pen­deln zwis­chen den Wel­ten und Sprachen macht die Sonette Hawkeys aus — und im Umschlag des Pen­dels passiert die Kun­st, dort, wo die Sprache glitzert und glänzt und funkelt …

& they slept, sound­ly. sleep was a sound & / they float­ed into it — sie legten sich aufs ohr & schlaf war ein laut. / sie schwebten hinein (36/37)

Netzfunde vom 21.12. bis zum 31.12.

Meine Net­z­funde für die Zeit vom 21.12. bis zum 30.12.:

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