Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: barock

Ins Netz gegangen (22.9.)

Ins Netz gegan­gen am 22.9.:

Ins Netz gegangen (8.5.)

Ins Netz gegan­gen am 8.5.:

Aus-Lese #30

Jonathan Safran Foer: Tree of Codes. Lon­don: Visu­al Edi­tion 2011. 139 Seit­en.

Foer, Tree of CodesDie Idee hin­ter Tree of Codes ist aus­ge­sprochen cool: Foer nahm einen vorhan­de­nen Text — näm­lich The Street of Croc­o­diles von Bruno Schulz — und schnei­det ein­fach weg, was ihm im Weg ist oder nicht gefällt. Das Ergeb­nis, ein Cut-up sozusagen, ist dann ein neuer Text. Der Witz ist nun, dass nicht ein­fach der neue Text gedruckt wird, son­dern der Prozess des Auss­chnei­dens auch im Ergeb­nis, in Tree of Codes also, noch sicht­bar ist. Denn die Seit­en sind durch­löchert. Alles, was für neuen Text, die Über­schrei­bung (Palimpsest!) nicht benötigt wird, wird weggeschnit­ten. Entsprechend löchrig sind die Seit­en: Manch­mal ste­hen vom “orig­i­nalen” Text noch halbe Sätze oder einzelne Wort­grup­pen, manch­mal auf ein­er hal­ben Seite auch nur ein einzelnes Wort und son­st vor allem Luft, Nichts, die tat­säch­lich spür­bare Abwe­sen­heit des ursprünglichen/vorhandenen Textes. Das macht die Fragilität des Buch­es als Ding und als Text (Lück­en!) ganz neu deut­lich.

Man ist außer­dem geneigt, dem Text eine gewisse Offen­heit zuzus­prechen: Durch die Lück­en, die Löch­er auf den Seit­en, im Papi­er scheint ja immer das noch kom­mende schon durch, ist also schon präsent — als Wort, als Satzze­ichen, als Split­ter oder nur als Lücke. Das täuscht aber ziem­lich. Auch die Idee des „Satz­bildes“ bekommt eine ganz neue Bedeu­tung: Tat­säch­lich macht es irgend­wie doch einen Unter­schied, ob ein Satz mit weni­gen Lück­en geschnit­ten ist oder ob ein kleines Gebilde wie „I found myself lost.“ (80/81) sich über anderthalb Seit­en — mit ensprechend viel Luft — erstreckt: Das Gewicht wird ein anderes (eher reziprok aber …)

Leere und Abwe­sen­heit­en spie­len aber auch inhaltlich eine gewisse Rolle (oder meine Per­spek­tive ist durch die Form ver­schoben). Der ste­henge­bliebene Text ist dabei manch­mal etwas schräg (wie die ver­rutschen­den, absink­enden Häuser …), einen Tick sur­re­al oder expres­sion­is­tisch (in der Darstel­lung der Stadt). Auflö­sungser­schei­n­un­gen, das Ver­schwinden, Verblassen und Ver­wan­deln von Per­so­n­en und Din­gen spie­len hier eine bedeu­tende Rolle.

The tree of codes was bet­ter than a paper imi­ta­tion. (96)

Wolf­gang Hilbig: Eine Über­tra­gung. Frank­furt am Main: Fis­ch­er 2011 (Werke 4). 427 Seit­en.

hilbig, eine übertragungEine Über­tra­gung ist Hilbigs erster Roman und trotz­dem gle­ich ein „echter“ und typ­is­ch­er Hilbig: Das Prob­lem des Ichs wird hier durchdek­lin­iert, ins­beson­dere die Frage nach der Iden­tität eines Schrift­stellers. Die Iden­tität der Haupt­fig­ur, eines schrift­stellern­den Heiz­ers (oder als Heiz­er arbei­t­en­den Schrift­stellers, das hängt von Stand- und Zeit­punkt ab), ste­ht dabei nicht nur unter innerem Druck und Recht­fer­ti­gungszwang, son­dern ger­ade auch unter äußerem Zwang, der sich in den staatlichen Repres­salien der DDR-Insti­tu­tio­nen (geheimdienstlich/polizeilich) äußert — was natür­lich zusam­men­hängt und sich gegen­seit­ig ver­stärkt.

Die ganze Über­tra­gung ist deshalb eine Art “Selb­stvernehmung”, in dem die erzäh­lende Haupt­fig­ur ver­sucht, diesem Prob­lem — also: Wer ist dieses Ich? Kann ich meinen Erin­nerun­gen trauen? Und meinen Wahrnehmungen? — auf den Grund zu gehen. Der dabei reich­haltig kon­sum­ierte Alko­hol hil­ft nicht unbe­d­ingt, Klarheit zu ver­schaf­fen. Neben­bei gibt es noch ein weit­eres Prob­lem, das der Unter­suchung bedarf: Die Liebe — als Prob­lem in ein­er Gesellschaft der Angst/Sicherheit/Unterdrückung). Das ist in Hilbigs typ­is­ch­er mächtiger, har­ter Sprache manch­mal anstren­gend, über die lange Strecke durchzuhal­ten. Aber es ist in sein­er kör­per­lichen Wucht eben auch immer wieder großar­tig und bere­it­et mir aus­ge­sprochen großes Vergnü­gen …

Es war da ein Text, der auf seinen Ver­fass­er wartete, aber andauernd griff das Leben ein und hin­derte den Ver­fass­er, indem es seine eigene Geschichte schrieb … […]. (107)

Luise F. Pusch: Das Deutsche als Män­ner­sprache. Auf­sätze und Glossen zur fem­i­nis­tis­chen Lin­guis­tik. Frank­furt: Suhrkamp 1984. 202 Seit­en.

Manch­es von den hier ver­sam­melten, etwas dis­parat­en (lin­guis­tis­chen) Auf­sätzen und (jour­nal­is­tis­chen) sprachkri­tis­chen Glossen von Luise Pusch ist inzwis­chen etwas geal­tert — vor allem in dem Sinn, dass man die Entste­hungszeit der 1980er erken­nt. Das meiste aber ist noch — erschreck­end eigentlich — aktuell und gültig sowieso: Pusch zeigt ein­er­seits, wie sehr die deutsche Sprache von patri­achalis­chen Struk­turen und Denkmustern geprägt ist und schlägt ander­er­seits vor, wie man das ändern kön­nte — damit die Nicht-Män­ner nicht immer nur “mit­ge­meint” sind. Ihr Hauptvorschlag im titel­geben­den Auf­satz ist let­ztlich so etwas wie eine Ent­geschlechtlichung (wie sie z.B. im Englis­chen weit ver­bre­it­et ist): Aus “der Pro­fes­sor” und “die Pro­fes­sorin” wird “der Pro­fes­sor” und “die Pro­fes­sor”. Ihr ist natür­lich klar, dass das ein recht radikaler Ein­griff in die über­lieferte Sprach­struk­tur ist und deshalb von vorne­here­in abgelehnt wird (auch wenn das Ergeb­nis keineswegs unsys­tem­a­tisch im Deuschen wäre). Als “kleine” Alter­na­tive bevorzugt sie dann wenig­stens die Dop­pel­nen­nung bzw. deren abgekürzte Form mit Binnen‑I.

Hel­mut Oehring: Mit anderen Augen. Vom Kind gehör­los­er Eltern zum Kom­pon­is­ten. Berlin: btb 2011. 256 Seit­en.

Oehring, Mit anderen AugenOehrings frühe Auto­bi­ogra­phie ist als Text bzw. Buch ziem­lich selt­sam und lebt wohl nur von der schon im Unter­ti­tel verkün­de­ten Beson­der­heit seines Lebensweges — die Lebens­geschichte eines “nor­malen” (im Sinne der stan­dar­d­isierten Erwartung) Kom­pon­is­ten hätte wohl nicht diesen Ver­lag gefun­den. Ich emp­fand das textlich vor allem also als recht krude Mis­chung aus sehr per­sön­lichem Erleben und Kün­stler­bi­ogra­phie mit Beto­nung des Auto­di­dak­ten­tums und der Unwahrschein­lichkeit des Gelin­gens, dem Hän­gen­bleiben im Dazwis­chen (zwis­chen Wel­ten) sowie Erläuterung der Entste­hungszusam­men­hänge und Bedeu­tung der eige­nen Werke. Krude wirkt das vor allem, weil es so chao­tisch erzählt ist, ohne erkennbare Abfolge oder Zusam­men­hänge, in Fet­zen fast. Oehring betont dabei auch gerne und wieder­holt die von ihm erlebte Wucht der Erfahrung von Neuem, ins­beson­dere von Kun­st — also Oper, Musik, Pop und so weit­er. Das wird dann aber von ihm immer wei­der mit sehr all­ge­meinen Beobach­tun­gen und kün­st­lerischen Arbeit­en (vor allem Auss­chnit­ten aus den Tex­ten sein­er Kom­po­si­tio­nen) gemis­cht. Und so ekkle­tizis­tisch Oehring sich im Hören gibt (von Schön­berg bis Depeche Mode reichen unge­fähr seine Vor­lieben), so unein­heitlich ist auch seine Sprache — oft sehr hölz­ern, manch­mal stilis­tisch aus­ge­sprochen unge­lenk, an anderen Stellen aber auch sprühend vor Begeis­terung.

Richard Alewyn, Karl Säl­zle: Das große Weltthe­ater. Die Epoche der höfis­chen Fest in Doku­ment und Deu­tung. Ham­burg: Rowohlt 1959. 134 Seit­en.

Das große WelttheaterDiese klas­sis­che Darstel­lung der Epoche des Barocks als Zeital­ter des Festes wartete schon länger auf meine Lek­türe. Im ersten Teil bietet Alewyn hier eine über­sichtliche Mor­pholo­gie des barock­en Festes, die — so weit ich das überblicke — gelun­gen auf grundle­gende Züge abstrahiert, aber das mit Beispie­len reich­haltig demon­stri­ert. Dem schließt er eine nähere Betra­ch­tung der Ele­mente des Festes im Barock an (die vor allem das The­ater aus­führlich würdigt) und auch eine Situ­ierung des barock­en Festes im Leben & Gesel­llschaft. Hier spürt man vielle­icht am deut­lich­sten das Alter des Textes. Bei der Abgren­zung zum „Volk“ etwa — davon hat Alewyn kaum einen Begriff, ihn inter­essieren die offen­sichtlichen Quellen — und die sind aus adli­gen Kreisen oder beschreiben zumin­d­est vor allem den Adel. Dementsprechend konzen­tri­ert er sich ganz stark auf diese „wichtige“ Schicht — was sich in diesem Unter­suchungszusam­men­hang sach­lich ja auch weit­ge­hend recht­fer­ti­gen lässt -, der Rest ist allen­falls Staffage.

Der zweite Teil des Taschen­buchs fügt dem dann noch einige Beschrei­bun­gen großer Feste des Barocks an, die lei­der nicht vor­wiegend Quellen sind, son­dern in der Haupt­sache Quel­len­para­phrasen (was insofern ver­ständlich ist, als die barock­en Fes­t­beschrei­bun­gen natür­lich barock sind — d.h. unseren heuti­gen Lesege­wohn­heit­en vielle­icht ein wenig zu aus­führlich …).

Die Geschichte des höfis­chen Festes, eines der glänzend­sten Kapi­tel abendländis­ch­er Kul­turgeschichte, wartet umgeschrieben und kaum gese­hen der Aufer­ste­hung aus den Grüften unser­er Archive und graphis­chen Samm­lun­gen. Es fehlt nicht an der Samm­lung und Kat­a­l­o­gisierung dieser Schätze, aber es fehlt an jed­er geisti­gen Ord­nung und Deu­tung. (16)

Ein jedes Zeital­ter schafft sich ein Gle­ich­nis, durch das es im Bild seine Antwort gibt auf die Frage nach dem Sinn des Lebens und in dem es den Schlüs­sel aus­liefert zu seinem Geheim­nis. Die Antwort des Barock lautet: Die Welt ist ein The­ater. Großar­tiger kann man vielle­icht von der Welt, aber schw­er­lich vom The­ater denken. Kein Zeital­ter hat sich mit dem The­ater tiefer ein­ge­lassen als das Barock, keines hat es tiefer ver­standen. In keinem Stoff aber auch hat das Barock sich völ­liger offen­bart als im The­ater. Es hat das The­ater zum voll­ständi­gen Abbild und zum vol­lkomme­nen Sinnbild der Welt gemacht. (48)

Andreas Alt­mann: Die licht­en Lieder der Bäume liegen im Gras und scheinen nur so. Leipzig: Poet­en­laden 2014. 101 Seit­en.

Altmann, Die lichten LiederDas Mot­to stellt gle­ich wichtige Ele­mente des sehr faszinieren­den Gedicht­ban­des von Alt­mann vor:

erin­nerun­gen häuten sich. immer wieder / stellen sie mir ihre kör­p­er in die spiegel.

heißt es da: Erin­nerun­gen, Kör­p­er, auch die Kör­per­lichkeit der Erinnerung(en) sowie Spiegel und Selb­st­be­tra­ch­tun­gen durchziehen als Motive viele der Gedichte. Ger­ade der Aspekt des Zusam­men­hangs von Erin­nerung und Geschichte schlägt sich bei Alt­mann oft nieder. Das sind konkrete (teil­weise sog­ar sehr konkrete!), streng ökonomisch „erzählte“ Szenen und kleine Geschicht­en, die mit sparsamen Hin­weisen auf ihre geschichtliche Situ­ierung über das eigentlich Erzählte gerne hin­ausweisen. Dafür reicht manch­mal schon ein einzelnes Wort — “Gren­zweg” zum Beispiel situ­iert das Gedicht zeitlich und örtlich an der innerdeutschen Gren­ze. Trotz­dem neigt Alt­mann dazu, seine Lyrik präsen­tisch zu präsen­tierten, als ob sie ohne Zeit wäre: “… aus der zeit fällt. die wun­den sind leer.“ heißt es ein­mal. (11)

Seine konkrete, auf der Ebene der Lexik ger­adezu alltägliche Sprache verbindet sich zu starken Bildern, die ger­ade durch ihre Genauigkeit und Schlichtheit wirk­mächtig sind. Dabei fühlen sich viele sein­er Gedichte, die auch immer wieder die Natur an den Kul­tur­rän­dern, an den Schnittstellen zwis­chen men­schlichen Arte­fak­ten und “rein­er” Natur evozieren, sehr men­schen­leer an, obwohl das “Ich” — allerd­ings bevorzugt im spiegel — dur­chaus vorkommt. Prä­gen­der sind allerd­ings die (Natur-)Räume mit Schnee (auch Regen) und ihrem speziellen Licht, die „geschichte im land­schaftspark“ (16) oder die „anatomie der erin­nerung“ (22).

In den oft stillen, unaufgeregten Gedicht­en schwingt immer eine gewisse, starke Leichtigkeit mit, eine schein­bare Natür­lichkeit der Sprache, wie sie im immer wieder vork­om­menden Bild der Fed­er sich typ­isch man­i­festiert. Die Fed­er ist auch inhaltlich ganz tre­f­fend: Als Rest eines Leben­we­sens, als Stel­lvertreter, zugle­ich aber auch eine Wunde (hin­ter­lassend), dabei sich schwebend fort­be­we­gend (kein eigentlich­es fliegen …), ziel­los, unges­teuert und unregel-/steuer­bar, zugle­ich Teil der Land­schaft (der Natur) und der/ihrer Geschöpfe.

… die geräusche in der land­schaft / sind blind. ich tast mich an worten durch / die gedächt­nis­räume. … (26)

Nina Buß­mann: Große Ferien. Berlin: Suhrkamp 2012. 200 Seit­en.

Bußmann, Große FerienBuß­manns Roman ist ein schönes, inten­sives Kam­mer­spiel der Moral. Der Text lebt stark von sein­er geschick­ten Infor­ma­tionsver­gabe, der allmäh­lichen, immer wieder durch Abschwei­fun­gen, Ablenkun­gen und Sprünge unter­broch­enen Aufk­lärung des Lesers — die übri­gens bis zum Schluss nicht voll­ständig geschieht. Aber wie immer gilt ja: Der Prozess ist meis­tens inter­es­san­ter als das Ergebe­nis. Hier geht es um einen älteren Lehrer und sein Ver­hält­nis zu einem begabten Schüler, das zu einem Eklat — dem “Vor­fall” — sich steigert und darin aber auch, gemein­sam mit der Sicher­heit des Gewis­sens, der Wahrnehmung (und der Anstel­lung) des Lehrers, der keinen Vor­na­men hat, seinen Schluss find­et. Entwed­er ist das ein gewaltiger Kli­max, der sich in ein­er Ohrfeige entlädt — oder eben nicht, weil die Ohrfeige aus­bleibt, mit ihr aber eben auch die Ori­en­tierung im Leben und der Moral, im Wis­sen um Gut und Böse, Falsch und Richtig. Und das ist eben das zen­trale Scheit­ern Schramms, der Haupt­fig­ur:

Sie sind Lehrer, Sie müssen die Dinge klären und nicht ein Geheim­nis daraus machen. (129)

Buß­mann erzählt das in einem sehr schö­nen, ständig fließen­den Wech­sel im Hin und Her zwis­chen der Gegen­wart (dem Sor­gen um den Garten, die Befreiung der Auf­fahrt vom Unkraut — wun­der­bar, wie genau und präzise Buß­mann das schildern kann!) und der Vorgeschichte, dem Her­an­tas­ten an den „Vor­fall“. Die genaue Beobach­tung und Wahrnehmung der Umge­bung (der Umwelt) durch die Augen Schramms spielt eine wesentliche Rolle ger­ade weil sie in der erzählten Zeit, die bru­tal ver­langsamt erscheint, kon­trastiert mit der Ungewis­sheit in im weitesten Sinne moralis­chen Frage.

Gefall­en hat mir aber auch die Vielfalt der erzählten Aspek­te. Eine Rolle spie­len unter anderem auch noch das memen­to mori für die Mut­ter, der Vater als Prob­lem­fig­ur der Ver­gan­gen­heit und Vikk­tor als undurch­schaubar­er Brud­er (der ein­mal sog­ar als Ter­ror­ist ver­mutet wird) … Auch stilis­tisch hat Buß­mann mit ihren gestapel­ten Sätze eine passende Form gefun­den: Die Sätze sind ein­fach nie fer­tig, nie abgeschlossen, immer wieder gibt es wie nachträglich einge­fügte, eingeschobene Ergänzun­gen, Präzisierun­gen, Erweiterun­gen, die als solche eben überdeut­lich ken­ntlich bleiben, was zu ein­er frag­men­tierten Syn­tax, ein­er per­ma­nen­ten Stock­ung und Unter­brechung führt (und das Lesen dadurch bewusst ver­langsamt …):

Zwanzig Jahre oder länger hat­te er dort ver­bracht, im Hin­ter­land, in einem von allen Verkehr­swe­gen abgeschiede­nen Bergdorf, und auch wenn es darum für einen Dok­tor nie gere­icht hat­te, war er jeden­falls, ent­ge­gen allen Erwartun­gen, Arzt gewor­den, ein richtiger, wahrschein­lich nicht ein­mal ein schlechter Arzt. (145)

Ein sehr kluges, schönes und lesen­wertes Buch.

Alexan­der Schim­mel­busch: Die Murau Iden­tität. Berlin: Metrolit 2014. 206 Seit­en.

Schimmelbusch, Murau IdentitätDie Murau Iden­tität (sic, der Autor schreibt das — wohl in Anlehnung an die “Bourne Iden­ti­ty” — ohne notwendi­gen Binde­strich) ist lei­der doch ein ziem­lich lang­weiliges Buch. Hin­ter der “Murau-Iden­tität” ver­birgt sich ein untot­er Thomas Bern­hard, der ein­fach weit­er lebt (warum, wird nicht so recht klar), was wir aus “Reise­bericht­en” seines Ver­legers, die dem Erzäh­ler zuge­spielt wer­den, erfahren. Das ist natür­lich eine Stilkopie Thomas Bern­hards, auch in den Rants, die ver­suchen, Bern­hard zu imi­tieren — aber lei­der nur eine mäßige, in der Regel bleibt es flach, niveau­los und vor allem völ­lig banal. Wahrschein­lich ist das Bern­hard-Imi­tat immer nur bein ersten Mal über­haupt inter­es­sant … Manch­mal blitzt immer­hin etwas Witz (und ganz sel­ten auch Esprit) hin­durch, einige schöne Absur­ditäten hat zusam­men mit viel Leer­lauf auch eingestreut. Irgend­wie scheint mir das Ziel eine Mis­chung aus gewe­sen zu sein. Lei­der bleibt der Text aber eine bloß not­dürftige zusam­mengestop­pelte Rah­men­hand­lung für die fünf Berichte des „Ver­legers“ zum Untoten Thomas Bern­hard (und seinem Roman­pro­jekt Àni­ma Negra über die pos­i­tiv­en Seit­en der Ehe & Fam­i­lie) — viel mehr als diese Idee ist in den 200 Seit­en ein­fach nicht drin.

Das verhaßte Haus

Das erste Trauer­spiel / das ihm Ver­druß erweckt /
Hegt das ver­haßte Haus / das man die Schule nen­net /
Wo Kun­st und Tugend ihm ein weites Ziel aussteckt /
Wol dem! der hier mit Lust und hur­tig dar­nach ren­net!
Denn der erre­icht es nicht / der ihm zur Zent­ner-Last
Der Weißheit Lehren macht / sie spie­lende nicht fasst.

— Daniel Cas­par von Lohen­stein, Sophon­is­be (Wid­mungsvorrede)

Liebe, Leiden und Alchimie

Ein kleines Arse­nal an Laut­en und die bere­it liegende Vio­la da gam­ba vor dem Altar ver­rat­en selb­st dem zufäl­li­gen Besuch­er der Sem­i­narkirche, das hier etwas Beson­deres stat­tfind­et. Und in der Tat, das vor­let­zte Konz­ert des diesjähri­gen Musik­som­mers ist noch ein­mal ein echt­es High­light. Hille Perl, Lee San­tana und Dorothee Mields sind mit ihrem „Loves Alchymie“ betitel­ten Pro­gramm in Mainz zu Gast. Die Samm­lung ver­schieden­er Laut­en, die Lee San­tana bere­it gelegt hat, ist symp­to­ma­tisch. Denn kein­er der drei gibt sich mit ein­fachen Lösun­gen zufrieden. Exten­sive und inten­sive Vielfalt ist stattdessen ange­sagt.

Dabei ist es schein­bar ein ganz eingeschränk­tes, monothe­ma­tis­ches Pro­gramm, diese „Loves Alchymie“. Ver­to­nun­gen der soge­nan­nten meta­ph­ysis­chen Dich­tung aus dem barock­en Eng­land des 17. Jahrhun­derts haben sich die drei Musik­er aus­ge­sucht. Und die kreisen immer wieder um Liebe und Tod, viel mehr gibt es da nicht. Aber das ist bei anderen Barock­dichtern ja ähn­lich. Doch schon die Ver­to­nun­gen brechen aus dieser schein­baren Einöde aus: Airs, Grounds, Fan­tasien, Vari­a­tio­nen, Laut­en­lieder von bekan­nten Kom­pon­is­ten wie John Dow­land und Hen­ry Pur­cell ste­hen neben solchen von vergesse­nen Meis­tern wie John Wil­son, Tobias Hume oder John Jenk­ins. Aber sie alle wen­den die Melan­cholie, die gedrück­te Stim­mung von Todesnähe und Liebess­chmerz (die oft genug zusam­men hän­gen) in erbauliche und unter­hal­tende Musik – Unter­hal­tung freilich, die von feinen Dif­feren­zierun­gen lebt. Und dafür sind die drei ohren­schein­lich Spezial­is­ten. Jed­er einzelne weiß in der Augustin­erkirche zu begeis­tern – und das Zusam­men­spiel in naht­los­er Har­monie sowieso. Hille Perl fasziniert mit ihrer lebendi­gen Dynamik, Lee San­tana mit feingliedrigem Tief­sinn. Und dann ist da schließlich Dorothee Mields, die dem ganzen Stimme ver­lei­ht. Denn die Sopranistin ist nicht nur wun­der­bar ver­ständlich, son­dern auch wun­der­bar facetten­re­ich, weich und so reich an Klang­far­ben, dass bei ihr keine zwei Wörter gle­ich klin­gen.

Mal nach­den­klich und sin­nierend, mal intim, dann wieder entrückt und ganz ver­son­nen – kaum eine emo­tionale Bewe­gung bleibt bei diesem Trio außen vor. Ganz beson­ders noch ein­mal im Schluss, der mit süßer Verzück­ung ein­geläutet wird: „Sweet­est Love, I doe not goe“ ist Ver­führung pur, die mit ein­er zart-fig­u­ra­tiv ver­spon­nen Laut­en­fan­tasie von Lee San­tana zurück­hal­tend präzise fort­ge­führt wird und im grandios­es Schluss mün­det: „The Expi­ra­tion“, das „Aushauchen“ eines anony­men Kom­pon­is­ten. „So brich doch diesen let­zten Kuss ab, der so klagt“, heißt es dort, und die Sän­gerin schließt mit dem sim­plen Wörtchen „fort“ — da möchte man wirk­lich ger­adewegs mit ihr gehen, das muss der Weg ins Paradies sein, so rein und ver­führerisch singt Mields das über der Begleitung von San­tana und Perl. Stattdessen zwingt der stür­mis­che Applaus aber alle wieder gnaden­los zurück in die Welt und den All­t­ag.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung.)

Taglied 5.4.2012

Eigentlich schon ein Vor­griff auf mor­gen (aber am “richti­gen” Tag kann man ja nicht all die tollen Pas­sions-Musiken hören …) — Got­tfried Hein­rich Stölzels “Brock­es-Pas­sion”:


Beim Klick­en auf das und beim Abspie­len des von YouTube einge­bet­teten Videos wer­den (u. U. per­so­n­en­be­zo­gene) Dat­en wie die IP-Adresse an YouTube über­tra­gen.

felix austria mit beata olanda (und deutschen zuhörern)

Nein, viel Spaß ver­ste­hen diese vier nicht. Dafür ist ihnen die Sache viel zu ernst. Schließlich geht es um große Musik. Und das erfordert nicht nur Ernst, son­dern auch volle Hingabe. Eines wird näm­lich schnell klar in der St. Anto­niuskapelle: Für „La Bea­ta Olan­da“ gibt es keine hal­ben Wege. Alles oder Nichts heißt die Devise für das Spezial­is­te­nensem­ble – trotz des Namens übri­gens eine ziem­lich deutsche Sache. Und das heißt wiederum: Sie geben alles. Denn Scheit­ern ste­ht nicht auf dem Pro­gramm. Dafür aber eine kleine Run­dreise durch den deutschen und öster­re­ichis­chen Barock – mit deut­lichem Schw­er­punkt auf dem Alpen­land. Sowohl Bach als auch Hän­del, bei­de mit ein­er Vio­lin­sonate vertreten, wer­den da eher zur Neben­sache. Viel span­nen­der und viel vitaler auch gelingt dem Quar­tett die Auswahl aus den Sonat­en von Johann Hein­rich Schmelz­er und Hein­rich Ignaz Franz von Biber. Die kön­nen bei­de ein reich­es Oeu­vre vor­weisen – nicht nur quan­ti­ta­tiv. Und vor allem für Vio­lin­is­ten. Schmelz­er, Hofkapellmeis­ter im Wien Kaiser Leopolds, war als Kom­pon­ist genau­so ange­se­hen wie als Vio­lin­ist. Und für den Salzburg­er Hof­musikus Biber gilt nur zwanzig Jahre später das gle­iche: Gefeiert­er Ton­set­zer und europaweit berühmter Vir­tu­ose auf der Geige. Entsprechend anspruchsvoll sind viele sein­er Sonat­en.
Für Clau­dia Hoff­mann scheint die tech­nis­che Her­aus­forderung aber nicht beson­ders hoch zu sein. Fast gelassen und ohne Furcht wählen sie und ihre Mit­stre­it­er forsche Tem­pi, forcieren die Kon­traste zwis­chen ruhi­gen Abschnit­ten und wild-brausenden Pas­sagen noch zusät­zlich.
Ihre tech­nis­chen Fähigkeit­en stellen sie dabei genau­so wenig her­aus wie sich selb­st. Egal ob in Schmelz­er Duosonat­en für Diskantgambe und Vio­line (aus der Samm­lung „Duo­de­na selec­tarum sonatarum“) oder sein­er drit­ten Sonate aus den großen „Sonatae unarum fid­i­um“, ganz gle­ich ob in Tanzsätzen oder Osti­nati – immer macht „La Bea­ta Olan­da“ das Mate­r­i­al zu absoluter, ganz und gar rein­er Musik. Da wird dann auch nichts mehr his­torisiert – das Wis­sen um die zeit­genös­sis­che Auf­führung­sprax­is ist auch nur noch ein Mit­tel, dieser Musik zu ihrer voll­ständi­gen, unpartei­is­chen Mate­ri­al­isierung zu ver­helfen. Und das funk­tion­iert blendend. Vielle­icht auch deshalb, weil der kleine Raum der St. Anto­niuskapelle das gut unter­stützt: Mit­ten im musikalis­chen Geschehen wäh­nt man sich als Pub­likum, so direkt und unmit­tel­bar umfan­gen einen die reich­halti­gen Klänge.
Und direkt ist schließlich auch der Zugriff des Ensem­bles: Mit voller Kraft wer­fen sie sich etwa in die Kon­traste und Span­nun­gen der Sonat­en. Da gibt es keine Beschöni­gun­gen, aber auch keine über­triebe­nen Drama­tisierun­gen, son­dern ein­fach nur Musik – mal entspan­nend, mal span­nungs­ge­laden­er als jed­er Kri­mi. Und wenn sie dann das Konz­ert mit Bibers c‑Moll-Sonate enden lassen, zeigen sie nicht nur großen Mut, son­dern auch unbarmherzige Härte: So ein Cliffhang­er ist ziem­lich gemein. Aber auch ganz schön gut.

(konz­ert des mainz­er musik­som­mers, geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung)

oh, merry england!

Der arme Steven Devine. Der Cem­bal­ist muss am Schluss einen ziem­lich steifen Hals gehabt haben. Denn mehr als in seine Noten blick­te er beim Konz­ert in der Augustin­erkirche zu seinen Ensem­blekol­le­gen von Lon­don Baroque. Und dafür musste er ständig schrägt über seine rechte Schul­ter schauen. Die Ver­renkun­gen haben sich aber gelohnt. Zumin­d­est für das Pub­likum, das so Erstk­las­siges zu hören bekam.

Die per­ma­nente visuelle Kom­mu­nika­tion des Quar­tetts, die nicht nur vom Cem­ba­lo aus­ging, son­dern den Gam­bis­ten Charles Med­lam genau­so ein­be­zog wie die bei­den Geigerin­nen Ingrid Seifert und Han­nah Med­lam, diese ständi­ge gegen­seit­ige Kon­trolle und Vergewis­serung der Gemein­samkeit­en führt zu einem starken, wun­der­bar konzen­tri­erten Klang­bild. Die Erfahrung aus über dreißig Jahren gemein­samen Musizierens hil­ft da natür­lich auch noch. Jeden­falls gab es einiges zu sehen: Nicht nur aufmerk­same, hellwache und kom­mu­nika­tive Musik­er, deren Blicke sich öfter kreuzten als ihre Melo­di­en, son­dern auch ganz viel Bewe­gung: Da tanzten die Bögen munter über die Sait­en und die Fin­ger wirbel­ten die Griff­bret­ter hoch und runter – Langeweile hat­te keine Chance in der Augustin­erkirche.

Nur der Bach-Noten­band auf dem Pult vor Devine blieb stummes, unbe­weglich­es Req­ui­sit – ganz der englis­chen Musik hat­ten die Lon­don­er sich gewid­met. Natür­lich, würde man sagen, wüsste man nicht, dass die Lon­don­er auch ganz aus­geze­ich­net deutsche und ital­ienis­che Barock­musik spie­len kön­nen. Aber davon gab es dieses Mal nur in der Zugabe eine klitzek­leine Kost­probe.

Englis­che Musik des 17. Jahrhun­dert also – das ist vieles, was kaum noch jemand wirk­lich ken­nt: Kam­mer­musik von Kom­pon­is­ten wie John Jenk­ins, Christo­pher Simp­son, William Lawes oder Matthew Locke ist heute nicht mehr sehr ver­bre­it­et. Zu ihrer Zeit waren das in und um Lon­don aber alles aus­gewiesene, geschätzte Meis­ter. Die For­men reichen von empfind­samen Tanzsätzen – großar­tig etwa das Cem­baloso­lo „A sad Pavan for these dis­tract­ed times“, in der Thomas Tomkins die Wirren nach der Hin­rich­tung des Königs Charles in eine für das 17. Jahrhun­dert extrem emo­tionale Musik fasst – bis zur typ­is­chen englis­chen Gat­tung der Grounds. Von diesen freien Vari­a­tio­nen über ein wieder­holtes Bass­the­ma hat­te das Ensem­ble einige dabei, etwa Christo­pher Simp­sons “Ground Divi­sions“, die dem Gam­bis­ten Charles Med­lam viel Möglichkeit­en gab, nicht nur seine Fin­ger­fer­tigkeit, son­dern auch seinen Ein­fall­sre­ich­tum vorzuführen.

Die abschließende Hän­del-Sonate – in Eng­land gilt George Fred­er­ic Han­del ja genau­so selb­stver­ständlich als Englän­der wie hier als Deutsch­er – allerd­ings war dann nicht mehr ganz so typ­isch englisch. Aber Lon­don Baroque ist kosm­poli­tisch genug, auch das zu meis­tern: Mit ihrer typ­is­chen Ein­füh­lungskraft und der wun­der­bar wach­samen, reak­tions­freudi­gen Gemein­samkeit ihres ener­gis­chen Spiels macht­en sie sich Hän­del genau­so zu eigen wie den Rest des Pro­gramms.

(gechrieben für die mainz­er rhein-zeitung)

mit musik & händel durch europa

Georg Friedrich Hän­del, der große Jubi­lar dieses Jahres, ist schon in jun­gen Jahren weit herumgekom­men in Europa. Und er hat sich von vielem, was er dabei gehört hat, inspier­eren lassen. Manch­mal auch etwas mehr – das „Auslei­hen“ gelun­gener Melo­di­en beispiel­sweise war zu seinen Zeit­en noch keineswegs so ver­pönt wie heute. Wer sich also ein biss­chen inten­siv­er mit Hän­dels Musik beschäftigt, muss sich auch mit ganz viel anderen Werken befassen. Zum Beispiel mit Musik von Diet­rich Bux­te­hude, dem Hän­del in Lübeck einen Besuch abstat­tete. Oder mit Johann Hein­rich Schmelz­er, der in Wien Kar­riere machte. Und natür­lich auch mit Hän­dels Rivalen in Lon­don, Gio­van­ni Bononci­ni.
Die Vil­la Musi­ca hat all das in ein schönes Pro­gramm mit dem Tele­mann-Quar­tett gepackt und im Erthaler Hof auch einen sehr passenden Saal für diese vielfältige, fil­igrane und drama­tis­che Musik gefun­den. Die Hitze dort hat das Pub­likum gerne aus­ge­hal­ten, denn die vier Spezial­is­ten des Tele­mann-Quar­tetts boten zwar nicht unbe­d­ingt große Über­raschun­gen, aber hohe bis höch­ste Qual­ität. Und zwar in allen Dimen­sio­nen.
Das Fun­da­ment legte, das ist bei barock­er Musik unverzicht­bar, der Gen­er­al­bass. Flo­ri­an Hey­er­ick am Cem­ba­lo und Rain­er Zip­per­ling mit Gambe und Cel­lo beg­nügten sich aber nicht mit dem Hin­ter­grund. Mit viel Fan­tasie, mit Präzi­sion und span­nungs­ge­lade­nen Lin­ien macht­en sie sich zu einem unverzicht­baren, ele­mentaren Teil der Musik. Und was diese bei­den ausze­ich­nete, galt auch für die Geigerin Swan­t­je Hoff­mann und den Altisten Yose­meh Adjei: Genauigkeit in allen Sit­u­a­tio­nen und Hingabe an die Aus­drucksvielfalt und die Kraft der Musik. Dazu kam dann noch ein rei­bungslos­es Miteinan­der, ein echt gemein­sames Musizieren, bei dem jed­er mit jedem agierte, aufeinan­der reagierte und zusam­men eine feste Ein­heit bildete. Unabläs­sig flo­gen die Blicke kreuz und quer, vergewis­serten sich Sänger und Cem­bal­ist, Geigerin und Cel­list der Gemein­samkeit­en. Über­haupt war hier alles immer in Bewe­gung, kam kein­er der Musik­er zum Still­stand. Und das war ein gutes Zeichen: Denn diese Rast­losigkeit übertrug sich auf die Musik. So wur­den dann auch eher ephemere Werke wie die Vio­lin­sonate von Isabel­la Leonar­da oder die Cel­losonate von Gio­van­ni Bononci­ni zu span­nen­den Aus­flü­gen in die barocke Klang­welt. Aber die Höhep­un­ket lagen woan­ders. Schon die bei­den Psalmver­to­nun­gen Bux­te­hudes ließen das erah­nen: Das wahre Dra­ma kam in den Arien Hän­dels zum Vorschein. Hier kon­nte sich der famose Altus Yose­meh Adjei voll ausleben. Mit sein­er leicht­füßig über alle Schwierigkeit­en hin­wegeilen­den, klar und pein­lichst genau geführten Stimme wurde er Rinal­do oder Cesare, koket­tierte mit der die Vogel­rufe imi­tieren­den Vio­line, ließ den Zorn brausen, den Herz­schmerz sehnend schluchzen und die Tugend preisen – ohne jede Spur von Zurück­hal­tung ver­leibte er sich seine Par­tien ein und führte gemein­sam mit dem Rest des Quar­tettes die Hän­del-Reise weit über die tat­säch­lichen Sta­tio­nen in das unendliche Reich der Fan­tasie hin­aus.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung)

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