Ein kleines Arsenal an Lauten und die bereit liegende Viola da gamba vor dem Altar verraten selbst dem zufälligen Besucher der Seminarkirche, das hier etwas Besonderes stattfindet. Und in der Tat, das vorletzte Konzert des diesjährigen Musiksommers ist noch einmal ein echtes Highlight. Hille Perl, Lee Santana und Dorothee Mields sind mit ihrem „Loves Alchymie“ betitelten Programm in Mainz zu Gast. Die Sammlung verschiedener Lauten, die Lee Santana bereit gelegt hat, ist symptomatisch. Denn keiner der drei gibt sich mit einfachen Lösungen zufrieden. Extensive und intensive Vielfalt ist stattdessen angesagt.
Dabei ist es scheinbar ein ganz eingeschränktes, monothematisches Programm, diese „Loves Alchymie“. Vertonungen der sogenannten metaphysischen Dichtung aus dem barocken England des 17. Jahrhunderts haben sich die drei Musiker ausgesucht. Und die kreisen immer wieder um Liebe und Tod, viel mehr gibt es da nicht. Aber das ist bei anderen Barockdichtern ja ähnlich. Doch schon die Vertonungen brechen aus dieser scheinbaren Einöde aus: Airs, Grounds, Fantasien, Variationen, Lautenlieder von bekannten Komponisten wie John Dowland und Henry Purcell stehen neben solchen von vergessenen Meistern wie John Wilson, Tobias Hume oder John Jenkins. Aber sie alle wenden die Melancholie, die gedrückte Stimmung von Todesnähe und Liebesschmerz (die oft genug zusammen hängen) in erbauliche und unterhaltende Musik – Unterhaltung freilich, die von feinen Differenzierungen lebt. Und dafür sind die drei ohrenscheinlich Spezialisten. Jeder einzelne weiß in der Augustinerkirche zu begeistern – und das Zusammenspiel in nahtloser Harmonie sowieso. Hille Perl fasziniert mit ihrer lebendigen Dynamik, Lee Santana mit feingliedrigem Tiefsinn. Und dann ist da schließlich Dorothee Mields, die dem ganzen Stimme verleiht. Denn die Sopranistin ist nicht nur wunderbar verständlich, sondern auch wunderbar facettenreich, weich und so reich an Klangfarben, dass bei ihr keine zwei Wörter gleich klingen.
Mal nachdenklich und sinnierend, mal intim, dann wieder entrückt und ganz versonnen – kaum eine emotionale Bewegung bleibt bei diesem Trio außen vor. Ganz besonders noch einmal im Schluss, der mit süßer Verzückung eingeläutet wird: „Sweetest Love, I doe not goe“ ist Verführung pur, die mit einer zart-figurativ versponnen Lautenfantasie von Lee Santana zurückhaltend präzise fortgeführt wird und im grandioses Schluss mündet: „The Expiration“, das „Aushauchen“ eines anonymen Komponisten. „So brich doch diesen letzten Kuss ab, der so klagt“, heißt es dort, und die Sängerin schließt mit dem simplen Wörtchen „fort“ — da möchte man wirklich geradewegs mit ihr gehen, das muss der Weg ins Paradies sein, so rein und verführerisch singt Mields das über der Begleitung von Santana und Perl. Stattdessen zwingt der stürmische Applaus aber alle wieder gnadenlos zurück in die Welt und den Alltag.
(geschrieben für die Mainzer Rhein-Zeitung.)
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