Thomas Allen, Schubert-Lieder (Brahms-Orchester-Bearbeitung)
Beim Klicken auf das und beim Abspielen des von YouTube eingebetteten Videos werden (u. U. personenbezogene) Daten wie die IP-Adresse an YouTube übertragen.
Thomas Allen, Schubert-Lieder (Brahms-Orchester-Bearbeitung)
Der erste Blick ist richtig erschreckend: „ss-p-t-pow“, „dang-dang-tsch-gang-g-dah-dab“ — das soll jetzt Händels Hallelujah sein? Dieses willkürliche Durcheinander von Pausen und Noten, von Punktierungen und Synkopen? Und diese sinnentleerten Laute?
Ja, hinter dem scheinbaren Chaos steckt tatsächlich „das“ Hallelujah aus Händels „Messiah“. Allerding ganz leicht überarteitet: Eine Renovierung könnte man die Bemühungen Bernhard Hofmanns nennen. Denn seine Bearbeitung soll den Klassiker mal wieder auffrischen: Er macht Pop, was schon immer Pop war und ist – nur dass es sich jetzt auch für das 21. Jahrhundert so anhört. Und in dieser Hinsicht findet dann plötzlich alles seinen Platz, steht jede Note und jede Pause ganz richtig und fängt – mit ein bisschem Durchblick und Übung – auch wirklich leicht zu grooven an. Vor allem rhythmische Sicherheit und Festigkeit der Sänger sind dafür allerdings unabdingbare Voraussetzung, sonst wird es schwierig, das lebendig werden zu lassen. Auch ein klangkräftiges, sicheres Bassgrundierung ist unablässlich. Aber das ist bei Händel ja auch nicht viel anders. Jedenfalls hat Hofmann für seinen sechstimmigen Satz die wesentlichen Momente des Originals – etwa die Unisoni bei „For the Lord God“ — bewahrt und ziemlich geschickt in sein Arragenment eingebaut, der zugleich klassischer Chorsatz und Popsong sein will.
Eine durchaus vorsichtige, ja sehr behutsame Renovierung ist das also: Ein frischer Anstrich für ein altes Haus – die Substanz ist die gleiche, an manchen Stellen sieht es trotzdem auf einmal ganz anders und neu aus, bietet der wahrscheinlich bekannteste Chorsatz der Musikgeschichte wieder ein neues Hörerlebnis. Ohne Zweifel ist das eine angenehme Überraschung – und ein wunderbares Zugabenstück.
(geschrieben für die Neue Chorzeit.)
Gellend meckern die Klarinetten, von sanft schwingenden Flöten gleich behutsam beruhig. In der Tiefe brummeln die Fagotte und im Hintergrund schrubbt der Kontrabass dazu. Die Oboen wieseln derweil elegant über Hoch und Tief, während die Hörner unaufgeregt zwischen druckvollem Schmettern und gelassenen Kantilenen wechseln.
Ja, es ist eine Menge los, wenn so ein Bläserdezett ein Konzert gibt. Auch wenn, wie beim dritten Kammerkonzert in Kleinen Haus des Staatstheaters, manchmal nur neun oder acht statt der zehn Holz- und Blechbläser aus dem Philharmonischen Orchester im Einsatz sind. Dafür haben sie aber auch nicht nur artfremde Unterstützung durch den Kontrabass – der gehört ja quasi dazu, auch wenn niemand ihn mitzählt. Sondern sie haben für ihr ausgewähltes Publikum auch hochkarätige Unterstützung dabei. Generalmusikdirektorin Catherine Rückwardt setzt sich für das Philharmonische Bläserdezett am Ende ihrer Mainzer Zeit noch einmal an den Flügel. Mit den „Variations sur un thème plaisant“ von Jean Françaix tut sie das für eine angenehme Komposition, bei der nicht nur das Thema gefällt. Gemeinsam mit dem Philharmonischen Bläserdezett lässt sie die neoklassizistischen Variationen immer wieder charmant changieren zwischen Heiterkeit und Nachdenklichkeit. Bläser und Pianistin spielen das mit viel Esprit, immer locker, genau und vor allem ausgesprochen inspiriert.
Als zweite Solistin hatte das Ensemble die junge Sopranistin Alexandra Samouilidou verpflichtet. Die sang die Fünf frühen Lieder Gustav Mahlers – in einer auch wieder aus Mainz stammenden Bearbeitung für Bläserdezett. Ob die wirklich besser ist als die Orchestrierung von Luciano Berio sei einmal dahingestellt. Im Kleinen Haus ist jedenfalls ein Genuss. Das ist sowohl ein Verdienst der klar artikulierenden Sängerin, die sich eng in den Bläserklang integriert, als auch eben dieser zehn Bläser, die das dicht gewebte Arrangement sehr plastisch ausformen.
Die hatten ihr Hauptwerk und ein echtes Heimspiel aber noch vor sich: Die Suite aus Smetanas Oper „Die verkaufte Braut“, für die das Dezett zur Harmoniemusik schrumpfte. Nun waren sie zwar nur noch zu acht (plus dem einsamen Kontrabass), aber immer noch gewitzt und spielfreudig. Die sichtliche und vor allem hörbare Freude, diese Oper – die ja auch auf dem Spielplan des Großen Hauses stand – mal ganz allein, ohne störende Sänger, Streicher, Dirigenten und den ganzen Kram auf der Bühne in Angriff zu nehmen, zog sich sowohl durch die Tanzstücke als auch die Duette und Ensembles. Andreas Tarkmanns Bearbeitung bietet auch viele reizvolle Möglichkeiten der Entfaltung für die Harmoniemusik – und macht dieser Besetzung, eigentlich vor allem eine Sache des späten 18. Jahrhunderts, auch tscheschiche Nationaloper des späteren 19. Jahrhunderts zu eigen. Und die wiederum klang beim Philharmonischen Bläserdezett so frisch und unverbraucht, als wäre sie erst vor einigen Wochen komponiert worden und nicht schon 155 Jahre alt.
(geschrieben für die mainzer rhein-zeitung.)
Musik dazu verwenden, jemanden zu verführen, ist keine neue Idee. Das Opfer mit der Musik als Köder zur Musik zu begehren, ist schon etwas ungewöhnlicher. Und wenn ein Chor das dann auch noch so offen und direkt unternimmt wie der „Don-Camillo-Chor“ aus dem Münchner Umland, dann gehen jeder Zielperson schnell die Argumente für den Widerstand aus.
Das liegt, wie ihre neueste (und erste) CD mit dem passenden Titel „Good Bait“ beweist, zu großem Teil an der jugendlichen Frische und dem unbändigen Überschwang, mit dem der gesamte Chor sich auf sein Repertoire vorwiegend aus Jazz und Pop stürzt. So eine freizügige Freude teilt sich dem Hörer in jedem Moment mit, dass er mit dem größten Vergnügen anbeißt.
Das Vergnügen ist allerdings nicht nur ein Verdienst der Sänger und ihres Chorleiters, der sie immer wieder knackig auf den Punkt fokussiert. Es liegt zu einem großen Teil auch an den angenehm einfallsreichen Arrangements, die mehrheitlich vom Dirigenten selbst oder aus der bewährten Feder des um keine Pointe verlegenen Oliver Gies stammen.
Das reicht vom feurigen „Chili con Carne“ aus dem Fundus der „Real Group“ über aufgefrische Swing-Klassiker bis zu – in ihren komplexen Arrangements kaum noch erkennbaren – Pop-Hits der letzten Jahrzehnte. Mit einer recht freien Bearbeitung von Brahms’ „Guten Abend, gut’ Nacht“ beweist der Don-Camillo-Chor dann nebenbei auch noch, dass er mehr als nur reiner Jazz-Pop-Chor ist: Diese jungen Sänger und Sängerinnen fühlen sich in vielen Gefilden zu Hause. Mit Recht. Denn „Good Bait“ ist nicht nur eine schöne, gelungene Leistungsschau, sondern auch einfach gute Unterhaltung.
Don Camillo Chor: Good Bait. Spektral SRL4-09049, 2009.
(geschrieben für die neue chorzeit)
Mutig ist es, was der Bosse-Verlag macht: Seine neue Reihe „Bosse Hits a‑cappella“ gleich mit Rammsteins „Engel“ zu eröffnen. Denn vielen ist Rammstein in Deutschland (im Ausland übrigens im Grunde gar nicht) immer noch ein Ärgernis. „Engel“ ist aber sicherlich eines der unverfänglichsten Lieder. Und zugleich einer der großen Erfolge der umstrittenen Band, der Durchbruch in die größere Öffentlichkeit vor über zehn Jahren.
Was der Bosse-Verlag nun vorlegt, ist aber nicht so sehr eine a‑cappella-Version des Rammstein-Songs, sondern eine noch einmal bearbeitete Version – für gemischten Chor sowie Frauenchor/Männerchor – des Maybebop-Arrangements. Und das Quartett verkehrt die „Neue Deutsche Härte“ des Originals ins ziemlich genau Gegenteil – eine weiche, schmusige Ballade haben sie daraus gemacht. Mit einem recht raffinierten, sehr ökonomischen Arrangement. Das findet sich auch in den vorliegenden Sätzen so wieder – die halten sich nämlich sehr genau ans Maybebop-Original, nur minimale Anpassungen an die verschiedenen Besetzungen hat Oliver Gies noch vorgenommen.
Ein schönes Beispiel ist dieser Satz zugleich, wie sehr eine Bearbeitung den Charakter eines Stückes verändern kann: Die Noten „stimmen“ eigentlich noch ziemlich genau mit der Musik von Rammstein überein. Aber die Reduktion auf vier menschliche Stimmen und die Veränderung der Struktur tun einiges, dem Engelslied jede Härte zu nehmen – damit aber auch viel von seinem eigentlichen Reiz. Jedenfalls ist es ein gut singbares Arrangement, das zwar technisch schon versierte Sänger fordert (etwa beim Zwischenspiel in klassischer Imitationstechnik, eine echte Maybebop-Zutat und ‑Spezialität), sonst aber zurückhaltend bleibt. Und es lässt den Interpreten wiederum einigen Raum – man muss das nicht unbedingt so wie Maybebop singen. Dass ist das große Plus dieser Ausgabe und ihre Aufgabe an Chöre und Ensembles: Einen eigenen Weg zwischen Rammstein und Maybebop zu finden.
Rammstein: Engel. Arrangement: Maybebop/Oliver Gies. Gustav Bosse Verlag 2008. (Bosse Hits a cappella, hrsg. von Stefan Kalmer). Gemischter Chor: BE 721, Frauenchor: Be 722, Männerchor: BE 723. 7 Seiten, 3,50 Euro.
(geschrieben für die neue chorzeit)
Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén