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Schlagwort: arrangement

Taglied 3.9.2012

Thomas Allen, Schu­bert-Lieder (Brahms-Orch­ester-Bear­beitung)

Thomas Allen sings Schubert’s “Gruppe aus dem Tar­tarus” and “Mem­non” (arr. by Brahms)

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Poppiger Barock: Händels Hallelujah aufgepeppt

Der erste Blick ist richtig erschreck­end: „ss-p-t-pow“, „dang-dang-tsch-gang-g-dah-dab“ — das soll jet­zt Hän­dels Hal­lelu­jah sein? Dieses willkür­liche Durcheinan­der von Pausen und Noten, von Punk­tierun­gen und Synkopen? Und diese sin­nentleerten Laute?

Ja, hin­ter dem schein­baren Chaos steckt tat­säch­lich „das“ Hal­lelu­jah aus Hän­dels „Mes­si­ah“. Allerd­ing ganz leicht über­arteit­et: Eine Ren­ovierung kön­nte man die Bemühun­gen Bern­hard Hof­manns nen­nen. Denn seine Bear­beitung soll den Klas­sik­er mal wieder auf­frischen: Er macht Pop, was schon immer Pop war und ist – nur dass es sich jet­zt auch für das 21. Jahrhun­dert so anhört. Und in dieser Hin­sicht find­et dann plöt­zlich alles seinen Platz, ste­ht jede Note und jede Pause ganz richtig und fängt – mit ein biss­chem Durch­blick und Übung – auch wirk­lich leicht zu grooven an. Vor allem rhyth­mis­che Sicher­heit und Fes­tigkeit der Sänger sind dafür allerd­ings unab­d­ing­bare Voraus­set­zung, son­st wird es schwierig, das lebendig wer­den zu lassen. Auch ein klangkräftiges, sicheres Bass­grundierung ist unablässlich. Aber das ist bei Hän­del ja auch nicht viel anders. Jeden­falls hat Hof­mann für seinen sech­stim­mi­gen Satz die wesentlichen Momente des Orig­i­nals – etwa die Unisoni bei „For the Lord God“ — bewahrt und ziem­lich geschickt in sein Arra­gen­ment einge­baut, der zugle­ich klas­sis­ch­er Chor­satz und Pop­song sein will.

Eine dur­chaus vor­sichtige, ja sehr behut­same Ren­ovierung ist das also: Ein frisch­er Anstrich für ein altes Haus – die Sub­stanz ist die gle­iche, an manchen Stellen sieht es trotz­dem auf ein­mal ganz anders und neu aus, bietet der wahrschein­lich bekan­nteste Chor­satz der Musikgeschichte wieder ein neues Hör­erleb­nis. Ohne Zweifel ist das eine angenehme Über­raschung – und ein wun­der­bares Zugaben­stück.

(geschrieben für die Neue Chorzeit.)

 

Bläser en masse & en detail

Gel­lend meck­ern die Klar­inet­ten, von san­ft schwin­gen­den Flöten gle­ich behut­sam beruhig. In der Tiefe brum­meln die Fagotte und im Hin­ter­grund schrubbt der Kon­tra­bass dazu. Die Oboen wieseln der­weil ele­gant über Hoch und Tief, während die Hörn­er unaufgeregt zwis­chen druck­vollem Schmettern und gelasse­nen Kan­tile­nen wech­seln.

Ja, es ist eine Menge los, wenn so ein Bläserdezett ein Konz­ert gibt. Auch wenn, wie beim drit­ten Kam­merkonz­ert in Kleinen Haus des Staat­sthe­aters, manch­mal nur neun oder acht statt der zehn Holz- und Blech­bläs­er aus dem Phil­har­monis­chen Orch­ester im Ein­satz sind. Dafür haben sie aber auch nicht nur art­fremde Unter­stützung durch den Kon­tra­bass – der gehört ja qua­si dazu, auch wenn nie­mand ihn mitzählt. Son­dern sie haben für ihr aus­gewähltes Pub­likum auch hochkarätige Unter­stützung dabei. Gen­eral­musikdi­rek­torin Cather­ine Rück­wardt set­zt sich für das Phil­har­monis­che Bläserdezett am Ende ihrer Mainz­er Zeit noch ein­mal an den Flügel. Mit den „Vari­a­tions sur un thème plaisant“ von Jean Françaix tut sie das für eine angenehme Kom­po­si­tion, bei der nicht nur das The­ma gefällt. Gemein­sam mit dem Phil­har­monis­chen Bläserdezett lässt sie die neok­las­sizis­tis­chen Vari­a­tio­nen immer wieder char­mant chang­ieren zwis­chen Heit­erkeit und Nach­den­klichkeit. Bläs­er und Pianistin spie­len das mit viel Esprit, immer lock­er, genau und vor allem aus­ge­sprochen inspiri­ert.

Als zweite Solistin hat­te das Ensem­ble die junge Sopranistin Alexan­dra Samouili­dou verpflichtet. Die sang die Fünf frühen Lieder Gus­tav Mahlers – in ein­er auch wieder aus Mainz stam­menden Bear­beitung für Bläserdezett. Ob die wirk­lich bess­er ist als die Orchestrierung von Luciano Berio sei ein­mal dahingestellt. Im Kleinen Haus ist jeden­falls ein Genuss. Das ist sowohl ein Ver­di­enst der klar artikulieren­den Sän­gerin, die sich eng in den Bläserk­lang inte­gri­ert, als auch eben dieser zehn Bläs­er, die das dicht gewebte Arrange­ment sehr plas­tisch aus­for­men.

Die hat­ten ihr Hauptwerk und ein echt­es Heim­spiel aber noch vor sich: Die Suite aus Smetanas Oper „Die verkaufte Braut“, für die das Dezett zur Har­moniemusik schrumpfte. Nun waren sie zwar nur noch zu acht (plus dem ein­samen Kon­tra­bass), aber immer noch gewitzt und spiel­freudig. Die sichtliche und vor allem hör­bare Freude, diese Oper – die ja auch auf dem Spielplan des Großen Haus­es stand – mal ganz allein, ohne störende Sänger, Stre­ich­er, Diri­gen­ten und den ganzen Kram auf der Bühne in Angriff zu nehmen, zog sich sowohl durch die Tanzstücke als auch die Duette und Ensem­bles. Andreas Tark­manns Bear­beitung bietet auch viele reizvolle Möglichkeit­en der Ent­fal­tung für die Har­moniemusik – und macht dieser Beset­zung, eigentlich vor allem eine Sache des späten 18. Jahrhun­derts, auch tscheschiche Nation­alop­er des späteren 19. Jahrhun­derts zu eigen. Und die wiederum klang beim Phil­har­monis­chen Bläserdezett so frisch und unver­braucht, als wäre sie erst vor eini­gen Wochen kom­poniert wor­den und nicht schon 155 Jahre alt.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung.)

angebissen: der don-camillo-chor auf cd

Musik dazu ver­wen­den, jeman­den zu ver­führen, ist keine neue Idee. Das Opfer mit der Musik als Köder zur Musik zu begehren, ist schon etwas ungewöhn­lich­er. Und wenn ein Chor das dann auch noch so offen und direkt untern­immt wie der „Don-Camil­lo-Chor“ aus dem Münch­n­er Umland, dann gehen jed­er Zielper­son schnell die Argu­mente für den Wider­stand aus.

Das liegt, wie ihre neueste (und erste) CD mit dem passenden Titel „Good Bait“ beweist, zu großem Teil an der jugendlichen Frische und dem unbändi­gen Über­schwang, mit dem der gesamte Chor sich auf sein Reper­toire vor­wiegend aus Jazz und Pop stürzt. So eine freizügige Freude teilt sich dem Hör­er in jedem Moment mit, dass er mit dem größten Vergnü­gen anbeißt.

Das Vergnü­gen ist allerd­ings nicht nur ein Ver­di­enst der Sänger und ihres Chor­leit­ers, der sie immer wieder knack­ig auf den Punkt fokussiert. Es liegt zu einem großen Teil auch an den angenehm ein­fall­sre­ichen Arrange­ments, die mehrheitlich vom Diri­gen­ten selb­st oder aus der bewährten Fed­er des um keine Pointe ver­lege­nen Oliv­er Gies stam­men.

Das reicht vom feuri­gen „Chili con Carne“ aus dem Fun­dus der „Real Group“ über aufge­frische Swing-Klas­sik­er bis zu – in ihren kom­plex­en Arrange­ments kaum noch erkennbaren – Pop-Hits der let­zten Jahrzehnte. Mit ein­er recht freien Bear­beitung von Brahms’ „Guten Abend, gut’ Nacht“ beweist der Don-Camil­lo-Chor dann neben­bei auch noch, dass er mehr als nur rein­er Jazz-Pop-Chor ist: Diese jun­gen Sänger und Sän­gerin­nen fühlen sich in vie­len Gefilden zu Hause. Mit Recht. Denn „Good Bait“ ist nicht nur eine schöne, gelun­gene Leis­tungss­chau, son­dern auch ein­fach gute Unter­hal­tung.

Don Camil­lo Chor: Good Bait. Spek­tral SRL4-09049, 2009.

(geschrieben für die neue chorzeit)

harte männer ganz sanft: rammsteins “engel” a‑cappella

Mutig ist es, was der Bosse-Ver­lag macht: Seine neue Rei­he „Bosse Hits a‑cappella“ gle­ich mit Ramm­steins „Engel“ zu eröff­nen. Denn vie­len ist Ramm­stein in Deutsch­land (im Aus­land übri­gens im Grunde gar nicht) immer noch ein Ärg­er­nis. „Engel“ ist aber sicher­lich eines der unver­fänglich­sten Lieder. Und zugle­ich ein­er der großen Erfolge der umstrit­te­nen Band, der Durch­bruch in die größere Öffentlichkeit vor über zehn Jahren.

Was der Bosse-Ver­lag nun vor­legt, ist aber nicht so sehr eine a‑cap­pel­la-Ver­sion des Ramm­stein-Songs, son­dern eine noch ein­mal bear­beit­ete Ver­sion – für gemis­cht­en Chor sowie Frauenchor/Männerchor – des May­be­bop-Arrange­ments. Und das Quar­tett verkehrt die „Neue Deutsche Härte“ des Orig­i­nals ins ziem­lich genau Gegen­teil – eine weiche, schmusige Bal­lade haben sie daraus gemacht. Mit einem recht raf­finierten, sehr ökonomis­chen Arrange­ment. Das find­et sich auch in den vor­liegen­den Sätzen so wieder – die hal­ten sich näm­lich sehr genau ans May­be­bop-Orig­i­nal, nur min­i­male Anpas­sun­gen an die ver­schiede­nen Beset­zun­gen hat Oliv­er Gies noch vorgenom­men.

Ein schönes Beispiel ist dieser Satz zugle­ich, wie sehr eine Bear­beitung den Charak­ter eines Stück­es verän­dern kann: Die Noten „stim­men“ eigentlich noch ziem­lich genau mit der Musik von Ramm­stein übere­in. Aber die Reduk­tion auf vier men­schliche Stim­men und die Verän­derung der Struk­tur tun einiges, dem Engel­slied jede Härte zu nehmen – damit aber auch viel von seinem eigentlichen Reiz. Jeden­falls ist es ein gut singbares Arrange­ment, das zwar tech­nisch schon ver­sierte Sänger fordert (etwa beim Zwis­chen­spiel in klas­sis­ch­er Imi­ta­tion­stech­nik, eine echte May­be­bop-Zutat und ‑Spezial­ität), son­st aber zurück­hal­tend bleibt. Und es lässt den Inter­pre­ten wiederum eini­gen Raum – man muss das nicht unbe­d­ingt so wie May­be­bop sin­gen. Dass ist das große Plus dieser Aus­gabe und ihre Auf­gabe an Chöre und Ensem­bles: Einen eige­nen Weg zwis­chen Ramm­stein und May­be­bop zu find­en.

Ramm­stein: Engel. Arrange­ment: Maybebop/Oliver Gies. Gus­tav Bosse Ver­lag 2008. (Bosse Hits a cap­pel­la, hrsg. von Ste­fan Kalmer). Gemis­chter Chor: BE 721, Frauen­chor: Be 722, Män­ner­chor: BE 723. 7 Seit­en, 3,50 Euro.

(geschrieben für die neue chorzeit)

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