was machen wir bloß mit der …, wohin soll die ewig par­ty und das ständi­ge abhän­gen nur führen? das muss doch endlich – und zwar ganz gewaltig bald – im total­en absturz, im endgülti­gen nieder­gang und chaos deutsch­lands enden. joachim lottmann schlägt sich damit ja immer wieder gerne rum: die jugend von heute. ihr zus­tand, ihre pläne, ihr benehmen, ihre orte, ihre musik, ihre was-auch-immer… lassen ihn auch im mit­tler­weile recht fort­geschrit­te­nen alter nicht los. das ist immer etwas erk­lärungs­bedürftig, und das weiß lottmann auch sehr genau. nur kann oder will er es nicht recht klar machen, warum sein erzäh­ler immer noch den jun­gen leuten hin­ter­her­hechelt, in ihnen immer noch die erlös­er vom all­t­ag sucht.das gilt natür­lich für kein text weniger als für „die jugend von heute“mischung aus rainald goetz auf der einen und ben­jamin lebert sowie stuck­rad-barre auf der anderen seite. nur eben bei weit­em nicht so kon­se­quent wie goetz (auch lange nicht so fähig zur analyse), aber lei­der auch nicht so leicht und harm­los wie die anderen pseu­do-pop­per. deshalb bleibt das weit­ge­hend indif­fer­ent und nichtssagend – egal, von welchem blick­winkel aus man das büch­lein betra­chtet.

vor allem aber ist es eine fund­grube für lust­barkeit­en und schöne aussprüche, die ich zwar ger­ade abgetippt hat­te, die mir word­press aber jet­zt geklaut hat und die deshalb hier nicht mehr ste­hen. überig geblieben ist nur:

  • „unser kul­tur, also die jugend­kul­tur, war erken­nt­nisim­mun.“ (81)
  • „diese ganze musikin­dus­trie war für kinder gemacht, für men­schen zumin­d­est, die noch niemals vom baum der erken­nt­nis genascht hat­ten und es auch nie tun wür­den.“

jolo (wie der autor seinen stel­lvertreter, die erzäh­ler­fig­ur im buch nen­nt) würde sich wahrschein­lich krumm und scheck­ig lachen über all die, die diesen text auf irgend eine art und weise ernst nehmen… – vor satire- und ironiemerk­malen wim­melt es ja nur so im text…

man kön­nte ihn natür­lich einen bor­der­line-jour­nal­is­ten nen­nen, aber das wäre blödsinn. denn damit würde man lottmann natür­lich vol­lkom­men missver­ste­hen – was lottmann wiederum freuen würde, denn genau darauf spekuliert er ja, darauf legt er es an. es geht natür­lich um etwas anderes: wahrheit – was ist das? eine über­flüs­sige, anachro­nis­tis­che, in die irre führende idee, deren haupt­man­gel es naturgemäß ist, dass sie mit der wirk­lichkeit nicht zurande kommt, nichts mit dem erleben des lebens, dem „wahren“ leben also (ha, was für ein witz…) ein­fach keine verbindung mehr einge­hen kann. bzw. möglicher­weise eh‘ nie kon­nte… er selb­st for­muliert das dann so: „Die Jugend von heute hat einen erweit­erten Wirk­lichkeits­be­griff. […] Meinen. Sie glauben an nichts mehr, also an alles. Sie unter­schei­den nicht zwis­chen wahr und unwahr oder gut und böse. Sie däm­mern einem offe­nen Zukun­fts­feld ent­ge­gen. Wo andere noch eine Schädeldecke haben, hat die Jugend von heute eine weit offene Tür. So ein crazy Lottmann-Text kommt da ger­ade recht.“
(aus der taz, wo holm friebe, der als chef­denker der zen­tralen intel­li­genz-agen­tur auch mehrfach im text auf­taucht, dann dazu meint: “Alles Teil der Lottmann’schen Ver­schleierungstak­tik.”)

das prob­lem mit lottmann ist halt nur, dass er damit über­haupt nicht weit kommt. ihm fehlt ein­fach nicht nur die ana­lytis­che schärfe, son­dern auch die gestal­ter­ische kraft, die fähigkeit des formes unter ästhetis­chen gesicht­spunk­ten – da hat ihm halt ein autor wie rainald goetz (übri­gens in bei­den kat­e­gorien) einiges voraus … er selb­st sieht das (vgl. taz-bericht) nicht als nachteil: als „eth­nologe“ schreibe er eben nur auf, ohne wer­tung. das ist freilich schon wieder blödsinn, denn etwas auf­schreiben ohne wer­tung – wie soll das denn gehen? er hätte halt bess­er mal bei hubert fichte nach­le­sen sollen, wie so etwas ausse­hen und (sog­ar unter ver­schiede­nen gesicht­spunk­ten) funk­tion­ieren kann. olaf karnik bewun­dert das dann: „sein umher­schweifend­es Schreiben, seine unver­frorene Aufze­ich­nung banaler All­t­ags­beobach­tun­gen, motiviert von keck­er Selb­ster­mäch­ti­gung.“ aber das sind auch wieder nur leere hülsen: was ist an der aufze­ich­nung, die natür­lich über­haupt keine reine aufze­ich­nung ist, so unver­froren? und was ist an der selb­ster­mäch­ti­gung (mal abge­se­hen davon, dass die wohl jed­er autor aufzuweisen hat…) so keck? immer­hin ist das noch tre­f­fend­er als die behaup­tun­gen auf single-generation.de. “Mit seinem neuen Buch wird er zum Avant­gardis­ten des Anti-Pop.” ste­ht da – aber stimmt das? nein, denn er bleibt natür­lich pop. nur ist der pop halt nicht mehr der der 80er – das kann man bedauern oder feiern, aber es ist halt ein­fach so…

joachim lottmann: die jugend von heute. köln: kiepen­heur & witsch 2004.
eine web­seite zum buch gibt es auch, freilich fast ohne inhalt, dafür mit film­chen: www.young-kraut.de