Dort die Brüll-Kritik, hier die Schleim-Kritik, beides müsste man nicht ernst nehmen, wäre die Wirkung nicht so verheerend, denn die Kritik selbst wird damit beschädigt. Das alles ist umso bedenklicher, als es ausgerechnet öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind, die unter dem Vorwand, Literaturkritik zu betreiben, sie korrumpieren und der Verluderung preisgeben. Das ist kein Service public, sondern öffentliche Selbstdemontage.
„Treffpunkte des Austausches, Orte der Begegnung“ – so, heißt es auf der Website der Zentralbibliothek Berlin, sollen Bibliotheken heute sein. Habe ich irgendwas falsch verstanden? Ich will in der Bibliothek niemandem begegnen. Ich will mich auch nicht austauschen, wenn ich in die Bibliothek gehe. Ich will mich an einen stillen Ort begeben, an dem jemand sich ein kluges System ausgedacht hat, in dem Bücher und andere Medien geordnet beieinander stehen.
The myth of the well-administered German city – Homo Ludditus → schöner blogpost, der am beispiel der baden-württembergischen stadt leonberg zeigt, wie miserabel es um das öffentliche bauwesen in deutschland steht (vor allem was die aufsicht/kontrolle von baustellen angeht — da muss ich vollends zustimmen), und wie wenig die städtische verwaltung dort (und wieder: das ist ein typisches phänomen) dem ruf der deutschen effizienz und ordnung entspricht
Auto: Voll outo!? | Zeit → der großartige burkhard straßmann über die mobilität von jungen leuten und ihre (angebliche) abkehr vom auto(besitz)
Der Multimodal-Surfer gleitet in Outdoorhose und Trekkingschuhen durch den urbanen Dschungel, schnell, flexibel und elegant, und ist dabei stets mit Leuten über sein Smartphone vernetzt. Alles, was sich bewegt, kann seinem Fortkommen dienen, U‑Bahn, Taxi, Fahrrad oder Mietfahrrad, Mutters Polo, Mitfahrgelegenheiten, der Flixbus oder das Longboard.
Haenchen: Parsifal „nochmal richtig machen“ | festspieleblog → ein spannendes interview mit hartmut haenchen, dem dirigenten des diesjährigen “parsifal” bei den bayreuther festspielen, unter anderem über textkritische fragen der wagner-partitur und das arbeiten in bayreuth
nach langer zeit kam vor einigen wochen ein anruf von klaus ripper: ob ich nicht mit der hans-von-der-au-gruppe in die slowakei nach zvolen fahren möchte — so dringend brauchten sie offenbar einen akkordeonisten, dass sie mich fragten ;-). denn mein akkordeon hat in der letzten zeit doch recht ordentlich staub angesetzt. glücklicherweise war es gerade die woche nach pfingsten und damit vorlesungsfreie zeit in mainz — das passte also bestens. und ruckzuck war ich engagiert. schnell noch den pfingstsonntag freigeschaufelt — das war dann zwar unnötig (weshalb ich kurzfristig noch in erbach georgelt habe) und dann kam auch schon die spannende erste probe. schließlich stand einiges neues (norddeutsches vor allem) auf dem programm, vieles war mir aber auch von früher noch bekannt — und vor allem nach ein oder zwei mal durchspielen wieder ganz klar im gedächtnis. es ist schon verrückt, was im hinrstübchen alles die jahre überdauert … die musik war auch mit mir noch eine sparbesetzung der musik (klarinette, gitarre und mein akkordeon, später kam noch die zweite klarinette hinzu), lief aber doch ziemlich gut. ok, wie sich dann hier und da zeigen sollte: die routine im zusammenspiel mit den tänzern war halt nicht mehr da — kam im laufe des aufenhaltes in zvolen allerdings auch wieder zurück.
doch der reihe nach, noch stehen wir am 28.5. in erbach auf dem parkplatz am parkdeck und warten auf den bus. der wird gerade noch in der martin-luther-straße mit den schließkörben, dem bändertanz-kranz und den bänken für den bankerltanz beladen. der rest des gepäcks der 27 leute (inkl. einiger akkordeons — alleine von mir schon zwei: eines für die „normalen” auftritte und eines für den geplanten umzug) und die verpflegung ging dann auch noch gerade so in den bus. ziemlich pünktlich um 1.00 (also wirklich mitten in der nacht) setzte sich der bus dann in bewegung. in walldürn sammelten wir dann noch mareike ein und dann ging es endgültig und unaufhaltsam gen wien. nunja, so ganz unaufhaltsam leider doch nicht: wir machten ziemlich viel pause. zum schlafen kam ich natürlich im bus überhaupt nicht — einige minuten kurzes wegdämmern waren da schon das höchste der gefühle. bei der letzten pause kurz vor wien kam dann die eingepackte verpflegung ins spiel und ermöglichte uns ein wahrhaft fürstliches reise-frühstück. so gestärkt kurvten wir dann noch fast eine halbe stunden quer durch wien zum jugendgästehaus wien-brigittenau (am friedrich-engels-platz, fast direkt an der donau). da war es allerdings erst halb zwölf — und vor 13 uhr konnten wir die zimmer nicht beziehen. also ließen wir den bus gerade da stehen und verzogen uns erst einmal in den prater — als gäste der stadt wien, denn der automat in der tram kannte keine gruppenkarte und für alle reichte unser kleingeld nicht. im prater habe ich mich dann bald vom rest der gruppe getrennt, um mich mit simon zu treffen, der, welch überraschung, verspätet zum treffpunkt kam. zusammen sind wir dann gemütlich ins kaffeehaus gegangen und haben den nachmittag verquatscht. zum schluss noch eine gemeinsame rundfahrt durch wien mit tram und s‑bahn, über hernals — wo simon gerade wohnt — zurück zum handelskai, von wo aus ich zurück zum jugendgästehaus geeilt bin. und dort war ich gerade noch rechtzeitig, um die anderen auf dem weg vom haupthaus zur dependance, wo wir untergebracht waren, zu treffen. nach dem abendessen verschwanden die kids dann ruckzuck in den betten — und eine ungewöhnliche (und seltene) ruhe kehrte ein. nicht aber auf unserem zimmer. dort brachte nämlich mann claudia massierend zum schreien — worauf ich mich aus dem staub machte, um am donauufer erst einmal eine runde zu laufen. bei meiner rückkehr herrschten dann wieder normale zustände auf unserem zimmer …
am 29.5. ging es nach dem mittelmäßigen frühstück dann um 10 uhr weiter in die slowakei. auf der autobahn wollten die kinder dann im bus tatsächlich „die wolke” schauen — nun gut, wir hatten sie gewarnt … tatsächlich kehrte so ruhe ein — und alle wurden gehörig deprimiert. dabei fand ich den film noch wesentlich weniger schlimm als das buch — gut, damals war ich noch erheblich jünger. aber mir schien doch, dass der film viel stärker auf hannah und elmar konzentriert war als das buch: das ist eher ein first-love-drama als ein gesellschafts- /energiepolitisches drama wie die literarische vorlage. unterdessen endete die autobahn nahe der grenze in einer gigantischen baustelle — das ist auch unbedingt nötig, denn momentan quält sich der nicht gerade wenige verkehr (vor allem natürlich unmengen an lastwagen) durch die landstraßen und kleine dörfer. die grenze war schnell passiert, kontrolliert wurde überhaupt nicht. war es um bratislava herum ausgesprochen flach, tauchten immer mehr hügel auf, je näher wir nitra kamen. dort machten wir dann auf einem parkplatz unsere mittagspausen und labten uns an den resten aus den unerschöpflichen tiefen der verpflegungskisten. die fahrt nach zvolen ging dann ohne probleme weiter, die schnellstraße 50 führte uns fast ohne unterbrechung direkt dorthin, in die nun deutlich hügligere und stark bewaldetet gegend. in zvolen selbst waren dann nach einigem kuddelmuddel die zimmer im internat schnell bezogen. nur der busfahrer weigerte sich, bei uns zu übernachten — ok, wirklich viel ruhe war da auch nicht oft. aber dass der auch die beiden alternativangebote ausschlug — die immerhin für die anderen busfahrer gut genug waren — was soll’s. das hotel musste er dann ja auch noch wechseln, das erste war nicht gut genug. nerviger fand ich freilich, dass er ausgerechnet in zvolen auch noch seine 24 stunden ruhezeit abfeiern musste: wenn ich einen bus mit fahrer für sechs tage miete, erwarte ich eigentlich, dass ich den auch zur verfügung habe. und nicht nur fünf tage den bus nutzen kann. gut, der fahrer muss natürlich auf seine lenkzeiten achten. aber von seiten des unternehmers wissmüller finde ich so etwas recht unverschämt — es ist ja schließlich nicht unsere sache, dass er direkt nacht unserer rückkehr wieder sofort zur nächsten fahrt aufbrechen muss. schließlich bekommt das unternehmen ja eine menge geld dafür — da würde ich schon eine entsprechende leistung erwarten. lange konnten wir freilich nicht im internat bleiben, es war noch ein erster auftritt in einer art kurklinik zu absolvieren. der klappte sogar halbwegs gut (ok, meine idee, den rheinländer aus hetzbach zu spielen, war vielleicht nicht der beste einfall ;-)). und danach stürzten sich die slowakischen mädchen auch noch auf unsere jungs, was diese fast unerträglich stolz machte … nach dem abendessen im internat war dann natürlich noch heftige gaudi mit und ohne musik auf den zimmern.
auch der 30.5. begann für mich natürlich laufend (mehr zu meinen versuchen, bei so einer fahrt die täglich-laufen-serie am leben zu erhalten, steht unter laufen im ausland). dann gabe es ein frühes und ausgesprochen mageres frühstück — vor allem ganz ohne aufputschende getränke: kaffee oder tee gab es morgens überhaupt nicht. danach ging es dann auch schon gleich weiter im engen terminplan: zunächst zur probe im kulturhaus. dort wurde aufmarsch und finale des auftritts bzw. der auftritte an diesem vormittag geprobt. das ging dann auch einigermaßen zügig über die bühne. die auftritte selbst (beim ersten: fischer- und webertanz; beim zweiten dann hohenbuckoer springer und bayrische polka mit bankerltanz) waren dann zwar etwas stressig, aber sonst in ordnung. und schon ging es auch wieder weiter: zunächst zum mittagessen, dann überraschend drei ganze stunden ohne programm: ruhe pur. eigentlich war ja noch der umzug und auftritt auf dem marktplatz geplant, aber das fiel im wahrsten sinne des wortes ins wasser: schon vormittags waren die ersten schauer aufgezogen, die jetzt jede freiluftveranstaltung unmöglich machten. das kurzer hand auf die beine gestellte alternativprogramm führte uns nach banska bystrica, ca. 20 kilometer von zvolen, zum großen „europa-center”, einem neuzeitlichen konsumtempel der extraklasse: ein einzige, fast ununterbrochene kette klamottenläden — wahnsinn, so viel kann man gar nicht anziehen … zum glück konnten wir auch alle wieder mit zurück ins internat nehmen. dort waren wir wieder nur kurz zum essen, es ging noch ein zweites mal ins kulturhaus, zur „discothéque für die kinder”. das war eine recht lustige sache. vor allem der grandios mitmach-tanz, der zum gesang von zwei sich ständig wiederholenden wörter weit über zwanzig minuten andauerte — der dj musste dem schließlich gewaltsam einhalt bieten.
am 31.5. ging es wieder gleich nach dem frühstück los: zunächst war der fototermin am schloss zu absolvieren. dann stand für den rest des vormittags der besuch einer schule, eine einheitsschule für die ersten acht klassen, im slowakischen grundschule genannt, auf dem programm. etwas überraschend wurden wir nach einer führung durch die ziemlich baufälligen gebäude auch noch in den deutschunterricht integriert — die lehrer hatten sich viele mühe gegeben mit der vorbereitung, die unsere kinder nicht so recht erwidern mochten. das spannendste, was sie zu erzählen wussten, war der großartige einkauf in banska bystrica: 20 liter cola. für vier leute. danach ging es dann in die turnhalle, zum tanzen für die gesamte schule. der bändertanz klappte zwar nicht richtig (und mir fiel erst danach wieder ein, wass ich beim zusammenbrechenden geflecht zu tun gehabt hätte), doch sonst war auch das in ordnung. und so ganz nebenbei löste sich auch noch das mysterium der verschwundenen schwarzen weste: ilona fiel nun nämlich auf, dass acht westen für neun jungen immer einen ohne übrig lassen — in bad könig war es offenbar der falsche, der keine mehr abbekommen hat und deshalb alarm schlug … nach dem mittagessen in der schulkantine durften wir dann noch eine weile auf klaus warten, der ncoh schnell zum rektor entführt worden war. und nach knapp zwei stunden faulen nichtstun ging das nachmittagsprogramm weiter. der auftritt auf dem marktplatz war zwar inzwischen wieder dem alltäglich, nachmittäglichen regen zum opfer gefallen. aber im schloss gab es noch einiges zu tun: während die tänzer sich in tanz- und volkskunst-workshops vergnügten (bei denen die zeit aber offenbar sehr knapp bemessen war), mussten die musiker mit klaus zum offiziellen empfang beim bürgermeister. der tauchte dann zwar gar nicht auf, schickte aber seine vertreterin, die sogar deutsch konnte und somit unseren übersetzer überflüssig machte. den beginn der veranstaltung hätten wir beinahe noch verpasst: es hieß zunächst, der einmarsch zur nationalhymne solle noch geprobt werden — bevor das geschah, ging es dann aber schon gleich richtig los. und dann durfte jeder sein geschenk überreichen, ein paar worte sagen und eine kurze vorführung abliefern. wir spielten die „bauernhochzeit” und den „brautwalzer” — das geht immer und kommt gut an. für uns schloss sich dann ein express-rundgang durch die schloss-galerie an, an deren ausgang wir auch den rest der gruppe wieder trafen. zurück im internat stand dann die erste packorgie an: der bus sollte noch schnell, bevor seine zwangspause anfing, mit den schließkörben und instrumenten und sonstigem gerät beladen werden.
der 1.6. bescherte uns einen freien vormittag, den wir mit einem rundgang durch zvolen verbrachten. viel zu sehen gibt es da allerdings nicht. eine fußgängerzone (am platz des slowakischen nationalaufstandes, der nicht mehr als das übliche sozialistische helden-monument ist), die gerade aufwendig neu gestaltet wird. eine kleine katholische kirche mit einigen betenden frauen. eine größere evangelische kirche, erbaut 1921, die leider verschlossen war. aber nicht für uns: denn als wir versuchten, durch die fenster einen blick ins innere zu erhaschen, sah uns offenbar die küsterin und öffnet uns die tür. innen ein schlichter, klassizistisch angehauchter kirchenraum mit einem schönen altar, der von einer großen, gütig dreinblickenden jesusfigur überragt wird, die ausnahmsweise einmal nicht am kreuz hängt. nach dem mittagessen ging es dann zum großen finale: das „galakoncert”, wie die slowaken so etwas nennen, im städtischen theater. dafür musste aber zunächst einmal ordentlich geprobt werden. die einzelnen gruppen waren recht schnell fertig. aber der einzug und vor allem das finale erforderte eine menge arbeit — und viele, viele wiederholungen. einige davon gingen allerdings auf das konto der gruppenleiter, insbesondere der russische und der serbische stellten sich nicht besonders geschickt an bei dem sehr ausgeklügelten zeremoniell. das programm lief dann aber auch am schnürchen — nur haben wir leider nix davon mitbekommen, weil der zuschauerraum ausverkauft und die seitenbühnen uns verboten waren. unser teil lief auch sehr zufriedenstellend: der hetlinger bandriter und der bankerltanz kamen auch bei diesem etwas älteren publikum gut an. danach gab es dann wieder ein schnelles abendessen und ganz, ganz eilige vorbereitungen für die disco zum abschluss. die ging natürlich nicht ohne eine erneute runde des mitmach-tanzes ab — aber immerhin war dieses mal etwas früher schluss. und die tscheschichen musiker hatten im foyer um ihr zymbal herum eine improvisierte gegenveranstaltung eröffnet. um halb zwölf waren dann auch fast alle schon im bett, denn
am 2.6. ging es wieder sehr früh los: um halb sieben wurde der bus gepackt (davor war ich natürlich wieder laufen — nur kurz, das war schon sakrisch früh …). dann noch einmal das frühstück ohne kaffee (den es immerhin später im bus in genügenden mengen gab) und ab gings richtung heimat. ein kleinen zwischenstopp gab es aber noch einmal beim schloss, wo wir noch eine dvd mit aufzeichnungen des festivals überreicht bekamen (und werner noch vom auto angefahren wurde, was zum glück glimpflich ablief) diese dvd wollte klaus aber im bus nicht zeigen. doch immerhin gab es auf dieser fahrt etwas unterhaltsameres als bei der hinfahrt: shrek 2. die rückfahrt schien dann auch angenehmer als die hinfahrt. das lag vielleicht auch daran, dass wir nur die absolut nötigen pausen machten. und so schafften wir es, mit dem in würzburg gewechselten fahrer, sogar vor den anvisierten 22 uhr wieder in erbach zu sein.
diese fotos hat mir freundlicherweise der fotograph der russischen gruppe, garmonyia, zur verfügung gestellt:
p.s.: wie wenig man vom slowakischen versteht, mag ein ausschnitt aus dem festival-prospekt illustrieren:
was machen wir bloß mit der …, wohin soll die ewig party und das ständige abhängen nur führen? das muss doch endlich – und zwar ganz gewaltig bald – im totalen absturz, im endgültigen niedergang und chaos deutschlands enden. joachim lottmann schlägt sich damit ja immer wieder gerne rum: die jugend von heute. ihr zustand, ihre pläne, ihr benehmen, ihre orte, ihre musik, ihre was-auch-immer… lassen ihn auch im mittlerweile recht fortgeschrittenen alter nicht los. das ist immer etwas erklärungsbedürftig, und das weiß lottmann auch sehr genau. nur kann oder will er es nicht recht klar machen, warum sein erzähler immer noch den jungen leuten hinterherhechelt, in ihnen immer noch die erlöser vom alltag sucht.das gilt natürlich für kein text weniger als für „die jugend von heute“mischung aus rainald goetz auf der einen und benjamin lebert sowie stuckrad-barre auf der anderen seite. nur eben bei weitem nicht so konsequent wie goetz (auch lange nicht so fähig zur analyse), aber leider auch nicht so leicht und harmlos wie die anderen pseudo-popper. deshalb bleibt das weitgehend indifferent und nichtssagend – egal, von welchem blickwinkel aus man das büchlein betrachtet.
vor allem aber ist es eine fundgrube für lustbarkeiten und schöne aussprüche, die ich zwar gerade abgetippt hatte, die mir wordpress aber jetzt geklaut hat und die deshalb hier nicht mehr stehen. überig geblieben ist nur:
„unser kultur, also die jugendkultur, war erkenntnisimmun.“ (81)
„diese ganze musikindustrie war für kinder gemacht, für menschen zumindest, die noch niemals vom baum der erkenntnis genascht hatten und es auch nie tun würden.“
jolo (wie der autor seinen stellvertreter, die erzählerfigur im buch nennt) würde sich wahrscheinlich krumm und scheckig lachen über all die, die diesen text auf irgend eine art und weise ernst nehmen… – vor satire- und ironiemerkmalen wimmelt es ja nur so im text…
man könnte ihn natürlich einen borderline-journalisten nennen, aber das wäre blödsinn. denn damit würde man lottmann natürlich vollkommen missverstehen – was lottmann wiederum freuen würde, denn genau darauf spekuliert er ja, darauf legt er es an. es geht natürlich um etwas anderes: wahrheit – was ist das? eine überflüssige, anachronistische, in die irre führende idee, deren hauptmangel es naturgemäß ist, dass sie mit der wirklichkeit nicht zurande kommt, nichts mit dem erleben des lebens, dem „wahren“ leben also (ha, was für ein witz…) einfach keine verbindung mehr eingehen kann. bzw. möglicherweise eh‘ nie konnte… er selbst formuliert das dann so: „Die Jugend von heute hat einen erweiterten Wirklichkeitsbegriff. […] Meinen. Sie glauben an nichts mehr, also an alles. Sie unterscheiden nicht zwischen wahr und unwahr oder gut und böse. Sie dämmern einem offenen Zukunftsfeld entgegen. Wo andere noch eine Schädeldecke haben, hat die Jugend von heute eine weit offene Tür. So ein crazy Lottmann-Text kommt da gerade recht.“ (aus der taz, wo holm friebe, der als chefdenker der zentralen intelligenz-agentur auch mehrfach im text auftaucht, dann dazu meint: “Alles Teil der Lottmann’schen Verschleierungstaktik.”)
das problem mit lottmann ist halt nur, dass er damit überhaupt nicht weit kommt. ihm fehlt einfach nicht nur die analytische schärfe, sondern auch die gestalterische kraft, die fähigkeit des formes unter ästhetischen gesichtspunkten – da hat ihm halt ein autor wie rainald goetz (übrigens in beiden kategorien) einiges voraus … er selbst sieht das (vgl. taz-bericht) nicht als nachteil: als „ethnologe“ schreibe er eben nur auf, ohne wertung. das ist freilich schon wieder blödsinn, denn etwas aufschreiben ohne wertung – wie soll das denn gehen? er hätte halt besser mal bei hubert fichte nachlesen sollen, wie so etwas aussehen und (sogar unter verschiedenen gesichtspunkten) funktionieren kann. olaf karnik bewundert das dann: „sein umherschweifendes Schreiben, seine unverfrorene Aufzeichnung banaler Alltagsbeobachtungen, motiviert von kecker Selbstermächtigung.“ aber das sind auch wieder nur leere hülsen: was ist an der aufzeichnung, die natürlich überhaupt keine reine aufzeichnung ist, so unverfroren? und was ist an der selbstermächtigung (mal abgesehen davon, dass die wohl jeder autor aufzuweisen hat…) so keck? immerhin ist das noch treffender als die behauptungen auf single-generation.de. “Mit seinem neuen Buch wird er zum Avantgardisten des Anti-Pop.” steht da – aber stimmt das? nein, denn er bleibt natürlich pop. nur ist der pop halt nicht mehr der der 80er – das kann man bedauern oder feiern, aber es ist halt einfach so…
joachim lottmann: die jugend von heute. köln: kiepenheur & witsch 2004. eine webseite zum buch gibt es auch, freilich fast ohne inhalt, dafür mit filmchen: www.young-kraut.de
das war wohl nichts. dem kritiker so eine steilvorlage zu liefern mit diesem titel, das ist wohl das mutigste an diesem büchlein. natürlich (alles andere hätte zumindest mich sehr überrascht) „können“ weder lebert noch sein held und alter ego tim gräbert. zumindest nicht in dem sinn, in dem es hier verwendet wird: nämlich schreiben können. zumindest die literarische figur kann andererseits doch – sex haben. sonst treibt sie allerdings auch nicht viel an. ein junger schriftsteller, der vor einigen jahren einen großen erfolg hatte mit seinem ersten roman und nun nichts mehr zu papier bringt – wen das an benjamin lebert erinnert, der ist nicht völlig schief gewickelt. und entsprechend geht es weiter: er vögelt lustig vor sich hin, ist aber – klischee, klischee – trotzdem und immer noch nur ein armer einsamer hund… der kerl trifft über eine bekannte (natürlich aus dem verlag, wo anders als im medienzirkus treibt er sich gar nicht herum) ein noch jüngeres mädchen, abiturientin aus bremen, die gerade in berlin praktikantin ist und die sich wohl ineinander verlieben sollen (was natürlich nicht so ganz klar werden darf, weder den protagonisten noch den lesern). gemeinsam gehen sie auf eine reise durch skandinavien, etikettiert als rucksacktrip, fahren aber munter die ganze zeit taxi oder wenigstens bus… das ganze endet in einem ziemlichen fiasko: das mädchen dreht immer mehr durch, ist offenbar schwer geschädigt durch abwesenden vater und überehrgeizige mutter, was schließlich in einer selbstverstümmelungsorgie endet, die wiederum über ein paar verwicklungen dazu führt, das der „held“ gräbert sich mit einem anderen („großen“) schriftsteller anlegt und selbst von einem schwert verletzt wird. und danach endlich kein bock mehr hat, nach amsterdam fährt und sich fröhlich oder traurig bei den prostituierten dort vergnüg um schließlich seine freundin bei deren eltern abzuliefern, damit er das problem endlich los ist.
das lektorat hat sich dann tatsächlich erblödet, das ganze „ein roman über einsamkeit und heldenhafte versuche, diese zu überwinden“ zu titulieren – auf so einen schmarrn muss man erstmal kommen. was mich aber viel mehr geärgert hat (und schließlich las ich das aufgrund einer positiven rezension, deren tenor ungefähr war: jetzt ist lebert endlich zu einem ernst zu nehmenden schriftsteller gereift), das der ganze sermon einfach unglaublich schlecht geschrieben ist. lebert kann weder vernünftig beobachten noch ordentlich beschreiben – versteht also noch nicht einmal sein handwerk. das ist alles schrecklich blass und unspezifisch, die figuren reden furchtbar gestelztes zeug daher etc. etc. formal ist das sowieso dermaßen primitiv – schön hübsch der reihe nach erzählt, ein paar völlig durchschaubare andeutungen sollen wohl so etwas wie spannung aufbauen (etwa der strang mit dem bruder des helden, der behindert ist – rein zufällig natürlich genauso wie der held von „crazy„…. – und sich kürzlich umgebracht hat), in 47 kapiteln, die aber auch nur eine struktur suggerieren, die gar nicht vorhanden ist, weil sie vollkommen willkürlich gesetzt sind.
ach ja, das „kannst du“ ist übrigens ein zitat aus „misery“ von stephen king (womit der referenzrahmen ja auch geklärt wäre…) und bezieht sich hier ganz konkret auf die fähigkeiten der hauptfigur, für seine freundin eine liebesgeschichte zu schreiben. das misslingt – wen überrascht es – natürlich auch wieder äußerst wortreich. genauso wie leberts text ein schrecklicher fehlgriff ist – das war wohl nichts.
benjamin lebert: kanst du. köln: kiepenheuer & witsch 2006.