rain­er funk macht sich gedanken darüber: ist die spezielle ich-ori­en­tierung des sub­jek­ts in der post­mod­erne psy­cho­an­a­lytisch gese­hen etwas gutes oder schlecht­es? es ist natür­lich etwas defizientes, im grunde krankes: sie ist nicht-pro­duk­tiv (und noch eine menge anderes). da ich von psy­cho­nanalyse ja eigentlich kein­er­lei ahnung habe, kann ich nicht wirk­lich beurteilen, wie gut funk dabei ist. was ich aber sagen kann ist, dass sich die lek­türe des eigentlich gar nicht so umfan­gre­ichen büch­leins (ca. 240 seit­en im taschen­buch in sehr großer schrift­type) erstaunlich zäh hinzieht. und dass einiges auf­fällt. etwa, dass funk außer sieg­mund freud und seinem großen vor­bild und meis­ter erich fromm fast keine lit­er­atur ver­wen­det (außer eini­gen weni­gen sozi­ol­o­gis­chen unter­suchun­gen). entsprechend monogam ist die argu­men­ta­tion. und da ist noch ein schwach­punkt: funk reit­et ewig auf den sel­ben ent­deck­un­gen herum, führt sie immer wieder und wieder und wieder neu aus. denn so viel hat er gar nicht zu sagen: die ich-ori­en­tierung der post­mod­erne ist kein ego­is­mus, kein narziss­mus, son­dern eine eigene form, eine psy­chis­che reak­tion auf die erfahrung der „gemacht­en welt“, der unendlichen möglichkeit der fik­tion etc. pp.

damit rühren wir an eine grund­sät­zliche frag­würdigkeit für mich: sind die dig­i­tal­en wel­ten, die funk als so wesentlich für die post­mod­erne aus­macht, wirk­lich etwas kat­e­go­r­i­al neues? wenn man sie näm­lich wie funk auf ihre fik­tion­al­ität (als gege­nen­twurf zu oder flucht aus der real­ität) beschränkt, scheinen sie für mich zunächst gar nicht so sehr unter­schieden von den möglichkeit­en der ver­gan­gen­heit, ins­beson­dere der mod­erne, aber sog­ar auch früher­er zeit­en: da wären natür­lich jede art von lit­er­atur (was ist ein roman denn anderes als ein alter­na­tiv­er lebensen­twurf?), da wäre auch das the­ater und natür­lich schon von anfang an der (kino-)film. neu wäre möglicher­weise ihr aus­maß – aber selb­st das würde ich nicht so ohne weit­eres behaupten wollen, das müsste schon noch ein wenig fak­tisch unter­mauert wer­den – dass funke das nicht leis­tet, ver­wun­dert kaum.

denn seine unter­suchung zum ich in der post­mod­erne hat noch eine weit­ere ganz große lücke: seine post­mod­erne. die wird, wie so oft, zunächst sehr vage und unge­nau als philosophis­che strö­mung beschrieben, die dann aber auf ein­mal, in ein­er hoff­nungslosen über­be­w­er­tung ihres ein­flusses, den gesamten all­t­ag der men­schen erfasst (über­flüs­sig zu sagen, dass für funke irgend­wie nur men­schen der europäis­chen, vielle­icht noch amerikanis­chen län­der über­haupt vorkom­men), ihr denken und han­deln bes­timmt und dementsprechend ihre psy­che bee­in­flusst. genau das aber zeigt funke über­haupt nicht (es wäre auch nicht ganz anspruch­s­los…): ob die post­mod­erne der philoso­phie und ihrer ästhetis­chen auswirkun­gen (und da fängt es ja schon an – ganz große teile der kun­st ignori­eren ihre ideen schließlich ein­fach ganz und gar) wirk­lich unser leben in diesem aus­maße bes­timmt (hat), ist doch mehr als fraglich. und deshalb bleibt funkes buch auch so beschei­den im ertrag. und da ich ger­ade dabei bin, fällt mir doch noch etwas ein: wie alle „errun­gen­schaften“ der post­mod­erne sowieso in ihrer fak­tiz­ität fraglich sind, ist auch der von funke beobachtete/diagnostizierte post­mod­erne men­sch wohl nur sel­ten in freier wild­bahn anzutr­e­f­fen. heute noch sel­tener als in sein­er hochzeit, den neun­ziger jahren. denn inzwis­chen hat sich doch alles schon wieder dreimal geän­dert…

rain­er funk: ich und wir. psy­cho­analyse des post­mod­er­nen men­schen. münchen: dtv 2005
siehe auch: per­len­tauch­er, eine kurzver­sion in der “welt am son­ntag”