“Vollendet ist das große Werk, des Herren Lob sei unser Lied!” heißt es am Ende des zweiten Teils der “Schöpfung” von Joseph Haydn, nachdem Gott die Welt und die Menschen erschaffen hat. Chor und Orchester des Collegium Musicums der Universität Mainz begannen ihr Semesterabschlusskonzert gleich mal mit diesem Schlusschor. Aber jede Befürchtung, der Dirigent Felix Koch hätte das Oratorium neu geordnet, wurde schnell zerstreut – das diente nur der Einstimmung, bevor noch ein paar Reden und Dankesworte zum Ende des Semesters zu absolvieren waren.
Dann ging es nämlich ganz ordentlich los – mit der “Vorstellung des Chaos”, die Haydn an den Anfang seines großen Oratoriums gestellt hat. Chaos ist, bevor Gott eingreift und mit seiner Schöpfung Ordnung schafft. Der Gott, das ist hier ein sehr gütiger und, wenn man Haydns Musik glauben will, auch ein humorvoller: Nichts wird erzählt von verbotener Frucht oder Sündenfall, Adam und Eva zelebrieren im dritten Teil in aller Ausführlichkeit ihre Liebe und Harmonie. Harmonisch und liebevoll arbeitete Koch, der das Collegium Musicum seit dem Herbst leitet, auch die Musik aus. Selbst die breit angelegte Vertonung des Chaos am Beginn ließ diese Eintracht schon hören. Und sie zog sich durch das gesamte Oratorium, bis zum Schlussjubel.
Haydn hatte beim Komponieren des Oratoriums vor 220 Jahren noch auf die Hilfe Gottes gesetzt: “Täglich fiel ich auf die Knie und bat Gott, dass er mich stärke für mein Werk”, sagte er einmal über die Zeit, in der die “Schöpfung” entstand. Das haben in der Rheingoldhalle weder Koch noch seine Solisten und Musiker nötig: Ihre eigene Stärke reicht völlig aus, die Partitur zu bewältigen. Sicher, dem Orchester fehlt hin und wieder etwas klangliche Einheit und Größe. Aber viele Details gelingen sehr klangschön. Und sowieso betonte der Dirigent vor allem die aufklärerische – und klassische – Seite des Librettos, die klangliche Repräsentation der Welt in vielen einzelnen Momenten und die leuchtende, wissende Harmonie des Anfangs.
Unter den Solisten, denen in der “Schöpfung” ein Großteil der Arbeit zukommt, fielen vor allem der klare und charakterstarke Bass Florian Küppers und die technisch herausragende Sopranistin Saem You auf. Tenor Alexey Egorov klang hin und wieder etwas belegt, während der Adam von Dmitriy Ryabchikov viel Selbstvertrauen und Sicherheit ausstrahlte. Und immer wieder singt der Chor dazu das Lob Gottes und seiner Werke. Er tut das fast engelsgleich – oder so, wie man sich einen Engelschor gerne vorstellt: Hell und klar, süß und sanft zugleich. Das liegt in diesem Fall ein bisschen auch daran, dass die Frauenstimmen den Chorklang fest in der Hand haben – da kann auch Felix Koch wenig ausrichten. Der widmet sich sowieso am liebsten den reichen Tonmalereien in der Schöpfung. Zumindest sind die Sätze, die sich durch besonders plastische und realistische Vertonung auszeichnen, zweifellos die Höhepunkte des Konzertes: Der strahlende Sonnenaufgang des vierten Tages, die charakteristischen Klänge der Tiere, die die neu geschaffene Welt bevölkern, der Glanz und die Glorie des Himmels und des Alls – all das lässt Koch das Orchester behutsam und elastisch mit großer Freude am Detailreichtum zeichnen. Damit wird diese “Schöpfung” vielleicht nicht gerade zu einem großen Werk. Aber viele kleine Momente können auch eine schön Vollendung sein.
(geschrieben für die Mainzer Rhein-Zeitung.)
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