Die sonst so ruhige Jugendstilvilla auf der Bastei ist heute völlig verwandelt: Wo man auch hinschaut, überall findet man Menschen, hörende und diskutierende, junge und alte. Denn wenn die Villa Musica einmal im Jahr zum großen Sommerfest der Klassik einlädt, ihrem Tag der offenen Tür, dann kommen noch mehr als sonst. Obwohl auch die Konzerte nicht selten ausverkauft sind_ „Das soll ja auch so bleiben“, erklärt Karl Böhmer, Geschäftsführer der Stiftung, „deshalb möchten wir uns ins Bewusstsein bringen.“ Das funktioniert offenbar gut, vom Kinderwagen bis zum Krückstock ist in und um die Villa Musica alles vertreten. Der Tag der offenen Tür, den die Stiftung seit 1993 jährlich anbietet, ist nämlich ganz wörtlich zu nehmen: Bei dieser Gelegenheit darf man das gesamte Gelände erkunden, unter anderem auch den schönen Garten des neben der Villa Musica stehenden Landegästehauses. Denn irgendwo muss es ja auch einen Moment Ruhe geben, um sich zu stärken.
Im Hof, zwischen den drei Villen, unter den hohen Kastanien, stehen zwar massenweise Klappstühle. Die sind aber selten frei und schon gar nicht für so profane Dinge wie Kaffee und Kuchen gedacht. Denn in der Mitte dieses Hofes steht die große Open-Air-Bühne, die so luftig ist, dass der frische Wind auch mal ungewollte Bewegung in die Notenblätter bringt: Schießlich darf die Kammermusik auch heute nicht fehlen, die Villa Musica ist ohne das einfach undenkbar. Deshalb gibt es zehn Stunden lang fast non-stop Musik aller Zeiten und aller Stile: 33 Instrumentalisten – wie immer sowohl Professoren als auch junge Stipendiaten – sind dafür im Einsatz. Und machen sich gegenseitig sogar Konkurrenz, denn nicht nur im Hof, sondern auch im „normalen“ Konzertsaal wird musiziert: Mit vielen Bläserensembles, aber auch auf der Gitarre oder ganz klassisch im Violinduo oder als Klavierquartett machen die jungen Musiker den Tag der offenen Tür gleich zum Kurzbildungsurlaub für die Besucher.
Und dafür versammelt sich hier eine Menschenansammlung, die trotz des ständigen Kommens und Gehens auffällig still und konzentriert ist: Eine respektvolle Gedämpftheit der Unterhaltungen und die leisen Bewegungen zeigen, wie sehr das bunt gemischte Programm geschätzt wird. Im Hof, den angrenzenden Gärten, selbst auf dem Balkon: Jede Sitzgelegenheit, und sei sie noch so unscheinbar, wird für das Lauschen in Beschlag genommen. Dabei ist noch nicht einmal besonders viel los: Der kühle Morgen ließ den Besucherstrom erst gegen Mittag ansteigen — da waren dann allerdings auf der Bastei nicht einmal mehr Fahrradstellplätze zu bekommen. „Besucherrekorde brechen wir heute keine, aber 2500 Besucher werden es wohl schon sein“, schätzt Karl Böhmer, und ist damit auch durchaus zufrieden.
(geschrieben für die Mainzer Rhein-Zeitung.)
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