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Schlagwort: villa musica

Mozart und Paris

Mozart und Paris, das war alles andere als eine innige Liebes­beziehung. Und doch ist es sin­nvoll, Mozarts Es-Dur-Quin­tett mit­ten in ein Konz­ert mit franzö­sis­ch­er Musik zu platzieren. Denn auch wenn er über die Paris­er und die Fran­zosen im all­ge­meinen in sein­er unnachahm­lich direk­ten Art böse schimpfte – hinge­hört hat Mozart genau, als er an der Seine war. Bläs­er solo und im Ensem­ble hat er da zum Beispiel viel erlebt. Und vielle­icht wäre es ohne diese Bekan­ntschaft nicht zum Es-Dur-Quin­tett gekom­men. Ganz sich­er aber wäre es nicht dazu gekom­men, hätte Mozart nicht auch in Wien großar­tige Instru­men­tal­is­ten erlebt.

Wie auch immer: Das Quin­tett für Bläs­er und Klavier ist jeden­falls ein erster Höhep­unkt beim Konz­ert der Stipen­di­at­en der Vil­la Musi­ca um die bei­den Dozen­ten Ingo Goritz­ki und Johannes Peitz. Fast ein Dutzend junger Musik­er bevölk­ern in diesem Konz­ert abwech­sel­nd die Bühne. Und alle sehr sou­verän dabei. Das war auch dem Mozart-Quin­tett anzuhören: Hohe Anspan­nung und Konzen­tra­tion ist zu merken. So geschmei­dig der Klang sich dar­bi­etet, bleiben doch einige Kan­ten und eck­ige Phrasierun­gen, die ger­ade die Eck­sätze an manchen Stellen etwas schw­er­fäl­lig wirken lassen. Ander­er­seits passt das auch ins Konzept, das die schw­er­mütige Stim­mung, den etwas gedämpften Opti­mis­mus dieser Musik beson­ders her­vorhebt. Schade nur, das der Klavierk­lang hin­ter der schö­nen Klang­wand der vier Bläs­er etwas ver­steckt bleibt.

150 Jahre später klang die Stadt Paris ganz anders. Wie ein Kom­pon­ist sie in der Zwis­chenkriegszeit erlebte, davon ver­mit­telt Fran­cois Poulencs Sex­tett für Bläs­er und Klavier ein unmit­tel­bar tönen­des Bild: Trubel und Ele­ganz, Läs­sigkeit und Hek­tik prä­gen dieses Sex­tett, das in eini­gen Pas­sagen ein aufre­gend real­is­tis­ches akustis­ches Abbild der Metro­pole zeigt, ohne ander­er­seits die kun­stvolle Fer­tigkeit ihres Schöpfers zu ver­ber­gen. Vor allem in ein­er so plas­tis­chen Auf­führung wie in der Vil­la Musi­ca klingt das berauschend. Da stört es auch kaum noch, dass diese Musik im inti­men Konz­er­traum auf der Bastei eigentlich arg beengt ist – das ver­langt nach Größe und Frei­heit. Unbeküm­mert frisch, unver­braucht drän­gend sprudelt die reich­haltige Rafi­nesse Poulencs aber auch hier, von den Stipen­di­at­en mit Herzblut verge­gen­wär­tigt. Die vie­len präsen­ten Augen­blicke, die sich dank des Überblicks der Inter­pre­ten zu größeren Zusam­men­hän­gen for­men und bei­de Pole in einem aufre­gen­den Gle­ichgewicht hal­ten, sind genau so aufre­gend, wie eben nur Paris sein kann.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung.)

Klassisches Sommerfest

Die son­st so ruhige Jugend­stil­vil­la auf der Bastei ist heute völ­lig ver­wan­delt: Wo man auch hin­schaut, über­all find­et man Men­schen, hörende und disku­tierende, junge und alte. Denn wenn die Vil­la Musi­ca ein­mal im Jahr zum großen Som­mer­fest der Klas­sik ein­lädt, ihrem Tag der offe­nen Tür, dann kom­men noch mehr als son­st. Obwohl auch die Konz­erte nicht sel­ten ausverkauft sind_ „Das soll ja auch so bleiben“, erk­lärt Karl Böh­mer, Geschäfts­führer der Stiftung, „deshalb möcht­en wir uns ins Bewusst­sein brin­gen.“ Das funk­tion­iert offen­bar gut, vom Kinder­wa­gen bis zum Krück­stock ist in und um die Vil­la Musi­ca alles vertreten. Der Tag der offe­nen Tür, den die Stiftung seit 1993 jährlich anbi­etet, ist näm­lich ganz wörtlich zu nehmen: Bei dieser Gele­gen­heit darf man das gesamte Gelände erkun­den, unter anderem auch den schö­nen Garten des neben der Vil­la Musi­ca ste­hen­den Lan­degäste­haus­es. Denn irgend­wo muss es ja auch einen Moment Ruhe geben, um sich zu stärken.

Im Hof, zwis­chen den drei Villen, unter den hohen Kas­tanien, ste­hen zwar massen­weise Klapp­stüh­le. Die sind aber sel­ten frei und schon gar nicht für so pro­fane Dinge wie Kaf­fee und Kuchen gedacht. Denn in der Mitte dieses Hofes ste­ht die große Open-Air-Bühne, die so luftig ist, dass der frische Wind auch mal unge­wollte Bewe­gung in die Noten­blät­ter bringt: Schießlich darf die Kam­mer­musik auch heute nicht fehlen, die Vil­la Musi­ca ist ohne das ein­fach undenkbar. Deshalb gibt es zehn Stun­den lang fast non-stop Musik aller Zeit­en und aller Stile: 33 Instru­men­tal­is­ten – wie immer sowohl Pro­fes­soren als auch junge Stipen­di­at­en – sind dafür im Ein­satz. Und machen sich gegen­seit­ig sog­ar Konkur­renz, denn nicht nur im Hof, son­dern auch im „nor­malen“ Konz­ert­saal wird musiziert: Mit vie­len Bläserensem­bles, aber auch auf der Gitarre oder ganz klas­sisch im Vio­lin­duo oder als Klavierquar­tett machen die jun­gen Musik­er den Tag der offe­nen Tür gle­ich zum Kurz­bil­dung­surlaub für die Besuch­er.

Und dafür ver­sam­melt sich hier eine Men­schenansamm­lung, die trotz des ständi­gen Kom­mens und Gehens auf­fäl­lig still und konzen­tri­ert ist: Eine respek­tvolle Gedämpftheit der Unter­hal­tun­gen und die leisen Bewe­gun­gen zeigen, wie sehr das bunt gemis­chte Pro­gramm geschätzt wird. Im Hof, den angren­zen­den Gärten, selb­st auf dem Balkon: Jede Sitzgele­gen­heit, und sei sie noch so unschein­bar, wird für das Lauschen in Beschlag genom­men. Dabei ist noch nicht ein­mal beson­ders viel los: Der küh­le Mor­gen ließ den Besuch­er­strom erst gegen Mit­tag ansteigen — da waren dann allerd­ings auf der Bastei nicht ein­mal mehr Fahrrad­stellplätze zu bekom­men. „Besucher­reko­rde brechen wir heute keine, aber 2500 Besuch­er wer­den es wohl schon sein“, schätzt Karl Böh­mer, und ist damit auch dur­chaus zufrieden.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung.)

kammermusikalische europareise

so richtig habe ich den zusam­men­hang des pro­gramms ja nicht ver­standen: haydn — hin­demith — mendelssohn bartholdy: viel gemein­samkeit­en gibt es da nicht … ganz nett war’s aber trotz­dem, das war ja zu erwarten in der vil­la musi­ca ;-). also, los gehts:

San­ft weht die zarte Cel­lomelodie durch den Salon im ersten Stock, flutet durch das Trep­pen­haus und das ganze Anwe­sen, mit­füh­lend ver­fol­gt von der Vio­line und zart unter­malt von der Klavier­stimme: Die Vil­la Musi­ca ist aus dem Som­mer­schlaf erwacht.

Ganz angemessen geschieht das mit einem Konz­ert des hau­seige­nen Ensem­bles Ville Musi­ca, also den rou­tinierten Meis­tern der Kam­mer­musik, die hier nicht nur ihre Erfahrung und ihr Wis­sen an junge Kün­stler weit­ergeben, son­dern auch das Pub­likum an ihrem Kön­nen teil­haben lassen.

Das lässt sich gefall­en. Denn aus der Som­mer­pause kommt das Ensem­ble, das ja nur lose gefügt ist und in ver­schiede­nen Beset­zun­gen arbeit­et, mit frischem Elan zurück. Flott, fast unbeküm­mert, mit knack­iger Frische und der ensem­ble­typ­is­chen Mis­chung aus Genauigkeit und Läs­sigkeit, aus Gemein­samkeit und indi­vidu­eller Überzeu­gungskraft an jedem Instru­ment lassen sie Haydns Klavier­trio Nr. 42 in C‑Dur, eines der späten Meis­ter­w­erke nach sein­er zweit­en Eng­lan­dreise, sehr, sehr lebendig wer­den. Gewiss, eine Min­dest­dis­tanz bleibt immer spür­bar, das kann man vor allem im Andante sehr gut merken, so ganz haben sie sich dieses Trio nicht zu eigen gemacht. Aber dann blitzt doch wieder der Schalk zwis­chen den Sait­en her­vor – zumin­d­est einen kleinen, aber häu­fi­gen Erschei­n­un­gen.

Dieses frische Musizieren, die unver­brauchte Inter­pre­ta­tion kann man auch in Paul Hin­demiths Klar­inet­ten­quar­tett deut­lich spüren. Forsch und taten­durstig stoßen die Vier hier ein ums andere Fen­ster in andere Wel­ten auf, lassen Ein­blicke in Traum und Imag­i­na­tion zu, ermöglichen das unbeschw­erte Schweifen im Reich der Vorstel­lung. Mit immer neuen, ener­gis­chen Schüben sor­gen sie dafür, dass jed­er die Gele­gen­heit bekommt, diese Gren­ze zu über­schre­it­en und hinüber zu schauen in die Welt der Kun­st. Dazu mis­chen sie den pfif­fi­gen Witz Hin­demiths, seine weit­en Melo­di­en und schrof­fen Klang­bal­lun­gen mit großer Aus­dauer und feinem Gespür für die wohlge­formte Dra­maturgie. Und genau das macht Felix Mendelssohn Bartholdys erstes Klavier­trio am Schluss des Konz­ertes zum Hit des Abends. Denn das Konz­ert­fi­nale gelingt dem Ensem­ble ein­deutig am besten, am lebendig­sten und inten­sivsten. Patrick Demen­ga lässt sein Cel­lo hier noch ein­mal beson­ders weich und bes­timmt brum­men, Muriel Can­toreg­gi geigt auf- und her­aus­fordernd, drängt spielerisch immer wieder voran. Und Yuka Imamine am Klavier gibt ihre feine Zurück­hal­tung wenig­stens teil­weise auf. Die Mit­tel­sätze erzählen so zart und quirlig feinge­sponnene Elfengeschicht­en – typ­isch Mendelssohn Bartholdy eben. Und die Rah­men­sätze binden das in großer Offen­heit, vom Ensem­ble Vil­la Musi­ca mit Gespür für die richtige Dosis Größe und Majestät, klan­gliche Abrun­dung und lebendi­ge Nuancierung real­isiert, prächtig und klangvoll zusam­men.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung)

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