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Kammermusik-Karrieren

Ein Kon­zert, das „Kar­rie­ren“ über­schrie­ben ist, gehört sicher nicht zum All­tag. Auch bei der Vil­la Musi­ca nicht. Zum 25jährigen Jubi­lä­um der Stif­tung haben die „Freun­de der Vil­la Musi­ca“, der Unter­stüt­zer­ver­ein, jetzt aber ehe­ma­li­ge Sti­pen­dia­ten der Vil­la Musi­ca ein­ge­la­den, zurück­zu­keh­ren – jetzt, wo sie alle Kar­rie­re gemacht haben. Die mitt­ler­wei­le arri­vier­ten Künst­ler sol­len sich musi­ka­lisch prä­sen­tie­ren und im Gespräch mit Bar­ba­ra Har­nisch­fe­ger, der Vor­sit­zen­den des Freun­des­ver­eins, vom Ein­fluss und Wert der Kam­mer­mu­sik für ein Musikerle­ben erzäh­len.

Ers­te Sta­ti­on war Mainz – und wie­der mit außer­ge­wöhn­li­chem Pro­gramm. Schon wegen der Beset­zung: Oboe, Kla­ri­net­te und Kla­vier kom­men in die­ser Wei­se nicht so oft zusam­men. Aber natür­lich gibt es auch für die­se For­ma­ti­on Musik. Zum Bei­spiel das Trio von Edouard Des­ten­ay, einem Zeit­ge­nos­sen von unter ande­rem Clau­de Debus­sy, der aber inzwi­schen ziem­lich gründ­lich ver­ges­sen wur­de. In der Vil­la Musi­ca erklingt das als geschmei­di­ge, kraft­voll-boden­stän­di­ge Musik. Beson­ders die schö­nen Tria­lo­ge und Zwie­ge­sprä­che zwi­schen den Instru­men­ten fal­len auf: Vor allem Obo­ist Kai Frömbgen und Kla­ri­net­tis­tin Kerstn Grötsch füh­ren immer wie­der ange­reg­te Kon­ver­sa­tio­nen – ein frisch gespiel­te, anste­ckend gut gelaun­te Musik.

Das Kar­rie­ren-Kon­zert war aber auch dar­über hin­aus ein schö­nes Bei­spiel für das Erfolgs­re­zept der Vil­la Musi­ca beim Publi­kum und bei Musi­kern: Die Mischung von unbe­kann­ter und ver­trau­ter Musik, auf hohem Niveau von neu­gie­ri­gen, spiel­freu­di­gen Musi­kern vor­ge­tra­gen, die sich in fast jedem Pro­gramm fin­det. Zum Bekann­ten gehör­te die­ses Mal die zwei­te Kla­ri­net­ten­so­na­te von Johan­nes Brahms, eines sei­ner wun­der­ba­ren abso­lu­ten Spät­wer­ke. Kers­tin Grötsch und Oli­ver Triendl lie­ßen der Musik ganz viel Raum zur Ent­fal­tung: Sorg­sam bemüht, die fei­ne Struk­tur der Sona­te zu zei­gen und den emo­tio­na­len Gehalt leben­dig wer­den zu las­sen. Über wei­te Stre­cken ist das dann ein­fach wun­der­ba­re Musik zum Los­las­sen.

Emo­tio­nal sind Jörg Wid­manns „Inter­mez­zi“ auch, das Los­las­sen ver­bie­tet sich bei ihnen aber voll­kom­men. Oli­ver Triendl spiel­te die­se oft düs­te­ren, sehr effekt­voll die gan­ze Kla­via­tur aus­nut­zen­den kur­zen und län­ge­ren roman­tisch ver­klär­ten See­len­mu­si­ken in ihrer deut­schen Erst­auf­füh­rung mit gro­ßer Sorg­falt, aber mit noch grö­ße­rer Empha­se: Wenn das wirk­lich ein Spie­gel der See­le des Kom­po­nis­ten ist, wie der Pia­nist andeu­te­te, dann ver­heißt das wenig Gutes. Die Düs­ter­nis über­wiegt hier stark, Licht und Trost sind nur in Andeu­tun­gen zu fin­den. Selbst ein „Wie­gen­lied“ endet dabei in Gewalt, Cha­os und Umsturz, in wil­den Erup­tio­nen don­nern­der Kla­vier­tö­ne. Damit wur­de die­ses Kon­zert auch zu einem Bei­spiel für die Viel­falt der Kam­mer­mu­sik – die ist schließ­lich, wie es Kers­tin Grötsch auf den Punkt brach­te, „die Wür­ze im Musikerle­ben.“

(geschrie­ben für die Main­zer Rhein-Zei­tung.)

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Kreative Wissenschaft oder wissende Kreativität

  1. Duval

    Sehr geehr­ter Herr Mader,

    vie­len Dank für Ihre inter­es­san­te Kon­zert­re­zen­si­on zum Kon­zert im Rah­men der Rei­he „Vil­la musi­ca“ in Mainz am 27. Novem­ber 2011.
    Erlau­ben Sie mir bit­te, zu Ihren Aus­füh­run­gen eine klei­ne Anmer­kung zu machen:
    Die deut­sche Erst­auf­füh­rung des Werks „Inter­mez­zi“ von Jörg Wid­mann fand nicht bei der von Ihnen genann­ten Gele­gen­heit statt, denn der in Salz­burg leben­de Pia­nist Eung-Gu Kim brach­te das Werk bereits am 21. Novem­ber 2011 im Schloss Karls­burg in Karls­ru­he bei einem Kon­zert (Ver­an­stal­ter: barth-art@web.de) zum Erklin­gen.

    Mit den bes­ten Grü­ßen,

    F. Duval

    • hm, inter­es­san­te Anmer­kung. Ich habe da dem – bei der Vil­la Musi­ca in der Regel wohl­in­for­mier­ten – Pro­gramm ver­traut. Der Pia­nist, Oli­ver Triendl, selbst mit Wid­mann befreun­det, sah das auch als Deut­sche Erst­auf­füh­rung an – des­we­gen hat­te ich kei­nen Grund, dar­an zu zwei­feln. Nun ist er um weni­ge Tage „über­holt“ wor­den …

  2. Eine kur­ze Stel­lung­nah­me von Wid­manns Ver­lag Schott Music:

    Sol­bald bei uns die Noten­aus­ga­be eines Werks erscheint, ver­fol­gen wir län­der­be­zo­ge­ne Erst­auf­füh­run­gen nicht mehr. Im Prin­zip kann jeder­mann die­se Wer­ke kau­fen und auf­füh­ren, ohne dass die Öffent­lich­keit davon erfährt. Eine Mel­dung von Auf­füh­run­gen geschütz­ter Wer­ke bei der GEMA ist zwar erfor­der­lich, lässt sich aber im Nach­hin­ein nicht nicht auf Ein­zel­fäl­le zurück­füh­ren.

    Wid­manns „Inter­mez­zi“ wur­den im Som­mer ver­öf­fent­licht; ob also vor Herrn Kim bereits jemand ande­res das Werk in Deutsch­land auf­ge­führt hat, kön­nen wir schlech­ter­dings nicht fest­stel­len.

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