Das bes­te kam mal wie­der zum Schluss. Das ist schon eine klei­ne Tra­di­ti­on bei den Main­zer Jazz­ta­gen, dass die beein­dru­ckends­ten Auf­trit­te erst wirk­lich spät am Abend begin­nen. Die Ver­an­stal­ter, die Betrei­ber der Main­zer Klangraum-​Studios, haben ja inzwi­schen schon Erfah­rung. Zum fünf­ten Mal rich­te­ten sie jetzt die Main­zer Jazz­ta­ge aus. Das Jazz im Titel darf man dabei getrost sehr, sehr weit fas­sen und ger­ne in Rich­tung Pop­mu­sik ausdehnen.

Auch bei der Eröff­nung der Jubi­lä­ums­auf­la­ge, wie immer in den gut beset­zen Räu­men der Show­büh­ne, waren die Pro­gramm­ma­cher groß­zü­gig: Was Til­mann Höhn da auf sei­nen Gitar­ren – er hat gleich vier davon in den Hän­den – fri­ckel­te, kann man nach allen bekann­ten Kri­te­ri­en nun wirk­lich nicht mehr Jazz nen­nen. Gut war es trotz­dem, und das Publi­kum lausch­te auch den fein­sin­ni­gen Spie­le­rei­en, denen er bekann­te und belieb­te Pop­songs unter­zog, sehr aufmerksam.

Auch mit der voka­len Unter­stüt­zung von Mari­us Mertz änder­te sich dar­an wenig: „Songs we know“ haben sie ihr Pro­gramm genannt – und wür­de man nicht so andäch­tig lau­schen, könn­te man tat­säch­lich immer mit­sin­gen oder wenigs­tens mit­sum­men, wenn das Duo U2, James Tay­lor oder Mark Knopf­ler interpretiert.

Über­haupt die Spie­le­rei­en: Das ist viel­leicht das, was die Acts auch bei den fünf­ten Jazz­ta­gen am ehes­ten ver­bin­det: Die Lust, sich in den Details zu ver­lie­ren, hoff­nungs­los an jedem Klang­mo­ment her­um­zu­spie­len und zu bas­teln. Schon die Eröff­nung durch das Quar­tett „The Hip“, des­sen Name sich wirk­lich auf das Kör­per­teil und nicht auf irgend eine Hipp­ness bezieht, führ­te das vor. Im Kern spie­len die vier jun­gen Musik um Saxo­pho­nist Dani­el Gug­gen­heim soli­den Modern Jazz mit behut­sam noch­mals moder­ni­sier­te Stan­dards. Und das lebt eben vor allem von den Details: Den qur­ir­li­gen Fen­der Rho­des (Ulf Klei­ner), dem knal­len­den Schlag­zeug (Tobi­as Back­haus), den eif­ri­gen Saxo­phon­kas­ka­den und dem beru­hi­gend wum­mern­den Bass (Hanns Höhn). Gekonnt und prä­zi­se – aber etwas spar­sam mit dem Neuen.

Das kann man Kli­ma Kali­ma nicht unbe­dingt vor­wer­fen. Und des­halb waren sie auch ganz zu Recht am Schluss des Frei­tags zu hören, eigent­lich auch schon als Sams­tag­mor­gen­mu­sik: Die­ses Trio, benannt in Anleh­nung an sei­nen Lea­der und Gitar­ris­ten Kal­le Kali­ma, fetzt unbarm­he­zig und ohne Vor­war­nung los. Ihre typi­sche Ber­li­ner Mischung aus genau kom­po­nier­ten und inspi­riert impro­vi­sier­te Gebil­den greift ger­ne weit aus. Die spür­ba­re Kom­ple­xi­tät ist dabei immer gewollt. Trotz­dem bleibt die Musik von Kli­ma Kali­ma aber ganz stark bidlich – durch die Titel wird das noch unter­stri­chen: „Mexi­co City Dri­ve School“ heißt das, oder „Satur­day Night – Sun­day Mor­ning“: Eine wil­de, rau­schen­de Par­ty, der ver­schla­fe­nes und schlaf­trun­ke­nes Vaga­bun­die­ren folgt, prü­geln Oli­ver Steid­le am Schlag­zeug und Oli­ver Potratz (Kon­tra­bass) da aus sich her­aus – nicht nur eine „Son­ne aus Musik“, son­dern eigent­lich eine gan­ze Gala­xie, ein end­lo­ser Rei­gen an Bil­dern, Ideen, Bre­chun­gen und laby­rin­thi­schen Erkundungstouren.

(geschrie­ben für die Main­zer Rhein-Zeitung.)