irène schweizer erfährt ja schon länger meine hochachtung — sie ist einfach eine rundum hervorragene musikerin (diaboliques und die vielen duos bezeugen das immer wieder). und sie versorgt mich auch immer wieder mit ganz spannenden klavier-solo erfahrungen, die weit über das hinausgehen, wofür leute wie keith jarrett und konsorten immer noch gefeiert werden. der bezugspunkt ist hier natürlich auch wohl eher cecil taylor — und auf ihre weise darf man irène schweizer durchaus auf taylors stufe stellen.
auch “first choice”, die cd-aufnahme des jubiläumskonzerts im kkl luzern (intakt) besticht durch die typischen schweizer-qualitäten. in erster linie ist da zu nennen: die absolut erstaunliche, verblüffende klarheit der klanggestaltung — hier ist das auch ein verdienst der ausgezeichneten tontechnik. auch die vielseitigkeit ihrer klangfarben ist wieder zu bewundern, v.a. aber — und das macht die cd für mich so besonders reizvoll, weil das meinen momentanten ganz generellen ästhetischen vorlieben ganz besonders gut entspricht — ist es die wahnsinnige luzidität der entwicklung, die mich begeistert: das sind wirkliche akustische lichtblicke, große musik. mehr muss man eigentlich gar nicht sagen. aber man kann.
was mit dieser lobhudelei gemeint ist, zeigen schon die umfassende linien der ersten großen improvisation, first choice: zwanzig minuten, die wie im fluge vergehen, ganz ohne großes trara, aber voller ideen und einfälle, diein ihrer gesamtheit einen absoluten flow erzeugen — aber, und das ist eben schweizers genie, man muss nicht aufs ende warten, um die genialität und frische dieser musik zu erfahren — sie steckt nämlich in (fast) jeder note.
mit direkter erfahrbarer motivik und stärkeren energetischen impulsen wartet dann “into the hall of fame” auf, immerhin auch noch fast 10 minuten improvisiertes spiel an den tasten. dann kommen noch einige kleinere stücke, mit klassikern — schweizeres eigene komposition “the ballad of the sad café” etwa: sehr zurückgenommen, schlicht und einfach melancholisch schwebend, eben “sad”, aber auch sehr “fein” und kultiviert. wie schweizer überhaupt immer deutlicher auf alles brimborium verzichtet, immer deutlicher den versuch macht, zum kern der ausdrucksgewalt von improvisierter musik vorzudringen, ohne die ganzen überflüssig gewordenen gesten und (revier-)markierungen. beim ersten hören: etwas gemessener, ruhiger im positiven sinne, nämlich poetischer, oft sogar zärtlicher als frühere soli (man denke nur an die “wilde senoritas”!) — dabei nicht verweichlicht, aber doch befreit von der notwendigkeit des revolutionären befreiungsschlages, von der kämpferischen behauptung der freiheit der musik, der improvisation, die sich im kriegerischen tastengewitter entlädt — so etwas findet sich in dieser aufnahme eigentlich gar nicht, zumindest nicht in reinform, nur als bewusstes zitat, motiv, als formbaustein (in “first choice” etwa).
die technischen möglichkeiten, die der freien improvisation am flügel heute, nach jahrzehnten neuer musik und free jazz, zu verfügung stehen, demonstriert sehr schön die fast schon studie oder etüde zu nennende improvisation “scratching at the kkl” — schweizer beschränkt sich dabei in der tat (fast) vollständig auf diese art der tonerzeugung, genauer gesagt, des spiels eines tasteninstrumentes ohne die tasten, nämlich im inneren des flügels, direkt an, auf und neben den saiten. weil schweizer aber eben in erster linie musikerin ist, wird daraus auch wieder echte musik und nicht nur die zum gähnen langweiligen technischen firlefanz-spielereien der huldigungen an den material-fetischismus.
schweizer überführt das eher experimentelle klangstück folgerichtig in “the loneliness of the long distance piano player” — als motto könnte das über große teile ihrer karriere geschrieben werden. erschöpfung, anstrengung der kreativen hervorbringung… das ist offenbar die notwendige kleine atempause, denn mit theolonious monks “oska t.” legt schweizer noch einmal so richtig los, geht sozusagen schon fast in den endspurt: stärker ryhthmisch betont.… dagegen wirkt — für mich — das abschließende “jungle beats ii” doch ein wenig wie ein fremdkörper, etwas leer und ziellos scheint mir das (im vergleich zum anfang der aufnahme vor allem)
1 Pingback