Zu Beginn wur­den die Ohren erst ein­mal richtig geputzt. Die Elche auf dem Pro­grammheft ziehen aber völ­lig unbeein­druckt von Erk­ki-Sven Tüürs „Search­ing for Roots“ ihres Weges. Hät­ten sie nur mal hinge­hört. Denn dann hät­ten sie einen kurzen, span­nungs­ge­lade­nen Aus­flug in die zeit­genös­sis­che Musik erlebt: Dicht geschichte und kom­plex ver­schachtelte Klangebe­nen, die sich immer wieder an ver­schiede­nen Stellen des Orch­ester lichteten, um kleine Motivfet­zen freizugeben. Doch auch die Rheinis­che Orch­ester­akademie Mainz (ROAM), die ihr neuntes Konz­ert mit dieser „Hom­mage à Sibelius“ began­nen, blieb unter Clemens Heil bleibt aus­ge­sprochen kühl und zurück­hal­tend, betonte die for­male Seite der Musik und beließ es bei deut­lich­er emo­tionaler Dis­tanz.

Alles andere als frisch und kühl war allerd­ings die stick­ig-dumpfe Luft im Schloss – die machte das Zuhören eher anstren­gend. Aber die Leis­tun­gen der jun­gen Musik­er der ROAM entschädigten dafür mit Leichtigkeit. Dabei ist das Vio­linkonz­ert von Carl August Nielsen ein ziem­lich schw­er ver­daulich­er Brock­en. Die Solistin Dorottya Ujlaky schien sich auch vor­sor­glich hin­ter ihrem Noten­pult zu ver­steck­en. Grund dafür gab es freilich nicht: Sou­verän, klar und vor allem im zweit­en Satz mit schmelzen­der Süße meis­terte sie das lei­der so sel­ten zu hörende Konz­ert. Dass sie sich dabei alle Sen­ti­men­tal­itäten ver­sagte, war mehr als kon­se­quent. Doch manch­mal schlug es fast in das Gegen­teil um – dann schien sie vom sportlichen Aspekt zu sehr ein­genom­men. Aber das waren nur wenige Momente in ein­er Unzahl schön­er Stellen. Und im beglück­enden Zusam­men­spiel mit dem Orch­ester ergaben sie ein pit­toresk anmu­ten­des Panoram nordis­ch­er Klis­chees.

Doch wie so oft hat­te sich die ROAM das Beste für den Schluss aufges­part: Die zweite Sin­fonie von Jean Sibelius. Der in Schwe­den geborene Kom­pon­ist ist ja soet­was wie der­Meis­ter der finnis­chen Musik über­haupt. Klangschön­heit und Ner­venkitzel wur­den hier auf hohem Niveau zusam­men geführt. Das, nun­ja, Großar­tige war aber ein­deutig die Fähigkeit Heils, die Span­nung über alle Brüche und Ent­ladun­gen hin­weg immer noch mehr anwach­sen zu lassen. Und auch wenn das Orch­ester nun an manch­er Stelle etwas an Präzi­sion ver­lor – die Wucht und das Tem­pera­ment, die ganz direkt zu hörende Freude der Musik­er beim Spie­len machte das alle­mal wett. Denn genau diese Mis­chung aus Engage­ment und for­maler Klarheit, aus Form­be­wusst­sein und Spiel­freude sorgte unabläs­sig für beachtlich­es Gänse­haut-Poten­zial.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung.)