Es ist fast wie bei ein­er Fam­i­lien­feier. Nur der Jubi­lar ist lei­der nicht erschienen. Das wäre auch selt­sam, denn gefeiert wurde immer­hin der 175. Geburt­stag von Johannes Brahms. Die Musikhochschule hat dazu in die Vil­la Musi­ca ein­ge­laden. Bess­er gesagt: Hans Christoph Bege­mann hat gebeten. Und als for­mvol­len­de­ter Gast­ge­ber begrüßt der Bari­ton Gäste selb­stver­ständlich per­sön­lich – und erläutert auch erst­mal, wie das Pro­gramm richtig zusam­menge­set­zt wer­den muss, damit die Lied­texte auch in der richti­gen Rei­hen­folge ste­hen. Das war dann aber auch schon der einzige Fehler, der hier passierte.

Denn der Lieder­abend zu Ehren des Meis­ters gelang ihm ganz ausgezeichnet.Dafür hat er nicht ohne Plan im reich­halti­gen Lied­schaf­fen des Jubi­lars gewil­dert, son­dern gezielt nach Liedern auf Texte von Georg Friedrich Daumer gesucht. Der wurde von Brahms zwar recht hoch geschätzt, von der Nach­welt aber kaum. Das ist dur­chaus ver­ständlich, denn wirk­lich große Dich­tung sieht ein wenig anders aus. Aber wie so oft tut das den Liedern, sobald sie erklin­gen, über­haupt keinen Abbruch.

Doch der vergessene Dichter stört in der Vil­la Musi­ca nie­man­den. Denn der sym­pa­this­ch­er Bari­ton lässt sich davon nicht weit­er bee­in­flussen und legt seine nicht unbe­trächtliche Kun­st­fer­tigkeit in den Vor­trag. Mit sein­er etwas körni­gen Stimme, die wed­er zu fin­ster noch zu strahlend klingt, ist er genau der richtige Mann, um den inti­men Salon der Vil­la Musi­ca prachtvoll auszufüllen. Vor allem aber, und das würde wohl Brahms und Daumer gle­icher­maßen erfreuen, sang er immer mit Gewicht und Nach­druck. Schließlich geht es ja auch um viel, um alles eigentlich: Sehn­sucht, Liebe, Ein­samkeit, Tod – die klas­sis­chen Liedthe­men der Roman­tik eben.

Der ganz klare Höhep­unkt in dieser Rei­he war der Zyk­lus mit der Opus-Num­mer 32, der Daumer und August von Plat­en zusam­men­führt. Bege­mann gelang es näm­lich, die Span­nung auch bei den alt­bekan­nten Liedern immer wieder neu aufzubauen: Alles ist ihm ernst, nichts geschieht leichthin – selb­st Ironie und Witz sind Arbeit und kün­st­lerische Anstren­gung. Beson­ders sein ziel­gerichtetes Sin­gen ermöglicht die volle Ent­fal­tung jedes Liedes: Nie ver­säumt er es, den Kern in Angriff zu nehmen, nie lässt er die Zuhör­er im Zweifel, nie bleibt er undeut­lich.

Und Thomas Sey­boldt unter­stützt ihn dabei auf angenehm präzise, unauf­dringliche Art nicht nur exakt, son­dern auch genau im Aus­druck – und dabei immer sehr syn­chron mit seinem Sänger: „Nur dein Gefühl enthülle mir, dein wahres!“ heißt es dabei ein­mal. Das hätte ein wun­der­bares Mot­to für diesen Abend sein kön­nen. Aber der Geburt­stag des Kom­pon­is­ten war eben nahe­liegen­der.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung.)