Ein wilder Haufen ist es, der sich den Neubau erobert hat. Zumin­d­est auf den ersten Blick wirkt die „Klang-Bau-Stelle“ im Neubau der Musikhochschule reich­lich chao­tisch: Am Ein­gang begrüßen Garten­schlauchtrompe­ten die Gäste, im ersten Stock ste­ht ein verk­a­beltes Alphorn, der zukün­ftige Konz­ert­saal ist mit einem Arse­nal Kon­ser­ven­büch­sen, einem Flügel und einem DJ-Stand gefüllt, in der Stu­diobühne ste­ht sog­ar noch ein Beton­mis­ch­er. Aber natür­lich fol­gt das alles ein­er genau aus­gek­lügel­ten Dra­maturgie und Logis­tik. Denn die Stu­den­ten des Sem­i­nars „Geöffnete Ohren“ haben unter der Leitung von Pro­fes­sor Peter Kiefer kaum eine Mühe gescheut, sich ihr zukün­ftiges Dom­izil schon als Rohbau anzueignen.

Schon der Auf­takt im Innen­hof ist ein furios­er Beginn des Wan­delkonz­ertes: Eine Meta­musik, die hier vom Nu Art Brass Ensem­ble uraufge­führte Chaos-Fan­fare „Par­tiales“ von Pier­lu­ca Lanzilot­ta, die alle Ideen und Vorstel­lun­gen ein­er Fan­fare gründlich auseinan­dern­immt um sie neu und etwas ver­quer zusam­men­zuset­zen. Und während dann das zen­trale Trep­pen­haus zum Konz­er­traum wird, stre­ichen im Hin­ter­grund die Arbeit­er noch die Wände. Denn noch bleibt einiges zu tun, damit der Bau fer­tig wird: Viel roher Beton ist noch zu sehen, gewaltige Kabel­bün­del hän­gen von den Deck­en. Manch­mal ist das allerd­ings auch schon wieder Absicht. Dort näm­lich, wo der Raum zum Instru­ment wird, wo eine der zahlre­ichen Klan­gin­stal­la­tion zu erleben sind. Die Sound­scapes vol­lziehen den Über­gang von einem Haus zum anderen – mit Auf­nah­men, Mis­chun­gen der Geräusche und Klänge des alten Gebäudes im vollen Übe- und Unter­richts­be­trieb, die den Neubau erobern, mit ihrer ges­teuerte Kako­phonie aus­füllen und aus­tas­ten.

Daneben gibt es aber auch fast klas­sis­che Konz­ert­si­t­u­a­tio­nen. John Cages „cre­do in US“ etwa, das Flo­ri­an Bey­er und Arne Wie­gand geschickt adap­tiert haben und in ein­er furios-fan­tastis­chen Auf­führung real­isierten.

Und natür­lich ist da noch der Beton­mis­ch­er. Denn der ist nicht zurück­ge­lassenes Baugerät, son­dern ein Musikin­stru­ment, dass sich Rain­er Schreckinger für seine „Med­i­ta­tion???“ angeeignet hat.

Und man glaubt es kaum: Die Mas­chine wird tat­säch­lich Teil ein­er kleinen, knap­pen Med­i­ta­tion, die der Gitar­rist Schreckinger mit Michael Wies­ner, der auf Flügel­horn und Abflussrohren dazu impro­visiert, geschickt in Szene set­zen und dabei recht raf­finiert die Gren­zen zwis­chen Musik und Geräusch auflösen.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung.)