der neueste anschlag lottmanns auf guten geschmack und überkommene werte: joachim lottmann: zombie nation. köln: kiepenheuer & witsch 2006.
der erzähler – ein autor-klon mit dem namen johanneslohmer, „erfinder“ des pop-romans – beobachtet sich beim recherchieren / schreiben eines familienromans, der seinem jugendroman folgen soll: „der erste familienroman der popliteratur“ behauptet der klappentext (was natürlich blödsinn ist, allein fichte hat da ja schon einiges dazu geschrieben). und natürlich ist „zombie nation“ auch gar keiner. höchstens als persiflage auf die aktuelle schwemme auf dem büchermarkt. dazu ist lottmann ja immer wieder gut: als seismograph. und als schlagwort-lieferant – ein beispiel? aber klar doch, gleich auf dem umschlag: „was frauen den männern antun, ist der eigentliche irak-krieg unserer epoche.“ das steht da einfach mal so und wartet, dass jemand drauf anspringt. was ja hiermit offiziell erledigt wäre …
„die letzten tage der berliner republik“ sind das zentrum des romans – die ansprüche sind gesunken, die menschheit war einmal, heute geht es nur noch um uns: die mitdreißiger oder vierziger kulturschaffenden… typisch für lottmann ist natürlich wieder der ironie-overkill, sein schein-realismus, inklusive vollzitat einiger journalistischen arbeiten lottmanns
(aus der sz und der taz), verquickt noch dazu mit einigen privaten absonderlichkeiten – und schon ist das neue buch fertig. schnell geschrieben, schnell gelesen und wahrscheinlich auch schnell wieder vergessen.
das fabulieren hat lottmann aber ganz gut draf: die hypertrophe metaphernschlacht im geiste einer simulierten erzählerischen unschuld, die natürlich ständig geschickt umspielt wird – genau wie das imaginierte zwiegespräch zwischen erzähler und imaginärem leser gerne mal reflektiert, umgedreht wird, um dann doch keine rücksicht zu nehmen oder gerade erst recht, je nach momentaner stimmung: „es fällt mir schwer, den leser mit einer wiedergabe eines fremden lebens zu behelligen, anstatt über das eigene leben zu berichten.“ – „der literaturbetrieb verzeihe mir, aber ich konnte nicht anders, als wieder mit ihr zu schlafen.“
das gesamtpaket wird dann mit dem herrlichen rosa des umschlags abgerundet: die züchtige unschuld – aber dann natürlich die streichzeichung der barbusigen jungfrau mit güldenem haar –, die beobachtung der schrecklich angepassten jugend des jahres 2005 und verzweiflung über ihre sinnlosigkeit beschäftigen lottmann: wer schon in seiner jugend das leben seiner eltern führt – was soll aus dem noch werden? und wenn das ein ganzes volk so macht? dann amüsiert man sich mit seiner heimlichen liebe, der bild-zeitung: „ein schöner beginn, eine tolle geschichte, mit einem nachteil: sie stand in der bildzeitung und war somit erfunden.“
und wer sind nun eigentlich die zombies? und die zombie nation? keine ahnung. aber sie haben die große koalition verschuldet und verantwortet.
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