ulrich weinzierl behauptet, „skizzen” zum „bild” hugo von hof­mannsthal geschrieben zu haben. meine überzeu­gung nach der lek­türe: das sind nur stu­di­en zum hin­ter­grund des porträts. und ein bild ohne seinen gegen­stand ist ziem­lich lang­weilig. dazu passt, dass er aus hof­mannsthal einen schrift­steller ohne werk macht. lit­er­arisches kommt in diesem rundgang durch hof­mannsthals epis­tolo­graphis­ches werk näm­lich so gut wie gar nicht vor.

dafür hat weinzierl alles an briefen und zeug­nis­sen gele­sen, was es zu hof­mannsthal gibt, und auch ganz fleißig exz­er­piert. und dann hat er seinen zettelka­s­ten abgeschrieben. beze­ich­nend für diese arbeitsweise ist das fre­unde-kapi­tel, zugle­ich der haupt­teil der nicht ger­ade umfan­gre­ichen studie: dort erfährt man im end­ef­fekt mehr über die fre­unde als über den eigentlichen gegen­stand, hugo von hof­mannsthal. so entste­hen knapp 230 seit­en, dafür aber fast 1000 fußnoten, die auss­chließlich zitat­nach­weise bieten (mit aus­nahme ein­er quelle hat der autor näm­lich alles in die end­noten gepackt).

das wesentliche fehlt aber. hof­mannsthal bleibt blass: kein men­sch wird hier beschrieben, keine per­son — nur äußerun­gen wer­den referiert. noch nicht ein­mal einen min­i­malen biographis­chen abriss leis­tet sich weinzierl — für wen ist das buch denn dann eigentlich gedacht? denn sein­er ansicht nach gibt es ja über­haupt gar keine taugliche biogra­phie des autors. auch wed­er die epoche wird einge­hend charak­ter­isiert noch der men­sch. gut, in bezug auf die epoche gibt es immer­hin ansätze — was das gesellschaftliche leben ange­ht vor allem, in hin­blick auf poli­tis­che oder gar kul­turelle zusam­men­hänge gibt sich weinzierl bedeckt.

die forschung bleibt immer anonym, mit for­mulierun­gen wie „neueste forschun­gen” mogelt sich weinzierl da durch. andere biogra­phien oder deren ver­suche hat er kaum zur ken­nt­nis genom­men bzw. kaum ver­w­ertet. zumin­d­est spiegelt der text kein­er­lei auseinan­der­set­zung wider. seine eige­nen urteile erscheinen mir — der ich kein experte auf diesem gebi­et bin — dann immer etwas freis­chwebend, sozusagen feuil­leton­is­tisch: pointiert bis ins extrem, aber ohne wirk­lich sach­haltige nach­weise oder belege. dafür mok­iert sich weinzierl aus­ge­sprochen gern über jeden einzel­nen schreibfehler in den briefen, beson­ders wenn er den absender in seinem ver­hält­nis zu hof­mannsthal sowieso neg­a­tiv zeich­nen will.

selt­sam und befremdlich fand ich auch seine marotte, zwis­chen homophilie, homo­erotik und homo­sex­u­al­ität beliebig hin- und herzuwech­seln — je nach bedarf. eigentlich erscheint mir ja schon die gern gebrauchte wen­dung der homo­erotik als halbe korinthenkack­erei und augen­wis­cherei, wird sie doch in der regel — ins­beson­dere bei thomas mann — gebraucht, um eine nicht prak­tizierte, nicht offen und umfassend aus­gelebte homo­sex­u­al­ität zu beschreiben. das mag ja noch ange­hen, aber dann noch eine homophilie — die, wenn ich das richtig sehe, vor allem eine jugendliche schwärmerei sein soll — zu kon­stru­ieren, ist doch irgend­wie lächer­lich: entwed­er geht es um eine (sex­uelle) ori­en­tierung oder um fre­und­schaft.

ins­ge­samt hin­ter­lässt mich weinzierl zutief­st unbe­friedigt: die rät­sel­haftigkeit, das sprung­hafte wesen hof­mannsthal, wie es sich ger­ade in der Pflege (oder Zer­störung) sein­er Fre­und­schaft zeigt, den zahlre­ichen brüskierun­gen eben­so wie den fle­hen­den bit­ten um verge­bung, lassen weinzierl (und damit seine leser auch) aus­ge­sprochen rat­los zurück. viel mehr als bloßes referieren leis­tet er da, wo es um das eigentlich der biogra­phie, die erforschung des charak­ters, gehen sollte, nicht. dafür zieht er sich, je weit­er er im text fortschre­it­et, immer mehr auf ein äußerst sim­plizis­tis­ches erk­lärungsmod­ell zurück: hof­mannsthal war halt ein genie und hat entsprechend unerk­lär­lich gehan­delt. das gipfelt dann in solch absur­den und idi­o­tis­chen sätzen wie diesem: „hat hugo von hof­mannsthal seine frau seel­isch mißhan­delt? keineswegs mehr, als jedes andere genie das eben tut.” (210) mehr braucht man dazu wirk­lich nicht sagen.

ulrich weinzierl: hof­mannsthal. skizzen zu seinem bild. darm­stadt: wis­senschaftliche buchge­sellschaft 2006 (wien: zsol­nay 2005).