Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Kategorie: pop

was ist pop?

die ewi­ge fra­ge, wahr­schein­lich eh‘ nicht wirk­lich umfas­send und zufrie­den­stel­lend zu beant­wor­ten… aber stel­len muss man sie halt doch immer wie­der, sonst kommt man ja gar nicht vor­an, beim nach­den­ken über phä­no­me­ne des pop. dass pop mehr ist als chart­hits und main­stream-pop­mu­sik der seich­ten sor­te, inklu­si­ve ihrer kul­tur­in­dus­tri­el­len, markt­ka­pi­ta­lis­ti­schen ver­wer­tungs­or­gi­en und mar­ke­ting­kam­pa­gnen, ist ja inzwi­schen hof­fent­lich den ver­nünf­ti­gen (!) klar. aber was ist pop dann? wal­ter grass­kamp, michae­la krüt­zen und ste­phan schmitt haben beim fischer-taschen­buch-ver­lag einen klei­nen band mit „zehn ver­su­chen“ (so der unter­ti­tel) zur posi­ti­ons­be­stim­mung des pop in den ver­schie­de­nen kul­tu­rel­len fel­dern her­aus­ge­ge­ben. damit ist auch schon deut­lich, was ein gro­ßes man­ko an die­sem büch­lein ist: inhalt und titel pas­sen gar nicht so gut zusam­men. was pop als sol­cher und über­haupt ist, weiß man hin­ten­ach näm­lich immer noch genau­so wenig wie vor beginn der lek­tü­re. das hat wohl auch mit der ent­ste­hung des ban­des zu tun. ent­stan­den ist der näm­lich aus einer gemein­sa­men vor­le­sungs­rei­he der drei münch­ner kunst­hoch­schu­len (aka­de­mie, hoch­schu­le f. film & fern­se­hen, hoch­schu­le für musik & thea­ter), die eini­ge mehr oder weni­ger beru­fe­ne gast­red­ner ver­sam­mel­te, deren tex­te hier vorliegen.

in der ein­lei­tung wen­det sich der her­aus­ge­ber grass­kamp auf für mich reich­lich befremd­li­che wei­se gegen die ver­meint­lich erstar­ken­de, „ein­fluss­rei­che neu­er schu­le“ (11) der „posi­ti­on der theo­rie­feind­lich­keit“. ich weiß nicht, ob ich das ziel rich­tig iden­ti­fi­ziert habe… aber wenn, dann scheint mir grass­kamp hier doch sehr, sehr weit zu sim­pli­fi­zie­ren. und von einem sehr aus­ge­wähl­ten, typisch kunst­ge­schicht­li­chen stand­punkt aus zu urtei­len. denn natür­lich, das wer­den die hier ange­grif­fen in der regel selbst zuge­ben, ist theo­rie­lo­sig­keit ein schwe­res man­ko. aber die fra­ge ist eben, ob sie immer so theo­rie­los sind, wie es – zuge­ge­ben – leicht den anschein hat. womit sie aber unbe­dingt recht haben, ist die tat­sa­che, dass pop sich auch dar­in von „her­kömm­li­chen“, ande­rern kul­tur­ma­ni­fes­ta­tio­nen der­art unter­schei­det, dass die übli­chen, in den kunst‑, lite­ra­tur und kul­tur­wis­sen­schaft ent­wi­ckel­ten instru­men­te der erfor­schung, die her­me­neu­ti­schen ver­fah­rung, das hier prak­ti­zier­te bemü­hen um ver­ständ­nis, nicht aus­rei­chen, den pop in sei­ner spe­zi­fi­schen form zu erfas­sen und zu ver­ste­hen. mög­lich ist, dass sie hilf­reich sein kön­nen, aber mit ihnen allein wird ein wirk­lci­hes ver­ständ­nis der pop­p­hä­no­me­ne kaum gelin­gen. dazu kommt natür­lich auch noch die schlich­te tat­sa­che, dass vie­les, was – nicht nur in mei­nem ver­ständ­nis – auch und noch pop ist, über­haupt nur zu fin­den, wahr­zu­neh­men ist, wenn man mehr oder weni­ger stark im und mit dem pop lebt. wenn das dann alles in die arbeit über den pop ein­fliesst (die selbst evtl. sogar wie­der zum pop wer­den kann…), muss man noch lan­ge nicht „urba­ner bar­bar“ sein, wie gross­kamp unterstellt.

aber wei­ter zum rest: was sehr schnell beim lesen auf­fällt und was mich ziem­lich genervt hat: pop ist hier zunächst mal pop-art. und sonst kaum etwas. selbst die eigent­li­che pop-musik kommt erst spä­ter zu wort. von der pop­li­te­ra­tur (wel­cher auch immer) ganz zu schwei­gen, die fällt mal ein­fach so kom­plett unter den tisch… rudolf zwir­ners auf­satz „pop art in den usa“ ist denn auch ein total­aus­fall, falls man sich davon irgend eine ant­wort auf die fra­ge „was ist pop?“ erhoff­te. hier gibt es nur einen kur­zen, sub­jek­ti­ven abriss der pop-art eines zeit­ge­nos­sen. neben der pop-art noch sehr domi­nant in den meis­ten tex­ten: das krei­sen um die (un-)möglichkeit der unter­schei­dung zwi­schen „hoher“ und „nie­de­rer“ kunst (wobei pop natür­lich, ganz umstands­los und reflek­ti­ons­frei, der letz­te­ren zuge­ord­net wird).

so, wei­ter geht es mit boris groys und dem „pop-geschmack“. den ver­or­tet groys im gespür und inter­es­se für die zahl: dem pop­per gefällt, was vie­len gefällt… ist auf den ers­ten blick viel­leicht ein­leuch­tend, aber dann ins­ge­samt doch irgend­wie blöd und falsch. denn für solch einen pop-geschmack gibt es ja nur noch main­stream. und alles, was nicht main­stream ist, wäre dann kein ech­ter, rich­ti­ger, guter, … pop. nun ja, da bin ich bes­se­res von groys gewohnt. immer­hin gibt es ein paar licht­bli­cke. ein paar rich­ti­ge ein­bli­cke. z.bsp., wenn er beob­ach­tet: „in die­sem sin­ne ist der pop-geschmack eine fort­set­zung, eine fort­schrei­bung des avant­gar­dis­ti­schen geschma­ckes. der pop-geschmack kon­sti­tu­iert sich näm­lich dad­urt, dass er den kom­men­tar, d.h. die wor­te, durch zah­len ersetzt.“ (101) „die pop-sen­si­bi­li­tät ist näm­lich so kon­stru­iert, dass ihr trä­ger im pri­mä­ren akt der wahr­neh­mung eines kunst­werks die zah­len sei­ner ver­brei­tung mit wahr­nimmt, mit­fühlt, mit­denkt.“ (101f.) beim lesen die­ser pas­sa­gen kom­men mir dann doch zwei­fel – mög­li­cher­wei­se hat groys doch so unrecht gar nicht (was aber frag­lich bleibt: sei­ne aus­schließ­li­che fun­die­rung des pop-geschmacks auf den zah­len – da spielt sicher noch mehr mit…). denn kurz dar­auf heißt es sehr rich­tig: „der pop-geschmack ist […] ein reflek­tier­ter geschmack – er nimmt nicht nur das kunst­werk, son­der auch sei­nen kon­text wahr und beur­teilt bei­de gleich­zei­tig.“ (102) – beim abtip­pen fällt mir gera­de doch noch etwas deut­lich posi­ti­ves an die­sem auf­satz und dem gan­zen band auf: pop wird ohne zwei­fel als kunst (an)erkannt. selbst das ist ja heu­te nicht selbst­ver­ständ­lich… aber wei­ter zu groys: die ver­bin­dungs­li­ni­en, die er zwi­schen avant­gar­de und pop zieht, geben zu den­ken. denn die kom­men­ta­ti­ve rezep­ti­on ist nur ein teil. bei­de ver­bin­det außer­dem der ver­lust der geschich­te und der mas­sen, sowie ein signi­fi­kan­ter orts­wech­sel: „als ort der pro­fes­sio­nel­len kunst fun­giert heu­te also nicht mehr das muse­um, son­dern die sta­tis­tik.“ (105) das pro­blem frei­lich bleibt: so wahr das an sich ist, groys über­treibt in der ver­ab­so­lu­tie­rung die­ses fak­tums. des­halb mischen sich auch immer wie­der selt­sa­me und fal­sche state­ments unter den text – ein bei­spiel: „der pop-kon­for­mis­mus ist dage­gen ein glo­bal­kon­for­mis­mus – er ori­en­tiert sich an glo­ba­len infor­ma­ti­ons­flüs­sen, die ihm die infor­ma­tio­nen dar­über ver­mit­teln, was für die gro­ßen mehr­hei­ten in der gro­ßen außen­welt als ange­sagt gilt.“ (108) so weit mal dazu, das kom­men­tie­re ich jetzt mal nicht weiter…

auf groys folgt ein kennt­nis­rei­cher auf­satz des musik­wis­sen­schaft­lers (vom ber­li­ner insti­tut für popu­lä­re musik) peter wicke: sound­tracks. pop­mu­sik und pop-dis­kurs. immer­hin einer, der gemerkt hat, dass der begriff „pop“ nicht von der pop-art erfun­den wur­de. enjott schnei­der erzählt dage­gen in mei­nen augen viel blöd­sinn, was die rol­le und den cha­rak­ter des films angeht – aber da ken­ne ich mich kaum noch aus … lorenz engell lie­fert dage­gen eine schlüs­si­gen, inter­es­san­ten bei­trag zum tv-pop, in dem er drei prin­zi­pi­en des fern­se­hens und des­sen ent­wick­lungs­über­gän­ge mit den phä­no­men des pop kurz­schließt und zu erklä­ren ver­sucht – ein ansatz, der durch­aus charme hat. michae­le krüt­zen führt das dann in einer detail­stu­die zu mtv und deren video-music-award, das tref­fen von madon­na, spears und agui­lera im zei­chen des pop und des events, des tv und sei­nen pseu­do-events sowie den pseu­do-events zwei­ter ord­nung fort. den abschluss schließ­lich macht ulf pos­ch­ardt, hier noch kein fdp-anhän­ger, der erstaun­lich tref­fend pop als „öffent­li­ches gesicht“ zu beob­ach­ten ver­sucht, als (mög­lich­keit der) iden­ti­täts­kon­sti­tu­ti­on, wie er sie in ers­ter linie anhand von pop-vide­os nach­weist. das gan­ze unter­nimmt er v.a. vor dem hin­ter­grund der vir­tu­el­len rea­li­tät der maschi­nen, des com­pu­ters, die zur visu­el­len fäl­schung des gesichts als zei­chen der iden­ti­tät führt. damit ist natür­lich ein pro­blem offen­sicht­lich: das ver­schwin­den der iden­ti­tät, das pop revi­die­ren soll­te, ist zugleich auch ein teil des pop – als reak­ti­on auf die­ses pro­blem. „iden­ti­tät bleibt so dog­ma­tisch, als sowie­so kon­stru­iert, in der mög­lich­keits­form haf­tend.“ (254). das ist zwar ein­leuch­tend und wahr­schein­lich auch rich­tig und wahr, erklärt aber immer noch nicht: „was ist pop?“ das fra­ge­zei­chen bleibt munter ….

ja ja, diese jugend …

was machen wir bloß mit der …, wohin soll die ewig par­ty und das stän­di­ge abhän­gen nur füh­ren? das muss doch end­lich – und zwar ganz gewal­tig bald – im tota­len absturz, im end­gül­ti­gen nie­der­gang und cha­os deutsch­lands enden. joa­chim lott­mann schlägt sich damit ja immer wie­der ger­ne rum: die jugend von heu­te. ihr zustand, ihre plä­ne, ihr beneh­men, ihre orte, ihre musik, ihre was-auch-immer… las­sen ihn auch im mitt­ler­wei­le recht fort­ge­schrit­te­nen alter nicht los. das ist immer etwas erklä­rungs­be­dürf­tig, und das weiß lott­mann auch sehr genau. nur kann oder will er es nicht recht klar machen, war­um sein erzäh­ler immer noch den jun­gen leu­ten hin­ter­her­he­chelt, in ihnen immer noch die erlö­ser vom all­tag sucht.das gilt natür­lich für kein text weni­ger als für „die jugend von heute“mischung aus rai­nald goetz auf der einen und ben­ja­min lebert sowie stuck­rad-bar­re auf der ande­ren sei­te. nur eben bei wei­tem nicht so kon­se­quent wie goetz (auch lan­ge nicht so fähig zur ana­ly­se), aber lei­der auch nicht so leicht und harm­los wie die ande­ren pseu­do-pop­per. des­halb bleibt das weit­ge­hend indif­fe­rent und nichts­sa­gend – egal, von wel­chem blick­win­kel aus man das büch­lein betrachtet.

vor allem aber ist es eine fund­gru­be für lust­bar­kei­ten und schö­ne aus­sprü­che, die ich zwar gera­de abge­tippt hat­te, die mir word­press aber jetzt geklaut hat und die des­halb hier nicht mehr ste­hen. über­ig geblie­ben ist nur:

  • „unser kul­tur, also die jugend­kul­tur, war erkennt­nis­im­mun.“ (81)
  • „die­se gan­ze musik­in­dus­trie war für kin­der gemacht, für men­schen zumin­dest, die noch nie­mals vom baum der erkennt­nis genascht hat­ten und es auch nie tun würden.“

jolo (wie der autor sei­nen stell­ver­tre­ter, die erzäh­ler­fi­gur im buch nennt) wür­de sich wahr­schein­lich krumm und sche­ckig lachen über all die, die die­sen text auf irgend eine art und wei­se ernst neh­men… – vor sati­re- und iro­nie­merk­ma­len wim­melt es ja nur so im text…

man könn­te ihn natür­lich einen bor­der­line-jour­na­lis­ten nen­nen, aber das wäre blöd­sinn. denn damit wür­de man lott­mann natür­lich voll­kom­men miss­ver­ste­hen – was lott­mann wie­der­um freu­en wür­de, denn genau dar­auf spe­ku­liert er ja, dar­auf legt er es an. es geht natür­lich um etwas ande­res: wahr­heit – was ist das? eine über­flüs­si­ge, ana­chro­nis­ti­sche, in die irre füh­ren­de idee, deren haupt­man­gel es natur­ge­mäß ist, dass sie mit der wirk­lich­keit nicht zuran­de kommt, nichts mit dem erle­ben des lebens, dem „wah­ren“ leben also (ha, was für ein witz…) ein­fach kei­ne ver­bin­dung mehr ein­ge­hen kann. bzw. mög­li­cher­wei­se eh‘ nie konn­te… er selbst for­mu­liert das dann so: „Die Jugend von heu­te hat einen erwei­ter­ten Wirk­lich­keits­be­griff. […] Mei­nen. Sie glau­ben an nichts mehr, also an alles. Sie unter­schei­den nicht zwi­schen wahr und unwahr oder gut und böse. Sie däm­mern einem offe­nen Zukunfts­feld ent­ge­gen. Wo ande­re noch eine Schä­del­de­cke haben, hat die Jugend von heu­te eine weit offe­ne Tür. So ein cra­zy Lott­mann-Text kommt da gera­de recht.“
(aus der taz, wo holm frie­be, der als chef­den­ker der zen­tra­len intel­li­genz-agen­tur auch mehr­fach im text auf­taucht, dann dazu meint: „Alles Teil der Lottmann’schen Verschleierungstaktik.“)

das pro­blem mit lott­mann ist halt nur, dass er damit über­haupt nicht weit kommt. ihm fehlt ein­fach nicht nur die ana­ly­ti­sche schär­fe, son­dern auch die gestal­te­ri­sche kraft, die fähig­keit des for­mes unter ästhe­ti­schen gesichts­punk­ten – da hat ihm halt ein autor wie rai­nald goetz (übri­gens in bei­den kate­go­rien) eini­ges vor­aus … er selbst sieht das (vgl. taz-bericht) nicht als nach­teil: als „eth­no­lo­ge“ schrei­be er eben nur auf, ohne wer­tung. das ist frei­lich schon wie­der blöd­sinn, denn etwas auf­schrei­ben ohne wer­tung – wie soll das denn gehen? er hät­te halt bes­ser mal bei hubert fich­te nach­le­sen sol­len, wie so etwas aus­se­hen und (sogar unter ver­schie­de­nen gesichts­punk­ten) funk­tio­nie­ren kann. olaf kar­nik bewun­dert das dann: „sein umher­schwei­fen­des Schrei­ben, sei­ne unver­fro­re­ne Auf­zeich­nung bana­ler All­tags­be­ob­ach­tun­gen, moti­viert von kecker Selbst­er­mäch­ti­gung.“ aber das sind auch wie­der nur lee­re hül­sen: was ist an der auf­zeich­nung, die natür­lich über­haupt kei­ne rei­ne auf­zeich­nung ist, so unver­fro­ren? und was ist an der selbst­er­mäch­ti­gung (mal abge­se­hen davon, dass die wohl jeder autor auf­zu­wei­sen hat…) so keck? immer­hin ist das noch tref­fen­der als die behaup­tun­gen auf sin​gle​-gene​ra​ti​on​.de. „Mit sei­nem neu­en Buch wird er zum Avant­gar­dis­ten des Anti-Pop.“ steht da – aber stimmt das? nein, denn er bleibt natür­lich pop. nur ist der pop halt nicht mehr der der 80er – das kann man bedau­ern oder fei­ern, aber es ist halt ein­fach so…

joa­chim lott­mann: die jugend von heu­te. köln: kie­pen­heur & witsch 2004.
eine web­sei­te zum buch gibt es auch, frei­lich fast ohne inhalt, dafür mit film­chen: www​.young​-kraut​.de

sting: songs from the labyrinth

oh mein gott, wie konn­te das nur pas­sie­ren. wer hat nur zuge­las­sen, dass die­se auf­nah­men an die öffent­lich­keit gelang­ten: sting ver­sucht john down­land zu sin­gen. und so sehr ich (bis­her) sting moch­te und auch noch mag – gera­de kürz­lich erst wie­der in erin­ne­rung geru­fen durch den auf dime­a­do­zen ver­füg­ba­ren mit­schnitt des genia­len kon­zer­tes „the art of the heart” in los ange­les – , auch wenn sei­ne letz­ten cds zuneh­mend schwä­cher wur­den (soweit sie aus dem stu­dio stamm­ten, live ist er irgend­wie dann doch immer bes­ser geblie­ben), naja, jeden­falls, was ich sagen woll­te: eigent­lich bin ich sting ganz posi­tiv zuge­tan. aber das geht ja nun gar nicht: er ver­sucht, lau­ten­lie­der von john down­land zu sin­gen. dum­mer­wei­se hat er mitt­ler­wei­le fast über­haupt kei­ne stim­me mehr, falls er sie je hat­te. und das wird dann wirk­lich gro­tesk, wenn ein musi­ker wie sting ver­zie­run­gen, melis­men der barock­zeit singt: absur­de­re auf­füh­run­gen las­sen sich ja kaum noch denken.

was mich aber noch mehr erschreckt: die cd ist bei der deut­schen gram­mo­phon gesell­schaft erschie­nen. das war ein­mal eine respek­ta­ble fir­ma – man den­ke nur dar­an, was sie mir der „archiv-pro­duk­ti­on” für die his­to­risch infor­mier­te auf­füh­rungs­pra­xis getan hat! – , ein soli­des unter­neh­men der klas­sik-bran­che. wie die meis­ten gro­ßen haben sie aber nicht ver­kraf­tet, dass weni­ger leu­te ihre cds kau­fen (wol­len, kau­fen wol­len wer­den, was auch immer): die dre­hen da in ihren büros wohl inzwi­schen voll­kom­men am rad … wenn ich mir vor­stel­le, was die jetzt schon so zusam­men­ge­braut haben – ich sage nur „re-com­po­se”… lus­tig ist das nur inso­fern, als es doch gera­de so fir­men wie die dgg waren, die ein­mal so etwas wie cor­po­ra­te iden­ti­ty erfun­den haben (die gel­ben eti­ket­ten z.b.) – das alles ist längst ver­schwun­den, jetzt herrscht fröh­li­che anar­chie nach den geset­zen des mark­tes. oder was man dafür hält. denn sie schei­nen nicht zu ver­ste­hen (wol­len), dass es viel­leicht gar nicht so schlimm sein muss, dass man von einer ein­zi­gen cd kei­ne hun­der­tau­sen­de exem­pla­re abset­zen kann. es gibt ja doch genug fir­men, die vor­ma­chen, dass man auch mit ver­gleichs­wei­se klei­nen auf­la­gen gutes geld ver­die­nen kann …

naja, soviel zur pro­dukt­po­li­tik der dgg – ich habe schon sehr lan­ge kei­ne cd mehr von ihnen gekauft, fällt mir gera­de ein. zur sting-cd will ich gar nicht viel sagen. dass er halt nicht so rich­tig gut sin­gen kann – geschenkt. dass er aber unbe­dingt im mehr­spur­ver­fah­ren sei­nen eige­nen chor spie­len muss – lächer­lich. dass er das gan­ze mit der – grau­en­haft unter­mal­ten – lesung von brief­zi­ta­ten auf­zu­pep­pen müs­sen meint – auch so eine ver­falls­er­schei­nung. nie­mand traut da bei den zustän­di­gen leu­ten der musik mehr. und den käu­fern, den zuhö­rern, sowie­so nicht: mir sieht das schwer danach aus, als wol­le man damit soge­nann­te bzw. so emp­fun­de­ne „pop”-kunden zur klas­sik hin­über­zie­hen. ob das mit so ver­que­ren pro­duk­ten, so miss­ra­te­nen auf­nah­men, die ja jedem klas­sik­hö­rer die zehen­nä­gel hoch­rol­le, gelingt, bezwei­fel ich doch sehr. das ein­zi­ge, was man die­sem zeug mit viel gutem wil­len zugu­te hal­ten kann, ist der hauch von authen­ti­zi­tät, den sting halt auch in sei­nen schlech­tes­ten momen­ten noch ver­strö­men zu ver­mag: er ist ja nicht umsonst der pop-star gewor­den, der er ist – dazu gehört eben durch­aus nicht zuletzt auch eine ordent­li­che por­ti­on cha­ris­ma. und ein klit­ze­klei­ner rest ret­tet sich manch­mal sogar in die down­land-lie­der (die, noch neben­bei bemerkt, auch klang­tech­nisch nicht beson­ders gut auf­ge­nom­men sind). die ein­zi­ge emp­feh­lung: das rei­ne lau­ten­stück „for­lon hope fan­cy”. ansons­ten durch­hö­ren und schnell wie­der vergessen.

eini­ge der hier miss­han­del­ten lie­der gibt es auch ganz ordent­lich in der bei zwei­tau­send­eins ver­trie­be­nen edi­ti­on lied – nur so als hinweis…

sting: songs from the laby­rinth. lie­der von john down­land. mit edin karama­zov (lau­te). deut­sche gram­mo­phon 2006. 

dreckig oder sauber? peaches’ drittes album „impeach my bush“

in der spex ein grau­en­haft text über oder bes­ser gesagt neben das album (das näm­lich kaum vor­kommt). aber immer­hin schafft er es, mich dann doch zum hören zu inspi­rie­ren – was denn so einen krieg der begrif­fe, so ein schlag­wort­ge­stam­mel heut­zu­ta­ge noch aus­lö­sen kann, will ich schon wis­sen: pea­ches: impeach my bush. das ist, da muss man natür­lich fair sein, trotz allen gere­des zunächst ein­mal eine pop‑, d.h. elek­tro­punk oder so ähn­lich, plat­te. und als sol­che ist sie ziem­lich erfolg­reich. die zeit hat pea­ches mal die „punk­in­spi­rier­te gen­der-theo­re­ti­ke­rin” genannt, weil sie so schön spie­le­risch auf den ent­spre­chen­den vor­ur­tei­len, ste­reo­ty­pen und kon­struk­ten her­um­spielt, sie lächer­lich macht und das gan­ze schön gekonnt per­for­ma­tiv vor­führt. vor allem ist das aber (lei­der) viel weni­ger poli­tisch als ich hoff­te, und auch viel weni­ger kri­tisch oder gen­der-theo­re­tisch – aber ich bin ja sowie­so immer mehr der über­zeu­gung, dass kunst und ins­bes. pop nur bedingt für sol­che din­ge geeig­net sind – und gera­de wenn sie es ganz fes­te wol­len, klappt es meis­tens über­haupt nicht – weder inhalt­lich sozu­sa­gen noch künst­le­risch. das ist bei pea­ches wenigs­tens inso­fern anders, als impeach my bush nach kri­te­ri­en des pop ziem­lich gut zu funk­tio­nie­ren scheint – und gar nicht so wenig spaß macht. – songs wie „tent in your pants” oder „slip­pery dick” kön­nen durch­aus mit text­li­chem und musi­ka­li­schem witz auf­war­ten – auch wenn mir eini­ges schon wie­der zu rockig (halt ein wenig elek­tro­ni­scher ver­spielt und kon­stru­iert) wird. schön ist frei­lich auch die wen­dung in der kur­zen ein­lei­tung der cd, „fuck or kill”: „i’d rather fuck who i want, when kill who i told to” – klar, das wür­den wohl die meis­ten von uns. aber was folgt dar­aus? außer­dem: beson­ders dre­ckig ist das alles gar nicht mehr – genau das ist ja das alles läh­men­de pro­blem des pop: sub­ver­si­on ist in die­sem feld nicht mehr mög­lich (vgl. dazu beh­rens’ auf­satz), und schon gar nicht „revo­lu­ti­on” – auch wenn pea­ches das behaup­ten mag: „die revo­lu­ti­on kann jetzt auf gan­zer ebe­ne los­ge­hen.” (steht so in der spex vom juli). denn auch „als infil­trie­rung ver­stan­de­nes enter­tain­ment“ (ebd.) ist eben enter­tain­ment und kommt da – in der regel – nicht mehr lebend her­aus: auch pea­ches ist inso­fern nur eine mar­ke. und die ist zwar noch nicht ganz so kli­nisch rein wie vie­le ande­re auf dem glo­ba­len markt der selbst­ver­käu­fer, aber so rich­tig dre­ckig auch nicht (mehr). inte­res­ant übri­gens, dass die ber­li­ner zei­tung das viel bes­ser ver­stan­den hat als die spex: da heißt es näm­lich: „Das ist alles ehren­haft. Als ernst­ge­mein­ter Dis­kurs­bei­trag wirkt die Sexe­rei jedoch über­holt. Schließ­lich gibt es für jed­we­de sexu­el­le Prä­fe­renz eine coo­le Vor­abend­se­rie; und die Ubi­qui­tät der Por­no­gra­phie, ob in enzy­klo­pä­di­schen Fetischspar­ten im Netz, in Kon­zept­kunst und Kunst­ki­no bringt wohl außer Hard­core-Isla­mis­ten und christ­li­chen Eksta­ti­kern nie­man­den mehr in Ver­le­gen­heit. Sich metro­se­xu­ell für den Markt her­zu­rich­ten ist ande­rer­seits vom smar­ten Ban­ker zum gegel­ten Tür­ken­kid längst zwin­gen­des Pro­gramm. Zu den­ken, es hel­fe dem Kna­cken von Iden­ti­täts­fi­xie­run­gen, wenn alle gemein­sam an alber­nen Kör­per­nor­mie­run­gen lei­den, wirkt so kurz­schlüs­sig wie die Idee, sexu­el­le Macht­ver­hält­nis­se zer­brä­chen, wenn man sie ein­fach umkehrt.” (ber­li­ner zeitung)

ist peter licht eine trübe tasse?

ich blei­be jetzt ein­fach mal bei der frü­he­ren schreib­wei­se als nor­ma­ler name. obwohl die neue kon­tra­hier­te form den kunst­cha­rak­ter die­ser bezeich­nung ja schon deut­li­cher macht. ande­rer­seits war es ja gera­de der witz, das man (zunächst) nicht wuss­te, wo der künst­ler auf­hört und der mensch anfängt, der den frü­he­ren peter licht inter­es­san­ter gemacht hat. auch die musik sei­ner ers­ten bei­den alben, stra­to­sphä­ren­lie­der und 14 lie­der, hat mir bes­ser gefal­len als sein aktu­ells­tes, die lie­der vom ende des kapi­ta­lis­mus. und zwar nicht nur (aber auch ein wenig) text­lich (frü­her: mehr witz, mehr sku­r­il­li­tä­ten, absur­di­tä­ten der gegen­wär­tig­keit), son­dern vor allem musi­ka­lisch – wenn peter licht so stink­nor­ma­len gitar­ren­pop macht, wird das gan­ze pro­jekt irgend­wie doch eben auch ganz nor­mal und nichts beson­de­res mehr. frü­her war zwar nicht alles bes­ser, aber sei­ne musik hat­te den ent­schei­den­den kick über­dreht­heit mehr, der sie inter­es­sant wir­ken ließ.

aber hier soll es ja eigent­lich um sein buch gehen: peter­licht: wir wer­den sie­gen! buch vom ende des kapi­ta­lis­mus. mün­chen: blu­men­bar 2006. und das lässt zunächst ein­mal die übli­chen befürch­tun­gen wahr wer­den: geschrie­ben, sozu­sa­gen schwarz auf weiß, wirkt das alles nur noch halb so gut – plötz­lich merkt man eben, wie bil­lig und abge­nutzt die wort­wit­ze­lei­en in wirk­lich­keit schon sind. schwarz auf weiß ist übri­gens falsch, das buch ist in (hell-)blau (mit ein wenig blass­rot) gedruckt. und in einer ziem­lich kata­stro­pha­len schrift gesetzt, mit abso­lut unmög­li­chen i‑ligaturen – sogar rück­wärts bei der ver­bin­dung gi, die einem das lesen schon fast wie­der ver­lei­den. aber immer­hin kann man ja noch peter lichts kugel­schrei­ber-gekrit­zel bestau­nen. aber auch das gab es schon mal, in der per­fek­ten form etwa bei die­ter roths tele­fon­zeich­nun­gen – wenn man sich das vor augen hält, wirkt peter licht auf ein­mal wie­der wie ein ganz klei­nes licht (‚tschul­di­gung, der witz muss­te jetzt mal sein).

die abso­lu­te und ganz typi­sche all-round-ver­mark­tung hat inzwi­schen von peter licht besitz ergrif­fen: musik, thea­ter, buch, dem­nächst kommt bestimmt noch ein kino­film… auch sei­ne masche mit der anony­mi­tät ist natür­lich eben nur eine masche, die bei der öko­no­mi­schen ver­wer­tung hilft: peter­licht ist die mar­ke, die muss erkenn­bar sein und sich vom rest abhe­ben. immer­hin behaup­tet peter licht m.w. nicht, dass es anders sei…

was ist das also für ein buch: das ist ein net­tes und hüb­sches sam­mel­su­ri­um: klei­ne erzäh­lun­gen, nota­te, gedan­ken-fund­stel­len, sinn­sprü­che und natür­lich lied­tex­te (kom­plett erwar­tungs­ge­mäß die „lie­der vom ende des kapi­ta­lis­mus“, aber auch ande­re, älte­re – inklu­si­ve dem fast unver­meid­li­chem „son­nen­deck“, das über­ra­schen­der­wei­se zu den gelun­gens­ten sei­ten die­ses buches gehört:

„wenn ich nicht hier bin
bin ich aufm sonnendeck
bin ich bin ich bin ich bin ich
und wenn ich nicht hier bin
bin ich aufm sonnendeck
oder im aquarium
bin ich bin ich
und alles was ist
dau­ert drei sekunden:
eine sekun­de für vor­her eine für nachher
und eine für mittendrin
für da wo der glet­scher kalbt
wo die sekunden
ins blaue meer fliegen

und wenn ich nicht hier bin
bin ich aufm sonnendeck
bin ich bin ich bin ich bin ich“

[mit den drei sekun­den hat er sogar mal wirk­lich recht, das haben die psy­cho­lo­gen ja als die unge­fäh­re zeit­span­ne der „gegen­wart“ bestim­men kön­nen.]

dane­ben steht aber auch etli­ches an lei­der ziem­lich ein­fäl­tig-pri­mi­ti­ven lyrik – zusam­men gemischt zu einer in jedem zei­chen, in jedem bana­len gekrit­zel bedeu­tung sug­ge­rie­ren­den mix­tur, die aber auch wie­der nur lee­res geblub­ber ist. das gan­ze dreht sich ger­ne immer wie­der um licht & damit ver­bun­de­ne meta­phern. aber die zweit- oder dritt­ver­wer­tung sei­ner ideen & gedan­ken, die in ihren ursprüng­li­chen for­men – meist eben dem lied – wesent­lich fri­scher & inter­es­san­ter wir­ken & auch sind, wie das die „trans­syl­va­ni­sche ver­wand­te“ sehr deut­lich macht, lässt sich am bes­ten wie­der mit peter licht selbst cha­rak­te­ri­sie­ren: „das hier macht lala­la und ver­sen­det sich“ punkt.

sei­nem spiel­trieb hat er dabei rei­lich frei­en lauf gelas­sen – oft wünscht man sich nichts sehn­li­cher, als den gebrauch der ver­nunft und des ver­stan­des durch den autor. ich muss dann aller­dings auch zuge­ben, dass es nicht ganz so schlimm ist, wie sich das hier jetzt lesen mag. und dass trotz allem geme­cker auch ein paar net­tig­kei­ten dabei sind. und zwar vor allem da, wo die poe­ti­sche beschrei­bun­gen ein gleich­ge­wicht mit den bana­li­tä­ten des all­tags, denen sich peter licht so ger­ne wid­met, auch sprach­lich ein­ge­hen. und außer­dem lässt sich gene­rell beob­ach­ten: eine gewis­se leich­tig­keit, ein schwe­ben, – fast wie in der schwe­re­lo­sig­keit – die schwer­kraft ist ja, dar­auf hat peter licht bereits frü­her hin­ge­wie­sen – über­flüs­sig – im welt­raum geht’s ja auch ohne sie…

aber trotz­dem: im gesam­ten scheint mir das doch eben genau die art von bedeu­tungs­schwan­ge­rem gerau­ne und pseu­do­in­tel­lek­tu­el­ler pseu­do­kunst zu sein, die mir den pop in sei­ner ein­fa­chen form der gegen­wart so oft so sehr ver­lei­det. ist das jetzt womög­lich ein deut­sches phänomen?

porno-pop noch einmal

so, jetzt ist auch der rest des ban­des bewäl­tigt – mit durch­aus zwie­späl­ti­gen ein­drü­cken. aber wie soll­te es bei einem sam­mel­band auch anders sein. der anfang war ja sehr viel­ver­spre­chend, der rest aller­dings lei­der nicht immer genau­so span­nend. clau­dia gehr­ke hat einen etwas wir­ren erfah­rungs­be­richt (rot­käpp­chen und die por­no­gra­fie) bei­gesteu­ert, in dem sie von der publi­ka­ti­on „mein heim­li­ches auge“ berich­tet und den schwie­rig­keit des umgangs damit, was ins­be­son­de­re an der schwie­rig­keit einer kla­ren (juris­ti­schen) defi­ni­ti­on von por­no­gra­phie liegt. jörg met­tel­man hat in fle­sh for fan­ta­sy. das por­no-pop-for­mat dage­gen sehr schön die kon­stan­ten und vari­an­zen des por­no her­aus­ge­ar­bei­tet, ins­be­son­de­re auf theo­re­ti­scher ebe­ne recht erquick­lich. er beob­ach­tet dabei neben ande­rem vor allem den ver­lust der erre­gung, die mit dem obs­zö­nen und sei­ner über­schrei­tung ver­bun­den war. die hin­wen­dung zur kunst voll­zieht zunächst hol­ger liebs, der in spul mal vor, alter vor allem die gegen­sei­ti­ge befruch­tung von kunst und por­no­gra­fie in den blick nimmt – nicht sehr span­nend, weil nicht beson­ders viel dabei her­aus kommt. kath­rin rög­g­la ver­zwei­felt dann an ihren figu­ren, die ficken wol­len, wenn sie nicht sol­len bezie­hungs­wei­se umge­kehrt und so wei­ter… die­mar schmidt nimmt in zwi­schen den medi­en die trans­me­dia­li­tät als por­no­gra­phi­sche bewe­gung (und die por­no­gra­phie als inter­me­dia­le unter­neh­mung) mit bezug auf schnitz­lers traum­no­vel­le und kubricks anleh­nung, eyes wide shut, in den blick. das schien mir aber vor allem kuri­os, nicht ganz klar ist mir gewor­den, war­um er so dar­auf beharrt, dass inter­me­dia­li­tät ein por­no­gra­phi­sches phä­no­men sei. dem rap wen­det sich flo­ri­an wer­ner mit „por­no­gra­phy on wax“? zu. schlüs­sig unter­sucht er rap-tex­te, ins­be­son­de­re von emi­nem, auf den vor­wurf der por­no­gra­phie (ins­be­son­de­re natür­lich im zusam­men­hang mit der mut­ter­be­schimp­fung) und erkennt sie als im grun­de als auf­klä­re­ri­sche por­no­gra­phie: ankla­ge und stil­mit­tel zugleich, gefan­gen in der ambi­gui­tät des under­dogs im main­stream etc… und sven­ja flaß­pöh­ler ver­sucht mit shake your tits!, die rol­le der frau bzw. ihrer stel­lung zwi­schen mensch und sex-objekt in diver­sen schat­tie­run­gen anhand der bei­spie­le madon­na, chris­ti­na agui­lera und brit­ney spears zu beleuch­ten. aber das bleibt ziem­li­ches wischi-waschi…

pop­theo­rie, pop­dis­kurs und pop­krik­tik sind schwer ver­min­te und hef­tig umkämpf­te zonen. auch beh­rens spart nicht mit deut­li­chen wor­ten und har­ten atta­cken vor allem in rich­tung jour­na­lis­mus, aber auch pro­du­zen­ten und kon­su­men­ten bekom­men ihren teil ab. „das reden über pop ist bis­wei­len mehr pop als das, wor­auf es gerich­tet ist“ – die gna­den­lo­se per­for­ma­ti­ve selbst­be­züg­lich­keit des pop-sys­tems ist sein aus­gangs­punkt – und das in wei­ten tei­len immer noch ekla­tant naï­ve reden über pop­p­hä­no­me­ne, die genau die­sen umstand nicht erken­nen kön­nen und wol­len. dazu gehört für beh­rens auch die man­gel­haf­te beob­ach­tung und erkennt­nis der ver­flech­tung von markt und pop, von pro­duk­ti­ons- und kon­su­ma­ti­ons­be­din­gun­gen: „zur dies­kur­si­ven struk­tur gehört aller­dings, daß die­sem pro­du­zen­ten­da­sein, also der ver­flech­tung im kru­den öko­no­mi­schen zusam­men­hang kauf auf­merk­sam­keit geschenkt wird.“ – „pop erscheint als ein außen­raum inner­halb des kapi­ta­lis­mus“, eine posi­ti­on die beh­rens nicht befrie­di­gen kann. denn er ver­sucht doch, genau die­ses desi­de­rat ein­zu­ho­len und den pop als poli­tisch-gesell­schaft­li­ches phä­no­men wenn nicht zu ret­ten (weil er nur das schei­tern des pro­jek­tes attes­tie­ren kann), so doch immer­hin zu durch­leuch­ten und zu verstehen.

dazu kommt ein wei­te­rer fak­tor, der das den­ken und reden/​schreiben über bzw. in pop bestimmt (und der immer wie­der, etwa von died­rich died­rich­sen, reflek­tiert wur­de und wird): der zusam­men­hang zwi­schen pop und posi­ti­vis­mus: „der pop recht­fer­tigt dne posi­ti­vis­mus und der posi­tiv­si­mus recht­fer­tigt den pop“, das, was man auch als authen­ti­zi­täts­fal­le bezeich­nen könn­te: „jeder zugang, jedes urteil steht und fällt mit dem beweis, dabei­ge­we­sen zu sein. wer nicht da war, kann nicht mit­re­den.“ egal wie fein man pop nun also in sze­nen, grup­pen, fel­der dif­fe­ren­ziert: „pop ist wesent­lich eine bestimm­te umgangs­form mit musik im kapi­ta­lis­mus.“ und dann wird es wirk­lich schwie­rig, denn anschluss an die poli­ti­sche kraft des pop zu garan­tie­ren oder gar sei­ne sub­ver­si­tät zu bestim­men, denn es bleibt ein­fach immer dabei: „wesent­lich ist das geschäft der pop­mu­sik eines von reklame“.

beh­rens schlägt dann noch eine wei­te­re schlei­fe, von die­sem punkt des posi­ti­vis­mus oder der sub­jekt-zen­trier­ten authen­ti­zi­täts­fal­le: „pop ist ver­spä­te­te spät­ro­man­tik“ – auch wenn ihm hier, gera­de in der par­al­le­li­sie­rung mit der „kunst“-musik, eini­ge unge­nau­gi­kei­ten und feh­ler unter­lau­fen. doch dadaurch ist nund klar: „am ende der bür­ger­li­chen kunst­mu­sik steht der pop: eine sub­jek­ti­ve inner­lich­keit, der alles sub­jek­ti­ve genom­men ist“.

da nun aber auch zu beboach­ten ist: „der affir­ma­ti­ve cha­rak­ter der pop­kul­tur tritt […] nicht prä­ven­tiv [wie in der kul­tur des bür­ger­tum, als schutz vor den eige­nen wider­sprü­chen], son­dern aggres­siv auf.“ und weil pop das leben gna­den­los mit der kunst ver­mischt und zwar in dem sin­ne, das er pro­kla­miert, „das leb­ne zum kunst­werk erhe­ben zu kön­nen“ – ver­schwin­det pop in der kul­tur­in­dus­trie. die weni­gen räu­me der sub­ver­si­on kann er dann aller­dings auch nicht mehr nut­zen: „die sub­ver­si­on, die hier statt­fin­det, hat sich je schon mit ihrem platz abge­fun­den; sie schlägt des­halb so leicht vom poli­ti­schen ins ästhe­ti­sche um, weil ihr poli­tik­ver­ständ­nis künst­le­risch gemeint war“. pro­ble­ma­tisch wird dann vor allem, dass die „sub­ver­si­ve indi­vi­du­al­ti­ät des pop­sub­jekts unter­stellt wird“, die doch eigent­lich erst das ende der sub­ver­si­on sein könn­te. das ist es, was beh­rens dann in aller schär­fe als die „ideo­lo­gi­sche lüge im rebel­li­schen pro­gramm“ ver­or­tet: pop und sub­ver­si­on bil­den so einen schö­nen zirkel.

„der pop rea­li­siert in sei­nem rebel­li­ons­ge­bah­ren gleich­sam das grund­mo­tiv des jugenstils: ‚das träu­men, man sei erwacht’ [w. ben­ja­min, pas­sa­gen-werk].“ – „gleich­wohl bricht alle sub­ver­si­on im pop nicht nur am schei­tern sol­cher sub­jek­ti­vi­tät, son­dern auch an ihrem drän­gen und ihrer not, die uto­pi­sche in der musik noch nach­hallt. davon möcht sich der [.…] pop frei­ma­chen, weil alles ver­spre­chen, was noch nicht mit den monatl­ci­hen neu­erschei­nun­gen abge­gol­ten ist, als geschäft­s­chä­di­gend gilt.“ – und so scheint mir die ein­zi­ge mög­lich­keit, über pop heu­te über­haupt noch gewinn­brin­gend nachzudenken.

roger beh­rens: die raving socie­ty frißt ihre kin­der. anmer­kun­gen zum zwei­ten jugendstil.

porno-pop oder wem gehören die töchter?

heu­te mor­gen beim umsta­peln der unge­le­se­nen bücher gefun­den: jörg metel­mann (hrsg.): por­no-pop. sex in der ober­flä­chen­welt. würz­burg: königs­hau­sen & neu­mann 2005. und gleich mal den ers­ten auf­satz gele­sen: cle­mens porn­schle­gel (die kalau­er zum namen ver­bie­te ich mir jetzt mal…): wem gehö­ren die töch­ter? zum sexu­el­len macht­an­spruch der konsumgesellschaften.

porn­schle­gel macht ein paar gute punk­te zur „ver­wand­lung des weib­li­chen kör­pers in eine ware und die dar­aus fol­gen­de pro­no­gra­fi­sie­rung der kon­sum­ge­sell­schaft“ (18) auf: „was als sexu­el­le befrei­ung und fort­schritt auf­tritt [näm­lich die ver­fü­gungs­ge­walt der frau­en über ihren kör­per und die selbst­ver­ständ­lich­keit, mit der sie ihn prä­sen­ta­bel machen/​halten und prä­sen­tie­ren], ent­puppt sich als frei­set­zung des weib­li­chen kör­pers für den uni­ver­sa­len markt und die ent­spre­chen­de zir­ku­la­ti­on.“ – die fol­ge­rung dar­aus ist klar: „das mäd­chen, das sein ver­füh­rungs­po­ten­zi­al nicht her­zeigt, mit string, push-up und top, ver­kauft sich bekannnt­lich unter wert.“ (17) und ver­stößt damit gegen die regeln des hei­li­gen mark­tes, auch wenn das gan­ze von libe­ra­lis­ten etc. natür­lich als gran­dio­se errun­gen­schaft der per­sön­li­chen frei­heit der frau apo­stro­phiert und gefei­ert wird.

von dort aus ist es für porn­schle­gel dann ein leich­tes, das isla­mi­sche kopf­tuch zu deu­ten – und vor allem den vehe­men­ten wider­spruch der femi­nis­tin­nen etc. gegen das tra­gen eines sol­chen. denn „die ver­hül­lung bedeu­tet eine absur­de sexu­el­le ‚nicht­zu­gäng­lich­keit‘“ – „man kann die frau nicht haben“ (19) – und das wider­spricht natür­lich allen regeln des ubi­quä­ren marktes.

inter­es­sant wird es aber, wenn porn­schle­gel noch einen schritt wei­ter geht: das kopf­tuch ent­zieht sei­ne trä­ge­rin dem markt „und steht damit natür­lich auch dem prin­zip der gren­zen­lo­sen nach­fra­ge im weg, mit ande­ren wor­ten: der frei­heit“ (20). und des­halb ist es, psy­cho­ana­ly­tisch gedeu­et, nicht anders als „ein gro­ßes, has­sens­wer­tes vater­ge­spenst“ (20), gegen das man – fast reflex­hat – ankämp­fen muss.

der zwei­te teil sei­nes auf­sat­zes ver­schränkt das dann mit der beob­ach­tung und beschrei­bung des (sex-)marktes in michel hou­el­le­becqs platt­form, in dem porn­schle­gel vor allem die beschrei­bung der welt erkennt: „jedes ande­re sub­jekt wird von vorn­her­ein auf ein kon­sum­gut redu­ziert“ (23), der roman zeigt „den zusam­men­hang zwi­schen kon­sum­öko­no­mie und uni­ver­sa­ler pro­sti­tu­ti­on“ (23) – und damit nach porn­schle­gel auch den ver­lust der wün­sche. denn wenn alles nur noch kon­su­mier­bar ist, alles nur noch auf kon­sum redu­ziert und bezo­gen wird, bleibt der wunsch immer außen vor – „das objekt des wun­sches ist nicht kon­su­mier­bar“ zitiert er dazu miche­la marzano.

mal sehen, ob der rest des ban­des genau­so inter­es­sant ist…

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