Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Kategorie: pop

was ist pop?

die ewige frage, wahrschein­lich eh‘ nicht wirk­lich umfassend und zufrieden­stel­lend zu beant­worten… aber stellen muss man sie halt doch immer wieder, son­st kommt man ja gar nicht voran, beim nach­denken über phänomene des pop. dass pop mehr ist als charthits und main­stream-pop­musik der seicht­en sorte, inklu­sive ihrer kul­turindus­triellen, mark­tkap­i­tal­is­tis­chen ver­w­er­tung­sorgien und mar­ket­ingkam­pag­nen, ist ja inzwis­chen hof­fentlich den vernün­fti­gen (!) klar. aber was ist pop dann? wal­ter grasskamp, michaela krützen und stephan schmitt haben beim fis­ch­er-taschen­buch-ver­lag einen kleinen band mit „zehn ver­suchen“ (so der unter­ti­tel) zur posi­tions­bes­tim­mung des pop in den ver­schiede­nen kul­turellen feldern her­aus­gegeben. damit ist auch schon deut­lich, was ein großes manko an diesem büch­lein ist: inhalt und titel passen gar nicht so gut zusam­men. was pop als solch­er und über­haupt ist, weiß man hin­te­nach näm­lich immer noch genau­so wenig wie vor beginn der lek­türe. das hat wohl auch mit der entste­hung des ban­des zu tun. ent­standen ist der näm­lich aus ein­er gemein­samen vor­lesungsrei­he der drei münch­n­er kun­sthochschulen (akademie, hochschule f. film & fernse­hen, hochschule für musik & the­ater), die einige mehr oder weniger berufene gas­tred­ner ver­sam­melte, deren texte hier vor­liegen.

in der ein­leitung wen­det sich der her­aus­ge­ber grasskamp auf für mich reich­lich befremdliche weise gegen die ver­meintlich erstark­ende, „ein­flussre­iche neuer schule“ (11) der „posi­tion der the­o­riefeindlichkeit“. ich weiß nicht, ob ich das ziel richtig iden­ti­fiziert habe… aber wenn, dann scheint mir grasskamp hier doch sehr, sehr weit zu sim­pli­fizieren. und von einem sehr aus­gewählten, typ­isch kun­st­geschichtlichen stand­punkt aus zu urteilen. denn natür­lich, das wer­den die hier ange­grif­f­en in der regel selb­st zugeben, ist the­o­rielosigkeit ein schw­eres manko. aber die frage ist eben, ob sie immer so the­o­rie­los sind, wie es – zugegeben – leicht den anschein hat. wom­it sie aber unbe­d­ingt recht haben, ist die tat­sache, dass pop sich auch darin von „herkömm­lichen“, ander­ern kul­tur­man­i­fes­ta­tio­nen der­art unter­schei­det, dass die üblichen, in den kunst‑, lit­er­atur und kul­tur­wis­senschaft entwick­el­ten instru­mente der erforschung, die hermeneutis­chen ver­fahrung, das hier prak­tizierte bemühen um ver­ständ­nis, nicht aus­re­ichen, den pop in sein­er spez­i­fis­chen form zu erfassen und zu ver­ste­hen. möglich ist, dass sie hil­fre­ich sein kön­nen, aber mit ihnen allein wird ein wirkl­ci­h­es ver­ständ­nis der pop­phänomene kaum gelin­gen. dazu kommt natür­lich auch noch die schlichte tat­sache, dass vieles, was – nicht nur in meinem ver­ständ­nis – auch und noch pop ist, über­haupt nur zu find­en, wahrzunehmen ist, wenn man mehr oder weniger stark im und mit dem pop lebt. wenn das dann alles in die arbeit über den pop ein­fliesst (die selb­st evtl. sog­ar wieder zum pop wer­den kann…), muss man noch lange nicht „urbaner bar­bar“ sein, wie grosskamp unter­stellt.

aber weit­er zum rest: was sehr schnell beim lesen auf­fällt und was mich ziem­lich gen­ervt hat: pop ist hier zunächst mal pop-art. und son­st kaum etwas. selb­st die eigentliche pop-musik kommt erst später zu wort. von der poplit­er­atur (welch­er auch immer) ganz zu schweigen, die fällt mal ein­fach so kom­plett unter den tisch… rudolf zwirn­ers auf­satz „pop art in den usa“ ist denn auch ein tota­laus­fall, falls man sich davon irgend eine antwort auf die frage „was ist pop?“ erhoffte. hier gibt es nur einen kurzen, sub­jek­tiv­en abriss der pop-art eines zeitgenossen. neben der pop-art noch sehr dom­i­nant in den meis­ten tex­ten: das kreisen um die (un-)möglichkeit der unter­schei­dung zwis­chen „hoher“ und „nieder­er“ kun­st (wobei pop natür­lich, ganz umstand­s­los und reflek­tions­frei, der let­zteren zuge­ord­net wird).

so, weit­er geht es mit boris groys und dem „pop-geschmack“. den verortet groys im gespür und inter­esse für die zahl: dem pop­per gefällt, was vie­len gefällt… ist auf den ersten blick vielle­icht ein­leuch­t­end, aber dann ins­ge­samt doch irgend­wie blöd und falsch. denn für solch einen pop-geschmack gibt es ja nur noch main­stream. und alles, was nicht main­stream ist, wäre dann kein echter, richtiger, guter, … pop. nun ja, da bin ich besseres von groys gewohnt. immer­hin gibt es ein paar licht­blicke. ein paar richtige ein­blicke. z.bsp., wenn er beobachtet: „in diesem sinne ist der pop-geschmack eine fort­set­zung, eine fortschrei­bung des avant­gardis­tis­chen geschmack­es. der pop-geschmack kon­sti­tu­iert sich näm­lich dadurt, dass er den kom­men­tar, d.h. die worte, durch zahlen erset­zt.“ (101) „die pop-sen­si­bil­ität ist näm­lich so kon­stru­iert, dass ihr träger im primären akt der wahrnehmung eines kunst­werks die zahlen sein­er ver­bre­itung mit wahrn­immt, mit­fühlt, mit­denkt.“ (101f.) beim lesen dieser pas­sagen kom­men mir dann doch zweifel – möglicher­weise hat groys doch so unrecht gar nicht (was aber fraglich bleibt: seine auss­chließliche fundierung des pop-geschmacks auf den zahlen – da spielt sich­er noch mehr mit…). denn kurz darauf heißt es sehr richtig: „der pop-geschmack ist […] ein reflek­tiert­er geschmack – er nimmt nicht nur das kunst­werk, son­der auch seinen kon­text wahr und beurteilt bei­de gle­ichzeit­ig.“ (102) – beim abtip­pen fällt mir ger­ade doch noch etwas deut­lich pos­i­tives an diesem auf­satz und dem ganzen band auf: pop wird ohne zweifel als kun­st (an)erkannt. selb­st das ist ja heute nicht selb­stver­ständlich… aber weit­er zu groys: die verbindungslin­ien, die er zwis­chen avant­garde und pop zieht, geben zu denken. denn die kom­men­ta­tive rezep­tion ist nur ein teil. bei­de verbindet außer­dem der ver­lust der geschichte und der massen, sowie ein sig­nifikan­ter ortswech­sel: „als ort der pro­fes­sionellen kun­st fungiert heute also nicht mehr das muse­um, son­dern die sta­tis­tik.“ (105) das prob­lem freilich bleibt: so wahr das an sich ist, groys übertreibt in der ver­ab­so­lu­tierung dieses fak­tums. deshalb mis­chen sich auch immer wieder selt­same und falsche state­ments unter den text – ein beispiel: „der pop-kon­formis­mus ist dage­gen ein glob­alkon­formis­mus – er ori­en­tiert sich an glob­alen infor­ma­tions­flüssen, die ihm die infor­ma­tio­nen darüber ver­mit­teln, was für die großen mehrheit­en in der großen außen­welt als ange­sagt gilt.“ (108) so weit mal dazu, das kom­men­tiere ich jet­zt mal nicht weit­er…

auf groys fol­gt ein ken­nt­nis­re­ich­er auf­satz des musik­wis­senschaftlers (vom berlin­er insti­tut für pop­uläre musik) peter wicke: sound­tracks. pop­musik und pop-diskurs. immer­hin ein­er, der gemerkt hat, dass der begriff „pop“ nicht von der pop-art erfun­den wurde. enjott schnei­der erzählt dage­gen in meinen augen viel blödsinn, was die rolle und den charak­ter des films ange­ht – aber da kenne ich mich kaum noch aus … lorenz engell liefert dage­gen eine schlüs­si­gen, inter­es­san­ten beitrag zum tv-pop, in dem er drei prinzip­i­en des fernse­hens und dessen entwick­lungsübergänge mit den phänomen des pop kurz­schließt und zu erk­lären ver­sucht – ein ansatz, der dur­chaus charme hat. michaele krützen führt das dann in ein­er detail­studie zu mtv und deren video-music-award, das tre­f­fen von madon­na, spears und aguil­era im zeichen des pop und des events, des tv und seinen pseu­do-events sowie den pseu­do-events zweit­er ord­nung fort. den abschluss schließlich macht ulf poschardt, hier noch kein fdp-anhänger, der erstaunlich tre­f­fend pop als „öffentlich­es gesicht“ zu beobacht­en ver­sucht, als (möglichkeit der) iden­tität­skon­sti­tu­tion, wie er sie in erster lin­ie anhand von pop-videos nach­weist. das ganze untern­immt er v.a. vor dem hin­ter­grund der virtuellen real­ität der maschi­nen, des com­put­ers, die zur visuellen fälschung des gesichts als zeichen der iden­tität führt. damit ist natür­lich ein prob­lem offen­sichtlich: das ver­schwinden der iden­tität, das pop rev­i­dieren sollte, ist zugle­ich auch ein teil des pop – als reak­tion auf dieses prob­lem. „iden­tität bleibt so dog­ma­tisch, als sowieso kon­stru­iert, in der möglichkeits­form haf­tend.“ (254). das ist zwar ein­leuch­t­end und wahrschein­lich auch richtig und wahr, erk­lärt aber immer noch nicht: „was ist pop?“ das frageze­ichen bleibt munter ….

ja ja, diese jugend …

was machen wir bloß mit der …, wohin soll die ewig par­ty und das ständi­ge abhän­gen nur führen? das muss doch endlich – und zwar ganz gewaltig bald – im total­en absturz, im endgülti­gen nieder­gang und chaos deutsch­lands enden. joachim lottmann schlägt sich damit ja immer wieder gerne rum: die jugend von heute. ihr zus­tand, ihre pläne, ihr benehmen, ihre orte, ihre musik, ihre was-auch-immer… lassen ihn auch im mit­tler­weile recht fort­geschrit­te­nen alter nicht los. das ist immer etwas erk­lärungs­bedürftig, und das weiß lottmann auch sehr genau. nur kann oder will er es nicht recht klar machen, warum sein erzäh­ler immer noch den jun­gen leuten hin­ter­her­hechelt, in ihnen immer noch die erlös­er vom all­t­ag sucht.das gilt natür­lich für kein text weniger als für „die jugend von heute“mischung aus rainald goetz auf der einen und ben­jamin lebert sowie stuck­rad-barre auf der anderen seite. nur eben bei weit­em nicht so kon­se­quent wie goetz (auch lange nicht so fähig zur analyse), aber lei­der auch nicht so leicht und harm­los wie die anderen pseu­do-pop­per. deshalb bleibt das weit­ge­hend indif­fer­ent und nichtssagend – egal, von welchem blick­winkel aus man das büch­lein betra­chtet.

vor allem aber ist es eine fund­grube für lust­barkeit­en und schöne aussprüche, die ich zwar ger­ade abgetippt hat­te, die mir word­press aber jet­zt geklaut hat und die deshalb hier nicht mehr ste­hen. überig geblieben ist nur:

  • „unser kul­tur, also die jugend­kul­tur, war erken­nt­nisim­mun.“ (81)
  • „diese ganze musikin­dus­trie war für kinder gemacht, für men­schen zumin­d­est, die noch niemals vom baum der erken­nt­nis genascht hat­ten und es auch nie tun wür­den.“

jolo (wie der autor seinen stel­lvertreter, die erzäh­ler­fig­ur im buch nen­nt) würde sich wahrschein­lich krumm und scheck­ig lachen über all die, die diesen text auf irgend eine art und weise ernst nehmen… – vor satire- und ironiemerk­malen wim­melt es ja nur so im text…

man kön­nte ihn natür­lich einen bor­der­line-jour­nal­is­ten nen­nen, aber das wäre blödsinn. denn damit würde man lottmann natür­lich vol­lkom­men missver­ste­hen – was lottmann wiederum freuen würde, denn genau darauf spekuliert er ja, darauf legt er es an. es geht natür­lich um etwas anderes: wahrheit – was ist das? eine über­flüs­sige, anachro­nis­tis­che, in die irre führende idee, deren haupt­man­gel es naturgemäß ist, dass sie mit der wirk­lichkeit nicht zurande kommt, nichts mit dem erleben des lebens, dem „wahren“ leben also (ha, was für ein witz…) ein­fach keine verbindung mehr einge­hen kann. bzw. möglicher­weise eh‘ nie kon­nte… er selb­st for­muliert das dann so: „Die Jugend von heute hat einen erweit­erten Wirk­lichkeits­be­griff. […] Meinen. Sie glauben an nichts mehr, also an alles. Sie unter­schei­den nicht zwis­chen wahr und unwahr oder gut und böse. Sie däm­mern einem offe­nen Zukun­fts­feld ent­ge­gen. Wo andere noch eine Schädeldecke haben, hat die Jugend von heute eine weit offene Tür. So ein crazy Lottmann-Text kommt da ger­ade recht.“
(aus der taz, wo holm friebe, der als chef­denker der zen­tralen intel­li­genz-agen­tur auch mehrfach im text auf­taucht, dann dazu meint: “Alles Teil der Lottmann’schen Ver­schleierungstak­tik.”)

das prob­lem mit lottmann ist halt nur, dass er damit über­haupt nicht weit kommt. ihm fehlt ein­fach nicht nur die ana­lytis­che schärfe, son­dern auch die gestal­ter­ische kraft, die fähigkeit des formes unter ästhetis­chen gesicht­spunk­ten – da hat ihm halt ein autor wie rainald goetz (übri­gens in bei­den kat­e­gorien) einiges voraus … er selb­st sieht das (vgl. taz-bericht) nicht als nachteil: als „eth­nologe“ schreibe er eben nur auf, ohne wer­tung. das ist freilich schon wieder blödsinn, denn etwas auf­schreiben ohne wer­tung – wie soll das denn gehen? er hätte halt bess­er mal bei hubert fichte nach­le­sen sollen, wie so etwas ausse­hen und (sog­ar unter ver­schiede­nen gesicht­spunk­ten) funk­tion­ieren kann. olaf karnik bewun­dert das dann: „sein umher­schweifend­es Schreiben, seine unver­frorene Aufze­ich­nung banaler All­t­ags­beobach­tun­gen, motiviert von keck­er Selb­ster­mäch­ti­gung.“ aber das sind auch wieder nur leere hülsen: was ist an der aufze­ich­nung, die natür­lich über­haupt keine reine aufze­ich­nung ist, so unver­froren? und was ist an der selb­ster­mäch­ti­gung (mal abge­se­hen davon, dass die wohl jed­er autor aufzuweisen hat…) so keck? immer­hin ist das noch tre­f­fend­er als die behaup­tun­gen auf single-generation.de. “Mit seinem neuen Buch wird er zum Avant­gardis­ten des Anti-Pop.” ste­ht da – aber stimmt das? nein, denn er bleibt natür­lich pop. nur ist der pop halt nicht mehr der der 80er – das kann man bedauern oder feiern, aber es ist halt ein­fach so…

joachim lottmann: die jugend von heute. köln: kiepen­heur & witsch 2004.
eine web­seite zum buch gibt es auch, freilich fast ohne inhalt, dafür mit film­chen: www.young-kraut.de

sting: songs from the labyrinth

oh mein gott, wie kon­nte das nur passieren. wer hat nur zuge­lassen, dass diese auf­nah­men an die öffentlichkeit gelangten: sting ver­sucht john down­land zu sin­gen. und so sehr ich (bish­er) sting mochte und auch noch mag — ger­ade kür­zlich erst wieder in erin­nerung gerufen durch den auf dimead­ozen ver­füg­baren mitschnitt des genialen konz­ertes „the art of the heart” in los ange­les — , auch wenn seine let­zten cds zunehmend schwäch­er wur­den (soweit sie aus dem stu­dio stammten, live ist er irgend­wie dann doch immer bess­er geblieben), naja, jeden­falls, was ich sagen wollte: eigentlich bin ich sting ganz pos­i­tiv zuge­tan. aber das geht ja nun gar nicht: er ver­sucht, laut­en­lieder von john down­land zu sin­gen. dum­mer­weise hat er mit­tler­weile fast über­haupt keine stimme mehr, falls er sie je hat­te. und das wird dann wirk­lich grotesk, wenn ein musik­er wie sting verzierun­gen, melis­men der barockzeit singt: absur­dere auf­führun­gen lassen sich ja kaum noch denken.

was mich aber noch mehr erschreckt: die cd ist bei der deutschen gram­mophon gesellschaft erschienen. das war ein­mal eine respek­table fir­ma — man denke nur daran, was sie mir der „archiv-pro­duk­tion” für die his­torisch informierte auf­führung­sprax­is getan hat! — , ein solides unternehmen der klas­sik-branche. wie die meis­ten großen haben sie aber nicht verkraftet, dass weniger leute ihre cds kaufen (wollen, kaufen wollen wer­den, was auch immer): die drehen da in ihren büros wohl inzwis­chen vol­lkom­men am rad … wenn ich mir vorstelle, was die jet­zt schon so zusam­menge­braut haben — ich sage nur „re-com­pose”… lustig ist das nur insofern, als es doch ger­ade so fir­men wie die dgg waren, die ein­mal so etwas wie cor­po­rate iden­ti­ty erfun­den haben (die gel­ben etiket­ten z.b.) — das alles ist längst ver­schwun­den, jet­zt herrscht fröh­liche anar­chie nach den geset­zen des mark­tes. oder was man dafür hält. denn sie scheinen nicht zu ver­ste­hen (wollen), dass es vielle­icht gar nicht so schlimm sein muss, dass man von ein­er einzi­gen cd keine hun­der­tausende exem­plare abset­zen kann. es gibt ja doch genug fir­men, die vor­ma­chen, dass man auch mit ver­gle­ich­sweise kleinen aufla­gen gutes geld ver­di­enen kann …

naja, soviel zur pro­duk­t­poli­tik der dgg — ich habe schon sehr lange keine cd mehr von ihnen gekauft, fällt mir ger­ade ein. zur sting-cd will ich gar nicht viel sagen. dass er halt nicht so richtig gut sin­gen kann — geschenkt. dass er aber unbe­d­ingt im mehrspurver­fahren seinen eige­nen chor spie­len muss — lächer­lich. dass er das ganze mit der — grauen­haft unter­mal­ten — lesung von briefz­i­tat­en aufzu­pep­pen müssen meint — auch so eine ver­fallser­schei­n­ung. nie­mand traut da bei den zuständi­gen leuten der musik mehr. und den käufern, den zuhör­ern, sowieso nicht: mir sieht das schw­er danach aus, als wolle man damit soge­nan­nte bzw. so emp­fun­dene „pop”-kunden zur klas­sik hinüberziehen. ob das mit so ver­queren pro­duk­ten, so mis­s­rate­nen auf­nah­men, die ja jedem klas­sikhör­er die zehen­nägel hochrolle, gelingt, bezweifel ich doch sehr. das einzige, was man diesem zeug mit viel gutem willen zugute hal­ten kann, ist der hauch von authen­tiz­ität, den sting halt auch in seinen schlecht­esten momenten noch ver­strö­men zu ver­mag: er ist ja nicht umson­st der pop-star gewor­den, der er ist — dazu gehört eben dur­chaus nicht zulet­zt auch eine ordentliche por­tion charis­ma. und ein klitzek­lein­er rest ret­tet sich manch­mal sog­ar in die down­land-lieder (die, noch neben­bei bemerkt, auch klangtech­nisch nicht beson­ders gut aufgenom­men sind). die einzige empfehlung: das reine laut­en­stück „for­lon hope fan­cy”. anson­sten durch­hören und schnell wieder vergessen.

einige der hier mis­shan­del­ten lieder gibt es auch ganz ordentlich in der bei zweitausendeins ver­triebe­nen edi­tion lied — nur so als hin­weis…

sting: songs from the labyrinth. lieder von john down­land. mit edin kara­ma­zov (laute). deutsche gram­mophon 2006.

dreckig oder sauber? peaches’ drittes album “impeach my bush”

in der spex ein grauen­haft text über oder bess­er gesagt neben das album (das näm­lich kaum vorkommt). aber immer­hin schafft er es, mich dann doch zum hören zu inspiri­eren — was denn so einen krieg der begriffe, so ein schlag­wort­ges­tam­mel heutzu­tage noch aus­lösen kann, will ich schon wis­sen: peach­es: impeach my bush. das ist, da muss man natür­lich fair sein, trotz allen gere­des zunächst ein­mal eine pop‑, d.h. elek­trop­unk oder so ähn­lich, plat­te. und als solche ist sie ziem­lich erfol­gre­ich. die zeit hat peach­es mal die „punk­in­spiri­erte gen­der-the­o­retik­erin” genan­nt, weil sie so schön spielerisch auf den entsprechen­den vorurteilen, stereo­typen und kon­struk­ten herum­spielt, sie lächer­lich macht und das ganze schön gekon­nt per­for­ma­tiv vor­führt. vor allem ist das aber (lei­der) viel weniger poli­tisch als ich hoffte, und auch viel weniger kri­tisch oder gen­der-the­o­retisch — aber ich bin ja sowieso immer mehr der überzeu­gung, dass kun­st und ins­bes. pop nur bed­ingt für solche dinge geeignet sind — und ger­ade wenn sie es ganz feste wollen, klappt es meis­tens über­haupt nicht — wed­er inhaltlich sozusagen noch kün­st­lerisch. das ist bei peach­es wenig­stens insofern anders, als impeach my bush nach kri­te­rien des pop ziem­lich gut zu funk­tion­ieren scheint — und gar nicht so wenig spaß macht. — songs wie „tent in your pants” oder „slip­pery dick” kön­nen dur­chaus mit textlichem und musikalis­chem witz aufwarten — auch wenn mir einiges schon wieder zu rock­ig (halt ein wenig elek­tro­n­is­ch­er ver­spielt und kon­stru­iert) wird. schön ist freilich auch die wen­dung in der kurzen ein­leitung der cd, „fuck or kill”: „i’d rather fuck who i want, when kill who i told to” — klar, das wür­den wohl die meis­ten von uns. aber was fol­gt daraus? außer­dem: beson­ders dreck­ig ist das alles gar nicht mehr — genau das ist ja das alles läh­mende prob­lem des pop: sub­ver­sion ist in diesem feld nicht mehr möglich (vgl. dazu behrens’ auf­satz), und schon gar nicht „rev­o­lu­tion” — auch wenn peach­es das behaupten mag: „die rev­o­lu­tion kann jet­zt auf ganz­er ebene los­ge­hen.” (ste­ht so in der spex vom juli). denn auch „als infil­trierung ver­standenes enter­tain­ment” (ebd.) ist eben enter­tain­ment und kommt da — in der regel — nicht mehr lebend her­aus: auch peach­es ist insofern nur eine marke. und die ist zwar noch nicht ganz so klin­isch rein wie viele andere auf dem glob­alen markt der selb­stverkäufer, aber so richtig dreck­ig auch nicht (mehr). intere­sant übri­gens, dass die berlin­er zeitung das viel bess­er ver­standen hat als die spex: da heißt es näm­lich: „Das ist alles ehren­haft. Als ern­st­ge­mein­ter Diskurs­beitrag wirkt die Sex­erei jedoch über­holt. Schließlich gibt es für jed­wede sex­uelle Präferenz eine coole Vor­abend­serie; und die Ubiq­ui­tät der Pornogra­phie, ob in enzyk­lopädis­chen Fetis­chsparten im Netz, in Konzep­tkun­st und Kun­stki­no bringt wohl außer Hard­core-Islamis­ten und christlichen Eksta­tik­ern nie­man­den mehr in Ver­legen­heit. Sich met­ro­sex­uell für den Markt herzuricht­en ist ander­er­seits vom smarten Banker zum gegel­ten Türkenkid längst zwin­gen­des Pro­gramm. Zu denken, es helfe dem Knack­en von Iden­titäts­fix­ierun­gen, wenn alle gemein­sam an alber­nen Kör­per­normierun­gen lei­den, wirkt so kurz­schlüs­sig wie die Idee, sex­uelle Machtver­hält­nisse zer­brächen, wenn man sie ein­fach umkehrt.” (berlin­er zeitung)

ist peter licht eine trübe tasse?

ich bleibe jet­zt ein­fach mal bei der früheren schreib­weise als nor­maler name. obwohl die neue kon­trahierte form den kun­stcharak­ter dieser beze­ich­nung ja schon deut­lich­er macht. ander­er­seits war es ja ger­ade der witz, das man (zunächst) nicht wusste, wo der kün­stler aufhört und der men­sch anfängt, der den früheren peter licht inter­es­san­ter gemacht hat. auch die musik sein­er ersten bei­den alben, stratosphären­lieder und 14 lieder, hat mir bess­er gefall­en als sein aktuell­stes, die lieder vom ende des kap­i­tal­is­mus. und zwar nicht nur (aber auch ein wenig) textlich (früher: mehr witz, mehr skuril­litäten, absur­ditäten der gegen­wär­tigkeit), son­dern vor allem musikalisch — wenn peter licht so stin­knor­malen gitar­ren­pop macht, wird das ganze pro­jekt irgend­wie doch eben auch ganz nor­mal und nichts beson­deres mehr. früher war zwar nicht alles bess­er, aber seine musik hat­te den entschei­den­den kick über­drehtheit mehr, der sie inter­es­sant wirken ließ.

aber hier soll es ja eigentlich um sein buch gehen: peter­licht: wir wer­den siegen! buch vom ende des kap­i­tal­is­mus. münchen: blu­men­bar 2006. und das lässt zunächst ein­mal die üblichen befürch­tun­gen wahr wer­den: geschrieben, sozusagen schwarz auf weiß, wirkt das alles nur noch halb so gut — plöt­zlich merkt man eben, wie bil­lig und abgenutzt die wortwitzeleien in wirk­lichkeit schon sind. schwarz auf weiß ist übri­gens falsch, das buch ist in (hell-)blau (mit ein wenig blass­rot) gedruckt. und in ein­er ziem­lich katas­trophalen schrift geset­zt, mit abso­lut unmöglichen i‑ligaturen — sog­ar rück­wärts bei der verbindung gi, die einem das lesen schon fast wieder ver­lei­den. aber immer­hin kann man ja noch peter lichts kugelschreiber-gekritzel bestaunen. aber auch das gab es schon mal, in der per­fek­ten form etwa bei dieter roths tele­fonze­ich­nun­gen — wenn man sich das vor augen hält, wirkt peter licht auf ein­mal wieder wie ein ganz kleines licht (‘tschuldigung, der witz musste jet­zt mal sein).

die absolute und ganz typ­is­che all-round-ver­mark­tung hat inzwis­chen von peter licht besitz ergrif­f­en: musik, the­ater, buch, dem­nächst kommt bes­timmt noch ein kinofilm… auch seine masche mit der anonymität ist natür­lich eben nur eine masche, die bei der ökonomis­chen ver­w­er­tung hil­ft: peter­licht ist die marke, die muss erkennbar sein und sich vom rest abheben. immer­hin behauptet peter licht m.w. nicht, dass es anders sei…

was ist das also für ein buch: das ist ein nettes und hüb­sches sam­mel­suri­um: kleine erzäh­lun­gen, notate, gedanken-fund­stellen, sinnsprüche und natür­lich lied­texte (kom­plett erwartungs­gemäß die “lieder vom ende des kap­i­tal­is­mus”, aber auch andere, ältere — inklu­sive dem fast unver­mei­dlichem “son­nen­deck”, das über­raschen­der­weise zu den gelun­gen­sten seit­en dieses buch­es gehört:

“wenn ich nicht hier bin
bin ich aufm son­nen­deck
bin ich bin ich bin ich bin ich
und wenn ich nicht hier bin
bin ich aufm son­nen­deck
oder im aquar­i­um
bin ich bin ich
und alles was ist
dauert drei sekun­den:
eine sekunde für vorher eine für nach­her
und eine für mit­ten­drin
für da wo der gletsch­er kalbt
wo die sekun­den
ins blaue meer fliegen

und wenn ich nicht hier bin
bin ich aufm son­nen­deck
bin ich bin ich bin ich bin ich”

[mit den drei sekun­den hat er sog­ar mal wirk­lich recht, das haben die psy­cholo­gen ja als die unge­fähre zeitspanne der “gegen­wart” bes­tim­men kön­nen.]

daneben ste­ht aber auch etlich­es an lei­der ziem­lich ein­fältig-prim­i­tiv­en lyrik — zusam­men gemis­cht zu ein­er in jedem zeichen, in jedem banalen gekritzel bedeu­tung sug­gerieren­den mix­tur, die aber auch wieder nur leeres geblub­ber ist. das ganze dreht sich gerne immer wieder um licht & damit ver­bun­dene meta­phern. aber die zweit- oder drittver­w­er­tung sein­er ideen & gedanken, die in ihren ursprünglichen for­men — meist eben dem lied — wesentlich frisch­er & inter­es­san­ter wirken & auch sind, wie das die “trans­syl­vanis­che ver­wandte” sehr deut­lich macht, lässt sich am besten wieder mit peter licht selb­st charak­ter­isieren: “das hier macht lalala und versendet sich” punkt.

seinem spiel­trieb hat er dabei reilich freien lauf gelassen — oft wün­scht man sich nichts sehn­lich­er, als den gebrauch der ver­nun­ft und des ver­standes durch den autor. ich muss dann allerd­ings auch zugeben, dass es nicht ganz so schlimm ist, wie sich das hier jet­zt lesen mag. und dass trotz allem gemeck­er auch ein paar net­tigkeit­en dabei sind. und zwar vor allem da, wo die poet­is­che beschrei­bun­gen ein gle­ichgewicht mit den banal­itäten des all­t­ags, denen sich peter licht so gerne wid­met, auch sprach­lich einge­hen. und außer­dem lässt sich generell beobacht­en: eine gewisse leichtigkeit, ein schweben, — fast wie in der schw­erelosigkeit — die schw­erkraft ist ja, darauf hat peter licht bere­its früher hingewiesen — über­flüs­sig — im wel­traum geht’s ja auch ohne sie…

aber trotz­dem: im gesamten scheint mir das doch eben genau die art von bedeu­tungss­chwan­gerem ger­aune und pseudoin­tellek­tueller pseudokun­st zu sein, die mir den pop in sein­er ein­fachen form der gegen­wart so oft so sehr ver­lei­det. ist das jet­zt wom­öglich ein deutsches phänomen?

porno-pop noch einmal

so, jet­zt ist auch der rest des ban­des bewältigt — mit dur­chaus zwiespälti­gen ein­drück­en. aber wie sollte es bei einem sam­mel­band auch anders sein. der anfang war ja sehr vielver­sprechend, der rest allerd­ings lei­der nicht immer genau­so span­nend. clau­dia gehrke hat einen etwas wirren erfahrungs­bericht (rotkäp­pchen und die pornografie) beiges­teuert, in dem sie von der pub­lika­tion “mein heim­lich­es auge” berichtet und den schwierigkeit des umgangs damit, was ins­beson­dere an der schwierigkeit ein­er klaren (juris­tis­chen) def­i­n­i­tion von pornogra­phie liegt. jörg met­tel­man hat in flesh for fan­ta­sy. das porno-pop-for­mat dage­gen sehr schön die kon­stan­ten und var­i­anzen des porno her­aus­gear­beit­et, ins­beson­dere auf the­o­retis­ch­er ebene recht erquick­lich. er beobachtet dabei neben anderem vor allem den ver­lust der erre­gung, die mit dem obszö­nen und sein­er über­schre­itung ver­bun­den war. die hin­wen­dung zur kun­st vol­lzieht zunächst hol­ger liebs, der in spul mal vor, alter vor allem die gegen­seit­ige befruch­tung von kun­st und pornografie in den blick nimmt — nicht sehr span­nend, weil nicht beson­ders viel dabei her­aus kommt. kathrin rög­gla verzweifelt dann an ihren fig­uren, die fick­en wollen, wenn sie nicht sollen beziehungsweise umgekehrt und so weit­er… diemar schmidt nimmt in zwis­chen den medi­en die trans­me­di­al­ität als pornographis­che bewe­gung (und die pornogra­phie als inter­me­di­ale unternehmung) mit bezug auf schnit­zlers traum­nov­el­le und kubricks anlehnung, eyes wide shut, in den blick. das schien mir aber vor allem kurios, nicht ganz klar ist mir gewor­den, warum er so darauf behar­rt, dass inter­me­di­al­ität ein pornographis­ches phänomen sei. dem rap wen­det sich flo­ri­an wern­er mit “pornog­ra­phy on wax”? zu. schlüs­sig unter­sucht er rap-texte, ins­beson­dere von eminem, auf den vor­wurf der pornogra­phie (ins­beson­dere natür­lich im zusam­men­hang mit der mut­terbeschimp­fung) und erken­nt sie als im grunde als aufk­lärerische pornogra­phie: anklage und stilmit­tel zugle­ich, gefan­gen in der ambi­gu­i­tät des under­dogs im main­stream etc… und sven­ja flaßpöh­ler ver­sucht mit shake your tits!, die rolle der frau bzw. ihrer stel­lung zwis­chen men­sch und sex-objekt in diversen schat­tierun­gen anhand der beispiele madon­na, christi­na aguil­era und brit­ney spears zu beleucht­en. aber das bleibt ziem­lich­es wis­chi-waschi…

popthe­o­rie, popdiskurs und pop­krik­tik sind schw­er ver­minte und heftig umkämpfte zonen. auch behrens spart nicht mit deut­lichen worten und harten attack­en vor allem in rich­tung jour­nal­is­mus, aber auch pro­duzen­ten und kon­sumenten bekom­men ihren teil ab. “das reden über pop ist bisweilen mehr pop als das, worauf es gerichtet ist” — die gnaden­lose per­for­ma­tive selb­st­bezüglichkeit des pop-sys­tems ist sein aus­gangspunkt — und das in weit­en teilen immer noch ekla­tant naive reden über pop­phänomene, die genau diesen umstand nicht erken­nen kön­nen und wollen. dazu gehört für behrens auch die man­gel­hafte beobach­tung und erken­nt­nis der ver­flech­tung von markt und pop, von pro­duk­tions- und kon­suma­tions­be­din­gun­gen: “zur dieskur­siv­en struk­tur gehört allerd­ings, daß diesem pro­duzen­ten­da­sein, also der ver­flech­tung im kru­den ökonomis­chen zusam­men­hang kauf aufmerk­samkeit geschenkt wird.” — “pop erscheint als ein außen­raum inner­halb des kap­i­tal­is­mus”, eine posi­tion die behrens nicht befriedi­gen kann. denn er ver­sucht doch, genau dieses desider­at einzu­holen und den pop als poli­tisch-gesellschaftlich­es phänomen wenn nicht zu ret­ten (weil er nur das scheit­ern des pro­jek­tes attestieren kann), so doch immer­hin zu durch­leucht­en und zu ver­ste­hen.

dazu kommt ein weit­er­er fak­tor, der das denken und reden/schreiben über bzw. in pop bes­timmt (und der immer wieder, etwa von diedrich diedrich­sen, reflek­tiert wurde und wird): der zusam­men­hang zwis­chen pop und pos­i­tivis­mus: “der pop recht­fer­tigt dne pos­i­tivis­mus und der pos­i­tivsimus recht­fer­tigt den pop”, das, was man auch als authen­tiz­itäts­falle beze­ich­nen kön­nte: “jed­er zugang, jedes urteil ste­ht und fällt mit dem beweis, dabeigewe­sen zu sein. wer nicht da war, kann nicht mitre­den.” egal wie fein man pop nun also in szenen, grup­pen, felder dif­feren­ziert: “pop ist wesentlich eine bes­timmte umgangs­form mit musik im kap­i­tal­is­mus.” und dann wird es wirk­lich schwierig, denn anschluss an die poli­tis­che kraft des pop zu garantieren oder gar seine sub­ver­sität zu bes­tim­men, denn es bleibt ein­fach immer dabei: “wesentlich ist das geschäft der pop­musik eines von reklame”.

behrens schlägt dann noch eine weit­ere schleife, von diesem punkt des pos­i­tivis­mus oder der sub­jekt-zen­tri­erten authen­tiz­itäts­falle: “pop ist ver­spätete spätro­man­tik” — auch wenn ihm hier, ger­ade in der par­al­lelisierung mit der “kunst”-musik, einige unge­naugikeit­en und fehler unter­laufen. doch dadau­rch ist nund klar: “am ende der bürg­er­lichen kun­st­musik ste­ht der pop: eine sub­jek­tive inner­lichkeit, der alles sub­jek­tive genom­men ist”.

da nun aber auch zu beboacht­en ist: “der affir­ma­tive charak­ter der pop­kul­tur tritt […] nicht präven­tiv [wie in der kul­tur des bürg­er­tum, als schutz vor den eige­nen wider­sprüchen], son­dern aggres­siv auf.” und weil pop das leben gnaden­los mit der kun­st ver­mis­cht und zwar in dem sinne, das er proklamiert, “das leb­ne zum kunst­werk erheben zu kön­nen” — ver­schwindet pop in der kul­turindus­trie. die weni­gen räume der sub­ver­sion kann er dann allerd­ings auch nicht mehr nutzen: “die sub­ver­sion, die hier stat­tfind­et, hat sich je schon mit ihrem platz abge­fun­den; sie schlägt deshalb so leicht vom poli­tis­chen ins ästhetis­che um, weil ihr poli­tikver­ständ­nis kün­st­lerisch gemeint war”. prob­lema­tisch wird dann vor allem, dass die “sub­ver­sive indi­vid­u­altiät des pop­sub­jek­ts unter­stellt wird”, die doch eigentlich erst das ende der sub­ver­sion sein kön­nte. das ist es, was behrens dann in aller schärfe als die “ide­ol­o­gis­che lüge im rebel­lis­chen pro­gramm” verortet: pop und sub­ver­sion bilden so einen schö­nen zirkel.

“der pop real­isiert in seinem rebel­lion­s­ge­bahren gle­ich­sam das grund­mo­tiv des jugen­stils: ‘das träu­men, man sei erwacht’ [w. ben­jamin, pas­sagen-werk].” — “gle­ich­wohl bricht alle sub­ver­sion im pop nicht nur am scheit­ern solch­er sub­jek­tiv­ität, son­dern auch an ihrem drän­gen und ihrer not, die utopis­che in der musik noch nach­hallt. davon möcht sich der [.…] pop freimachen, weil alles ver­sprechen, was noch nicht mit den monatl­ci­hen neuer­schei­n­un­gen abge­golten ist, als geschäftschädi­gend gilt.” — und so scheint mir die einzige möglichkeit, über pop heute über­haupt noch gewinnbrin­gend nachzu­denken.

roger behrens: die rav­ing soci­ety frißt ihre kinder. anmerkun­gen zum zweit­en jugend­stil.

porno-pop oder wem gehören die töchter?

heute mor­gen beim umstapeln der unge­le­se­nen büch­er gefun­den: jörg metel­mann (hrsg.): porno-pop. sex in der ober­flächen­welt. würzburg: königshausen & neu­mann 2005. und gle­ich mal den ersten auf­satz gele­sen: clemens porn­schlegel (die kalauer zum namen ver­bi­ete ich mir jet­zt mal…): wem gehören die töchter? zum sex­uellen mach­tanspruch der kon­sumge­sellschaften.

porn­schlegel macht ein paar gute punk­te zur „ver­wand­lung des weib­lichen kör­pers in eine ware und die daraus fol­gende prono­grafisierung der kon­sumge­sellschaft“ (18) auf: „was als sex­uelle befreiung und fortschritt auftritt [näm­lich die ver­fü­gungs­ge­walt der frauen über ihren kör­p­er und die selb­stver­ständlichkeit, mit der sie ihn präsentabel machen/halten und präsen­tieren], ent­pup­pt sich als freiset­zung des weib­lichen kör­pers für den uni­ver­salen markt und die entsprechende zirku­la­tion.“ – die fol­gerung daraus ist klar: „das mäd­chen, das sein ver­führungspoten­zial nicht herzeigt, mit string, push-up und top, verkauft sich bekannntlich unter wert.“ (17) und ver­stößt damit gegen die regeln des heili­gen mark­tes, auch wenn das ganze von lib­er­al­is­ten etc. natür­lich als grandiose errun­gen­schaft der per­sön­lichen frei­heit der frau apos­tro­phiert und gefeiert wird.

von dort aus ist es für porn­schlegel dann ein leicht­es, das islamis­che kopf­tuch zu deuten – und vor allem den vehe­menten wider­spruch der fem­i­nistin­nen etc. gegen das tra­gen eines solchen. denn „die ver­hül­lung bedeutet eine absurde sex­uelle ‚nichtzugänglichkeit‘“ – „man kann die frau nicht haben“ (19) – und das wider­spricht natür­lich allen regeln des ubiquären mark­tes.

inter­es­sant wird es aber, wenn porn­schlegel noch einen schritt weit­er geht: das kopf­tuch entzieht seine trägerin dem markt „und ste­ht damit natür­lich auch dem prinzip der gren­zen­losen nach­frage im weg, mit anderen worten: der frei­heit“ (20). und deshalb ist es, psy­cho­an­a­lytisch gedeuet, nicht anders als „ein großes, has­senswertes vaterge­spenst“ (20), gegen das man – fast reflex­hat – ankämpfen muss.

der zweite teil seines auf­satzes ver­schränkt das dann mit der beobach­tung und beschrei­bung des (sex-)marktes in michel houelle­bec­qs plat­tform, in dem porn­schlegel vor allem die beschrei­bung der welt erken­nt: „jedes andere sub­jekt wird von vorn­here­in auf ein kon­sumgut reduziert“ (23), der roman zeigt „den zusam­men­hang zwis­chen kon­sumökonomie und uni­ver­saler pros­ti­tu­tion“ (23) – und damit nach porn­schlegel auch den ver­lust der wün­sche. denn wenn alles nur noch kon­sum­ier­bar ist, alles nur noch auf kon­sum reduziert und bezo­gen wird, bleibt der wun­sch immer außen vor – „das objekt des wun­sches ist nicht kon­sum­ier­bar“ zitiert er dazu michela marzano.

mal sehen, ob der rest des ban­des genau­so inter­es­sant ist…

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