Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Kategorie: musik Seite 3 von 37

16. Juni

Bronze by gold heard the hoofirons, steelyring­ing.
Imperth­n­thn thn­th­n­thn.
Chips, pick­ing chips off rocky thumb­nail, chips.
Hor­rid! And gold flushed more.
A husky fifenote blew.
Blew. Blue bloom is on the.
Gold­pin­na­cled hair.
A jump­ing rose on satiny breast of satin, rose of Castile.
Trilling, trilling: Ido­l­ores.
Peep! Who’s in the… peep­of­gold?
Tink cried to bronze in pity.
And a call, pure, long and throb­bing. Longindy­ing call.
Decoy. Soft word. But look: the bright stars fade. Notes chirrup­ing answer.
O rose! Castile. The morn is break­ing.
Jin­gle jin­gle jaunt­ed jin­gling.
Coin rang. Clock clacked.
Avow­al. Son­nez. I could. Rebound of garter. Not leave thee. Smack. La cloche! Thigh smack. Avow­al. Warm. Sweet­heart, good­bye!
Jin­gle. Bloo.
Boomed crash­ing chords. When love absorbs. War! War! The tym­pa­num.
A sail! A veil awave upon the waves.
Lost. Thros­tle flut­ed. All is lost now.
Horn. Hawhorn.
When first he saw. Alas!
Full tup. Full throb.
War­bling. Ah, lure! Allur­ing.
Martha! Come!
Clap­clap. Clip­clap. Clap­py­clap.
Good­god henev erheard inall.
Deaf bald Pat brought pad knife took up.
A moon­lit night­call: far, far.
I feel so sad. P. S. So lone­ly bloom­ing.
Lis­ten!
The spiked and wind­ing cold sea­horn. Have you the? Each, and for oth­er, plash and silent roar.
Pearls: when she. Liszt’s rhap­sodies. Hissss.
You don’t?
Did not: no, no: believe: Lid­lyd. With a cock with a car­ra.
Black. Deep­sound­ing. Do, Ben, do.
Wait while you wait. Hee hee. Wait while you hee.
But wait!
Low in dark mid­dle earth. Embed­ded ore.
Naminedamine. Preach­er is he:
All gone. All fall­en.
Tiny, her tremu­lous fer­n­foils of maid­en­hair.
Amen! He gnashed in fury.
Fro. To, fro. A baton cool pro­trud­ing.
Bronze­ly­dia by Minagold.
By bronze, by gold, in ocean­green of shad­ow. Bloom. Old Bloom.
One rapped, one tapped, with a car­ra, with a cock.
Pray for him! Pray, good peo­ple!
His gouty fin­gers nakker­ing.
Big Ben­aben. Big Ben­ben.
Last rose Castile of sum­mer left bloom I feel so sad alone.
Pwee! Lit­tle wind piped wee.
True men. Lid Ker Cow De and Doll. Ay, ay. Like you men. Will lift your tschink with tschunk.
Fff! Oo!
Where bronze from anear? Where gold from afar? Where hoofs?
Rrrpr. Kraa. Kraan­dl.
Then not till then. My eppripff­taph. Be pfr­writt.
Done.
Begin!
James Joyce, Ulysses (Beginn Kapi­tel 11)

Ulysses (Cover)

maybebop (pressefoto)

Gelungene Fehlerdiagnose: “Sistemfeler” von Maybebop

maybebop, sistemfeler (cover)Einen “Sis­tem­fel­er” diag­nos­tiziert May­be­bop. Und da geht es nicht um den Gesang — der ist fehler­frei, wie man das von May­be­bop erwartet. Und selb­st die ohne­hin hohen Erwartun­gen an ein neues May­be­bop-Album toppt “Sis­tem­fel­er” lock­er. Der Fehler liegt also nicht in der Musik, son­dern in einem anderen Sys­tem — vor allem dem der Gesellschaft. Aber keine Angst: Trotz kri­tis­ch­er Begleitung der Gegen­wart macht “Sis­tem­fel­er” vor allem irre viel Spaß. Man muss ja den Diag­nosen des Han­nover­an­er Quar­tetts nicht zus­tim­men, um die großar­ti­gen musikalis­chen Qual­itäten des Albums genießen zu kön­nen. Und schließlich wäre May­be­bop nicht May­be­bop, wenn sie ihre kri­tis­chen Diag­nosen nicht mit Witz und Ironie ver­mit­teln wür­den – ob es nun um die Glaub­würdigkeit der Nachricht­en geht oder den über­großen gesellschaftlichen Anpas­sungs­druck. In „Auf der Suche“ spießen die Vier die per­ma­nente Erre­ich­barkeit und die Gier nach virtueller Anerken­nung auf und liefern qua­si neben­bei einen Ohrwurm – nicht den einzi­gen auf „Sis­tem­fel­er“ übri­gens. Und die “Ode an die Heimat” the­ma­tisiert in ein­er wun­der­schön san­ft aus­ge­set­zten Bal­lade nicht nur die Heimat­losigkeit der mod­er­nen Viel­reisenden, son­dern auch die Tat­sache, dass man nur dort daheim ist, wo sich das Smart­phone automa­tisch mit dem Router verbindet. San­ft schme­ichelt auch das Finale, „Ab und zu ein paar Geigen“, mit der Unter­stützung der NDR Radio­phil­har­monie. Doch natür­lich ist May­be­bop nicht immer zahm und zurück­hal­tend: Mit schwarzem Humor geht es in “Weil du heut Geburt­stag hast” auch musikalisch ordentlich zur Sache. Und über­all sind Detail­vers­essen­heit und Per­fek­tion­is­mus des Quar­tetts unüber­hör­bar: Jedes Arrange­ment, jede Akko­rd­folge, jed­er noch so aus­ge­fal­l­ene Klang­ef­fekt sind sorgfältigst über­legt und eingepasst. „Sis­tem­fel­er“ ist run­dum stim­mig wie nur wenige Alben, bis zum nerdi­gen Cov­er und Book­let.

Immer wieder spie­len May­be­bop mit Genuss und Kön­nen mit musikalis­chen und nationalen Klis­chees. Die aus­geze­ich­nete Bol­ly­wood-Hymne “Ver­steh das” ist so eine Platitüde, das pen­tatönige „Chi­ne­sis­che Medizin“nimmt nicht nur alter­na­tive Heilkün­ste, son­dern auch das Essen aufs Korn. Alles in allem ist die Vielfalt der Musik ein­fach verzück­end: Der waschechte Marsch (bei dem das vokale Blech dröh­nt und die Füße zuck­en) ist genau­so ein Teil des “Sis­tem­fel­ers” wie Aus­flüge in den Balkan-Pop, das plattdeutsche „Dat du min Leevsten büst“ oder eine gesun­gene Ver­sion des Rav­el-Boleros. Gut, musikalisch ist der bei den Swingle Singers noch bess­er gewe­sen — aber die haben nicht den her­rlich augen­zwinkern­den Text von Oliv­er Gies. Der erzählt ganz aus­ge­feilt einen klas­sis­chen Konzerbe­suchs eines blasierten Ange­bers. Und kurz darauf — nach einem kurzen Abstech­er zur Logik des Beat­box­ens — find­et man sich schon im Hiphop wieder. Über­haupt Oliv­er Gies: Der Bari­ton zeich­net nicht nur für die Arrange­ments ver­ant­wortlich, son­dern hat auch fast alle Texte geschrieben und Melo­di­en kom­poniert. Und da find­en sich echte Klein­ode — wer auf “Sis­tem­fel­er” kein Lieblingslied find­et, ist für a‑cap­pel­la-Pop wohl ver­loren. Oder hoff­nungslos­er Purist, der mit diesem fro­hen Eklek­tizis­mus nichts anfan­gen kann.

May­be­bop: Sis­tem­fel­er. Ellen­berg­er 2017. Spielzeit: 55:44

(Zuerst erschienen in “Chorzeit — Das Vokalmagazin”, #39, Mai 2017)

bruckner, sinfonie 3, titelblatt

… wie Beethovens “Neunte” mit Wagner’s “Walküre” Freundschaft schließt …

Zu Anton Bruck­n­ers drit­ter Sym­phonie:

Wir möcht­en dem als Men­schen und Kün­stler von uns aufrichtig geehrten Kom­pon­is­ten, der es mit der Kun­st ehrlich meint, so selt­sam er mit ihr umge­ht, nicht gerne wehtun, darum set­zen wir an die Stelle ein­er Kri­tik lieber das beschei­dene Geständ­nis, daß wir seine gigan­tis­che Sym­phonie nicht ver­standen haben. Wed­er seine poet­is­chen Inten­tio­nen wur­den uns klar — vielle­icht eine Vision, wie Beethovens “Neunte” mit Wagner’s “Walküre” Fre­und­schaft schließt und endlich unter die Hufe ihrer Pferde gerät — noch den rein musikalis­chen Zusam­men­hang mocht­en wir zu fassen. Eduard Hanslick, Neue Freie Presse, 18.12.1877

Im wunderschönen Monat Mai

     Im wun­der­schö­nen Monat Mai,
Als alle Knospen sprangen,
Da ist in meinem Herzen
Die Liebe aufge­gan­gen.

Im wun­der­schö­nen Monat Mai,
Als alle Vögel san­gen,
Da hab ich ihr ges­tanden
Mein Sehnen und Ver­lan­gen.

Hein­rich Heine, Buch der Lieder (1827)

Heine, Buch der Lieder, 112 (EA 1827)
Und die passende Ver­to­nung von Robert Schu­mann dazu, in ein­er Auf­nahme mit dem vortr­e­f­flichen Thomas Quasthoff und Hélène Gri­maud:


Beim Klick­en auf das und beim Abspie­len des von YouTube einge­bet­teten Videos wer­den (u. U. per­so­n­en­be­zo­gene) Dat­en wie die IP-Adresse an YouTube über­tra­gen.
qurartonal, gruppenbild

A‑Cappella für jeden Tag: Quartonal

quartonal, everytime (cover)Für jeden Geschmack etwas bieten zu wollen, kann als Konzept ein­er CD leicht schief gehen. Quar­ton­al zeigt mit “Every­time a cap­pel­la”, dem zweit­en Album des jun­gen Vokalquar­tetts, dass es auch gelin­gen kann. Denn tat­säch­lich dürfte “Every­time” jedem gefall­en. Zumin­d­est bemüht es sich sehr darum: Ever­greens, Tra­di­tion­als und einige Pophits bilden das Mate­r­i­al, aus dem die durch­weg erfahre­nen Vokalarrangeure den vier Män­nern das musikalis­che Aller­lei bere­it­et haben. Und zwar immer so, dass nie­mand ver­stört aufhorchen muss. Denn Neues oder Unge­wohntes bekommt man hier nicht zu hören. Das ist sozusagen “klas­sis­ches” a‑cappella, aber keine Musik, die die Gat­tung oder das vier­stim­mige Män­nersin­gen wirk­lich voran­bringt oder gar neue Klan­gräume kar­togra­phiert. Der gemein­same Nen­ner aller 18 Songs ist vor allem, dass Quar­ton­al sie gerne singt. Viel ist das nicht, aber auch nicht die schlecht­este Voraus­set­zung. Dass man (fast) alle Melo­di­en und Texte, ob sie nun deutsch­er, mexikanis­ch­er, britis­ch­er, franzö­sis­ch­er oder plattdeutsch­er Herkun­ft sind, aus dem Ste­greif mitsin­gen kann, passt dazu. So ste­ht plattdeutsches neben einem fein durchgear­beit­eten Arrange­ment des Shan­tys “What shall we do with a drunk­en sailor”, eine etwas blasse Ver­sion von Georg Michaels “Faith” erklingt ganz und gar ohne Sexap­peal neben dem todernst-melan­cholis­chen “Über den Wolken” von Rein­hard Mey und ein­er entspan­nt swin­gen­den, wun­der­bar gelasse­nen Bear­beitung von “Küssen kann man nicht alleine” aus der Fed­er von Annette Humpe und Max Raabe.

Egal, was Quar­ton­al sich vorn­immt: Sie sin­gen wirk­lich alles mit ein­er beein­druck­enden tech­nis­chen und vokalen Sicher­heit, into­na­torisch lupen­rein und in jedem noch so kleinen Detail per­fekt aufeinan­der abges­timmt. Das Quar­tett klingt auf dieser Auf­nahme der­maßen sauber und rein, dass man es prob­lem­los in ein Rein­raum­la­bor mit­nehmen kön­nte. Der jugendlich schlanke und agile Ensem­bleklang hat hör­bar Eben­maß als höch­stes Ziel. Und sie erre­ichen das mit feinsin­niger Akku­ratesse.

Lei­der stellt sich aber immer wieder der Ein­druck ein: Quar­ton­al bleibt damit unter seinen Möglichkeit­en. Vielle­icht ist es der etwas leblose Stu­diok­lang, vielle­icht auch ihre noble Zurück­hal­tung: Bei aller vokaler Raf­fi­nesse bleibt „Every­time“ meis­tens etwas kühl. Eigentlich fehlt allen Songs etwas Emo­tion­al­ität und wenig­stens momen­tane expres­sive Begeis­terung. Zu oft klingt das wie ein Klangla­bor: Sauber bis in die Poren, ja ger­adezu akustisch rein — aber auch ten­den­ziell ster­il und ohne Über­raschun­gen. Dabei ist alles, von den Arrange­ments über Phrasierung, Dynamik und Into­na­tion bis hin zur Tonge­bung, geschmack­voll und gekon­nt aus­gear­beit­et. Doch nur sel­ten blitzen auf „Every­time“ die großar­ti­gen Momente auf, in denen man wirk­lich ganz und gar, mit Herz und Hirn, hin­geris­sen ist von dieser Musik.

Quar­ton­al: Every­time a cap­pel­la. Sony 2017. Spielzeit: 57:32

(Zuerst in ein­er etwas kürz­eren Ver­sion erschienen in “Chorzeit — Das Vokalmagazin”, #36 , März 2017)

free music (unsplash.com)

Hineingehört #1

Eine kleine Intakt-Auslese aus dem zweit­en Hal­b­jahr — dank des vortr­e­f­flichen Abon­nements bekomme ich ja immer alle Veröf­fentlichun­gen post­wen­dend geliefert:

Musikalische Monster

musical monsters (cover)Die Musi­cal Mon­sters sind eigentlich gar keine neue Musik. Aufgenom­men wurde das näm­lich schon 1980 bein Jaz­zfes­ti­val Willisau. Dessen Chef Niklaus Trox­ler hat die Bän­der gut aufge­hoben. Und Intakt kon­nte sie jet­zt, nach umständlich­er Rechte­abklärung, endlich veröf­fentlichen. Zu hören ist ein Quin­tett mit großen Namen: Don Cher­ry, Irène Schweiz­er, Pierre Favre, John Tchi­cai und Léon Fran­ci­oli, das es so son­st nicht zu hören gibt. Am erstaunlich­sten fand ich, wie wenig man die 36 Jahre, die die Auf­nahme alt ist, der Musik anhört. Die vier groß­for­mati­gen, größ­ten­teils freien Impro­vi­sa­tio­nen — es gibt ein paar melodisch fix­ierte Anker­punk­te, die als fest­gelegte Scharniere zwis­chen Solo- und Kollek­tivim­prosi­a­tio­nen dienen — klin­gen erstaunlich frisch, ja fast zeit­los: Die intu­itive Spon­taneität und Inten­sität ist ziem­lich fes­sel­nd. Vor allem, weil sie von allem etwas bietet — ver­spielte Fax­en, intime Momente, pack­ende Energien … Und weil die fünf ziem­lich gle­ich­w­er­tige, gle­icher­maßen faszinierende Musik­erin­nen sind, die sich immer wieder zu großen Momenten inner­er Stärke auf­schwin­gen, die in erstaunlich­er Dichte aufeinan­der fol­gen und zuweilen sog­ar echt­es Pathos erzeu­gen. Beson­ders faszinierend fand ich das in der zweit­en Impro­vi­sa­tion, mit über zwanzig Minuten auch die läng­ste, in der sich großar­tige Soli (vor allem Tchi­cai sticht hier her­vor) und span­nende, in ihrer fra­gen­den Offen­heit unge­mein fes­sel­nde Grup­pen­im­pro­vi­sa­tio­nen ballen.

Don Cher­ry, John Tchi­cai, Irène Schweiz­er, Léon Fran­ci­oli, Pierre Favre: Musi­cal Mon­sters. Intakt Records CD 269, 2016. 59:28 Minuten.

Tiefe Gedächtnismusik

deep memory (cover)Für Deep Mem­o­ry hat sich Bar­ry Guy, der die CD im Trio mit Mar­i­lyn Crispell und Paul Lyt­ton auf­nahm, von den Bildern Hughie O’ Donoghues zu Kom­po­si­tio­nen anre­gen lassen. Die sieben Stücke tra­gen die Titel der Bilder: Sleep­er, Dark Days, Fall­en Angeld oder Silenced Music heißen sie etwa. Das sind aber keine musikalis­chen Ekphrasen, son­dern eher Kom­po­si­tio­nen, die sich von dem Bild — seinen Far­ben, sein­er Gestalt und vor allem vielle­icht: sein­er Stim­mung — zu akustis­chen Ein­drück­en inspiri­eren lassen. Vieles davon lässt sich in weit­en Bögen, oft verträumt-ver­spon­nen und/oder nach­den­klich, tra­gen und speist sich nicht unwesentlich aus dem inti­men Zusam­men­spiel des Trios, das ja schon seit gefühlten Ewigkeit­en immer wieder miteinan­der musiziert und der Effek­thascherei aus­ge­sprochen abhold ist. Und das auch auf Deep Mem­o­ry vor allem durch seine kam­mer­musikalis­che Dichte und Inten­sität der far­ben­prächti­gen, ten­den­ziell melan­cholis­chen Klang­malerei gefällt. Die befind­en sich, so hört es sich an, eigentlich immer auf der gle­ichen Wellen­länge, um dieses stra­pazierte, hier aber sehr passende Bild zu benutzen.

Bar­ry Guy, Mar­i­lyn Crispell, Paul Lyt­ton: Deep Mem­o­ry. Intakt Records CD 273, 2016. 52:07 Minuten.

Am großen Rad drehen

christoph irniger pilgrim, big wheel live (cover)Big Wheel Live ist die zweite CD von Christo­pher Irniger Pil­grim, wie der span­nende Sax­o­fon­ist, Kom­pon­ist & Band­leader Irniger sein Quin­tett mit Ste­fan Aeby, Davie Gisler, Raf­faele Bossard und Michi Stulz nen­nt. Auch wenn das “Live” wirk­lich auf Live-Auf­nah­men (in Berlin, Ratze­burg und Altenburg) zurück­ge­ht, klingt die CD richtig gut. Und das ist in sofern beson­ders schön, weil ger­ade Aeby ein sehr klangsin­niger Pianist ist.
Die ganze Musik auf Big Wheel Live zeich­net sich meines Eracht­ens nicht nur durch ihren kraftvollen Sound aus, son­dern vor allem durch ihre Räum­lichkeit und Tiefe. Oft ist das nur lose ver­bun­den, nur lock­er gewebt, gibt so den Fün­fen aber viel Chan­cen zum aus­greifend­en Erforschen. Und der Freiraum zum Erkun­den, die Öff­nung in alle Him­mel­srich­tun­gen wird wei­dlich genutzt: Man hört eigentlich immer eine per­ma­nente Such­be­we­gung, die stets fortschre­it­et, die beim schö­nen Augen­blick ver­weilt, son­dern immer weit­er will — wie es gute impro­visierte Musik eben (fast) immer tut. Neben Aeby, der sich immer mehr zu einem sehr inter­es­san­ten Pianist entwick­eln zu scheint, hat mir hier vor allem die oft sehr span­nende, über­raschende Spiel­weise des Schlagzeugers Michi Stulz gefall­en. Gitar­rist Dave Gisler und Irnigers Sax­ophon umspie­len sich oft sehr eng. Entschei­dend aber in allen sechs Titeln: Das bleibt immer im Fluss, die Ideen ver­sanden eigentlich nie, son­dern find­en immer neue Pfade und Wege.

Christoph Irniger Pil­grim: Big Wheel Live. Intakt Records CD 271, 2016. 62:44 Minuten.

Das unsterbliche Trio

schlippenbach trio, warsaw concert (cover)Vielle­icht ist es das europäis­che Jaz­ztrio schlechthin, sicher­lich wohl das am läng­sten amtierende: Alexan­der von Schlip­pen­bach, Evan Park­er und Paul Lovens sind das Schlip­pen­bach-Trio. Und zwar schon ewig. Und jedes Jahr sind wie wieder unter­wegs (die schöne Film-Doku­men­ta­tion Aber das Wort Hund bellt ja nicht hat die jährliche “Win­ter­reise” des Trios ja sehr anschaulich gemacht), immer wieder in der gle­ichen Beset­zung mit immer ander­er Musik — nicht ohne Selb­stironie nen­nt Schlip­pen­bach das im Beglei­theft deshalb “das unsterbliche Trio”.
Erstaunlich daran ist vor allem, dass es nicht lang­weilig wird, dass diese große Ver­trautheit miteinan­der nicht in Belan­glosigkeit­en mün­det. Auch das War­saw Con­cert ist wieder eine auf­nah­me­tech­nisch und musikalisch gut gelun­gene Live-Auf­nahme vom Okto­ber 2015. Und beim Schlip­pen­bach-Trio heißt das: Eine einzige lange Impro­vi­sa­tion ohne Pausen oder Unter­brechun­gen, ohne Verabre­dun­gen und ohne Kom­po­si­tion — knapp 52 Minuten sind das (dazu kommt noch eine kurze, fast humoris­tis­che Zugabe).
Der erste Ein­druck: Nette Musik — das funk­tion­iert ein­fach, das passt. Und das ist wirk­lich Musik der Frei­heit: Weil sie sich (und dem Pub­likum) nichts (mehr) beweisen müssen. Und: Weil sie viel kön­nen, enorm viel, sowohl alleine mit ihren Instru­menten als auch zusam­men als Trio. Deshalb schöpften sie mit lock­er­er Hand auch in Warschau eine Vielfalt der Stim­mungen. Vieles klingt vielle­icht etwas altersmilde in der Klarheit und dem lyrischen Aus­druck (wenn man das so deuten möchte), stel­len­weise aber dur­chaus auch bohrend und insistierend. Das ist ein­fach aus­geze­ich­neter, gelun­gener, “klas­sis­ch­er” Free Jazz, den man gerne wieder­holt anhört und ver­sucht nachzu­vol­lziehen.

Schlip­pen­bach Trio: War­saw Con­cert. Intakt Records CD 275, 2016. 56:36 Minuten.

Zur Erleuchtung

aeby trio, to the light (cover)Ste­fan Aeby war ja auch schon im Christoph Irniger Pil­grim vertreten, hier ist nun noch ein­mal als “Chef” mit seinem eige­nen Trio zu hören, das aber mit Michi Stulz am Schlagzeug noch eine weit­ere Per­son mit dem Pil­grim-Ensem­ble teilt. To the Light ist eine Musik des Klanges: Ich höre hier nicht so sehr rhyth­misch und/oder har­monis­che Struk­turen, son­dern vor allem Klänge. Klänge, die sich immer wieder zu kleinen Szenen und imag­inären Bildern for­men. Das Trio passt da in dieser Hin­sicht aus­geze­ich­net zusam­men: Nicht nur Ste­fan Aeby am Klavier ist ein biss­chen ein Klang­magi­er, auch der Bass von André Pousaz hat erstaunliche Qual­itäten (beson­ders schön im Titel­stück wahrzunehmen, das sowieso eine ziem­lich großar­tige Sache ist). Und Michi Stulz, mit hal­li­gen Beck­en und eng klin­gen­den Toms zaubert für einen Schlagzeuger erstaunlich flächige Klänge. Das ist ein poet­is­ch­er Sound, eine weiche und wan­del­bare Klanggestalt, die mir aus­geze­ich­net gefällt. Vieles ist (min­destens ten­den­ziell) leicht verträumt und klingt mit roman­tisch-impres­sion­is­tis­chem Ein­schlag, ist dabei aber keineswegs schwind­süchtig, son­dern dur­chaus mit gesun­der Kraft und Potenz musiziert, die aber nie auftrumpfend aus­ge­spielt wird: So klin­gen Musik­er, die sich nichts beweisen müssen, möchte ich ver­muten. Die Musik­er muss man sich wohl immer als lauschende Instru­men­tal­is­ten vorstellen: Vielle­icht ist es ja sowieso ger­ade das (Zu-)Hören, das gute Impro­visatorin­nen (oder Jazzer) aus­macht. Oder, wie es Flo­ri­an Keller im Begleit­text sehr tre­f­fend for­muliert: “Eine Musik, die die Fig­ur des Lausch­ers entste­hen lässt. Und diesem viel Raum für seine Fan­tasie gewährt.”

Ste­fan Aeby Trio: To the Light. Intakt Records CD 274, 2016. xx:28 Minuten.
unter-sensbach, prospekt

Arbeitsplatz (10)

Am let­zten Sam­stag war ich — am Vor­abend des drit­ten Advents — zur Eröff­nung des Wei­h­nachts­markt im Sens­bach­tal, genauer gesagt: in der Dor­fkirche Unter-Sens­bach. Da der Män­nerge­sangvere­in sang, hat­te ich nicht so arg viel tun … Die Kirche, ein Neubau von 1961, hat eine etwas ungewöhn­liche bauliche Lösung für die 1963 erbaute Orgel (an der sich dem Anschein nach seit damals nichts geän­dert hat, noch nicht ein­mal der Motorschlüs­sel …): Die ste­ht in ein­er Nis­che neben dem Altar, an der Rück­wand der Kirche — so hat man als Organ­ist lei­der sehr wenig Kon­takt zur Gemeinde.

basta (bandfoto)

Gute-Laune-Musik von basta

basta, freizeichen (cover)Net­ter­weise sagen die fünf Jungs von Bas­ta gle­ich dazu, was sie machen: Gute-Laune-Musik. Das ist nicht nur ein Songti­tel auf dem neuen Album “Freize­ichen”, son­dern auch die beste Art, das Quin­tett und ihre Musik zu charak­ter­isieren. Gute Laune quillt näm­lich sozusagen aus allen akustis­chen Poren ihrer acht­en CD, die sie in einem Wohnz­im­mer auf dem Land vor den Toren Kölns aufgenom­men haben. Die entspan­nte Atmo­sphäre bei der Entste­hung hat sich hör­bar niedergeschla­gen. Man hat unweiger­lich immer fünf nett lächel­nde junge Män­ner vor dem inneren Auge — manch­mal geht das Lächeln etwas mehr ins Schelmis­che, manch­mal wird es eher iro­nisch. So klingt’s auch: Bas­ta bedi­ent sich hier und da, lässt sog­ar mal ein biss­chen Bossa-Nova-Feel­ing aufkom­men. Die Haupt­sache aber ist: Es klingt immer schön eingängig, leicht und zugänglich. Und manch­mal schre­it das ger­adezu nach Live-Auf­führung: “Ich Bass” zum Beispiel, bei dem Arndt Schmöle zeigen kann, was so ein Bass drauf hat, aber auch “Nachkom­men” sind Songs, die auf der CD ihr Poten­zial nur andeuten kön­nen.

Anderes zün­det dage­gen auch hier. „Gute-Laune-Musik“ nimmt die ein­fachen Pop-Hit-Rezepte mit stampfen­d­em Beat und um jeden Preis eingängi­gen Refrains schön aufs Korn. „Ein kleines biss­chen Hass“ ist eine schöne Pophymne gegen das Unter­drück­en eigen­er Gefüh­le. Und mit „Buhne 4“ ist auch eine richtig schwärmerisch-sehn­süchtige Liebes­bal­lade als „Sehn­suchtss­in­fonie“, wie es im Text heißt, mit dabei. Es geht dann auch immer wieder leicht zeit- und kul­turkri­tisch zu – schon gle­ich beim Open­er “Offline”, der das Offline-Gehen als das “let­zte Aben­teuer” gegen die Onli­ne­sucht stellt, oder beim musikalisch sehr mitreißen­dem “Sodom und Gomera”, das die Auswüchse des Pauschal­touris­mus mit frech­er Zunge vor­führt.

Bas­ta sind eben ganz schön aus­ge­fuchst, rou­tiniert und smart. William Wahl, der mit ein wenig Hil­fe bei den Arrange­ments von Oliv­er Gies, fast alleine für Texte und Musik zuständig ist, hat sich viele nette Details ein­fall­en lassen. Ins­ge­samt wirkt „Freize­ichen“ aber etwas atem­los, Schlag auf Schlag fol­gt hier immer mehr von fast dem Gle­ichen. Das ist alles ohne Frage auf gle­ichem, hohen Niveau. Aber kaum ein Song sticht wirk­lich her­aus. Alle sind sie zweifel­los gut gemacht, haben nette Ideen und feinen Witz, geschick­te Arrange­ments und wer­den aus­geze­ich­net gesun­gen.

So klingt das ganze “Freize­ichen” aus­ge­sprochen geschmei­dig, bleibt dabei aber auch etwas ober­fläch­lich. Das ist alles so eingängig, dass man sich bei jedem Song sofort zu Hause fühlt. Aber lei­der sind sie auch schnell wieder aus den Ohren und aus dem Sinn. Bas­ta macht auf “Freize­ichen” eigentlich nichts verkehrt, tech­nisch und sän­gerisch sowieso nicht. Aber den­noch gibt es eher wenig, was so richtig voll begeis­tert und Zus­tim­mung erzwingt. Aber immer­hin hat Bas­ta damit viel Mate­r­i­al für großar­tige Live-Konz­erte.

Bas­ta: Freize­ichen. The Record Com­pa­ny 2016. Spielzeit: 47:42.

(Zuerst erschienen in »Chorzeit – Das Vokalmagazin« No. 33, Dezem­ber 2016.)

the king's singers (gruppenbild)

Das Weihnachtsliederbuch der King’s Singers

the king's singers, christmas songbook (cover)Mehr als zehn Jahre nach ihrem let­zten Wei­h­nacht­sal­bum gibt es endlich das neue “Christ­mas Song­book” der King’s Singers. Das bietet eine knappe Stunde tra­di­tionelle und mod­erne Wei­h­nacht­slieder: Von “Stille Nacht” und Gus­tav Hol­sts “In the Bleak Mid­win­ter” über Irv­ing Berlins “White Christ­mas” bis zu “We Wish You a Mer­ry Christ­mas” sind — sozusagen als saisonale Ergänzung des “Great Amer­i­can Son­books” — lauter Klas­sik­er dabei, mit einem deut­lichen Schw­er­punkt auf dem amerikanis­chen Reper­toire.

So klas­sisch die Auswahl ist, so mod­ern und frisch klin­gen die ideen­re­ichen Arrange­ments der drei Arrangeure, die mit den Fähigkeit­en der sechs Englän­der bestens ver­traut sind: Alexan­der L’Es­trange, Kei­th Robert und Robert Rice. Deren gewitzte und abwech­slungsre­iche Arrange­ments bilden ein großar­tiges Fun­da­ment, auf das die King’s Singer mal swin­gend, mal mit aus­ge­feilt kun­stvoller Ern­sthaftigkeit, aber immer im unnachahm­lichen King’s‑Singers-Sound sin­gend ein wun­der­bar inten­sives Wei­h­nacht­en bauen. Das “Christ­mas Song­book” hat genau die richtige Mis­chung aus Bewährtem und Neuem, aus frischen Klän­gen und bekan­nten Melo­di­en, damit die Wei­h­nacht­szeit nicht lang­weilig wird.

The King’s Singers: Christ­mas Song­book. Signum Clas­sics 2016, SIGCD459. Spielzeit: 56:24.

(Zuerst erschienen in »Chorzeit – Das Vokalmagazin« No. 33, Dezem­ber 2016.)

Hier gibt’s noch ein Erk­lär- und Wer­be­v­ideo der Gruppe:

The King’s Singers Christ­mas Song­book

Beim Klick­en auf das und beim Abspie­len des von YouTube einge­bet­teten Videos wer­den (u. U. per­so­n­en­be­zo­gene) Dat­en wie die IP-Adresse an YouTube über­tra­gen.
katie melua & gori women's choir (gruppenbild)

Winterliche Romantik mit Katie Melua

katie melua, in winter (cover)Katie Melu­as “In Win­ter” ist die akustis­che Ver­sion ein­er kusche­li­gen Szene vor dem Kamin, während draußen die Kälte klir­rt: Das Feuer knis­tert, die Gitarre klimpert und Melua singt. Aber nicht allein: Für ihr Wei­h­nacht­sal­bum hat sie den geor­gis­chen Gori Women’s Choir und Bob Chilcott als Arrangeur verpflichtet.

Zusam­men bieten sie eine Mis­chung aus eige­nen Songs und tra­di­tioneller geor­gis­ch­er, rumänis­ch­er und ukrainis­ch­er Wei­h­nachtsmusik, und ein Teil von Rach­mani­noffs Ves­per­ver­to­nung. Vor allem ist “In Win­ter” aber eine Katie-Melua-CD: Nicht nur die eige­nen Songs, auch der Rest des Pro­gramms klingt unverkennbar nach ihr, ob das nun Joni Mitchells “Riv­er” oder Adolphe Adams “Holy Night” ist. Nur dass die hier mit sehr ver­hal­tener Instru­men­tierung auskom­men und dafür den Gori Women’s Chor qua­si als Instru­ment mit­be­nutzen. Der kann näm­lich, von Bob Chilcott ver­siert arrang­iert, wun­der­bar im Hin­ter­grund far­bige, san­ft schim­mernde Klangflächen auf­bauen, vor der sich Melu­as Stimme frei ent­fal­tet. Beson­ders anrührend schön gelingt das im rumänis­chen Wiegen­lied “Leganelul Lui Lis­us”: Der ein­fache Chor­satz unter­stützt die schlichte, graz­iöse Melodie sehr ein­fühlsam. Auch im geor­gis­chen “If you are so beau­ti­ful” spie­len Melu­as volltö­nen­des Solo und der dunkel, rauh und ursprünglich-inten­siv klin­gende Gori Women’s Choir in der Abwech­slung überzeu­gend zusammn. “In Win­ter” genießt man wohl dann am besten, wenn man sich dieser total­en Rührung ein­fach hin­gibt und sich zu ein­er musikalis­chen Win­ter­feier überre­den lässt, die Wei­h­nacht­en (fast) ohne sowieso nur stören­den religiösen Bezüge feiert. Und das dafür mit aller Emphase und ein biss­chen Kitsch tut.

Katie Melua: In Win­ter. Fea­tur­ing Gori Women’s Choir. BMG 2016. Spielzeit: 35:27.

(Zuerst in ein­er etwas kürz­eren Ver­sion erschienen in »Chorzeit – Das Vokalmagazin« No. 33, Dezem­ber 2016.)

Zu “Per­fect World” gibt es hier auch noch ein schön kitschiges Video:

Katie Melua — Per­fect World (Offi­cial Video)

Beim Klick­en auf das und beim Abspie­len des von YouTube einge­bet­teten Videos wer­den (u. U. per­so­n­en­be­zo­gene) Dat­en wie die IP-Adresse an YouTube über­tra­gen.

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén