Am vergangenen Woche war ich für einen Besuchseinsatz in Traisa im Mühltal. Die dortige evangelische Kirche, Ende der 1950er Jahre im Wohngebiet erbaut, hat eine recht nette, erstaunlich vielfältig nutzbare Orgel. Die zwölfregistrige Orgel wurde von Karl Schuke (Berlin) gebaut. Bei zwei Manualen mit Pedal ist sie recht ansprechend disponiert und passt sehr gut in den schlichten Kirchenraum. Sie scheint auch gut gepflegt zu sein — bei meinem kurzen Gastspiel klappte jedenfalls alles problemlos wunderbar. Nur eine vernünftige, tragfähige 8′-Stimme fehlt leider auch hier, wie so oft bei kleineren Orgeln …
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Zum 50. Geburtstag darf man sich als Ensemble schon mal etwas gönnen. Zum Beispiel drei CDs, aufwendig und geschmackvoll verpackt und ganz schlicht „Gold“ betitelt. Dann haben auch die anderen – das Publikum – etwas vom Jubiläum. Und wenn alles gut läuft, ist das Produkt dann nicht nur ein Zeugnis der langen Geschichte, sondern auch musikalisch überzeugend. Bei den King’s Singers hat offensichtlich alles geklappt. Denn ihr „Gold“-Album, die mehr als drei Stunden neuen Aufnahmen, die sie sich und uns zum Fünfzigsten gönnen, ist ein wunderbares Juwel – und zeigt auch sehr schön, auf welchem hohen Niveau die aktuelle Besetzung der King’s Singers heute singt. Denn obwohl „Gold“ weitgehend ohne virtuose Schnitte im Studio aufgenommen wurde, ist die vokale und musikalische Perfektion der sechs Engländer erneut atemberaubend. Und, das ist auch nicht neu, aber dennoch immer wieder verblüffend: Es ist ziemlich egal, ob sie Renaissance-Motetten oder raffinierte Arrangements von Pop-Songs singen. Alles, was sie sich vornehmen, machen sie sich unabdingbar zu eigen. Und so klingen dann fünf Jahrhunderte Musik doch ziemlich gleich – wie fünf Jahrzehnte King’s Singers eben.
Denn die drei CDs von Gold umspannen nicht nur das weite Repertoire der King’s Singers, sondern auch große Teile der Musikgeschichte: 80 kurze und kürzere Stücke habe sie ausgewählt, einiges davon speziell für diesen Anlass arrangieren oder komponieren lassen. Die erste CD, „Close Harmony“, verzaubert schon mit den ersten Takten von „We are“ von Bob Chilcott, dem langen Weggefährten des Ensembles, der als einziger auch Musik zum zweiten Teil von „Gold“, der geistlichen Musik, und dem dritten Teil, der weltlichen A‑Cappella-Musik beigesteuert hat.
Jeder wird naturgemäß andere Lieblinge haben, aber Lieblinge sollte hier jeder finden. Denn in den über drei Stunden Musik dürfte jeder Geschmack mehr als einmal getroffen werden. Zumal die King’s Singers John Legend genauso liebevoll und überzeugend singen wie Orlando Lassus. Heinrich Schütz kommt ebenso zu Ehren wie Rheinbergers „Abendlied“, das hier tatsächlich auch ohne Chor sehr emotional wirkt, auch wenn die deutsche Aussprache nicht unbedingt die Spezialität der Briten ist. John Rutter hat für sie ein paar Shakespeare-Zeilen mit sehr intensiver Musik versehen, Bob Chilcotts „Thou, my love, art fair“ steht völlig richtig zwischen Wiliam Byrd und Palestrina. So ließe sich die Reihe der Höhepunkte noch lange fortsetzen. Denn die King’s Singers singen all das so wunderbar geschmeidig und perfekt abgestimmt, jeweils so charakteristisch zart oder druckvoll, ätherisch schwebend oder solide grundiert, dass man bei allen drei CDs von deren Ende immer wieder überrascht wird.
The King’s Singers: Gold. 3 CDs. Signum Records 2017. 67:37 + 61:15 + 65:37 Minuten Spielzeit.
(Zuerst erschienen in “Chorzeit — Das Vokalmagazin”, #45, Januar 2018)
Wer nach Festvorbereitungsstress und Geschenkeeinkaufsmarathon noch Musik braucht, um vor Weihnachten zur Ruhe zu kommen, ist bei zwo3wir in guten Händen. Mit Vanillekipferlgrün legen die fünf Niederösterreicher von zwo3wir ein wirkungsvolles Gegenprogramm zu Zeitnot und Hetze für die Weihnachtszeit vor. Die CD ist zwar schon nach einer knappen halben Stunden zu Ende, aber das sind acht Songs, die viel Genuss bereiten können. Mit großer akustischer Bühne steigen sie gleich sehr atmosphärisch mit einer Eigenkomposition ein. Damit ist auch die erste von drei Sprachen schon gesetzt – neben dem Österreichischen Dialekt wie bei „Waun i ruhig wer‘n wü“ singt das Quintett auch im reinen Hochdeutsch und auf Englisch. Sehr gelungen sind die beiden Choralbearbeitungen, die „Macht hoch die Tür“ und „O Heiland“ ansprechend modernisieren. Am besten klingen aber die schlichten, gemütlichen und relaxten Songs wie die „Frohe Weihnacht“ oder „Des is Weihnocht für mi“: Mit solcher Musik darf die Weihnacht auch gerne grün statt weiß sein.
zwo3wir: Vanillekipferlgrün. 2016. 26 Minuten.
(Zuerst erschienen in “Chorzeit — Das Vokalmagazin”, #44, Dezember 2017)
Christmas Presence haben die King‘s Singers ihr aktuelles Weihnachtsalbum genannt. Und der Titel trifft es wunderbar: Die sechs Herren schaffen es nämlich problemlos, Weihnachten werden zu lassen. Wer dieser Musik, von den „Hodie Christus natus est“-Vertonungen aus Renaissance und Barock bis zu Bob Chilcotts „A Thanksgiving“, lauscht, wird sich dem Geist der Weihnacht kaum verschließen können – auch wenn es ein regnerischer Novembernachmittag ist … Das Lauschen sollte dabei auch nicht zu beiläufig sein. Denn die wahre Kunst der King‘s Singers, die feinen Klangnuancen, die reine Intonation und natürlich auch die raffinierten gewieften Arrangements offenbaren sich erst dem genauen Hinhören. Denn dann wird es richtig großartig: Kaum zu glauben, dass das eine Live-Aufnahme ist, so wunderbar farbig federt das „Resonet in laudibus“ von Orlando di Lasso, so prezios-verträumt klingt das „O magnum mysterium“ von Francis Poulenc, ganz zu schweigen von den wunderbaren Klangdetails in den Sätzen von Herbert Howells – und dem neckischen „Jingle Bells“-Arrangement von Gordon Langford.
The King‘s Singers: Christmas Presence. Signum Classics 2017. Spielzeit: 52:48 Minuten.
(Zuerst erschienen in “Chorzeit — Das Vokalmagazin”, #44, Dezember 2017)
Zu meinem Arbeitsplatz in Mümling-Grumbach gehört auch die schöne Bergkirche, in der einmal im Monat Gottesdienst gefeiert wird. Die Orgel dort ist freilich nicht der Rede wert — ein Positiv von Walcker mit der Tendenz, in der allerdings auch für das Instrument sehr ungünstig beheizten Kirche, Hänger in den ungünstigsten Momenten zu produzieren.
Aquabella hat schon immer ein ziemlich unverwechselbares Profil: Vier Frauen singen Weltmusik a cappella – das gibt es nicht so häufig. Und sie tun es mit Erfolg und Durchhaltevermögen. Sein zwanzigjährige Jubiläum feiert das Quartett jetzt mit der siebten CD: Jubilee heißt die ganz passend. Es wird aber bei weitem nicht nur jubiliert, auch nachdenklichere Töne und sehr stimmungsvolle Balladen fanden ihren Weg auf die Platte, die neben Studio-Aufnahmen auch einige Live-Mitschnitte enthält. Und einiges könnte dem treuen Fans schon von früheren Veröffentlichungen bekannt sein.
Ganz wie man es von Aquabella schon kennt, ist es auch zum Jubiläum wieder eine Weltreise zum Hören geworden. Die ist fast durchweg besser für den bequemen Sessel im heimischen Wohnzimmer als für die Tanzfläche geeignet: Zum genussvollen Hören lädt Aquabella mehr ein als zum Mitmachen. Denn Jubilee ist zwar eine abwechslungsreich, aber auch eine ungefährliche und bequeme imaginäre auditive Expedition auf alle Kontinente.
Nach dem strahlenden Beginn mit dem hebräischen „Lo Yisa goy“ gehts in großen Schritten über Schweden und Deutschland (melodisch sehr schön, die Eigenkomposition „Jerusalem“ von Aquabella-Mitglied Gisela Knorr) schnell nach Algerien, zu einer rundum gelungenen Arrangement von „Aicha“, das ja auch schon Evergreen-Charakter hat. Hier bekommt es von Nasser Kilada – der die Frauen auch beim andalusischen „Lamma bada yatathanna“ unterstützt – noch ein wenig Lokalkolorit und Authentizität – nicht, das Aquabella das unbedingt nötig hat. Vor allem fügt er eine neue Klangfarbe hinzu – und das schadet nicht, denn Aquabella-Sängerinnen und vor allem ihre Arrangements sprudeln nicht gerade über vor musikalischer Experimentierfreudigkeit. Das ist alles sehr solide gearbeitet und ordentlich gesungen, aber oft fehlt – wie etwa beim Klassiker „Mas que nada“ – etwas Pep: Zwingend ist das nicht immer, mitreißend nur in wenigen Augenblicken. Die oft etwas flächigen und statischen Arrangements lassen immer etwas Rest-Distanz. Aquabella klingt eben immer nach sich selbst, egal was auf dem Notenständer liegt und in welcher Sprache sie gerade singen.
Die Live-Aufnahmen auf„Jubilee atmen bei gleichbleibender Qualität mehr ansteckende Singfreude: Das gilt schon für das „Adiemus“ von Karl Jenkins (das sich nahtlos in die Weltmusik-Reigen einpasst), ganz besonders aber für das finale „Dortn iz mayn rueplatz“, das mit seinem wunderbar weichen Orgelpunkt und dem schlichten Arrangement ganz verzaubernd und verzückend wirkt.
Aquabella: Jubilee live. Jaro 2017. 52:25 Spielzeit
(Zuerst erschienen in “Chorzeit — Das Vokalmagazin”, #42, Oktober 2017)
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Ich hatte mal wieder Gelegenheit, an der schönen Sauer-Orgel (Opus 793) von 1899 in Erbach auszuhelfen — die Orgel wird mir immer nahe bleiben, habe ich hier doch meinen ersten Unterricht genossen und meine ersten Gottesdienste gespielt …
Abgesehen davon ist es aber auch ein schönes pneumatisches Werk mit schönen, charakteristischen Stimmen, auch wenn es nicht arg groß ist.