Bisher habe ich meinen “Stamm-Arbeitsplatz” noch gar nicht gewürdigt. Dabei spiele ich schon seit über zwanzig Jahren in Mümling-Grumbach. Das ist die recht rustikale Orgel im Gemeindehaus (Friedrich-May-Haus):
Jahr: 2017 Seite 3 von 12
Ins Netz gegangen am 26.10.:
- Vom Verschwinden zeitgenössischer, ernster Chormusik | Bad Blog of Music → was alexander strauch beschreibt, trifft sich ziemlich genau mit meiner erfahrung: zeitgenössische chormusik, die nicht banale unterhaltung ist, hat es schwer …
- “Ich habe im Puff keinen Mann erlebt, der sich wie ein Gewinner gefühlt hat” | SZ → ein sehr interessantes und offenes interview über prostitution, sexualität und das patriarchat mit einer ehemaligen prosituierten
- Orbiting Jupiter: my week with Emmanuel Macron | Guardian → eine wirklich großartige (und lange) reportage von emmanuel carrère über emmanuel macron
Anyone who’s had their hand shaken by Macron is lost to the opposition: they’re destined to vote Macron and to convert to Macronism. But you can’t shake hands with everyone in the country. And anyway, just what is Macronism?
- Warum ist „Babylon Berlin“ so abstoßend? | Das Schema → kurt scheel (ehemaliger merkur-herausreber) ist genervt von “babylon berlin” und seiner rezeption bei der kritik:
Dass solch teurer Scheißdreck, in mancher Hinsicht durchaus state of the art, von der deutschen Vorab-Kritik gefeiert und gehätschelt wurde, sollte ihr das Rückgrat brechen, wenn sie eines hätte. Aber sie versteht sich ja seit Jahrzehnten als Promoter und Mentor dieser deutschen Scheiße, deren Ursünde die volkspädagogische Gutgemeintheit ist, die weder Realismus noch artifizielle Überspannung („The Singing Detective“) zulässt.
- Die Renaissance des Idioten. Wie die Metaphern real werden und der Selbstsaboteur die Weltbühne erobert | Geschichte der Gegenwart → zoran terzić über eine der großen, aber unterschätzten und nicht als solche wahrgenommenen gefahren unserer zeit: die idokratie
Unser größter und längster Irrtum ist, daß wir das Leben, d.h. seinen Genuß, wie die Materialisten das Ich, in seiner Zusammensetzung suchen, als könnte das Ganze oder das Verhältnis der Bestandteile uns etwas geben, das nicht jeder einzelne Teil schon hätte. Besteht denn der Himmel unsers Daseins, wie der blaue über uns, aus öder matter Luft, die in der Nähe und im Kleinen nur ein durchsichtiges Nichts ist und die erst in der Ferne und im Großen blauer Äther wird? Das Jahrhundert wirft den Blumensamen deiner Freude nur aus der porösen Säemaschine von Minuten; oder vielmehr an der seligen Ewigkeit selber ist keine andere Handhabe als der Augenblick. Das Leben besteht nicht aus 70 Jahren, sondern die 70 Jahre bestehen aus einem fortwehenden Leben, und man hat allemal gelebt und genug gelebt, man sterbe, wenn man will. —Jean Paul, Titan, Erster Band, Erste Jobelperiode, 2. Zykel
Autoland Deutschland:
Ins Netz gegangen am 13.10.:
- „Ich liebe die Gipsy Kings“ | taz → ein schönes, unprätentiöses interview mit alvin lucier
- Mainzer Anti-Doping-Experte zieht sich zurück | JGU → der mainzer anti-dopingforscher perikles simon hat keine lust mehr:
“Die Inszenierung des Anti-Doping-Kampfes gehört fest zum Spitzensport”, sagt Prof. Dr. Dr. Perikles Simon. “An Kritik wird zugelassen, was gerade unbedingt sein muss. Dann folgt immer derselbe Reflex: Es gibt ein Dementi. Es heißt, es sei alles gar nicht so schlimm.”
- Eindrücke von der Frankfurter Buchmesse 2017 | albatros → ein schöner (subjektiver) eindruck von der frankfurter buchmesse, in dem es nicht so sehr um einzelne bücher und autorinnen geht, sondern um das größere — die verlage, das lesen (und dankenswerterweise auch nicht nur um belletristik …)
- Die Kulturnation zappt weg | Zeit → mely kylak stellt die richtigen fragen:
Was genau macht denn eigentlich eine Kulturnation zu einer Kulturnation, wenn die Autoren, Künstler und Intellektuellen nicht mal an Tagen, an denen sie die höchsten Auszeichnungen des Landes erhalten, zu Wort kommen? Wieso werden sie in den Abendnachrichten zwischen Fußballergebnissen und Wetterbericht versendet? Wieso ist Fußball Primetime-Programm und Deutscher Buchpreis nicht?
Die Erziehung aber ist immer rückständig. Ihr Fortschritt besteht darin, daß ihre Rückständigkeit ein wenig überwunden wird. Siegfried Bernfeld, Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung (1925) 126
Ins Netz gegangen am 10.10.:
- Wer liest heute noch Arndt? | Lyrikzeitung & Poetry News → die lyrikzeitung zum streit um den namen der universität in greifswald:
Wo „Arndt“ draufsteht, ist heute in den allermeisten Fällen schlimmstes neonazistisches „Gedanken“gut drin. Nicht alle, die auf dem Markt in Greifswald für Arndt als vermeintliche Identifikationsfigur demonstrierten, kannten diesen braunen Subtext. Einige aber schon! Den anderen rufe ich zu: Lest meinetwegen Arndt, den originalen. Die Geschmäcker sind verschieden wie die Meinungen. Aber paßt auf, ob wirklich Arndt drin ist, wo Arndt drauf steht.
- Ach ja, und der Rauch | Getidan → einige meines erachtens gute und treffende beobachtungen und einschätzungen zur documenta 14
- Bericht zu Lage der Nation | taz → einfach gut (oder eben auch nicht …)
- Thelonious Monk – Exzentriker im Zentrum der Jazzgeschichte | NZZ → vor hundert jahren wurde thelonious monk geboren
Monk-Kompositionen seien gefrorene Monk-Soli, seine Soli geschmolzene Monk-Kompositionen, lautet ein schöner Satz. Er erklärt, warum Monk-Stücke – selbst wenn sie von anderen schlecht gespielt werden — immer nach Monk klingen. Deswegen war Monk ein Genie. Auch nach seiner eigenen Definition: «A genius is the one most like himself.»
Diese Tafel fehlte noch… Gefunden im #Goethehaus Frankfurt @goethe_jw pic.twitter.com/4I5jmmxmYe
— Thomas Mann (@ZauberbergRoman) September 14, 2017
— Leo Fischer (@leogfischer) September 15, 2017
Rheinwein, aber als Imperativ.
— Mann vom Balkon (@MannvomBalkon) September 20, 2017
https://twitter.com/MusicHistoryLaw/status/910590726903394304
If you could just do this once to all parked cars on the bike path.
pic.twitter.com/WLFkZOuM5v— XXI Century City (@urbanthoughts11) September 20, 2017
Rheinwein, aber als Imperativ.
— Mann vom Balkon (@MannvomBalkon) September 20, 2017
https://twitter.com/MusicHistoryLaw/status/910590726903394304
If you could just do this once to all parked cars on the bike path.
pic.twitter.com/WLFkZOuM5v— XXI Century City (@urbanthoughts11) September 20, 2017
https://twitter.com/Miss_Schnuck/status/911548139664019456
Der Österreicher findet sich mit jeder Tatsache ab.
— Thomas Bernhard (@dailybernhard) September 23, 2017
https://twitter.com/guenterhack/status/912002155489447936
(die schwache Ausbeute liegt eher an meiner Twitterabstinenz als an Twitter selbst …)
Ins Netz gegangen am 27.9.:
- Die Dropboxisierung des Lehrernachwuchses | Bob Blume → bob blume über das hemmungslose teilen und unreflektierte weiterverwenden von unterrichtsmaterial:
Zwischen Kollaboration und dreistem Plagiat führt heutzutage ein schmaler Grat. Schlimmer als Arbeitsblätter abzugreifen und nichts selbst zu produzieren ist aber der Gedanke, der dahinter steht.
- Archäologen erforschen Achtzigerjahre | Spiegel → kurzes interview mit dem archäologen attila dészi, der die “freie republik wendland” ausgräbt und damit für archäologen ungewohnt zeitgeschichte beforscht
Denn die Archäologie leistet Beiträge, die andere Disziplinen nicht abdecken können. Dazu zählt etwa die Erforschung von Alltagsgegenständen. Wer sollte sonst herausfinden, was von der “Republik Freies Wendland” heute noch übrig ist.
- Wir müssen über Nazis reden | Moritz Hoffmann → der historiker moritz hoffmann über nazis, die afd, erinnerungspolitik und das deutsche parlament
- Philosoph Wolfgang Welsch: «Das angeblich Eigene ist hochgradig fiktiv» | NZZ → ein sehr gutes interview mit dem philosophen wolfgang welsch über kultur, identität, nationalismen etc. und vielen klugen antworten:
In solchen Zeiten ist der Rückgriff auf angeblich Eigenes und Bewährtes ein simples Mittel der Selbstversicherung. Aber es hilft nur der Seele. Praktisch ist es völlig unproduktiv: Das angeblich Eigene und Bewährte stellt sich bei näherer Betrachtung als hochgradig fiktiv heraus. […] Wir sind, genau betrachtet, alle kulturelle Mischlinge. Die Identitäten sind nicht mehr kernartig, sondern straussartig oder netzwerkartig verfasst: Sie gehen über die Grenzen der alten Kulturen und nationalen Kulturfiktionen hinaus, sie vereinen lokale, regionale und globale Elemente in sich und sind in diesem Sinn transkulturell. Wenn die Bürger ihre faktische Transkulturalität anerkennen, wäre damit für die Praxis viel gewonnen. Wer sich seiner eigenen inneren kulturellen Pluralität bewusst geworden ist, der wird im Fremden auch Eigenes erkennen, anstatt von vornherein auf Abwehr zu schalten. […] Im Übrigen ist Differenzbildung für Individuierung unerlässlich – man muss anders sein als andere oder auf seine eigene Weise ähnlich sein wie andere. Aber das Differente darf doch nicht als das ganz Andere – das Fremde, das nicht die gleichen Rechte wie man selbst hat – angesehen werden. Das ist der Fehler von Kleinkindern. […] Es ist gut, ein Standbein zu haben, und für viele Menschen bildet die lokale, regionale oder nationale Identität dieses Standbein. Aber das Standbein darf nicht zum Klumpfuss werden, und es ist nichts ohne ein Spielbein.
- Boomen die Geisteswissenschaften, und niemand merkt es?| NZZ → die antwort: vielleicht, irgendwie schon. aber vielleicht auch nicht mehr lange. es ist — wie halt immer — kompliziert …