Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: verkehr Seite 1 von 9

Farbe ist keine Infrastruktur

Es ist ja lei­der beliebt gewor­den in deutschen Kom­munen, Rad­wege nicht mehr als sep­a­rate Bauteile von Verkehr­swe­gen anzule­gen, son­dern ein­fach etwas Farbe zu nehmen und einen Streifen damit von der Fahrbahn für den motorisierten Verkehr mehr oder weniger dem Rad­verkehr zuzuweisen. Das funk­tion­iert in der Prax­is häu­fig nicht beson­ders gut: Aut­o­fahrer ignori­eren die Markierun­gen ganz, beim Fahren und auch beim Parken. Oder sie über­holen so dicht, dass die eventuelle Schutzwirkung des Streifens wenn nicht tat­säch­lich ver­schwindet, so doch zumin­d­est nicht mehr wahrgenom­men wer­den kann. Es gibt aber auch hand­feste sta­tis­tis­che Auswer­tun­gen, die zeigen, dass man so die Sicher­heit von Rad­fahren­den nicht erhöht — sog­ar im Gegen­teil. Die Unter­suchung stammt aus den USA.

Dort wurde zwis­chen 2000 und 2012 für ein dutzend größere Städte der USA der Zusam­men­hang von Infra­struk­tur und “Ver­lus­ten” im Rad­verkehr unter­sucht. Die Analyse der Verkehrs- und Unfall­dat­en zeigt sehr deut­lich: Bauliche Tren­nung von Rad­we­gen und motorisiertem Verkehr hil­ft am besten, Unfälle und Schä­den zu reduzieren. Die Zahl der Rad­fahren­den allein macht nicht den wesentlichen Unter­schied, son­dern die — richtige! — Infra­struk­tur für die struk­turell benachteiligten Rad­fahren­den:

researchers found that bike infra­struc­ture, par­tic­u­lar­ly phys­i­cal bar­ri­ers that sep­a­rate bikes from speed­ing cars as opposed to shared or paint­ed lanes, sig­nif­i­cant­ly low­ered fatal­i­ties in cities that installed them.

Und das sind dur­chaus beachtliche Wirkun­gen: Bis zu 50 % weniger Unfälle. Im Gegen­satz dazu hil­ft Farbe über­haupt nicht: “Researchers found that paint­ed bike lanes pro­vid­ed no improve­ment on road safe­ty.” Aber wirk­lich wahrgenom­men wor­den scheint die Studie in Deutsch­land nicht: Da herrscht immer noch die Idee, Farbe kön­nte irgend­wie helfen — natür­lich mit dem Hin­tergedanken, dass man den armen Aut­o­fahren­den ihre Priv­i­legien ja nicht weg­nehmen und ihnen ja nicht — noch nicht ein­mal metapho­risch — wehtun darf (oder eben möchte).

Quelle: Sep­a­rat­ed Bike Lanes Means Safer Streets, Study Says

geknüpftes netz (knoten)

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IC in Amsterdam, Central Station

Reise

Bilder ein­er Reise — manch­mal ist wirk­lich der Wurm drin bei der Bahn (und das sage ich als expliziter Bahn­lieb­haber). Zum Glück sah ich das Prob­lem am Son­ntag rechtzeit­ig und kon­nte auswe­ichen — statt über Hanau mit dem IC 2027 (der in mein­er Erfahrung generell sehr ver­spä­tungsan­fäl­lig ist) bin ich über Aschaf­fen­burg mit dem ICE 725 nach Ingol­stadt und von dort nach Regens­burg gefahren. Dadurch war ich dann nur ca. 15 Minuten später als geplant zu Hause, musste aber auch zwei Mal mehr umsteigen. Und die Fahrt im ICE war nur so halb angenehm, weil der sehr über­füllt war (was auf dieser Strecke an diesem Tag auch häu­fig der Fall ist) — selb­st auf den Gän­gen wurde es schon eng … Aber immer­hin bin ich vertret­bar angekom­men.

cobweb in sunlight

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  • „Raus mit den pri­vat­en Autos!“ | Berlin­er Zeitung → inter­view mit dem berlin­er verkehrs­forsch­er andreas knie, der vehe­ment für eine de-priv­i­legisierung der pri­vat­en autos plädiert:
    Seit 20 Jahren gibt es in Berlin keine Verkehrspoli­tik, nur eine Pro-Auto-Poli­tik. Wir brauchen aber eine Verkehr­swende! Und die muss jet­zt endlich kon­se­quent in Angriff genom­men wer­den: mit ein­er radikalen Ver­ringerung der Fahrzeug­men­gen, der Weg­nahme von Priv­i­legien.
  • Patri­o­tismus und Nation­al­is­mus: Für Deutsch­land | Zeit → die his­torik­erin mar­i­on det­jen ver­sucht sich an ein­er ent­gif­tung der debat­te duch begrif­ssklärung, hier am beispiel von nation­al­is­mus und patri­o­tismus — meines eracht­ens ein ziem­lich ansprechen­der ver­such, die bei­den begriffe his­torisch bewusst für die gegen­wär­tige prax­is benutzbar zu machen

    (Ich gehe jede Wette ein, dass eine Umfrage unter Ver­fas­sungspa­tri­oten und Leitkul­tur­pa­tri­oten zu dem Ergeb­nis käme, dass Erstere wesentlich mehr Beethoven spie­len und mehr Goethe-Gedichte ken­nen als Let­ztere.)

  • Warum ist dieser Mann kein Held? | Zeit → jana hensel hat sig­mund jähn, den ersten deutschen im all, besucht und denkt über die erin­nerung an men­schen wie ihn, die in der ddr bekan­nt waren und nun fast plan­mäßig vergessen und ver­schwiegen wer­den, nach

    Warum ist das eigentlich so? Ab und zu kann man daran erin­nern, dass ein Men­sch wie Sig­mund Jähn auch dem West­en gut zu Gesicht ste­hen würde, weil sein Lebenslauf in vielem eben­falls eine exem­plar­isch deutsche Biografie des 20. Jahrhun­derts ist. Und wenig­stens alle paar Jahre hil­ft es vielle­icht, den Ost­deutschen anzumerken, dass unsere Erin­nerungskul­tur sehr wahrschein­lich zu west­deutsch ist.

  • „Wir müssen Frei­heit­en bewusst ein­schränken“ | taz → ein (lei­der etwas kurzes) inter­view mit ulrich brand:

    Degrowth würde anderen For­men der Wirtschaft Raum geben, öffentlichen Unternehmen, der sol­i­darischen Ökonomie und so weit­er. […] Wir brauchen soziale Bewe­gun­gen, kul­turellen Wan­del, pro­gres­sive Unternehmer – und wir brauchen Poli­tik. […] Der lib­erale Frei­heits­be­griff tut so, als kön­nten alle frei sein. Aber das stimmt nicht. Im Moment sind die frei, die Geld haben. Wir müssen uns demokratisch Regeln set­zen, die unsere Frei­heit­en bewusst beschränken.

  • Diese Frauen müssen Sie ken­nen | Spiegel → sibylle berg und fre­undin­nen haben einen neuen kanon erstellt bzw. damit zumin­d­est ange­fan­gen.

    Die Welt wurde durch Ord­nungssys­teme, die vornehm­lich männliche Geis­tes­größen auflis­ten, nicht zu einem erfreulicheren Ort.
    Darum ist es Zeit für eine neue Liste. Neue Namen mit Ideen, die vielle­icht etwas zu einem fre­undlicheren Miteinan­der in der Welt beitra­gen kön­nen. Und die für die andere Hälfte der Bevölkerung auch Rel­e­vanz haben. Unser Kanon, um dieses wei­hevolle Wort zu ver­wen­den, ist unvoll­ständig und sub­jek­tiv, wie es Auflis­tun­gen immer sind, aber er ist ein Anfang.

  • The Untold Sto­ry of Not­Petya, the Most Dev­as­tat­ing Cyber­at­tack in His­to­ry | Wired → eine sehr lange und sehr span­nende reportage über den rus­sis­chen cyber­war-angriff Not­Petya auf die ukraine und dessen aus­bre­itung auf die welt:

    In fact, it was a clus­ter­fuck of clus­ter­fucks.

spinnennetz in blühpflanzen

Ins Netz gegangen (17.6.)

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  • Reisezeitun­ter­schiede unter­schiedlich­er Verkehrsarten von Tür zu Tür im Stadtverkehr – Real­ität und sub­jek­tive Wahrnehmungsverz­er­rung | Zukun­ft Mobil­ität → mar­tin ran­del­hoff hat eine schöne über­sicht über (durch­schnit­tliche) reisezeit­en im stadtverkehr zusam­mengestellt

    Eine Ursache für diese Verteilung mit ein­er starken Pkw-Nutzung auch bei gerin­gen Ent­fer­nun­gen liegt in ein­er häu­fig anzutr­e­f­fend­en sub­jek­tiv­en Fehlwahrnehmung bei der Bew­er­tung der Schnel­ligkeit bzw. der Reisezeit.

  • “Der eigent­liche Skan­dal liegt ganz woan­ders” | LTO → er anwalt son­nen­berg find­et deut­liche worte:

    LTO: Was hat die Aus­sage von CSU-Lan­des­grup­penchef Alexan­der Dobrindt zur “aggres­siv­en Anti-Abschiebe-Indus­trie” seit­ens der Anwälte bei Ihnen aus­gelöst?

    Son­nen­berg: Das ist eine saudumme sowie kack­freche Aus­sage von einem, der keine Ahnung hat. Das ist ein Dumm­schwätzer der Mann, das kön­nen Sie gerne so zitieren.

  • The Lifes­pan of a Lie | Medi­um → das stan­ford prison exper­i­ment ist wohl kaum noch als ern­sthaftes exper­i­ment zu hal­ten

    The appeal of the Stan­ford prison exper­i­ment seems to go deep­er than its sci­en­tif­ic valid­i­ty, per­haps because it tells us a sto­ry about our­selves that we des­per­ate­ly want to believe: that we, as indi­vid­u­als, can­not real­ly be held account­able for the some­times rep­re­hen­si­ble things we do. As trou­bling as it might seem to accept Zimbardo’s fall­en vision of human nature, it is also pro­found­ly lib­er­at­ing. It means we’re off the hook. Our actions are deter­mined by cir­cum­stance. Our fal­li­bil­i­ty is sit­u­a­tion­al. Just as the Gospel promised to absolve us of our sins if we would only believe, the SPE offered a form of redemp­tion tai­lor-made for a sci­en­tif­ic era, and we embraced it.

  • Two Hun­dred Fifty Things An Archi­tect Should Know | Read­ing Design → wun­der­bare liste von din­gen, die architek­ten — und eigentlich nicht nur die — wis­sen soll­ten, hat michael sorkin hier zusam­mengestellt
  • Hat das E‑Book eine Zukun­ft? | Medi­um → andré spiegel über das ebook und die zukun­ft

    Ich habe mir irgend­wann gesagt: Okay, es wird also in Zukun­ft alles in bei­den For­mat­en geben, auf Papi­er und dig­i­tal. Aber mit der Zeit musste ich ein­se­hen, dass die alten Bestände, alles was bis zum Ende des zwanzig­sten Jahrhun­derts erschienen ist, nur sehr begren­zt in die dig­i­tale Welt rüberge­lan­gen wer­den. Das ganze Suhrkamp-Uni­ver­sum allein: alles weg, und das wird sich auch nicht mehr ändern. Dann habe ich mir gesagt: Okay, also wird wenig­stens alles, was ab dem ein­undzwanzig­sten Jahrhun­dert erscheint, in bei­den Wel­ten vorhan­den sein. Aber jet­zt lerne ich, dass auch das nicht stimmt.

  • Debat­te oder Protest: Wie weit­er gegen rechts? | Blät­ter für deutsche und inter­na­tionale Poli­tik → warum die idee, man müsse nur mit den recht­en “reden”, unsinn ist und am prob­lem vor­bei geht:

    Sich selb­st in diese Tra­di­tion stel­lend, beschwört Kubitschek seit Jahren eben nicht die Debat­te, son­dern die finale Krise, um endlich zur erlösenden Tat schre­it­en zu kön­nen

spinnennetz mit tautropfen

Ins Netz gegangen (3.4.)

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  • Oh-ranien­platz, Ih-ranien­platz | taz → roland berg über die fehlende schöne/ästhetische gestal­tung von baut­en in der stadt heute:

    Und stets ori­en­tiert man sich dabei an der ver­meintlich „schö­nen“ Ver­gan­gen­heit. Zeit­genös­sisch-verbindliche Vorstel­lun­gen über das Schöne scheinen zu fehlen. Also das, was Immanuel Kant sein­erzeit „Gemeinsinn“ nan­nte. Heute scheint das Vor­mod­erne aus der Geschichte als einzige Norm für die Gegen­wart als verbindlich. Und selt­samer­weise wird – zumin­d­est in ästhetis­ch­er Hin­sicht – von den meis­ten das Frühere dem Heuti­gen vorge­zo­gen. […] Ret­ro­spek­tive Ästhetik und Rekon­struk­tion von (Alt‑)Bauten und ganz­er Stadträume bis hin zu Wieder­aufer­ste­hung des abgeris­se­nen Berlin­er Schloss­es füllen die Leere, die der Ver­lust des Gemeinsinns für das Schöne in der Gegen­wart mit sich gebracht hat.

  • Wer Gedichte liest, weiss mehr über das Leben | NZZ → die nzz doku­men­tiert leicht gekürzt die dankesrede von michael brauch für den alfred-kerr-preis

    Bei der Beschäf­ti­gung mit der Frage, warum sich ein­er wie ich mit Gedicht­en befasst und Rezen­sio­nen zu Gedicht­bän­den schreibt, gelangt man zu ähn­lichen Ein­sicht­en, wie sie Nico­las Born 1970 for­muliert hat: Es hat mit dem eige­nen Existieren zu tun, mit dem Ver­such, dem Rät­sel des eige­nen Daseins auf die Spur zu kom­men. Beim Lesen von Gedicht­en ist man fast immer mit den Fra­gen nach den let­zten Din­gen kon­fron­tiert, wir wer­den unmit­tel­bar und ohne schützende Ein­leitung in medias res gewor­fen. Die Verse der Gedichte, die wir lesen, ver­mit­teln uns das «punk­tuelle Zün­den der Welt im Sub­jecte», wie es ein Schüler des Philosophen Hegel for­mulierte. […] Beim Lesen von Gedicht­en wird ein Riss sicht­bar in dem Welt­ge­bäude, das uns eben noch ver­traut schien. Ein Riss wird sicht­bar im Welt­ge­bäude, und – so sagt es ein­mal der rus­sis­che Welt­po­et Ossip Man­del­stam – die poet­is­che Rede weckt uns mit­ten im Wort auf. Gedichte sprechen von dem skan­dalösen Fak­tum, dass wir geboren wor­den sind und dass wir in noch nicht vorstell­bar­er, aber doch nicht allzu fern­er Zukun­ft ster­ben wer­den.

  • Über ein richtiges Lehrer-Leben im falschen Schul­sys­tem | Bil­dungslück­en → schreibt über kri­tik an schule und ihrem sys­tem und möglichkeit­en der verbesserung und verän­derung, auch auf indi­vidu­eller ebene

    Denn unser Schul­sys­tem hat so viele grundle­gende Män­gel, dass ich mir oft die Frage stelle, ob es das über­haupt geben kann: ein richtiges Lehrerleben im falschen Schul­sys­tem. Im Laufe der Zeit habe ich einige (Über-)Lebensstrategien entwick­elt.

  • Secu­ri­ty | Ohne Text singt kein Men­sch mit

    Die Change-Man­age­ment-Fachkraft ein­er großen Unternehmens­ber­atung und ein Stu­dent im dun­klen Kapuzen­pul­li leg­en in der Schlange nacheinan­der ihre Gür­tel, die Geld­börsen und ihre Lap­tops in die Durch­leuch­tungs-Schalen auf das Band der Sicher­heit­skon­trolle. Sie schauen sich kurz lächel­nd an, weil bei­de das­selbe Lap­top-Mod­ell aus ihren Handgepäck-Reise­taschen nesteln.

  • Rad­fahren in Kopen­hagen und Berlin: Vom Paradies in die Vorhölle| Deutsch­land­funk Kul­tur → die über­schrift sagt eigentlich schon alles — ein kurz­er, sub­jek­tiv­er ver­gle­ich der rad­fahrmöglichkeit­en in den bei­den städten

    Lieber über gute Rad­wege ohne Helm als über schlechte mit.

  • Jüdisch, ehren­hal­ber | FAZ → claudius sei­dl sehr richtig zu dem blödsin­ni­gen geschwätz von “jüdisch-christlich­er prä­gung”:

    Insofern schließt die Rede von der „jüdisch-christlichen Prä­gung“ nicht nur den Islam aus – was ja der eigentliche Zweck dieser Behaup­tung ist. Auch Aufk­lärung und Athe­is­mus, auch die, ger­ade in der deutschen Lit­er­aturgeschichte, so wichtige Sehn­sucht nach jen­em heit­er­eren Him­mel, in welchem die men­schlicheren Göt­ter der Griechen wohnen, wer­den von dieser Rede, wenn nicht aus­geschlossen, dann doch zu den Apokryphen ein­er Tra­di­tion, deren Kanon ange­blich jüdisch-christlich ist (man möchte die Namen all der­er, die diese Rede zu Frem­den macht in der deutschen Kul­tur, gar nicht aufzählen müssen).

  • Wun­der­bar­er Eigensinn| Faust Kul­tur → ein wun­der­bares, kluges gespräch mit dem lyrikkri­tik­er michael braun, den ich immer wieder gerne lese (auch wenn ich nicht in allem mit ihm übere­in­stimme …):

    Ich würde für mich sagen: Es muss eine Störung der geläu­fi­gen Sprach­struk­turen erfol­gen, wir müssen beim Sprechen und Schreiben die Ver­trautheit ver­lieren – auch in unserem Ver­ste­hen -, wir müssen aus­ge­he­belt wer­den beim Lesen solch­er Verse, son­st kann kein gutes Gedicht entste­hen. […] Das poet­is­che Selb­st­ge­spräch ver­mag manch­mal eben doch andere zu erre­ichen. Und ob das nun 17 oder 97 oder 1.354 sind, spielt keine Rolle. Also, 1.354, diese berühmte Enzens­berg­er­sche Kon­stante, ist ja noch zu opti­mistisch angelegt. Nicht 1.354 Men­schen pro Pop­u­la­tion, ob in Island oder den USA, greifen zu Gedicht­bän­den, son­dern nur 135,4 Lyrik­leser! Also die Enzens­berg­er­sche Kon­stante müsste durch 10 geteilt wer­den. 135,4 Rezip­i­en­ten pro Gedicht­band ist die neue Kon­stante für öffentliche Aufmerk­samkeit auf Gedichte.

zaun im schnee

Ins Netz gegangen (28.2.)

Ins Netz gegan­gen am 28.2.:

  • Düs­sel­dor­fer Verk­lärung | Begleitschreiben → anlässlich der “Düs­sel­dor­fer Erk­lärung” der klein(eren) ver­lage und den wun­sch nach förderung und preise für die immense kul­turelle (sie behaupten sog­ar, es sei eine kün­st­lerisch) leis­tung dieser ver­lage schlägt gre­gor keuschnig vor, gle­ich nägel mit köpfen zu machen:

    Aber es gibt noch Steigerungspo­ten­tial. Wie wäre es mit einem Aufruf, den Leser, die Leserin mit einem adäquat­en Preis staatlich zu unter­stützen? Die Kri­te­rien für die Preisver­gabe sind leicht zu eruieren: Der preiswürdi­ge Leser, die preiswürdi­ge Leserin, muss min­destens 50 Büch­er im Jahr lesen (3 davon Lyrik und min­destens 20% von soge­nan­nten unab­hängi­gen Ver­la­gen). Er/Sie ver­ste­ht sein Tun als kün­st­lerische Leis­tung. Ein Dienst an der Lit­er­atur.

  • Wie ich beina­he ein Pla­giat enthüllte | Zeit → eine nette geschichte über (klas­sis­che) musik und die ver­wirrung, die falsche met­da­dat­en bei stream­ing­di­en­sten aus­lösen kön­nen, hat gabriel yoran hier aufgeschrieben
  • Bürg­er­meis­ter, fangt ein­fach an! | Zeit → ste­fan ramm­ler fordert nicht ganz zu unrecht dazu auf, bei der verkehrspoli­tik und vor allem der verkehr­swende nicht immer nur auf die bun­de­spoli­tik zu star­ren und zu warten, son­dern auch lokal und kom­mu­nal zu denken und vor allem zu han­deln

    Es ist ja nicht so, dass kluge, gut ver­wobene und langfristig aus­gerichtete Konzepte für einen zukun­fts­gerecht­en Umbau des Mobil­itätssys­tems in Deutsch­land fehlten. Man wüsste sehr wohl, wie es gin­ge – man will es aber nicht wollen oder glaubt, es nicht wollen zu kön­nen. Noch immer haben die Han­del­nden nicht ver­standen, dass das Behar­ren beim Alten oder weit­ere Inno­va­tio­nen in der fos­silen Massen­mo­torisierung eben ger­ade nicht die Zukun­ft der deutschen Autoin­dus­trie sich­ern.

  • Die Köni­gin des poet­is­chen Eigensinns | Zeit → michael braun würdigt die große lyrik­erin elke er zu ihrem 80. geburt­stag
  • Plat­tform-Kap­i­tal­is­mus: “Wir müssen über Ver­staatlichung nach­denken”| Zeit → inter­es­santes inter­view mit Nick Srnicek über plat­tfor­men, die plat­tfor­mökonomie und die damit ver­bun­de­nen verän­derun­gen
drahtnetz (detail)

Ins Netz gegangen (28.11.)

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  • The mys­tery of the phan­tom ref­er­ence | harzing.com → eine schöne geschichte: ein wis­senschaftsver­lag erfind­et für seine for­matvor­lage einen fachar­tikel — und der taucht immer wieder in wis­senschaftlichen pub­lika­tio­nen auf …
  • Frau am Steuer: Pio­nierin­nen in Män­ner­domä­nen | Stan­dard → bet­ti­na bal­a­ka über “frauen am steuer” (und in anderen berufen) in öster­re­ich — eine schöne erin­nerung, wie kurz die zeit der emanzi­pa­tion doch eigentlich ist …

    Man kann sich nie sich­er sein, was ver­rückt ist oder vielle­icht doch eine gute Idee, was nor­mal und was irra­tional, weil einen Geschichte und Gewöh­nung nicht sel­ten eines Besseren belehren. Manch­mal geht gesellschaftliche Verän­derung so schnell, dass eine Gen­er­a­tion der näch­sten davon erzählt wie aus grauer Vorzeit. Was heute vol­lkom­men vernün­ftig erscheint, löst Jahrzehnte später ungläu­biges Kopf­schüt­teln aus. Wir dür­fen davon aus­ge­hen, dass auch einiges von dem, was wir im Augen­blick für gut und richtig, da ver­traut hal­ten, von diesem Schick­sal ereilt wer­den wird.

  • Kli­mawan­del – ich habe darüber gere­det | Kli­mafak­ten → ein wis­senschaftler berichtet über die schwierigkeit­en, mit men­schen über den kli­mawan­del ins gespräch zu kom­men und an strate­gien oder lösun­gen zu arbeit­en
  • The Hori­zon of Desire | Lon­greads → lau­rie pen­ny über con­sent, rape und moral­ität und kul­tur — wie (fast) immer bei ihr, ein großer lesegewinn

    The prob­lem is that tech­ni­cal­ly isn’t good enough. “At least I didn’t active­ly assault any­one” is not a gold stan­dard for sex­u­al moral­i­ty, and it nev­er was. Of course, we have to start some­where, and “try not to rape any­one” is as good a place as any, but it can’t end there. Our stan­dards for decent sex­u­al and social behav­ior should not be defined pure­ly by what is like­ly to get us pub­licly shamed or put in prison, because we are not tod­dlers, and we can do bet­ter. […] This is what con­sent cul­ture means. It means expect­ing more — demand­ing more. It means treat­ing one anoth­er as com­plex human beings with agency and desire, not just once, but con­tin­u­al­ly.

  • The secret tricks hid­den inside restau­rant menus | BBC → über die opti­mierung von speisekarten — also opti­mierung im sinne von mehr geld für’s restau­rant …
  • Com­pul­so­ry hel­met laws won’t make cycling safer | British Cycling → wieder/noch ein­mal der hin­weis, dass helmpflicht­en für radfahrer_innen die kopfver­let­zun­gen nicht unbe­d­ingt reduziert, von anderen (gesund­heitlichen) auswirkun­gen ganz zu schweigen
fischnetz

Ins Netz gegangen (16.11.)

Ins Netz gegan­gen am 16.11.:

  • Verblendung, Ver­schleierung, Ver­drän­gung | Uber­me­di­en → ein sehr ein­dringlich­er appell von ralf hut­ter an die medi­en, den kli­mawan­del und die zer­störung der umwelt doch endlich mal ernst zu nehmen und entsprechend zu the­ma­tisieren …
  • Bibi, Tina, der Führer und wir | epd → georg seeßlen sehr pointiert über den neuen ufa-film und seine ästhetis­chen und (im weitesten sinne) sozi­ol­o­gis­chen verir­run­gen
  • “Aut­o­fahren ist schlim­mer als eine Sucht” | Deutsch­land­funk → sehr gutes gespräch mit her­man knoflach­er, der klare worte über die irra­tionale anhänglichkeit an und abhängigkeit vom auto der deutschen (und ander­er …) find­et

    Es ist wahrschein­lich aus der Indi­vid­u­al­sicht immer noch zweck­mäßig, aber vor allem hat das Auto ja eine Welt für Autos gemacht und nicht für Kinder. Hät­ten wir eine Welt für Kinder und wür­den wir als Men­schen und nicht als Aut­o­fahrer leben, dann würde sie ganz anders auss­chauen. […] Das heißt, hier zeigt sich, was den Men­schen wichtiger und lieber ist – die Kinder oder das Auto. Und wären die Eltern Men­schen, dann wür­den sie die Umwelt nicht auto­gerecht machen, aber sie sind Aut­o­fahrer. Das Auto ist dem Men­schen immer näher als jed­er zweite andere Men­sch. Das klingt zwar etwas sozusagen hart, aber es ist die Real­ität.

    Das heißt: Wären die Kinder den Eltern näher als das Auto, dann wür­den sie den Leben­sraum der Kinder vertei­di­gen. Dann wür­den sie dafür sor­gen, dass die Kinder so aufwach­sen, wie es in der Men­schheit, auch in der urba­nen Gesellschaft seit zumin­d­est zehn­tausend Jahren immer der Fall war, dass der öffentliche Raum in erster Lin­ie den Men­schen vor­be­hal­ten ist. Das hat sich geän­dert, nach­dem das Auto aus dem tief­sten Stammhirn sozusagen her­aus befiehlt, was zu geschehen hat.

  • Ger­many Is a Coal-Burn­ing, Gas-Guz­zling Cli­mate Change Hyp­ocrite | For­eign Pol­i­cy → ein ziem­lich scho­nungslos­er amerikanis­ch­er blick auf das unglaubliche ver­sagen der deutschen poli­tik in sachen kli­maschutz in den let­ztn jahren

    Germany’s shame­ful record over the last four years is large­ly attrib­ut­able to the gov­ern­ing grand coali­tion: the Chris­t­ian Democ­rats and the Social Democ­rats pay plen­ty of lip ser­vice to envi­ron­men­tal issues, but when push comes to shove they always bat­tle for the inter­ests of the coal and car indus­tries.

  • Das Kli­ma dreht sich gegen das Kli­ma | SZ → ziem­lich großar­tiges (langes) inter­view mit dem sehr klu­gen und reflek­tieren kli­ma­ex­perten ottmar eden­hofer über her­aus­forderun­gen, änderun­gen und bewahrung, zukun­ft und poli­tik

    Es fehlt die Vision und es fehlt die Debat­te. Anstatt über ein Ver­falls­da­tum für den Ver­bren­nungsmo­tor zu disku­tieren, wäre es wichtiger, über die Stadt der Zukun­ft zu reden. Mit dem Kohleausstieg wird auch nicht die Axt an den Indus­tri­e­s­tandort Deutsch­land gelegt. Und die Autoin­dus­trie in Deutsch­land wird sich neu erfind­en müssen, wenn sie über­leben will. Ger­ade weil in Kali­fornien und in Chi­na mit neuen selb­st­fahren­den Elek­troau­tos exper­i­men­tiert wird. Die Reg­ulier­er haben in Kali­fornien der lokalen Luftver­schmutzung durch den Autoverkehr den Kampf ange­sagt. Es ist erstaunlich, mit welchem Selb­st­be­wusst­sein und welch­er Energie die ihre Auf­gabe anpack­en. Das sind doch die großen Her­aus­forderun­gen und nicht die Vertei­di­gung dessen, was bald im Indus­triemu­se­um lan­den wird.

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Ins Netz gegangen (9.11.)

Ins Netz gegan­gen am 9.11.:

  • Auf den Spuren der Rev­o­lu­tionärIn­nen | Skug → ein schön­er fotoes­say von anton tant­ner.

    Langsam bemächtigt sich hier die Natur der nur sel­ten mit Blu­men geschmück­ten Gräber, die Denkmäler von Rotarmis­ten und Strom­mas­ten rot­ten vor sich hin, an den roten Ster­nen, so sie denn noch vorhan­den sind, blät­tert die Farbe ab. Das Zeug­nis ver­gan­gener Sow­jet­macht liegt bewusst dem Ver­fall preis­gegeben, und doch, all dem Mod­er und Rost zum Trotz: Vere­inzelt bren­nt eine Kerze – als ob sich Karl Liebknechts pathetis­che Ankündi­gung, die Leichen der hinge­morde­ten Kämpfer wür­den wieder aufer­ste­hen, dere­inst erfüllen werde, als ob den Toten bes­timmt sei, in ein­er kom­mu­nis­tis­chen Zukun­ft aufer­weckt zu wer­den.

  • Durch­set­zung von Verkehrsregeln | Zukun­ft Mobil­ität → mar­tin ran­del­hoff begin­nt eine serie über die gestal­tung der mobil­itätswende mit einem plä­doy­er für eine bessere durch­set­zung der verkehrsregeln, vor allem zum schutz schwächer­er verk­er­steil­nehmer wie etwa den fußgängern
  • Die Sache mit dem Leser­schwund | BR → knut cord­sen denkt über den buch­markt und seine verän­derun­gen nach — nicht völ­lig pes­simistisch, aber doch in ziem­lich grauen far­ben — allerd­ings v.a. aus ein­er ökonomis­chen per­spek­tive
  • Das gefährliche Raunen | Zeit → bern­hard pörk­sen mit einem (auch eher pauschalen) text zur gefahr der pauschalen, sich anscheinend ver­bre­i­t­en­den kri­tik an den medi­en (ins­ge­samt):

    Gemein­sam ist ihnen die Annahme, die etablierten Medi­en in Deutsch­land seien ein im Grunde autoritäres Regime, eine Anstalt zur Pro­duk­tion geisti­gen Anpasser­tums. Gemein­sam ist ihnen auch die Behaup­tung, man selb­st gehöre zu ein­er bedro­ht­en Mei­n­ungs­min­der­heit, die im Zweifel ver­fol­gt und bru­tal geächtet werde. […] Die gegen­wär­tig kur­sieren­den The­o­rien der Ent­mündi­gung und der Manip­u­la­tion, Chiffren eines antilib­eralen Denkens und ein­er heim­lichen Sehn­sucht nach der Revolte, helfen nie­mand. Und sie ruinieren das Ver­trauen­skli­ma, das guter Jour­nal­is­mus bräuchte, ger­ade jet­zt und ger­ade heute.

  • Das Muster der Ver­schwörung | FAZ → dur­chaus inter­es­sant, auch wenn ich immer noch etwas fas­sun­g­los bin: eine ehe­ma­lige anhän­gerin chem­trail und anderen ver­schwörungs­the­o­rien erzählt
  • Luther­land ist abge­bran­nt | Mein Jahr mit Luther → achim landwehrs unbe­d­ingt lesenswerte “abrech­nung” mit dem refor­ma­tion­sju­biläum 2017 und über­legun­gen, was daraus für jubiläen udn unsere geschicht­skul­tur über­haupt fol­gt:

    was bleibt da vom Refor­ma­tion­sju­biläum? Es bleibt eine große Leere – eine Leere, die sich aber nicht bre­it­macht, weil das Jubiläum nun zu Ende gegan­gen ist. Diese Leere ist durch das Refor­ma­tion­sju­biläum selb­st pro­duziert wor­den. […] Fast zwangsläu­fig hängt diese inhaltliche Aushöh­lung mit dem Ver­such zur nahezu hem­mungslosen wirtschaftlichen Ver­w­er­tung des Jubiläums zusam­men. Die Feier zu 500 Jahren Ref­or­ma­tion fand sich eingek­lemmt zwis­chen Kirche und Kom­merz, zwis­chen Ökumene und Ökonomie. Nein, falsch. Das Refor­ma­tion­sju­biläum war nicht eingek­lemmt. Es hat ver­sucht, sich dort bequem einzuricht­en. […] Der Leer­lauf des Jubiläums­geschehens ergab sich nicht, weil es ein Zuviel an Ref­or­ma­tion gegeben hätte, son­dern weil zu wenig Ref­or­ma­tion in diesem Jubiläum war. Und der Man­gel an Ref­or­ma­tion kam dadurch zus­tande, dass man das his­torische Ereig­nis mit­samt seinen konkreten Umstän­den nur in recht homöopathis­chen Dosen zum The­ma machte. […] Unter dem Zwang zur Aktu­al­isierung ver­schwand die Indi­vid­u­al­ität und das his­torisch Spez­i­fis­che bis zu Unken­ntlichkeit. […] Wom­it wir es hier zu tun haben, hört auf den Namen ‚flache Geschichte‘: der möglichst geräuscharme, hin­dern­isfreie und vor allem unkom­plizierte Gebrauch (oder eher Miss­brauch) von Ver­gan­genem für gegen­wär­tige Zwecke. Flache Geschichte wird allen­thal­ben ver­wen­det. Es ist das ver­meintlich his­torische Stammtis­char­gu­ment, das zur Erk­lärung heutiger Zustände her­hal­ten muss, es ist die knapp erzählte Vorgeschichte, die Ver­gan­ge­nes genau soweit zurichtet, dass es sich in eine lin­eare Kausal­ität einord­net, und es ist das kurze Auf­blitzen eines Relik­ts aus dem Vorgestern, vielle­icht ein Bild, ein Zitat, ein Fil­mauss­chnitt oder ein bekan­nter Name, mit denen Ver­trautheit hergestellt und die Sicher­heit evoziert wer­den soll, dass es genau­so war. Flache Geschichte zielt drauf ab, sich der Mühen der Kom­plex­ität zu entledi­gen, die Gebirge der Zeit­en in aller Eile abzu­tra­gen, um freie Sicht auf die Ver­gan­gen­heit zu erhal­ten.

  • Wikipedia baut ab, oder: Was von „open“ übrig bleibt II | alba­tros → jür­gen fenn über die neg­a­tiv­en auswirkun­gen der entwick­lung des webs auf die (offene) organ­i­sa­tion von wis­sen:

    Es bedarf kein­er Erörterung, dass sich dies auch noch weit­er auf die herge­bracht­en Mit­mach­pro­jek­te des Web 2.0 auswirken wird. Wer an diese Tech­nik aus Apps plus Endgeräte gewöh­nt ist und damit aufwächst, wird nie auf die Idee kom­men, an einem Massen­pro­jekt wie Wikipedia teilzunehmen, weil er sich so etwas gar nicht mehr vorstellen kann. Nor­mal ist, dass man auf riesige Datenbestände zugreift, die automa­tisiert erstellt oder jeden­falls automa­tisiert aus­gewählt wor­den sind, aber nicht, dass man sie als Autor eigen­händig mit schreibt, kuratiert, pflegt und kollek­tiv ver­wal­tet. Das liegt alles zen­tral bei der Fir­ma, die es anbi­etet. Top-down, also nicht in den Hän­den ein­er Com­mu­ni­ty, bot­tom-up.

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