die ewige frage, wahrscheinlich eh‘ nicht wirklich umfassend und zufriedenstellend zu beantworten… aber stellen muss man sie halt doch immer wieder, sonst kommt man ja gar nicht voran, beim nachdenken über phänomene des pop. dass pop mehr ist als charthits und mainstream-popmusik der seichten sorte, inklusive ihrer kulturindustriellen, marktkapitalistischen verwertungsorgien und marketingkampagnen, ist ja inzwischen hoffentlich den vernünftigen (!) klar. aber was ist pop dann? walter grasskamp, michaela krützen und stephan schmitt haben beim fischer-taschenbuch-verlag einen kleinen band mit „zehn versuchen“ (so der untertitel) zur positionsbestimmung des pop in den verschiedenen kulturellen feldern herausgegeben. damit ist auch schon deutlich, was ein großes manko an diesem büchlein ist: inhalt und titel passen gar nicht so gut zusammen. was pop als solcher und überhaupt ist, weiß man hintenach nämlich immer noch genauso wenig wie vor beginn der lektüre. das hat wohl auch mit der entstehung des bandes zu tun. entstanden ist der nämlich aus einer gemeinsamen vorlesungsreihe der drei münchner kunsthochschulen (akademie, hochschule f. film & fernsehen, hochschule für musik & theater), die einige mehr oder weniger berufene gastredner versammelte, deren texte hier vorliegen.
in der einleitung wendet sich der herausgeber grasskamp auf für mich reichlich befremdliche weise gegen die vermeintlich erstarkende, „einflussreiche neuer schule“ (11) der „position der theoriefeindlichkeit“. ich weiß nicht, ob ich das ziel richtig identifiziert habe… aber wenn, dann scheint mir grasskamp hier doch sehr, sehr weit zu simplifizieren. und von einem sehr ausgewählten, typisch kunstgeschichtlichen standpunkt aus zu urteilen. denn natürlich, das werden die hier angegriffen in der regel selbst zugeben, ist theorielosigkeit ein schweres manko. aber die frage ist eben, ob sie immer so theorielos sind, wie es – zugegeben – leicht den anschein hat. womit sie aber unbedingt recht haben, ist die tatsache, dass pop sich auch darin von „herkömmlichen“, anderern kulturmanifestationen derart unterscheidet, dass die üblichen, in den kunst‑, literatur und kulturwissenschaft entwickelten instrumente der erforschung, die hermeneutischen verfahrung, das hier praktizierte bemühen um verständnis, nicht ausreichen, den pop in seiner spezifischen form zu erfassen und zu verstehen. möglich ist, dass sie hilfreich sein können, aber mit ihnen allein wird ein wirklcihes verständnis der popphänomene kaum gelingen. dazu kommt natürlich auch noch die schlichte tatsache, dass vieles, was – nicht nur in meinem verständnis – auch und noch pop ist, überhaupt nur zu finden, wahrzunehmen ist, wenn man mehr oder weniger stark im und mit dem pop lebt. wenn das dann alles in die arbeit über den pop einfliesst (die selbst evtl. sogar wieder zum pop werden kann…), muss man noch lange nicht „urbaner barbar“ sein, wie grosskamp unterstellt.
aber weiter zum rest: was sehr schnell beim lesen auffällt und was mich ziemlich genervt hat: pop ist hier zunächst mal pop-art. und sonst kaum etwas. selbst die eigentliche pop-musik kommt erst später zu wort. von der popliteratur (welcher auch immer) ganz zu schweigen, die fällt mal einfach so komplett unter den tisch… rudolf zwirners aufsatz „pop art in den usa“ ist denn auch ein totalausfall, falls man sich davon irgend eine antwort auf die frage „was ist pop?“ erhoffte. hier gibt es nur einen kurzen, subjektiven abriss der pop-art eines zeitgenossen. neben der pop-art noch sehr dominant in den meisten texten: das kreisen um die (un-)möglichkeit der unterscheidung zwischen „hoher“ und „niederer“ kunst (wobei pop natürlich, ganz umstandslos und reflektionsfrei, der letzteren zugeordnet wird).
so, weiter geht es mit boris groys und dem „pop-geschmack“. den verortet groys im gespür und interesse für die zahl: dem popper gefällt, was vielen gefällt… ist auf den ersten blick vielleicht einleuchtend, aber dann insgesamt doch irgendwie blöd und falsch. denn für solch einen pop-geschmack gibt es ja nur noch mainstream. und alles, was nicht mainstream ist, wäre dann kein echter, richtiger, guter, … pop. nun ja, da bin ich besseres von groys gewohnt. immerhin gibt es ein paar lichtblicke. ein paar richtige einblicke. z.bsp., wenn er beobachtet: „in diesem sinne ist der pop-geschmack eine fortsetzung, eine fortschreibung des avantgardistischen geschmackes. der pop-geschmack konstituiert sich nämlich dadurt, dass er den kommentar, d.h. die worte, durch zahlen ersetzt.“ (101) „die pop-sensibilität ist nämlich so konstruiert, dass ihr träger im primären akt der wahrnehmung eines kunstwerks die zahlen seiner verbreitung mit wahrnimmt, mitfühlt, mitdenkt.“ (101f.) beim lesen dieser passagen kommen mir dann doch zweifel – möglicherweise hat groys doch so unrecht gar nicht (was aber fraglich bleibt: seine ausschließliche fundierung des pop-geschmacks auf den zahlen – da spielt sicher noch mehr mit…). denn kurz darauf heißt es sehr richtig: „der pop-geschmack ist […] ein reflektierter geschmack – er nimmt nicht nur das kunstwerk, sonder auch seinen kontext wahr und beurteilt beide gleichzeitig.“ (102) – beim abtippen fällt mir gerade doch noch etwas deutlich positives an diesem aufsatz und dem ganzen band auf: pop wird ohne zweifel als kunst (an)erkannt. selbst das ist ja heute nicht selbstverständlich… aber weiter zu groys: die verbindungslinien, die er zwischen avantgarde und pop zieht, geben zu denken. denn die kommentative rezeption ist nur ein teil. beide verbindet außerdem der verlust der geschichte und der massen, sowie ein signifikanter ortswechsel: „als ort der professionellen kunst fungiert heute also nicht mehr das museum, sondern die statistik.“ (105) das problem freilich bleibt: so wahr das an sich ist, groys übertreibt in der verabsolutierung dieses faktums. deshalb mischen sich auch immer wieder seltsame und falsche statements unter den text – ein beispiel: „der pop-konformismus ist dagegen ein globalkonformismus – er orientiert sich an globalen informationsflüssen, die ihm die informationen darüber vermitteln, was für die großen mehrheiten in der großen außenwelt als angesagt gilt.“ (108) so weit mal dazu, das kommentiere ich jetzt mal nicht weiter…
auf groys folgt ein kenntnisreicher aufsatz des musikwissenschaftlers (vom berliner institut für populäre musik) peter wicke: soundtracks. popmusik und pop-diskurs. immerhin einer, der gemerkt hat, dass der begriff „pop“ nicht von der pop-art erfunden wurde. enjott schneider erzählt dagegen in meinen augen viel blödsinn, was die rolle und den charakter des films angeht – aber da kenne ich mich kaum noch aus … lorenz engell liefert dagegen eine schlüssigen, interessanten beitrag zum tv-pop, in dem er drei prinzipien des fernsehens und dessen entwicklungsübergänge mit den phänomen des pop kurzschließt und zu erklären versucht – ein ansatz, der durchaus charme hat. michaele krützen führt das dann in einer detailstudie zu mtv und deren video-music-award, das treffen von madonna, spears und aguilera im zeichen des pop und des events, des tv und seinen pseudo-events sowie den pseudo-events zweiter ordnung fort. den abschluss schließlich macht ulf poschardt, hier noch kein fdp-anhänger, der erstaunlich treffend pop als „öffentliches gesicht“ zu beobachten versucht, als (möglichkeit der) identitätskonstitution, wie er sie in erster linie anhand von pop-videos nachweist. das ganze unternimmt er v.a. vor dem hintergrund der virtuellen realität der maschinen, des computers, die zur visuellen fälschung des gesichts als zeichen der identität führt. damit ist natürlich ein problem offensichtlich: das verschwinden der identität, das pop revidieren sollte, ist zugleich auch ein teil des pop – als reaktion auf dieses problem. „identität bleibt so dogmatisch, als sowieso konstruiert, in der möglichkeitsform haftend.“ (254). das ist zwar einleuchtend und wahrscheinlich auch richtig und wahr, erklärt aber immer noch nicht: „was ist pop?“ das fragezeichen bleibt munter ….