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Schlagwort: saxophon

Tanz mit dem Saxophon

Wie geil ist das denn: Eine ganz groß­ar­ti­ge Solo­per­for­mance von Mats Gustafs­son mit sei­nem Bari­ton­sa­xo­phon (und zwi­schen­durch auch mit dem Sopran) in Rek­ja­vik gibt es auf You­Tube zu sehen. Eines der bes­ten Sets, die ich in letz­ter Zeit in die Ohren und vor die Augen bekom­men habe. Und das Schau­en lohnt sich, beim Betrach­ten der Bewe­gung und der Arbeit im Moment des Ent­ste­hens die­ser groß­ar­ti­gen Musik erhält sie noch eine ganz ande­re Tie­fe. Das ist so – selbst in die­ser eher beschei­de­nen Auf­nah­me­qua­li­tät – schon beein­dru­ckend und fas­zi­nie­rend. Und aus Erfah­rung weiß ich, dass das live noch viel mit­rei­ßen­der und über­wäl­ti­gen­der sein kann. Die Ener­gie, die sol­che Momen­te frei­set­zen, ist es, die den Free Jazz immer wie­der so span­nend, berüh­rend und ein­fach groß­ar­tig machen – und so loh­nend! (Ich bin gera­de ein­fach ziem­lich begeistert …)

Play­list: Mats Gustafs­son @ Rek­ja­vik 2013-08-16
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Profis der Saxophone und der Unterhaltung

So ein aus­ge­las­se­nes Trei­ben hat der Kreuz­gang von St. Ste­phan wohl sel­ten erlebt – wenn über­haupt. Fünf jun­ge Män­ner sind es, die das Publi­kum hier zum Kochen brin­gen. Bei den Tem­pe­ra­tu­ren ist das ja auch nicht so schwie­rig. Doch „Sign­um­Fi­ve“, die vier Saxo­pho­nis­ten und der Akkor­deo­nist hät­ten auch mit ark­ti­scher Käl­te kein Pro­blem. Denn ihre Hit­ze kommt von wo ganz anders her: aus der Musik. Für das letz­te Kon­zert des dies­jäh­ri­gen Main­zer Musik­som­mers neh­men sie ihre Zuhö­rer auf eine Rei­se mit. Gas­per Konec’s Werk, das der jun­ge Kom­po­nist für Sign­um­Fi­ve schrieb und das in Mainz sei­ne zwei­te Auf­füh­rung erfuhr, trägt das sogar im Titel: „Jour­ney“. Aber nicht nur hier geht es dar­um, die Nor­ma­li­tät des mit­tel­eu­ro­päi­schen Kon­zert­ge­sche­hens zu verlassen. 

Kon­ec macht in „Jour­ney“ so eine Rei­se hör­bar: Das fängt sehr gesit­tet und zurück­hal­tend an, gibt den Saxo­pho­nis­ten aber von Beginn an die Mög­lich­keit, ihren Klang­sinn und ihre Melo­di­en­se­lig­keit aus­zu­le­ben. Über­haupt dür­fen die Freun­de ein­gän­gi­ger, ein­fa­cher und gefühls­vol­ler Melo­dien sich hier glück­lich füh­len – für sie gibt es reich­lich Mate­ri­al. „Jour­ney“ schafft immer­hin den Bogen noch, mit Unter­stüt­zung ihres Akkor­deo­nis­ten gelingt es dem Saxo­phon­quar­tett, die quir­li­ge Leben­dig­keit des tän­ze­ri­schen Schluss­teils zu einer fet­zi­gen Sache zu machen. Und dar­um scheint es ja immer wie­der zu gehen: Mit einer Mischung aus meist etwas melan­cho­lisch ange­hauch­ten Folk­lo­re­me­lo­dien und wir­beln­den Tanz­mu­si­ken Unter­hal­tung auf hohem tech­ni­schen Niveau zu bie­ten. Anto­nin Dvo­raks „Ame­ri­ka­ni­sches“ Streich­quar­tett in einem Arran­ge­ment für Saxo­pho­ne, mit dem Sign­um­Fi­ve das Kon­zert eröff­ne­te, wirkt da im Rück­blick wie ein ech­ter Fremd­kör­per. An die Sub­ti­li­tät und Viel­schich­tig­keit eines guten Streich­quar­tett lan­gen die vier Blä­ser aber auch nicht so recht her­an – alles, was nicht „Melo­die“ schreit, ver­schwin­det gern im grum­meln­den Hin­ter­grund. Nach die­sem klei­nen Klas­sik-Fei­gen­blatt zu Beginn wid­men sie sich aber zum Glück auch vor­ran­gig dem, was sie am bes­ten kön­nen: der niveau­vol­len Unter­hal­tung und der instru­men­ta­len Vir­tuo­si­tät. Ein Tan­go gehört da natür­lich auch dazu, hier kommt er von dem Fran­zo­sen Thier­ry Escaich und trägt das ent­schei­den­de „vir­tuo­so“ schon im Titel. Eine ande­re Ecke der Welt nimmt Cagdas Dön­me­zer unter die akus­ti­sche Lupe: „Kara­wan­se­rei“ folgt den Spu­ren einer Kara­wa­ne, mit Kamel­stap­fen und Lager­feu­er­ro­man­tik, mit Kla­ge­lie­dern und Freu­de­tän­zen. Izi­do Leit­in­gers „Sui­ta qua­si bal­ka­nika“ ist dann zum krö­nen­den Schluss ein ech­tes Heim­spiel für die instru­men­ta­le Kön­ner und Vir­tuo­sen der Stim­mung von Sign­um­Fi­ve – auch wenn, der Titel ver­rät es ja, nicht alles „echt“ ist. Aber echt und ganz und gar authen­tisch ist die Stim­mung die­ser Musik. Das ist näm­lich auch ihr ein­zi­ger Zweck und ihre ein­zi­ge Daseins­be­rech­ti­gung: Froh­sinn zu ver­brei­ten. Dafür las­sen die Saxo­pho­nis­ten nicht nur die Klap­pen tan­zen, son­dern klat­schen, schnal­zen, schnick­sen und sin­gen auch noch – als hät­ten sie noch nicht genug Noten zu spie­len. Aber bei aller durch­aus auch gern vor­ge­führ­ten Vir­tuo­si­tät ver­ges­sen sie nie ihr eigent­li­ches Ziel: Dem Publi­kum einen schö­nen Abend zu berei­ten. Sign­um­Fi­ve sind eben Pro­fis: Pro­fis, die viel Spaß bei der Arbeit haben. Und die­sen auch sehr ger­ne weitergeben.

(geschrie­ben für die Main­zer Rhein-Zeitung.) 

nichts für müde beine oder müde ohren: candy dulfer in mainz

„Can­dy Store“ steht in gro­ßen Buch­sta­ben über der Büh­ne geschrie­ben. Aber das ist irre­füh­ren­de Wer­bung. Denn was hier über die Büh­ne geht, ist alles ande­re als süß. Die nie­der­län­di­sche Saxo­pho­nis­tin Can­dy Dul­fer ist es, die mit ihrer Band den Frank­fur­ter Hof aufmischt.
Nach län­ge­rer Abs­ti­nenz ist die Meis­te­rin des Funk mal wie­der in Mainz. Und kaum steht sie auf der Büh­ne, geht die Par­ty auch schon los. Denn das ist nichts zum Zuschau­en, jeder Groo­ve geht in die Bei­ne: Die­se Funk­at­ta­cke wür­de auch hart­ge­sot­te­ne Par­ty­muf­fel über­wäl­ti­gen – wenn denn wel­che da wären. Denn die Par­ty fin­det nicht nur auf der Büh­ne statt, son­dern auch davor. Kein Wun­der – schließ­loich prä­sen­tie­ren sich die Musi­ker vom ers­ten bis zum letz­ten Ton ener­gie­ge­la­den und spaß­ge­trie­ben. Das ist sozu­sa­gen die per­fek­te Novembermusik.
Dafür bedient sich Can­dy Dul­fer wie­der ein­mal aus­gie­big vom reich­hal­ti­gen Funk­buf­fett. Trotz der Fül­le schmeckt es aber aus­ge­zeich­net. Oder gera­de des­we­gen. Denn das ist alles ande­re als ein chao­ti­sches Sam­mel­su­ri­um. Son­dern eine per­fekt abge­stimm­te Menü­fol­ge. Nicht ohne Ver­dienst dar­an ist die Crew, die die Chef­kö­chin Dul­fer unter­stützt. Das Zusam­men­spiel ist aus­ge­spro­chen dicht. Deut­lich wird das noch ein­mal, wenn sie für das Fina­le einen groß­ar­ti­gen Groo­ve über meh­re­re Minu­ten schön sorg­sam von unten Stück für Stück, Instru­ment für Instru­ment auf­bau­en – da bleibt nie­mand unbe­rührt, da kocht der Saal bei­na­he über. Es ist aber auch wirk­lich ein Groo­ve der Extra­klas­se, der dabei her­aus­kommt. Und damit passt er genau zum krö­nen­den Abschluss. Denn wenn etwas bezeich­nend für Dul­fer und ihre Band ist, dann ist es die Fähig­keit, alles und jedes groo­ven zu lassen.
Ein biss­chen etwas Wah­res ist also doch dran, an der Ver­hei­ßung eines „Can­dy Stores“: Denn die Men­ge an Zuta­ten, die vie­len Aus­wahl­mög­lich­kei­ten, von denen sich Can­dy Dul­fer und ihre Band bedie­nen kön­ne, erin­nern schon an die über­wäl­ti­gen­den Mög­lich­kei­ten eines Süß­wa­ren­han­dels. Einen Zucker­schock bekommt man davon aller­dings nicht. Und außer­dem ist so ein Kon­zert auch noch bes­ser für die Figur.

(geschrie­ben für die main­zer rhein-zei­tung). was nicht drin steht: der ziem­lich mäßi­ge sound im hin­te­ren teil des saa­les – trotz oder wegen der ziem­lich hef­ti­gen lautstärke …

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