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Schlagwort: mädchenchor

Singende Seelen

Wenn ein A‑Cap­pel­la-Ensem­ble sich den Namen „Sjael­la“, für „Seele“ gibt, kann man von der ersten CD schon einiges erwarten. Beson­ders beseelt sin­gen die sechs jun­gen Sän­gerin­nen auf ihrer Debüt-Auf­nahme allerd­ings eher sel­ten. Ein biss­chen schade ist das, die tech­nis­chen Möglichkeit­en dazu hätte die Gruppe, die trotz der Jugend ihrer Mit­glieder schön sechs Jahre gemein­sam singt, näm­lich dur­chaus. Der wilde Stilmix, das kun­ter­bunte Sam­mel­suri­um dieser CD zeigt das deut­lich: Into­na­tion­ssich­er und klar aus­bal­anciert sin­gen sie immer, ob die Musik von Knut Nyst­edt stammt oder von Sting, ob ger­ade die Noten von Duru­flés „Tota pul­chra es“ oder ein Volk­slied­satz an der Rei­he sind: Immer wieder singt Sjael­la ohne Zweifel sauber – man kön­nte prob­lem­los mitschreiben. Aber Charme, Inspi­ra­tion oder Esprit – das ver­mit­telt die Auf­nahme lei­der kaum. Deswe­gen hän­gen selb­st Bea­t­les-Hits wie „Dri­ve my car“ oder Stings „Val­paraiso“ etwas glan­z­los im leeren Raum. Dabei gelingt Sjael­la dur­chaus einiges, Dia­mons are a girl’s best friend etwa – das hat in sein­er naiv­en Unschuld schon seinen Reinz … Aber ob das wirk­lich so tief ins Innere der Teenag­er-See­len blick­en lässt, wie das Book­let behauptet?

Sjael­la: Sjael­la. Quer­stand VKJK 1009. 2011. 48:52 Minuten.

(geschrieben für die Neue Chorzeit.)

einmal quer durch die musikgeschichte: schütz, pergolesi und brahms im passionskonzert

Es war ein Hin und Her wie sel­ten bei den Domkonz­erten: Die Chöre wech­sel­ten, es wurde mit und ohne Orch­ester musiziert, die Solis­ten­blieben auch alle nicht lange, selb­st der Diri­gent wurde getauscht. Und doch herrschte auch ganz viel Andacht im Pas­sion­skonz­ert. Im Zen­trum stand dabei die Matthäus-Pas­sion von Hein­rich Schütz, die eigentlich gar keine Pas­sion ist. Zumin­d­est nicht im musikalis­chen Sinn. Denn bei Schütz heißt die Ver­to­nung der Pas­sion­s­geschichte noch His­to­rie – eine Erzäh­lung der Lei­den Christi. Und die hält sich, von Ein­gangs- und Schluss­chor abge­se­hen, streng an den Text des Evan­ge­lis­ten. Arien und Choräle wird man hier also vergebens erwarten. Die Nähe zum Bibel­text führt dazu, dass große Teile vom Evan­ge­lis­ten und den anderen Solis­ten über­nom­men wer­den, der Chor mehr oder min­der auf kurze Ein­würfe beschränkt bleibt. Das sollte allerd­ings nicht zu so ein­er Het­ze führen wie im Dom. Denn wed­er Math­ias Bre­itschaft noch der eigentlich sehr solide Evan­ge­list Daniel Käs­mann nah­men sich im Gle­ich­maß der fort­laufend­en Bewe­gung, des unun­ter­broch­enen Bericht­es Zeit für beson­dere Momente, für Augen­blicke der Dra­matik. Die sind aber auch bei Schütz dur­chaus vorhan­den – man muss sich nur etwas mehr Mühe geben, sie freizule­gen. Wie das geht, weiß Bre­itschaft ja dur­chaus. Das stellte er dann etwa im Schluss­chor unter Beweis: Hier hat­te er auf ein­mal Zeit für sub­tile Aus­deu­tung, die die Domkan­tor­ei auch – trotz der starken Beset­zung – sehr deut­lich und trans­par­ent, vor allem aber mit leichtem Klang mit­machte und mit­trug.

Karsten Stor­ck über­nahm das Diri­gat der anderen bei­den Werke. Neben dem etwas blassen und unschein­baren 13. Psalm für Frauen­chor von Johannes Brahms, den der Mäd­chen­chor sehr brav sang, war das vor allem Gio­van­ni Per­gole­sis „Sta­bat Mater“. Dessen reine Melo­di­en ver­her­rlichen im Wohlk­lang sowohl der Chorsätze als auch der Arien und Duette mit den bei­den schön aufeinan­der abges­timmten Solistin­nen, Dorothee Laux und Patri­cia Roach, die süße Wol­lust der Schmerzen. Ger­ade der ständi­ge Wech­sel zwis­chen Chor und Soli gelang Stor­ck dabei sehr schön. Denn die Chorsätze ließ er immer etwas stärk­er zele­bri­eren als unbe­d­ingt nötig. Zusam­men mit der Intim­ität der Arien kam das „Sta­bat Mater“ so in sein­er gesamten Länge zu einem wohlgerun­de­ten Pulsieren, ein­er angenehmen Mis­chung aus zügi­gen Tem­pi und inni­gen Momenten der Empfind­samkeit. Und darum geht es schließlich: Das Mit-Gefühl zu weck­en.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung.)

st. petersburg und mainz

Der Zusam­men­prall zweier Kul­turen gilt oft als ein Zeichen von Unheil. Das muss aber nicht unbe­d­ingt so sein. Ger­ade in der Musik haben sich immer wieder große Ereignisse aus dem Aufeinan­dertr­e­f­fen vol­lkom­men unter­schiedlich­er Stile und Musik­er ereignet. Das adventliche Chorkonz­ert im Dom war genau so ein Fall. Im Zen­trum stand zwar der St. Peters­burg­er Knaben­chor. Aber die Mainz­er ließen es sich nicht nehmen, den Mäd­chen­chor wenig­stens ein biss­chen sin­gen zu lassen. Und das war eine großar­tige Idee. Denn einen großen Teil sein­er Wirkung und Ein­drück­lichkeit zog diese Adventsmusik aus dieser Kon­fronta­tion. Hier trat­en zwei völ­lig ver­schiedene Chor­tra­di­tio­nen ins Blick­feld, zwei ganz gegen­sät­zliche Klangkul­turen.
Den Anfang machte der Mainz­er Mäd­chen­chor. Nicht viel war es, was sie san­gen. Aber es reichte Karsten Stor­ck, um das Niveau und die Qual­ität seines Ensem­bles wieder ein­mal plas­tisch bewusst zu machen. Egal, ob verträumt und san­ft schwin­gend wie der Satz des Wei­h­nacht­sliedes „Maria durch ein Dorn­wald ging“ oder fed­ernd zupack­end wie bei der aus­gewählten Mag­ni­fi­cat-Ver­to­nung: Immer bewiesen sie volle Präsenz, vor­bildliche Klarheit und Ein­heit des Klangkör­pers, der alle Struk­turen klar erken­nen ließ.
Und dann der Wech­sel zu den rus­sis­chen Jun­gen. Das war nicht nur ein anderes Geschlecht, das war eine ganz andere Idee des Chork­langs. Denn Trans­parenz und kom­pos­i­torische Struk­turen waren jet­zt über­haupt nicht mehr wichtig. Jet­zt ging es vor allem darum, den Raum mit Klang auszufüllen – ein Vorhaben, das im Mainz­er Dom zu sehr anre­gen­den Ergeb­nis­sen führte.
Alles war immer im Fluss, jed­er Über­gang wurde von Wladimir Ptscholkin so sorgsam abgefed­ert, dass er nahezu unerkennbar wurde. Es war eine schein­bar nie ver­siegende Fülle weich­er Klang­bilder, die sie aus den Werken vor­wiegend rus­sis­ch­er Kom­pon­is­ten her­ausholten. Und es war immer wieder verblüf­fend, wie naht­los sie sich in den Raum schmiegten, wie die gar nicht so vie­len Kinder und Jugendliche die Energien fließen ließen. Einen Sieger gab es in diesem Konz­ert natür­lich nicht, nur zwei völ­lig unter­schiedliche klan­gliche Ergeb­nisse. Aber schön waren bei­de.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung)

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