Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: klassik Seite 2 von 11

Ins Netz gegangen (26.3.)

Ins Netz gegan­gen am 26.3.:

  • New States­man | What dri­ves the men who think fem­i­nists and for­eign­ers want to wipe them out? — Lau­rie Pen­ny ver­sucht, Maskulis­ten zu ver­ste­hen:

    Fem­i­nism, for instance, is not in real­i­ty a strat­e­gy cooked up by left-wing women so we can take all of men’s pow­er and mon­ey for our­selves and turn them into sex slaves. I know this because, if it was, I would be sit­ting on a gigan­tic gold­en throne with oiled flunkies feed­ing me choco­late bis­cuits, rather than hav­ing the same argu­ments over and over again

  • Dilet­tan­ten : Der reiche Mae­stro, den kein­er mag — DIE WELT — Kon­stan­tin Richter hat die kuriose Geschichte von Ashot Tigranyan aufgeschrieben:

    Ashot Tigranyan ist als Geiger ein hoff­nungslos­er Fall. Hören will ihn nie­mand. Trotz­dem gibt er Unsum­men aus, um durch die Welt zu touren. Eine Begeg­nung mit einem Mys­teri­um.

    Das klingt alles so absurd und ver­rückt, das würde man keinem Roman oder Film abnehmen …

  • [tore­ad] AAC — Fack­el — »Die Fack­el. Her­aus­ge­ber: Karl Kraus, Wien 1899–1936«
    AAC Dig­i­tal Edi­tion No 1

    The AAC dig­i­tal edi­tion of the jour­nal »Die Fack­el«, edit­ed by Karl Kraus from 1899 to 1936, offers free online access to the 37 vol­umes, 415 issues, 922 num­bers, com­pris­ing more than 22.500 pages and 6 mil­lion word­forms.

    The AAC-FACKEL con­tains a ful­ly search­able data­base of the entire jour­nal with var­i­ous index­es, search tools and nav­i­ga­tion aids in an inno­v­a­tive and high­ly func­tion­al graph­ic design inter­face, in …

  • Ste­fan Nigge­meier über Live-Tick­er — FAZ — Ste­fan Nigge­meier betra­chtet die Livet­ick­er — in The­o­rie und Prax­is, mit eher ernüchtern­dem Ergeb­nis (aber wen wundert’s …):

    Aber wie das so ist: Eine Soft­ware, die es sehr leicht macht, einen Text zu aktu­al­isieren, macht es auch sehr schw­er, ihn nicht zu aktu­al­isieren. Und so wohnt den Nachrich­t­entick­ern die Ten­denz inne, zu Nicht-Nachrich­t­entick­ern zu wer­den. […] Dabei müsste man im Inter­net, anders als im lin­earen Fernse­hen, die Zeit, in der nichts passiert, eigentlich gar nicht mit großem Nichts füllen.

    Es mis­chen sich: eine Fix­ierung auf Ober­fläch­lichkeit­en […], ein per­ma­nen­ter Alarmis­mus und der Hang, auf der Grund­lage von Nichtwissen, Halb­wis­sen und Schein­wis­sen weitre­ichende Speku­la­tio­nen anzustellen.

    Es ist in manch­er Hin­sicht eine unjour­nal­is­tis­che jour­nal­is­tis­che Form: Sie sortiert und gewichtet nicht, sie sam­melt nur und hält das, was sie find­et, in chro­nol­o­gis­ch­er Rei­hen­folge fest.

  • Slo­gan Caus­es Pen­cil Recall — New York TimesThese pen­cils were with­drawn from schools after a pupil point­ed out a prob­lem, viaTwit­ter / qikipedia

Ins Netz gegangen (14.2.)

Ins Netz gegan­gen am 13.2.:

  • Recom­posed. | Bad Blog Of Musick — Ha! Der Moritz Eggert mal wieder …

    They don’t look to stressed with their part of long held-out dron­ing notes, so I guess they have time to smile. Some­times the cam­era zooms on the left hand of Max Richter when it is about to play a new bass note. Fas­ci­nat­ed we see how he lifts one fin­ger – and press­es down anoth­er one. This seems to be a tir­ing process because after­wards the fin­gers don’t move any­more for a while.
    […] Max Richter smiles at him, it could be that he’s hap­py that he’s back. But then he looks stressed again, because now he lifts his fin­ger to play a new ped­al note. I ask myself if left hands can feel shame. Prob­a­bly not.

  • 25. Todestag : Wo Thomas Bern­hard run­dum glück­lich war — DIE WELT — Joachim Lottmann besucht zur Erin­nerung an den vor 25 Jahren gestor­be­nen Thomas Bern­hard dessen Liebling­sorte in Wien auf (inklu­sive seinem Grab):

    Bern­hard kon­nte hier sein­er lieb­sten Sucht nachge­hen: der Melan­cholie. Er liebte es, die Men­schen zu beobacht­en, und zwar über Jahrzehnte. Er sah dann, wie die einst junge Serviererin, die ein­mal so behende, flink und lustig gewe­sen war, diesel­ben Bewe­gun­gen, etwa das Zählen des Geldes, nun mit ganz anderen, eben­falls schö­nen Bewe­gun­gen aus­führte – und zer­floss dabei vor Melan­cholie. Er sagte es selb­st: Das Melan­cholis­ch­sein war seine Droge, waren seine Tablet­ten, und er brauchte jeden Tag eine oder zwei davon. Es machte ihn glück­lich, melan­cholisch zu sein.

  • Der Unter­schied zwis­chen Schwulen-Geg­n­ern und Schwulen-Geg­n­er-Geg­n­ern « Ste­fan Nigge­meier — Ste­fan Nigge­meier über die Argu­mente von Schwulen-Geg­n­ern und Schwulen-Geg­n­er-Geg­n­ern, wie sie von Mais­chberg­er vorge­le­sen wur­den:

    Das ist nicht das­selbe. Das hat nicht dieselbe Qual­ität. Objek­tiv nicht.

    (wenn es so aussieht, als würde ich (fast) jeden Blog­a­r­tikel von Nigge­meier empfehlen, dann liegt das ein­fach daran, dass er so oft Recht hat und die Sachen — nüchtern und sach­lich — auf den Punkt bringt)

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Netzfunde der letzten Tage

Meine Net­z­funde für die Zeit vom 5.3. zum 14.3.:

  • Wie klas­sis­che Musik fasziniert, heute — Hans Ulrich Gum­brecht über­legt in seinem FAZ-Blog “Digital/Pausen” aus Anlass eines (offen­bar recht typ­is­chen) Konz­ertes mit Stre­ichquar­tet­ten und ähn­lichem, warum uns Musik der Klas­sik (& Roman­tik) anders/mehr fasziniert als die der Mod­erne (hier: Brit­ten (!)) -

    Noch inten­siv­er als die Musik unser­er Gegen­wart vielle­icht scheinen viele Stücke aus dem Reper­toire, das wir “klas­sisch” nen­nen, diese Ahnung, diese unsere Exis­tenz grundierende Erin­nerung zu eröff­nen, wieder Teil ein­er Welt der Dinge zu wer­den. Genau das kön­nte die Intu­ition, die vor­be­wusste Intu­ition der Hör­er im aus­geschnit­te­nen Marathon-Hemd sein — die sich zu weinen und zu lachen erlauben, wenn sie Mozart und Beethoven hören.

    (via Pub­lished arti­cles)

  • Abmah­nung für Klaus Graf in der Causa Scha­van | Schmalenstroer.net — Abmah­nung für Klaus Graf in der Causa Scha­van (via Pub­lished arti­cles)
  • John­sons JAHRESTAGE — Der Kom­men­tar — Kom­men­tar zu Uwe John­sons Roman »Jahrestage«
  • Kleines Adreßbuch für Jeri­chow und New York — Rolf Michaelis: Kleines Adreßbuch für Jeri­chow und New York.
    Ein Reg­is­ter zu Uwe John­sons Roman »Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cress­pahl« (1970–1983)
    Über­ar­beit­et und neu her­aus­gegeben von Anke-Marie Lohmeier
    Über­ar­beit­ete, dig­i­tale Neuaus­gabe 2012
  • Abschluss der «Enzyk­lopädie der Neuzeit»: Die Vor­mod­erne in sechzehn Bän­den — Thomas Mais­sen lobt — mit eini­gen Ein­schränkun­gen — in der NZZ die plan­gerecht abgeschlossene EdN:

    «Schluss­be­tra­ch­tun­gen und Ergeb­nisse» run­den das Werk ab. Das ist für eine Enzyk­lopädie ungewöhn­lich, macht aber das pro­gram­ma­tis­che Ziel deut­lich. Die «Enzyk­lopädie der Neuzeit» sam­melt nicht abschliessend Wis­sen, son­dern will die Grund­lage abgeben für neuar­tige Unter­suchun­gen zu his­torischen Prozessen, welche vor den Gren­zen der Diszi­plinen eben­so wenig halt­machen wie vor den­jeni­gen der Natio­nen und Kul­turen. Insofern dient das Werk primär Forschen­den und Lehren­den, die ihren eige­nen Zugang rel­a­tivieren und erweit­ern wollen, durch kom­pakt und reflek­tiert präsen­tierte Infor­ma­tion auf hohem Niveau.

  • Sprach­schmug­gler in der Wikipedia? – Sprachlog — Sprach­schmug­gler in der Wikipedia? (via Pub­lished arti­cles)
  • DDR-Presse (ZEFYS) — Im Rah­men eines von der Deutschen Forschungs­ge­mein­schaft (DFG) geförderten Pro­jek­ts wer­den drei DDR-Tageszeitun­gen dig­i­tal­isiert und im Voll­text erschlossen: Neues Deutsch­land [ND] (23. April 1946 — 3. Okto­ber 1990, voll­ständig in Präsen­ta­tion), Berlin­er Zeitung [BZ] (21. Mai 1945 — 3. Okto­ber 1990, 1945–1964 in Präsen­ta­tion) & Neue Zeit [NZ] (22. Juli 1945 — 5. Juli 1994, Präsen­ta­tion fol­gt)

    Damit ist ein erster, bedeu­ten­der Teil der Tage­spresse der SBZ (Sow­jetis­che Besatzungszone, 1945–1949) und der DDR (Deutsche Demokratis­che Repub­lik, 1949–1990) für die wis­senschaftliche Forschung und Recherche frei zugänglich.

  • Druck­sachen und Ple­narpro­tokolle des Bun­destages — 1949 bis 2005 — In diesem elek­tro­n­is­chen Archiv kön­nen sämtliche Druck­sachen und Stenografis­chen Berichte des Deutschen Bun­destages von der 1. bis zur 15. Wahlpe­ri­ode recher­chiert und im pdf-For­mat abgerufen wer­den.

Russische Hits

Es ist schon selt­sam, dass Tschaikowsky eines sein­er berühmtesten Werke beina­he nicht kom­poniert hätte: Für „Romeo und Julia“, die nach dem Shake­speare-Dra­ma geformte Fan­tasie-Ouvertüre, war erst ein Anstoß von außen notwendig . Auch bei seinem bekan­ntesten Kom­po­si­tion über­haupt, seinem ersten Klavierkonz­ert, plagten den skrupulösen Tschaikowsky lange die Selb­stzweifel.

Zu hören ist davon aber nichts mehr. Auch beim ersten Mainz­er Meis­terkonz­ert in der Rhein­gold­halle nicht.
Denn die Koblenz­er Rheinis­che Phil­har­monie unter Daniel Raiskin bevorzugt im ganzen Konz­ert, das neben den bei­den Tschaikowsky – jedes für sich schon ein absoluter Pub­likums­maget – auch noch Liszts zweite Ungarische Rhap­sodie in ein­er Orch­ester-Bear­beitung und Sergei Rach­mani­nows „Pagani­ni-Rhap­sodie“ für Klavier und Orch­ester ver­sam­melte, ein ziem­lich robustes Musizieren. Die vie­len raf­finierten Fein­heit­en der „Romeo und Julia“-Ouvertüre sind dadurch kaum zu hören. Vor allem aber fehlen sowohl Span­nung als auch Frische, durch die diese abge­spielte Ouvertüre wieder lebendig würde. Aber trotz der nicht per­fek­ten Wieder­gabe wirkt sie natür­lich immer noch: Wahre Meis­ter­w­erke sind schw­er zu zer­stören.

Den Sta­tus des über­stra­pazierten Meis­ter­w­erkes kann auch das b‑Moll-Konz­ert prob­lem­los beanspruchen. Und auch hier stellt sich immer wieder die Frage: Haben Pianist und Diri­gent noch etwas zu sagen? Beim Meis­terkonz­ert ist das schnell beant­wortet: Ja, unbe­d­ingt. Vor allem der Pianist Kon­stan­tin Scherbakov beweist sich hier meis­ter­haft. Weil er unge­mein viel kann: Nicht nur den in diesem Schlachtross unver­mei­dlichen The­a­ter­don­ner – das absolviert er bravourös, aber schein­bar ohne innere Beteili­gung. Viel deut­lich­er kom­men seine immensen Fähigkeit­en in den ver­meintlichen Neben­säch­lichkeit­en zu tra­gen: Wie er mit­ten im wildesten vir­tu­osen Getüm­mel noch fein­ste Nuna­cen der Weich­heit und Abrun­dung her­vorza­ubert – das ver­rät wahre Größe.

Und er nimmt dem Konz­ert damit viel von sein­er ober­fläch­lichen Tri­umph-Geste. Hier sind das ver­sponnene Herb­st-Nebel, die nur hin und wieder aufreißen und die strahlen­den Reste der gleißen­den Som­mer­son­ne hin­durch lassen. Und einige kräftig Wind­stöße sor­gen in dieser ver­wun­sch­enen Traum­land­schaft, die wie eine Feen­welt erscheint, für Durch­blick und die Rück­kehr in die Real­ität. Viele Dop­peldeutigkeit­en der Par­ti­tur wer­den so wun­der­bar klar, aus ihnen entwick­elt Scherbakov drama­tis­chen Impulse und eine Vielschichtigkeit, die die intellek­tuelle Neuent­deck­ung der ver­steck­ten Andeu­tu­gen und Kleinigkeit­en dieser schein­bar so über­aus bekan­nten Musik über ihre Emo­tion­al­ität hin­aus hebt. Schade nur, dass Raiskin mit der Rheinis­chen Phil­har­monie nicht genau­so sub­til und frag­il begleit­en kann. Aber im Finale find­en sie dann doch noch zusam­men, in ein­er schö­nen Form der vehe­menten Klarheit – und der absoluten Begeis­terung für Tschaikowskys Musik. Und die teilt auch das Pub­likum mit ihnen.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung.)

Leichtikeitslüge ganz leicht

Das Kernar­gu­ment von Hol­ger Noltze, , ist sim­pel: “Klas­sis­che” Musik — wie viele andere Kun­st — ist kom­plex. Um sie erfol­gre­ich genießen, ver­ste­hen, erleben zu kön­nen, darf die “Ver­mit­tlung” — durch Didak­tik, Pro­jek­te, Events, Auf­führung — diese Kom­plex­ität nicht — wie es gerne geschieht — über­mäßig stark reduzieren, weil dadurch der Kern des Kunst­werkes ver­loren gin­ge. Und das war’s dann auch schon — eigentlich. Der Rest der 275 Seit­en dieses Buch­es ist aufge­blasenes, etwas geschwätziges Hin und Her zum Stand der Bil­dung, zur Sit­u­a­tion des Mark­tes der Musik (ganz, ganz schlecht, dieser Teil), zu den Medi­en und so weit­er — ein kul­turkri­tis­ch­er Run­dum­schlag also, der aber erstaunlich seicht bleibt, finde ich. Und der natür­lich sehr genau weiß, wie prob­lema­tisch solche Gen­er­al­abrech­nun­gen sind und deshalb ständig die entsprechen­den Sicherun­gen ein­baut. Aber der ander­er­seits auch wieder nur bekan­nte Ver­satzstücke arrang­iert und wenig selb­st denkt. Und auch nie wirk­lich in die Tiefe geht, son­dern zwar nicht an der ver­ab­scheuten Ober­fläche, aber doch sehr nahe zu ihr bleibt. Warum das “das beste Musik­buch des Jahres,vielleicht das beste Musik­buch der let­zten Jahre über­haupt” sein soll, wie Arno Lück­er in der nmz auswe­ich­lich des Schutzum­schlages behauptet hat, erschließt sich mir nun über­haupt. Zumal es um die Musik selb­st ja gar nicht (bzw. nur sehr anek­t­do­tisch am Rande) geht und auch gar nicht gehen soll. Wahrschein­lich is das so ein Fall von Betrieb­s­blind­heit oder über­mäßigem Ver­har­ren im kleinen Zirkel der Musikver­mit­tler, der so ein Buch so her­aus­ra­gend find­et. Naja, zum Glück habe ich es nur aus der Bib­lio­thek und nicht selb­st gekauft …

Hol­ger Notze: Die Leichtigkeit­slüge. Über Musik, Medi­en und Kom­plex­ität. Ham­burg: edi­tion Kör­ber-Stiftung 2010.294 Seit­en. ISBN 978–3‑89684–079‑0.

kammermusikalische europareise

so richtig habe ich den zusam­men­hang des pro­gramms ja nicht ver­standen: haydn — hin­demith — mendelssohn bartholdy: viel gemein­samkeit­en gibt es da nicht … ganz nett war’s aber trotz­dem, das war ja zu erwarten in der vil­la musi­ca ;-). also, los gehts:

San­ft weht die zarte Cel­lomelodie durch den Salon im ersten Stock, flutet durch das Trep­pen­haus und das ganze Anwe­sen, mit­füh­lend ver­fol­gt von der Vio­line und zart unter­malt von der Klavier­stimme: Die Vil­la Musi­ca ist aus dem Som­mer­schlaf erwacht.

Ganz angemessen geschieht das mit einem Konz­ert des hau­seige­nen Ensem­bles Ville Musi­ca, also den rou­tinierten Meis­tern der Kam­mer­musik, die hier nicht nur ihre Erfahrung und ihr Wis­sen an junge Kün­stler weit­ergeben, son­dern auch das Pub­likum an ihrem Kön­nen teil­haben lassen.

Das lässt sich gefall­en. Denn aus der Som­mer­pause kommt das Ensem­ble, das ja nur lose gefügt ist und in ver­schiede­nen Beset­zun­gen arbeit­et, mit frischem Elan zurück. Flott, fast unbeküm­mert, mit knack­iger Frische und der ensem­ble­typ­is­chen Mis­chung aus Genauigkeit und Läs­sigkeit, aus Gemein­samkeit und indi­vidu­eller Überzeu­gungskraft an jedem Instru­ment lassen sie Haydns Klavier­trio Nr. 42 in C‑Dur, eines der späten Meis­ter­w­erke nach sein­er zweit­en Eng­lan­dreise, sehr, sehr lebendig wer­den. Gewiss, eine Min­dest­dis­tanz bleibt immer spür­bar, das kann man vor allem im Andante sehr gut merken, so ganz haben sie sich dieses Trio nicht zu eigen gemacht. Aber dann blitzt doch wieder der Schalk zwis­chen den Sait­en her­vor – zumin­d­est einen kleinen, aber häu­fi­gen Erschei­n­un­gen.

Dieses frische Musizieren, die unver­brauchte Inter­pre­ta­tion kann man auch in Paul Hin­demiths Klar­inet­ten­quar­tett deut­lich spüren. Forsch und taten­durstig stoßen die Vier hier ein ums andere Fen­ster in andere Wel­ten auf, lassen Ein­blicke in Traum und Imag­i­na­tion zu, ermöglichen das unbeschw­erte Schweifen im Reich der Vorstel­lung. Mit immer neuen, ener­gis­chen Schüben sor­gen sie dafür, dass jed­er die Gele­gen­heit bekommt, diese Gren­ze zu über­schre­it­en und hinüber zu schauen in die Welt der Kun­st. Dazu mis­chen sie den pfif­fi­gen Witz Hin­demiths, seine weit­en Melo­di­en und schrof­fen Klang­bal­lun­gen mit großer Aus­dauer und feinem Gespür für die wohlge­formte Dra­maturgie. Und genau das macht Felix Mendelssohn Bartholdys erstes Klavier­trio am Schluss des Konz­ertes zum Hit des Abends. Denn das Konz­ert­fi­nale gelingt dem Ensem­ble ein­deutig am besten, am lebendig­sten und inten­sivsten. Patrick Demen­ga lässt sein Cel­lo hier noch ein­mal beson­ders weich und bes­timmt brum­men, Muriel Can­toreg­gi geigt auf- und her­aus­fordernd, drängt spielerisch immer wieder voran. Und Yuka Imamine am Klavier gibt ihre feine Zurück­hal­tung wenig­stens teil­weise auf. Die Mit­tel­sätze erzählen so zart und quirlig feinge­sponnene Elfengeschicht­en – typ­isch Mendelssohn Bartholdy eben. Und die Rah­men­sätze binden das in großer Offen­heit, vom Ensem­ble Vil­la Musi­ca mit Gespür für die richtige Dosis Größe und Majestät, klan­gliche Abrun­dung und lebendi­ge Nuancierung real­isiert, prächtig und klangvoll zusam­men.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung)

argumentieren oder nicht: soll thielemann in münchen bleiben?

joachim kaiser hat sich in der heuti­gen sz mal wieder zu wort gemeldet. so sehr ich auch seine ver­di­enst schätze — seine schriftlichen ergüsse der let­zten jahre sind meis­tens kaum noch les­bare, ver­schwurbelte selt­samkeit­en, die zwar von einiger bil­dung zeu­gen, in ein­er mod­er­nen zeitung aber eigentlich nichts zu suchen hät­ten (dass die sz sie brav weit­er druckt, ver­ste­he ich — bei allem respekt vor sein­er bedeu­tung für diese zeitung — nicht. und schon gar nicht, dass sie sie so promi­nent platziert.) heute geht es um die ver­tragsver­hand­lun­gen mit dem diri­gen­ten chris­t­ian thiele­mann, dessen orch­ester ihm für eine ver­längerung seines engage­ments als gen­eral­musikdi­rek­tor, also chefdiri­gent, zwei sehr ein­deutige bedin­gun­gen gestellt hat: mehr konz­erte mit den münch­n­er phil­har­monikern, weniger — d.h. keinen — ein­fluss auf die pro­gram­mgestal­tung des gast­diri­gen­ten (das soll die inten­danz regeln). eigentlich scheint das für heutige orch­ester und deren arbeit bei­des nicht völ­lig unsin­nig, wie die redak­teure der sz nach eini­gen anfänglichen irrwe­gen inzwis­chen auch sehen und entsprechend schreiben. für joachim kaiser gilt aber irgend­wie anderes.

denn in seinen heuti­gen aus­führun­gen — trotzig über­titelt “Thiele­mann muss bleiben!” (als hätte kaiser in dieser sache etwas zu sagen …) — und mit dem hochsta­p­lerischen unter­ti­tel “zum stand ein­er trau­ri­gen, blam­ablen diri­gen­ten-debat­te” verse­hen schmeißt er lustig mit pseu­do-argu­menten und ver­leum­dun­gen um sich. schon der unter­ti­tel ist ja beze­ich­nend: die debat­te (die gar nicht so sehr debat­te ist, son­dern in erster lin­ie eine ver­tragsver­hand­lung zwis­chen stadt, d.h. v.a. dem münch­n­er kul­tur­ref­er­enten, und thiele­mann) ist wed­er trau­rig noch blam­a­bel. blam­a­bel ist höch­stens der umgang damit, die ständi­ge evozierung (v.a. durch kaiser selb­st), so ein musik­er wie thiele­mann müsste um jeden preis in münchen gehal­ten wer­den. schlim­mer finde ich aber, was dann in den ersten sätzen zumin­d­est durch­schim­mert: da legt kaiser, immer­hin ein adorno-schüler, doch sehr, sehr nahe, dass dieser orch­ester­vor­stand (das “soge­nan­nte” kon­nte er sich wohl ger­ade noch so verkneifen) gefäl­ligst die klappe hal­ten soll, froh sein soll über den star am pult und gefäl­ligst hinzunehmen habe, wenn dieser sich wie ein autokratis­ch­er orch­ester­herrsch­er des 19. oder frühen 20. jahrhun­derts geriert.

statt sich aber wirk­lich damit auseinan­der zu set­zen, was das denn heißt, wenn ein orch­ester­vor­stand den einge­s­tanden dur­chaus radikalen weg geht, eine weit­erbeschäf­ti­gung thiele­manns von bes­timmten bedin­gun­gen abhängig zu machen, und was es ander­er­seits bedeutet, wenn sich thiele­mann — wie es momen­tan scheint — stand­haft weigert, darauf einzuge­hen, lässt sich kaiser die restlichen zwei drit­tel seines (wie immer über­lan­gen) textes (der übri­gens selb­st nicht weiß, ob er kom­men­tar, nachricht oder kri­tis­che würdi­gung sein soll — ein in sein­er per­fidiz­ität typ­is­ches instru­ment kaisers), lässt sich kaiser also mehr als reich­lich aus über den vor­wurf des eingeschränk­ten reper­toires thiele­manns aus. das geschieht aber wieder in sehr beze­ich­nen­der weise: erstens ist der vor­wurf, den kaiser hier find­et, so gar nicht vorge­wor­fen wor­den. das prob­lem ist nicht so sehr thiele­manns beschränkung in reper­toire-fra­gen (auch wenn ich per­sön­lich das für arg eng halte), son­dern wie er damit umge­ht und sein orch­ester damit umge­hen lässt. dann behauptet kaiser aber, diesem “vor­wurf”  (den er übri­gens, wieder so eine per­fide masche, auf “lieblingsstücke” bezieht …) könne man einiges ent­geg­nen. genau das tut er dann aber nicht, son­dern behauptet es nur. er führt dann erst ein­mal aus, dass andere große inter­pre­ten, v.a. arthur rubin­stein, auch nur wenig gespielt hät­ten. na und? er hätte sich bess­er ein­mal die diri­gen­ten der let­zten 30–50 jahre angeschaut. dort ist solche ein­schränkung näm­lich eher sel­ten gewor­den, scheint mir (und auch bei den instru­men­tal­is­ten inzwis­chen dur­chaus nicht mehr so prä­gend — bren­del ist da in seinen späten jahren schon eher eine aus­nahme). so, das war die erste hälfte des textes. statt aber noch mehr des “einiges” anzuführen, zeigt kaiser lieber, dass er thiele­mann schon öfters gehört hat und dass der ganz toll dirigieren kann — geschenkt, das bestre­it­et ja nie­mand. strit­tig ist ja nur die frage, ob daraus, näm­lich der begabung für die inter­pre­ta­tion einiger ästhetis­ch­er werke, schon die berech­ti­gung abzuleit­en ist, dass man als autoritär­er sach­wal­ter über ein orch­ester, d.h. andere men­schen, ver­fü­gen und bes­tim­men darf. dazu schweigt kaiser aber aus­dauernd.

er kommt statt dessen zu einem ziem­lich weichen faz­it: “Solche Ereignisse [Thiele­manns bessere, d.h. gelun­gene Inter­pre­ta­tio­nen] aber sind es, die eigentlich erst begrün­den, warum es einen hochsub­ven­tion­ierten, in jed­er Weise ‘teueren’ Musik­be­trieb über­haupt geben sollte.” — da hätte er bess­er noch ein­mal drüber nachgedacht: denn erstens bestre­it­et das (in dieser debat­te) ja nie­mand, dass es den musik­be­trieb geben sollte (die offen­bar nicht unbe­trächtlichen hon­o­rar­forderun­gen thiele­manns sind ja gar nicht gegen­stand der kon­tro­verse — obwohl man da, in zeit­en der ver­suche, vergü­tun­gen der freien wirtschaft leg­isla­tiv zu regeln, auch mal drüber nach­denken kön­nte …). zweit­ens wäre ja, wenn kaisers faz­it so ein faz­it wäre, noch über­haupt nichts dazu gesagt, ob man — und auch ob Thiele­mann — solche momente höch­ster erfül­lung (die gewiss einiges an pein aufwiegen) nur erre­icht, wenn man weit­er das ego eines autokratis­chen diri­gen­ten päp­pelt oder ob es nicht auch andere, kom­mu­nika­ti­vere wege dazu gibt. die empirie, z.b. in berlin, zeigt, dass der “neue” weg, die abkehr vom diri­gen­ten­herrsch­er, keineswegs dem ästhetis­chen glück ent­ge­gen ste­hen muss.

romantische englische kammermusik — ja, das gibt es

der beweis dazu: das erste konz­ert der mainz­er rathauskonz­erte in dieser spielzeit am 11. sep­tem­ber. hier meine aus­führun­gen für die mainz­er rhein-zeitung:

Es war eine ein­ma­lige Gele­gen­heit, den Musik­ern ein­mal so richtig nahe zu kom­men. Denn bei den Mainz­er Rathauskonz­erten gibt es wed­er Bühne noch Orch­ester­graben. Im Gegen­teil, das Ensem­ble sitzt ganz unten – in der run­den Mitte des Ratssaales näm­lich. Und während es sich das Pub­likum hin­ter den Tis­chen und Mikro­fo­nen in den Drehstühlen bequem machte, musste das Eng­lish Piano Trio sich umrun­det von neugieri­gen Ohren und Augen der Musik hingeben. Wer wollte, kon­nte so den Instru­men­tal­is­ten also über die wortwörtliche Schul­ter schauen und gle­ich noch die Noten kon­trol­lieren. Nicht, dass das notwendig gewe­sen wäre. Denn das Eng­lish Piano Trio, aus der Mainz­er Part­ner­stadt Wat­ford kom­mend, beste­ht aus echt­en Voll­blut­musik­ern. Und sie sind schon so lange zusam­men – über zwanzig Jahre musizieren sie inzwis­chen gemein­sam – dass sie sich offen­bar blind ver­ste­hen: Da muss nie­mand Hin­weise geben, da muss kein­er sich sein­er Mit­stre­it­er vergewis­sern, schnell noch einen Blick auf die Geigerin wer­fen oder den Pianis­ten bestäti­gend anvisieren. Nein, diese drei find­en auch ohne all das zu ein­er har­monis­chen, aus­geglich­enen Bal­ance.

Für das erste diesjährige Rathauskonz­ert haben sie ein Pro­gramm zusam­mengestellt, dass vor­wiegend englis­che, mehr oder weniger bekan­nte Kam­mer­musik enthielt. Kon­ti­nen­tal war eigentlich nur die Eröff­nung mit Haydns spätem C‑Dur-Klavier­trio Nr. 35. Das absolvierten sie sehr gelassen, mit dem notwendi­gen Mut zur emphatis­chen Größe und zaubert so eine entspan­nte, san­ft und leicht fließende feine Tri­omusik.

Immer, wenn sie ganz auf sich selb­st gestellt waren, bevorzugten sie dieses Vorge­hen: Etwa auch bei Fran­cis Edward Bach­es Klavier­trio, einem genialen Wurf eines roman­tis­chen Jünglings. Fast noch zurück­hal­tender und beschei­den­er trat das Eng­lish Piano Trio aber immer dann auf, wenn die Sopranistin Yvonne Howard das Ensem­ble ergänzte. Sie sang, mit deut­lich opern­haften Ges­tus und Stimme, einige Lieder von Edward Elgar — natür­lich.

Aber daneben auch einige, fast über­raschend klar artikulierte deutsche Ver­to­nun­gen von Bache, der zwar nicht ganz an Schu­manns Größe her­an­langt, bei gle­ichen Tex­ten aber den­noch zu anmuti­gen, ansprechen­den Ver­to­nun­gen kam. Und Howard macht das mit Tim­o­thy Raven­scroft am Klavier mit innige Hingabe deut­lich.

Überzeu­gen­der noch gelan­gen allerd­ings die „Paläste des Windes“, wie ein dem Trio gewid­metes Werk des Englän­ders Joseph Phibbs heißt, das hier in Mainz seine deutsche Erstauf­führung erfuhr. Der Text ist zwar nur ein ephemeres Liebesgedicht, aber in Kom­bi­na­tion mit der atmo­sphärisch dicht­en, nur sehr ver­hal­ten mod­ern anmu­ten­den Musik immer­hin nahege­hend und dur­chaus bewe­gend. Das passte wun­der­bar in den den schö­nen, trotz der eigentlich unvorteil­haft direk­ten Akustik des Ratssaales sog­ar aus­ge­sprochen intimer Kam­mer­musik­abend, mit dem die „neuen“ Rathauskonz­erte eröffnet wur­den.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung)

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