Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: klassik Seite 2 von 11

Ins Netz gegangen (26.3.)

Ins Netz gegan­gen am 26.3.:

  • New Sta­tes­man | What dri­ves the men who think femi­nists and for­eig­ners want to wipe them out? – Lau­rie Pen­ny ver­sucht, Mas­ku­lis­ten zu verstehen:

    Femi­nism, for ins­tance, is not in rea­li­ty a stra­tegy coo­ked up by left-wing women so we can take all of men’s power and money for our­sel­ves and turn them into sex slaves. I know this becau­se, if it was, I would be sit­ting on a gigan­tic gol­den thro­ne with oiled flun­kies fee­ding me cho­co­la­te bis­cuits, rather than having the same argu­ments over and over again

  • Dilet­tan­ten : Der rei­che Maes­tro, den kei­ner mag – DIE WELT – Kon­stan­tin Rich­ter hat die kurio­se Geschich­te von Ashot Tigran­yan aufgeschrieben:

    Ashot Tigran­yan ist als Gei­ger ein hoff­nungs­lo­ser Fall. Hören will ihn nie­mand. Trotz­dem gibt er Unsum­men aus, um durch die Welt zu tou­ren. Eine Begeg­nung mit einem Mysterium.

    Das klingt alles so absurd und ver­rückt, das wür­de man kei­nem Roman oder Film abnehmen …

  • [toread] AAC – Fackel – »Die Fackel. Her­aus­ge­ber: Karl Kraus, Wien 1899−1936«
    AAC Digi­tal Edi­ti­on No 1

    The AAC digi­tal edi­ti­on of the jour­nal »Die Fackel«, edi­ted by Karl Kraus from 1899 to 1936, offers free online access to the 37 volu­mes, 415 issues, 922 num­bers, com­pri­sing more than 22.500 pages and 6 mil­li­on wordforms.

    The AAC-FACKEL con­ta­ins a ful­ly searcha­ble data­ba­se of the enti­re jour­nal with various inde­xes, search tools and navi­ga­ti­on aids in an inno­va­ti­ve and high­ly func­tion­al gra­phic design inter­face, in …

  • Ste­fan Nig­ge­mei­er über Live-Ticker – FAZ – Ste­fan Nig­ge­mei­er betrach­tet die Live­ti­cker – in Theo­rie und Pra­xis, mit eher ernüch­tern­dem Ergeb­nis (aber wen wundert’s …):

    Aber wie das so ist: Eine Soft­ware, die es sehr leicht macht, einen Text zu aktua­li­sie­ren, macht es auch sehr schwer, ihn nicht zu aktua­li­sie­ren. Und so wohnt den Nach­rich­ten­ti­ckern die Ten­denz inne, zu Nicht-Nach­rich­ten­ti­ckern zu wer­den. […] Dabei müss­te man im Inter­net, anders als im linea­ren Fern­se­hen, die Zeit, in der nichts pas­siert, eigent­lich gar nicht mit gro­ßem Nichts füllen.

    Es mischen sich: eine Fixie­rung auf Ober­fläch­lich­kei­ten […], ein per­ma­nen­ter Alar­mis­mus und der Hang, auf der Grund­la­ge von Nicht­wis­sen, Halb­wis­sen und Schein­wis­sen weit­rei­chen­de Spe­ku­la­tio­nen anzustellen.

    Es ist in man­cher Hin­sicht eine unjour­na­lis­ti­sche jour­na­lis­ti­sche Form: Sie sor­tiert und gewich­tet nicht, sie sam­melt nur und hält das, was sie fin­det, in chro­no­lo­gi­scher Rei­hen­fol­ge fest.

  • Slo­gan Cau­ses Pen­cil Recall – New York TimesThe­se pen­cils were with­drawn from schools after a pupil poin­ted out a pro­blem, viaTwit­ter /​qiki­pe­dia

Ins Netz gegangen (14.2.)

Ins Netz gegan­gen am 13.2.:

  • Recom­po­sed. | Bad Blog Of Musick – Ha! Der Moritz Eggert mal wieder …

    They don’t look to stres­sed with their part of long held-out dro­ning notes, so I guess they have time to smi­le. Some­ti­mes the came­ra zooms on the left hand of Max Rich­ter when it is about to play a new bass note. Fasci­na­ted we see how he lifts one fin­ger – and pres­ses down ano­ther one. This seems to be a tiring pro­cess becau­se after­wards the fin­gers don’t move any­mo­re for a while.
    […] Max Rich­ter smi­les at him, it could be that he’s hap­py that he’s back. But then he looks stres­sed again, becau­se now he lifts his fin­ger to play a new pedal note. I ask mys­elf if left hands can feel shame. Pro­ba­b­ly not.

  • 25. Todes­tag : Wo Tho­mas Bern­hard rund­um glück­lich war – DIE WELT – Joa­chim Lott­mann besucht zur Erin­ne­rung an den vor 25 Jah­ren gestor­be­nen Tho­mas Bern­hard des­sen Lieb­lings­or­te in Wien auf (inklu­si­ve sei­nem Grab):

    Bern­hard konn­te hier sei­ner liebs­ten Sucht nach­ge­hen: der Melan­cho­lie. Er lieb­te es, die Men­schen zu beob­ach­ten, und zwar über Jahr­zehn­te. Er sah dann, wie die einst jun­ge Ser­vie­re­rin, die ein­mal so behen­de, flink und lus­tig gewe­sen war, die­sel­ben Bewe­gun­gen, etwa das Zäh­len des Gel­des, nun mit ganz ande­ren, eben­falls schö­nen Bewe­gun­gen aus­führ­te – und zer­floss dabei vor Melan­cho­lie. Er sag­te es selbst: Das Melan­cho­lisch­sein war sei­ne Dro­ge, waren sei­ne Tablet­ten, und er brauch­te jeden Tag eine oder zwei davon. Es mach­te ihn glück­lich, melan­cho­lisch zu sein.

  • Der Unter­schied zwi­schen Schwu­len-Geg­nern und Schwu­len-Geg­ner-Geg­nern « Ste­fan Nig­ge­mei­er – Ste­fan Nig­ge­mei­er über die Argu­men­te von Schwu­len-Geg­nern und Schwu­len-Geg­ner-Geg­nern, wie sie von Maisch­ber­ger vor­ge­le­sen wurden:

    Das ist nicht das­sel­be. Das hat nicht die­sel­be Qua­li­tät. Objek­tiv nicht.

    (wenn es so aus­sieht, als wür­de ich (fast) jeden Blog­ar­ti­kel von Nig­ge­mei­er emp­feh­len, dann liegt das ein­fach dar­an, dass er so oft Recht hat und die Sachen – nüch­tern und sach­lich – auf den Punkt bringt)

Ins Netz gegangen (10.1.)

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Ins Netz gegangen (8.1.)

Netzfunde der letzten Tage

Mei­ne Netz­fun­de für die Zeit vom 5.3. zum 14.3.:

  • Wie klas­si­sche Musik fas­zi­niert, heu­te – Hans Ulrich Gum­brecht über­legt in sei­nem FAZ-Blog „Digital/​Pausen“ aus Anlass eines (offen­bar recht typi­schen) Kon­zer­tes mit Streich­quar­tet­ten und ähn­li­chem, war­um uns Musik der Klas­sik (& Roman­tik) anders/​mehr fas­zi­niert als die der Moder­ne (hier: Britten (!)) -

    Noch inten­si­ver als die Musik unse­rer Gegen­wart viel­leicht schei­nen vie­le Stü­cke aus dem Reper­toire, das wir “klas­sisch” nen­nen, die­se Ahnung, die­se unse­re Exis­tenz grun­die­ren­de Erin­ne­rung zu eröff­nen, wie­der Teil einer Welt der Din­ge zu wer­den. Genau das könn­te die Intui­ti­on, die vor­be­wuss­te Intui­ti­on der Hörer im aus­ge­schnit­te­nen Mara­thon-Hemd sein—die sich zu wei­nen und zu lachen erlau­ben, wenn sie Mozart und Beet­ho­ven hören.

    (via Published articles)

  • Abmah­nung für Klaus Graf in der Cau­sa Scha­van | Schma​len​stroer​.net – Abmah­nung für Klaus Graf in der Cau­sa Scha­van (via Published articles)
  • John­sons JAHRESTAGE – Der Kom­men­tar – Kom­men­tar zu Uwe John­sons Roman »Jah­res­ta­ge«
  • Klei­nes Adreß­buch für Jeri­chow und New York – Rolf Michae­lis: Klei­nes Adreß­buch für Jeri­chow und New York.
    Ein Regis­ter zu Uwe John­sons Roman »Jah­res­ta­ge. Aus dem Leben von Gesi­ne Cress­pahl« (1970−1983)
    Über­ar­bei­tet und neu her­aus­ge­ge­ben von Anke-Marie Lohmeier
    Über­ar­bei­te­te, digi­ta­le Neu­aus­ga­be 2012
  • Abschluss der «Enzy­klo­pä­die der Neu­zeit»: Die Vor­mo­der­ne in sech­zehn Bän­den – Tho­mas Mais­sen lobt – mit eini­gen Ein­schrän­kun­gen – in der NZZ die plang­e­recht abge­schlos­se­ne EdN:

    «Schluss­be­trach­tun­gen und Ergeb­nis­se» run­den das Werk ab. Das ist für eine Enzy­klo­pä­die unge­wöhn­lich, macht aber das pro­gram­ma­ti­sche Ziel deut­lich. Die «Enzy­klo­pä­die der Neu­zeit» sam­melt nicht abschlies­send Wis­sen, son­dern will die Grund­la­ge abge­ben für neu­ar­ti­ge Unter­su­chun­gen zu his­to­ri­schen Pro­zes­sen, wel­che vor den Gren­zen der Dis­zi­pli­nen eben­so wenig halt­ma­chen wie vor den­je­ni­gen der Natio­nen und Kul­tu­ren. Inso­fern dient das Werk pri­mär For­schen­den und Leh­ren­den, die ihren eige­nen Zugang rela­ti­vie­ren und erwei­tern wol­len, durch kom­pakt und reflek­tiert prä­sen­tier­te Infor­ma­ti­on auf hohem Niveau.

  • Sprach­schmugg­ler in der Wiki­pe­dia? – Sprach­log – Sprach­schmugg­ler in der Wiki­pe­dia? (via Published articles)
  • DDR-Pres­se (ZEFYS) – Im Rah­men eines von der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) geför­der­ten Pro­jekts wer­den drei DDR-Tages­zei­tun­gen digi­ta­li­siert und im Voll­text erschlos­sen: Neu­es Deutsch­land [ND] (23. April 1946 – 3. Okto­ber 1990, voll­stän­dig in Prä­sen­ta­ti­on), Ber­li­ner Zei­tung [BZ] (21. Mai 1945 – 3. Okto­ber 1990, 1945–1964 in Prä­sen­ta­ti­on) & Neue Zeit [NZ] (22. Juli 1945 – 5. Juli 1994, Prä­sen­ta­ti­on folgt)

    Damit ist ein ers­ter, bedeu­ten­der Teil der Tages­pres­se der SBZ (Sowje­ti­sche Besat­zungs­zo­ne, 1945–1949) und der DDR (Deut­sche Demo­kra­ti­sche Repu­blik, 1949–1990) für die wis­sen­schaft­li­che For­schung und Recher­che frei zugänglich.

  • Druck­sa­chen und Ple­nar­pro­to­kol­le des Bun­des­ta­ges – 1949 bis 2005 – In die­sem elek­tro­ni­schen Archiv kön­nen sämt­li­che Druck­sa­chen und Ste­no­gra­fi­schen Berich­te des Deut­schen Bun­des­ta­ges von der 1. bis zur 15. Wahl­pe­ri­ode recher­chiert und im pdf-For­mat abge­ru­fen werden.

Russische Hits

Es ist schon selt­sam, dass Tschai­kow­sky eines sei­ner berühm­tes­ten Wer­ke bei­na­he nicht kom­po­niert hät­te: Für „Romeo und Julia“, die nach dem Shake­speare-Dra­ma geform­te Fan­ta­sie-Ouver­tü­re, war erst ein Anstoß von außen not­wen­dig . Auch bei sei­nem bekann­tes­ten Kom­po­si­ti­on über­haupt, sei­nem ers­ten Kla­vier­kon­zert, plag­ten den skru­pu­lö­sen Tschai­kow­sky lan­ge die Selbstzweifel.

Zu hören ist davon aber nichts mehr. Auch beim ers­ten Main­zer Meis­ter­kon­zert in der Rhein­gold­hal­le nicht.
Denn die Koblen­zer Rhei­ni­sche Phil­har­mo­nie unter Dani­el Rais­kin bevor­zugt im gan­zen Kon­zert, das neben den bei­den Tschai­kow­sky – jedes für sich schon ein abso­lu­ter Publi­kums­ma­get – auch noch Liszts zwei­te Unga­ri­sche Rhap­so­die in einer Orches­ter-Bear­bei­tung und Ser­gei Rach­ma­ni­nows „Paga­ni­ni-Rhap­so­die“ für Kla­vier und Orches­ter ver­sam­mel­te, ein ziem­lich robus­tes Musi­zie­ren. Die vie­len raf­fi­nier­ten Fein­hei­ten der „Romeo und Julia“-Ouvertüre sind dadurch kaum zu hören. Vor allem aber feh­len sowohl Span­nung als auch Fri­sche, durch die die­se abge­spiel­te Ouver­tü­re wie­der leben­dig wür­de. Aber trotz der nicht per­fek­ten Wie­der­ga­be wirkt sie natür­lich immer noch: Wah­re Meis­ter­wer­ke sind schwer zu zerstören.

Den Sta­tus des über­stra­pa­zier­ten Meis­ter­wer­kes kann auch das b‑Moll-Kon­zert pro­blem­los bean­spru­chen. Und auch hier stellt sich immer wie­der die Fra­ge: Haben Pia­nist und Diri­gent noch etwas zu sagen? Beim Meis­ter­kon­zert ist das schnell beant­wor­tet: Ja, unbe­dingt. Vor allem der Pia­nist Kon­stan­tin Scher­ba­kov beweist sich hier meis­ter­haft. Weil er unge­mein viel kann: Nicht nur den in die­sem Schlacht­ross unver­meid­li­chen Thea­ter­don­ner – das absol­viert er bra­vou­rös, aber schein­bar ohne inne­re Betei­li­gung. Viel deut­li­cher kom­men sei­ne immensen Fähig­kei­ten in den ver­meint­li­chen Neben­säch­lich­kei­ten zu tra­gen: Wie er mit­ten im wil­des­ten vir­tuo­sen Getüm­mel noch feins­te Nuna­cen der Weich­heit und Abrun­dung her­vor­zau­bert – das ver­rät wah­re Größe.

Und er nimmt dem Kon­zert damit viel von sei­ner ober­fläch­li­chen Tri­umph-Ges­te. Hier sind das ver­spon­ne­ne Herbst-Nebel, die nur hin und wie­der auf­rei­ßen und die strah­len­den Res­te der glei­ßen­den Som­mer­son­ne hin­durch las­sen. Und eini­ge kräf­tig Wind­stö­ße sor­gen in die­ser ver­wun­sche­nen Traum­land­schaft, die wie eine Feen­welt erscheint, für Durch­blick und die Rück­kehr in die Rea­li­tät. Vie­le Dop­pel­deu­tig­kei­ten der Par­ti­tur wer­den so wun­der­bar klar, aus ihnen ent­wi­ckelt Scher­ba­kov dra­ma­ti­schen Impul­se und eine Viel­schich­tig­keit, die die intel­lek­tu­el­le Neu­ent­de­ckung der ver­steck­ten Andeu­tu­gen und Klei­nig­kei­ten die­ser schein­bar so über­aus bekann­ten Musik über ihre Emo­tio­na­li­tät hin­aus hebt. Scha­de nur, dass Rais­kin mit der Rhei­ni­schen Phil­har­mo­nie nicht genau­so sub­til und fra­gil beglei­ten kann. Aber im Fina­le fin­den sie dann doch noch zusam­men, in einer schö­nen Form der vehe­men­ten Klar­heit – und der abso­lu­ten Begeis­te­rung für Tschai­kow­skys Musik. Und die teilt auch das Publi­kum mit ihnen.

(geschrie­ben für die Main­zer Rhein-Zeitung.)

Leichtikeitslüge ganz leicht

Das Kern­ar­gu­ment von Hol­ger Nolt­ze, , ist sim­pel: „Klas­si­sche“ Musik – wie vie­le ande­re Kunst – ist kom­plex. Um sie erfolg­reich genie­ßen, ver­ste­hen, erle­ben zu kön­nen, darf die „Ver­mitt­lung“ – durch Didak­tik, Pro­jek­te, Events, Auf­füh­rung – die­se Kom­ple­xi­tät nicht – wie es ger­ne geschieht – über­mä­ßig stark redu­zie­ren, weil dadurch der Kern des Kunst­wer­kes ver­lo­ren gin­ge. Und das war’s dann auch schon – eigent­lich. Der Rest der 275 Sei­ten die­ses Buches ist auf­ge­bla­se­nes, etwas geschwät­zi­ges Hin und Her zum Stand der Bil­dung, zur Situa­ti­on des Mark­tes der Musik (ganz, ganz schlecht, die­ser Teil), zu den Medi­en und so wei­ter – ein kul­tur­kri­ti­scher Rund­um­schlag also, der aber erstaun­lich seicht bleibt, fin­de ich. Und der natür­lich sehr genau weiß, wie pro­ble­ma­tisch sol­che Gene­ral­ab­rech­nun­gen sind und des­halb stän­dig die ent­spre­chen­den Siche­run­gen ein­baut. Aber der ande­rer­seits auch wie­der nur bekann­te Ver­satz­stü­cke arran­giert und wenig selbst denkt. Und auch nie wirk­lich in die Tie­fe geht, son­dern zwar nicht an der ver­ab­scheu­ten Ober­flä­che, aber doch sehr nahe zu ihr bleibt. War­um das „das bes­te Musik­buch des Jahres,vielleicht das bes­te Musik­buch der letz­ten Jah­re über­haupt“ sein soll, wie Arno Lücker in der nmz aus­weich­lich des Schutz­um­schla­ges behaup­tet hat, erschließt sich mir nun über­haupt. Zumal es um die Musik selbst ja gar nicht (bzw. nur sehr anek­tdo­tisch am Ran­de) geht und auch gar nicht gehen soll. Wahr­schein­lich is das so ein Fall von Betriebs­blind­heit oder über­mä­ßi­gem Ver­har­ren im klei­nen Zir­kel der Musik­ver­mitt­ler, der so ein Buch so her­aus­ra­gend fin­det. Naja, zum Glück habe ich es nur aus der Biblio­thek und nicht selbst gekauft …

Hol­ger Not­ze: Die Leich­tig­keits­lü­ge. Über Musik, Medi­en und Kom­ple­xi­tät. Ham­burg: edi­ti­on Kör­ber-Stif­tung 2010.294 Sei­ten. ISBN 978−3−89684−079−0.

kammermusikalische europareise

so rich­tig habe ich den zusam­men­hang des pro­gramms ja nicht ver­stan­den: haydn – hin­de­mith – men­dels­sohn bar­thol­dy: viel gemein­sam­kei­ten gibt es da nicht … ganz nett war’s aber trotz­dem, das war ja zu erwar­ten in der vil­la musi­ca ;-). also, los gehts:

Sanft weht die zar­te Cel­lome­lo­die durch den Salon im ers­ten Stock, flu­tet durch das Trep­pen­haus und das gan­ze Anwe­sen, mit­füh­lend ver­folgt von der Vio­li­ne und zart unter­malt von der Kla­vier­stim­me: Die Vil­la Musi­ca ist aus dem Som­mer­schlaf erwacht.

Ganz ange­mes­sen geschieht das mit einem Kon­zert des haus­ei­ge­nen Ensem­bles Ville Musi­ca, also den rou­ti­nier­ten Meis­tern der Kam­mer­mu­sik, die hier nicht nur ihre Erfah­rung und ihr Wis­sen an jun­ge Künst­ler wei­ter­ge­ben, son­dern auch das Publi­kum an ihrem Kön­nen teil­ha­ben lassen.

Das lässt sich gefal­len. Denn aus der Som­mer­pau­se kommt das Ensem­ble, das ja nur lose gefügt ist und in ver­schie­de­nen Beset­zun­gen arbei­tet, mit fri­schem Élan zurück. Flott, fast unbe­küm­mert, mit kna­cki­ger Fri­sche und der ensem­ble­ty­pi­schen Mischung aus Genau­ig­keit und Läs­sig­keit, aus Gemein­sam­keit und indi­vi­du­el­ler Über­zeu­gungs­kraft an jedem Instru­ment las­sen sie Haydns Kla­vier­trio Nr. 42 in C‑Dur, eines der spä­ten Meis­ter­wer­ke nach sei­ner zwei­ten Eng­land­rei­se, sehr, sehr leben­dig wer­den. Gewiss, eine Min­dest­di­stanz bleibt immer spür­bar, das kann man vor allem im Andan­te sehr gut mer­ken, so ganz haben sie sich die­ses Trio nicht zu eigen gemacht. Aber dann blitzt doch wie­der der Schalk zwi­schen den Sai­ten her­vor – zumin­dest einen klei­nen, aber häu­fi­gen Erscheinungen.

Die­ses fri­sche Musi­zie­ren, die unver­brauch­te Inter­pre­ta­ti­on kann man auch in Paul Hin­de­mit­hs Kla­ri­net­ten­quar­tett deut­lich spü­ren. Forsch und taten­durs­tig sto­ßen die Vier hier ein ums ande­re Fens­ter in ande­re Wel­ten auf, las­sen Ein­bli­cke in Traum und Ima­gi­na­ti­on zu, ermög­li­chen das unbe­schwer­te Schwei­fen im Reich der Vor­stel­lung. Mit immer neu­en, ener­gi­schen Schü­ben sor­gen sie dafür, dass jeder die Gele­gen­heit bekommt, die­se Gren­ze zu über­schrei­ten und hin­über zu schau­en in die Welt der Kunst. Dazu mischen sie den pfif­fi­gen Witz Hin­de­mit­hs, sei­ne wei­ten Melo­dien und schrof­fen Klang­bal­lun­gen mit gro­ßer Aus­dau­er und fei­nem Gespür für die wohl­ge­form­te Dra­ma­tur­gie. Und genau das macht Felix Men­dels­sohn Bar­thol­dys ers­tes Kla­vier­trio am Schluss des Kon­zer­tes zum Hit des Abends. Denn das Kon­zert­fi­na­le gelingt dem Ensem­ble ein­deu­tig am bes­ten, am leben­digs­ten und inten­sivs­ten. Patrick Demen­ga lässt sein Cel­lo hier noch ein­mal beson­ders weich und bestimmt brum­men, Muri­el Can­to­r­eg­gi geigt auf- und her­aus­for­dernd, drängt spie­le­risch immer wie­der vor­an. Und Yuka Ima­mi­ne am Kla­vier gibt ihre fei­ne Zurück­hal­tung wenigs­tens teil­wei­se auf. Die Mit­tel­sät­ze erzäh­len so zart und quir­lig fein­ge­spon­ne­ne Elfen­ge­schich­ten – typisch Men­dels­sohn Bar­thol­dy eben. Und die Rah­men­sät­ze bin­den das in gro­ßer Offen­heit, vom Ensem­ble Vil­la Musi­ca mit Gespür für die rich­ti­ge Dosis Grö­ße und Majes­tät, klang­li­che Abrun­dung und leben­di­ge Nuan­cie­rung rea­li­siert, präch­tig und klang­voll zusammen.

(geschrie­ben für die main­zer rhein-zeitung)

argumentieren oder nicht: soll thielemann in münchen bleiben?

joa­chim kai­ser hat sich in der heu­ti­gen sz mal wie­der zu wort gemel­det. so sehr ich auch sei­ne ver­dienst schät­ze – sei­ne schrift­li­chen ergüs­se der letz­ten jah­re sind meis­tens kaum noch les­ba­re, ver­schwur­bel­te selt­sam­kei­ten, die zwar von eini­ger bil­dung zeu­gen, in einer moder­nen zei­tung aber eigent­lich nichts zu suchen hät­ten (dass die sz sie brav wei­ter druckt, ver­ste­he ich – bei allem respekt vor sei­ner bedeu­tung für die­se zei­tung – nicht. und schon gar nicht, dass sie sie so pro­mi­nent plat­ziert.) heu­te geht es um die ver­trags­ver­hand­lun­gen mit dem diri­gen­ten chris­ti­an thie­le­mann, des­sen orches­ter ihm für eine ver­län­ge­rung sei­nes enga­ge­ments als gene­ral­mu­sik­di­rek­tor, also chef­di­ri­gent, zwei sehr ein­deu­ti­ge bedin­gun­gen gestellt hat: mehr kon­zer­te mit den münch­ner phil­har­mo­ni­kern, weni­ger – d.h. kei­nen – ein­fluss auf die pro­gramm­ge­stal­tung des gast­di­ri­gen­ten (das soll die inten­danz regeln). eigent­lich scheint das für heu­ti­ge orches­ter und deren arbeit bei­des nicht völ­lig unsin­nig, wie die redak­teu­re der sz nach eini­gen anfäng­li­chen irr­we­gen inzwi­schen auch sehen und ent­spre­chend schrei­ben. für joa­chim kai­ser gilt aber irgend­wie anderes.

denn in sei­nen heu­ti­gen aus­füh­run­gen – trot­zig über­ti­telt „Thie­le­mann muss blei­ben!“ (als hät­te kai­ser in die­ser sache etwas zu sagen …) – und mit dem hoch­stap­le­ri­schen unter­ti­tel „zum stand einer trau­ri­gen, bla­ma­blen diri­gen­ten-debat­te“ ver­se­hen schmeißt er lus­tig mit pseu­do-argu­men­ten und ver­leum­dun­gen um sich. schon der unter­ti­tel ist ja bezeich­nend: die debat­te (die gar nicht so sehr debat­te ist, son­dern in ers­ter linie eine ver­trags­ver­hand­lung zwi­schen stadt, d.h. v.a. dem münch­ner kul­tur­re­fe­ren­ten, und thie­le­mann) ist weder trau­rig noch bla­ma­bel. bla­ma­bel ist höchs­tens der umgang damit, die stän­di­ge evo­zie­rung (v.a. durch kai­ser selbst), so ein musi­ker wie thie­le­mann müss­te um jeden preis in mün­chen gehal­ten wer­den. schlim­mer fin­de ich aber, was dann in den ers­ten sät­zen zumin­dest durch­schim­mert: da legt kai­ser, immer­hin ein ador­no-schü­ler, doch sehr, sehr nahe, dass die­ser orches­ter­vor­stand (das „soge­nann­te“ konn­te er sich wohl gera­de noch so ver­knei­fen) gefäl­ligst die klap­pe hal­ten soll, froh sein soll über den star am pult und gefäl­ligst hin­zu­neh­men habe, wenn die­ser sich wie ein auto­kra­ti­scher orches­ter­herr­scher des 19. oder frü­hen 20. jahr­hun­derts geriert.

statt sich aber wirk­lich damit aus­ein­an­der zu set­zen, was das denn heißt, wenn ein orches­ter­vor­stand den ein­ge­stan­den durch­aus radi­ka­len weg geht, eine wei­ter­be­schäf­ti­gung thie­le­manns von bestimm­ten bedin­gun­gen abhän­gig zu machen, und was es ande­rer­seits bedeu­tet, wenn sich thie­le­mann – wie es momen­tan scheint – stand­haft wei­gert, dar­auf ein­zu­ge­hen, lässt sich kai­ser die rest­li­chen zwei drit­tel sei­nes (wie immer über­lan­gen) tex­tes (der übri­gens selbst nicht weiß, ob er kom­men­tar, nach­richt oder kri­ti­sche wür­di­gung sein soll – ein in sei­ner per­fi­di­zi­tät typi­sches instru­ment kai­sers), lässt sich kai­ser also mehr als reich­lich aus über den vor­wurf des ein­ge­schränk­ten reper­toires thie­le­manns aus. das geschieht aber wie­der in sehr bezeich­nen­der wei­se: ers­tens ist der vor­wurf, den kai­ser hier fin­det, so gar nicht vor­ge­wor­fen wor­den. das pro­blem ist nicht so sehr thie­le­manns beschrän­kung in reper­toire-fra­gen (auch wenn ich per­sön­lich das für arg eng hal­te), son­dern wie er damit umgeht und sein orches­ter damit umge­hen lässt. dann behaup­tet kai­ser aber, die­sem „vor­wurf“ (den er übri­gens, wie­der so eine per­fi­de masche, auf „lieb­lings­stü­cke“ bezieht …) kön­ne man eini­ges ent­geg­nen. genau das tut er dann aber nicht, son­dern behaup­tet es nur. er führt dann erst ein­mal aus, dass ande­re gro­ße inter­pre­ten, v.a. arthur rubin­stein, auch nur wenig gespielt hät­ten. na und? er hät­te sich bes­ser ein­mal die diri­gen­ten der letz­ten 30–50 jah­re ange­schaut. dort ist sol­che ein­schrän­kung näm­lich eher sel­ten gewor­den, scheint mir (und auch bei den instru­men­ta­lis­ten inzwi­schen durch­aus nicht mehr so prä­gend – bren­del ist da in sei­nen spä­ten jah­ren schon eher eine aus­nah­me). so, das war die ers­te hälf­te des tex­tes. statt aber noch mehr des „eini­ges“ anzu­füh­ren, zeigt kai­ser lie­ber, dass er thie­le­mann schon öfters gehört hat und dass der ganz toll diri­gie­ren kann – geschenkt, das bestrei­tet ja nie­mand. strit­tig ist ja nur die fra­ge, ob dar­aus, näm­lich der bega­bung für die inter­pre­ta­ti­on eini­ger ästhe­ti­scher wer­ke, schon die berech­ti­gung abzu­lei­ten ist, dass man als auto­ri­tä­rer sach­wal­ter über ein orches­ter, d.h. ande­re men­schen, ver­fü­gen und bestim­men darf. dazu schweigt kai­ser aber ausdauernd.

er kommt statt des­sen zu einem ziem­lich wei­chen fazit: „Sol­che Ereig­nis­se [Thie­le­manns bes­se­re, d.h. gelun­ge­ne Inter­pre­ta­tio­nen] aber sind es, die eigent­lich erst begrün­den, war­um es einen hoch­sub­ven­tio­nier­ten, in jeder Wei­se ‚teue­ren’ Musik­be­trieb über­haupt geben soll­te.“ – da hät­te er bes­ser noch ein­mal drü­ber nach­ge­dacht: denn ers­tens bestrei­tet das (in die­ser debat­te) ja nie­mand, dass es den musik­be­trieb geben soll­te (die offen­bar nicht unbe­trächt­li­chen hono­rar­for­de­run­gen thie­le­manns sind ja gar nicht gegen­stand der kon­tro­ver­se – obwohl man da, in zei­ten der ver­su­che, ver­gü­tun­gen der frei­en wirt­schaft legis­la­tiv zu regeln, auch mal drü­ber nach­den­ken könn­te …). zwei­tens wäre ja, wenn kai­sers fazit so ein fazit wäre, noch über­haupt nichts dazu gesagt, ob man – und auch ob Thie­le­mann – sol­che momen­te höchs­ter erfül­lung (die gewiss eini­ges an pein auf­wie­gen) nur erreicht, wenn man wei­ter das ego eines auto­kra­ti­schen diri­gen­ten päp­pelt oder ob es nicht auch ande­re, kom­mu­ni­ka­ti­ve­re wege dazu gibt. die empi­rie, z.b. in ber­lin, zeigt, dass der „neue“ weg, die abkehr vom diri­gen­ten­herr­scher, kei­nes­wegs dem ästhe­ti­schen glück ent­ge­gen ste­hen muss.

romantische englische kammermusik – ja, das gibt es

der beweis dazu: das ers­te kon­zert der main­zer rat­haus­kon­zer­te in die­ser spiel­zeit am 11. sep­tem­ber. hier mei­ne aus­füh­run­gen für die main­zer rhein-zeitung:

Es war eine ein­ma­li­ge Gele­gen­heit, den Musi­kern ein­mal so rich­tig nahe zu kom­men. Denn bei den Main­zer Rat­haus­kon­zer­ten gibt es weder Büh­ne noch Orches­ter­gra­ben. Im Gegen­teil, das Ensem­ble sitzt ganz unten – in der run­den Mit­te des Rats­saa­les näm­lich. Und wäh­rend es sich das Publi­kum hin­ter den Tischen und Mikro­fo­nen in den Dreh­stüh­len bequem mach­te, muss­te das Eng­lish Pia­no Trio sich umrun­det von neu­gie­ri­gen Ohren und Augen der Musik hin­ge­ben. Wer woll­te, konn­te so den Instru­men­ta­lis­ten also über die wort­wört­li­che Schul­ter schau­en und gleich noch die Noten kon­trol­lie­ren. Nicht, dass das not­wen­dig gewe­sen wäre. Denn das Eng­lish Pia­no Trio, aus der Main­zer Part­ner­stadt Wat­ford kom­mend, besteht aus ech­ten Voll­blut­mu­si­kern. Und sie sind schon so lan­ge zusam­men – über zwan­zig Jah­re musi­zie­ren sie inzwi­schen gemein­sam – dass sie sich offen­bar blind ver­ste­hen: Da muss nie­mand Hin­wei­se geben, da muss kei­ner sich sei­ner Mit­strei­ter ver­ge­wis­sern, schnell noch einen Blick auf die Gei­ge­rin wer­fen oder den Pia­nis­ten bestä­ti­gend anvi­sie­ren. Nein, die­se drei fin­den auch ohne all das zu einer har­mo­ni­schen, aus­ge­gli­che­nen Balance.

Für das ers­te dies­jäh­ri­ge Rat­haus­kon­zert haben sie ein Pro­gramm zusam­men­ge­stellt, dass vor­wie­gend eng­li­sche, mehr oder weni­ger bekann­te Kam­mer­mu­sik ent­hielt. Kon­ti­nen­tal war eigent­lich nur die Eröff­nung mit Haydns spä­tem C‑Dur-Kla­vier­trio Nr. 35. Das absol­vier­ten sie sehr gelas­sen, mit dem not­wen­di­gen Mut zur empha­ti­schen Grö­ße und zau­bert so eine ent­spann­te, sanft und leicht flie­ßen­de fei­ne Triomusik.

Immer, wenn sie ganz auf sich selbst gestellt waren, bevor­zug­ten sie die­ses Vor­ge­hen: Etwa auch bei Fran­cis Edward Baches Kla­vier­trio, einem genia­len Wurf eines roman­ti­schen Jüng­lings. Fast noch zurück­hal­ten­der und beschei­de­ner trat das Eng­lish Pia­no Trio aber immer dann auf, wenn die Sopra­nis­tin Yvonne Howard das Ensem­ble ergänz­te. Sie sang, mit deut­lich opern­haf­ten Ges­tus und Stim­me, eini­ge Lie­der von Edward Elgar – natürlich.

Aber dane­ben auch eini­ge, fast über­ra­schend klar arti­ku­lier­te deut­sche Ver­to­nun­gen von Bache, der zwar nicht ganz an Schu­manns Grö­ße heran­langt, bei glei­chen Tex­ten aber den­noch zu anmu­ti­gen, anspre­chen­den Ver­to­nun­gen kam. Und Howard macht das mit Timo­thy Raven­scroft am Kla­vier mit inni­ge Hin­ga­be deutlich.

Über­zeu­gen­der noch gelan­gen aller­dings die „Paläs­te des Win­des“, wie ein dem Trio gewid­me­tes Werk des Eng­län­ders Joseph Phibbs heißt, das hier in Mainz sei­ne deut­sche Erst­auf­füh­rung erfuhr. Der Text ist zwar nur ein eph­eme­res Lie­bes­ge­dicht, aber in Kom­bi­na­ti­on mit der atmo­sphä­risch dich­ten, nur sehr ver­hal­ten modern anmu­ten­den Musik immer­hin nahe­ge­hend und durch­aus bewe­gend. Das pass­te wun­der­bar in den den schö­nen, trotz der eigent­lich unvor­teil­haft direk­ten Akus­tik des Rats­saa­les sogar aus­ge­spro­chen inti­mer Kam­mer­mu­sik­abend, mit dem die „neu­en“ Rat­haus­kon­zer­te eröff­net wurden.

(geschrie­ben für die main­zer rhein-zeitung)

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