Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: improvisation Seite 2 von 7

Taglied 11.8.2016

Das LDP-Trio (Leim­gru­ber — Demierre — Phillips) in ein­er von den Musik­ern so ungeliebten Pub­likum­sauf­nahme vom Kalei­dophon Ulrichs­berg, 2015:

LEIMGRUBER, DEMIERRE, PHILLIPS — Live at Kalei­dophon, Ulrichs­berg, Aus­tria, 2015-05-01

Beim Klick­en auf das und beim Abspie­len des von YouTube einge­bet­teten Videos wer­den (u. U. per­so­n­en­be­zo­gene) Dat­en wie die IP-Adresse an YouTube über­tra­gen.
livemusic (unsplash.com)

Wie hört man frei improvisierte Musik? John Corbett verrät es

corbett, guide (cover)Der Listener’s Guide von John Cor­bett ist eine tolle Ein­führung ins Hören von freier Impro­vi­sa­tion — und natür­lich auch in die Musik selb­st. Das kleine Buch ist in drei große Teile gegliedert. Ein­er Ein­leitung fol­gen die (sehr konkreten) Grund­la­gen des Hörens frei impro­visiert­er Musik, denen sich dann die fort­geschrit­tene Tech­niken (die oft recht abstrakt und stärk­er sub­jek­tiv als der Haupt­teil bleiben) anschließen.

In den Grund­la­gen ver­sucht Cor­bett — meines Eracht­ens ziem­lich schlüs­sig und erfol­gre­ich, aber ich bin ja nicht (mehr) ganz in der Ziel­gruppe — über ver­schiedene Aspek­te der Musik und des Hörens einen Zugang zur impro­visierten Musik zu schaf­fen. Dafür erk­lärt er die Beson­der­heit von Rhyth­mus und Dauer, geht der Frage nach, wer was macht und welche Inter­ak­tio­nen passieren sowie welche Übergänge und welche Struk­turen sich beim Hören erken­nen lassen. Für “Fort­geschrit­tene” geht es dann, wiederum in konzen­tri­erten, über­sichtlichen Kapiteln, um das gle­ichzeit­ige Sehen und Hören, um die Frage “live oder Auf­nahme?”, um die der freien Impro­vi­sa­tion innewohnen­den Geheimnisse genau wie um ihre Ambi­gu­i­täten und Unabgeschlossen­heit­en sowie in einem Abstech­er auch um die “poly-free-music” — also Musik, die nur noch teil­weise frei impro­visiert ist, die zumin­d­est zeitweise auf genaueren Absprachen oder Kom­po­si­tion beruht. Außer­dem gibt es noch knappe Über­legun­gen zum Schlaf und anderen Ablenkun­gen während dem Musik hören (Cor­bett ist dem nicht abgeneigt, weil das periph­ere Hören neue Ent­deck­un­gen ermöglicht …), zur Rolle des Pub­likums bei der Entste­hung freier Musik und auch zur moralis­chen Über­legen­heit dieser Musik — die Cor­bett klar verneint.

Das alles ist sehr direkt und präg­nant geschrieben. Man merkt durchgängig, wie sehr der Autor vom Gegen­stand und der Ver­mit­tlung der Freude an dieser Musik begeis­tert ist. Und mir gefielt der trock­ene Witz und die inter­es­san­ten Meta­phern, die Cor­bett find­et:

Impro­vised music is like a bal­loon, it needs some ten­sion to keep it taut; lose the ten­sion, and the music farts around and falls limp on the floor. (65)
Lis­ten­ing to moment-form impro­vis­ing is like surf­ing. (76f.)

Dabei ist das nicht musikol­o­gisch-akademisch, auch wenn sich erkennbar eine ziem­lich genaue Ken­nt­nis und große Ver­trautheit mit der frei impro­visierten Musik hin­ter dem Text ver­birgt. Schon die Def­i­n­i­tion, was denn “Free Impro­vi­sa­tion” über­haupt sei, ist sehr prag­ma­tisch und dur­chaus typ­isch für Cor­bett: “Impro­vised music is music made using impro­vi­sa­tion. Sim­ple enough.” (XII) Genau, was muss man mehr sagen? Zur Abgren­zung von anderen impro­visierten Musiken fügt er noch hinzu, dass hier eben wirk­lich alle Fix­ierung fehlt, alle Absprache (die über äußerst Basales hin­aus geht) unterbleibt und nur die Frei­heit des Moments bleibt.

Ver­packt ist das alles nicht als eine Erkun­dung der Musik selb­st, son­dern als eine Art Anleitung zum genussvollen Hören. Deshalb gibt es immer viele Hin­weise und Tipps zum möglichst ergiebi­gen (nicht richti­gen!) Hören (oder bess­er: zum Genießen der Frei­heit in dieser Musik). Denn es geht ihm nicht um richtig oder falsch, um die wahre Musik und ihr einzig wahres Ver­ständ­nis, son­dern darum, Zugänge zu schaf­fen — und damit Begeis­terung zu weck­en: Begeis­terung für die “Fremd­heit” dieser Musik, also für eine Befreiung (von Beschränkun­gen), für das Schaf­fen von ungeah­n­ten, großar­ti­gen, unzäh­li­gen Möglichkeit­en. Viele der Möglichkeit­en der Impro­visierten Musik steck­en für Cor­bett in der Inter­ak­tion. Sie ist für ihn ganz klar der Kern, das eigentliche fea­ture der freien Impro­vi­sa­tion. Und entsprechen stark auf diesen Prozess bezo­gen sind auch seine Hör­tipps. Und deswe­gen ist er auch eher skep­tisch gegenüber Soli (und großen Ensem­bles): “Impro­vi­sa­tion is social music.” (56)

Im Ganzen lernt man beim Lesen fast so viel wie beim Hören, Cor­bett gibt viele gute, fast großar­tige Ratschläge, die den inter­essierten Leser oder die Leserin mit einem Werkzeugsatz, ein­er Art Besteck zum Hören, Beschreiben und Analysieren der impro­visierten Musik ausstat­ten und das Hören somit inter­es­san­ter und ertra­gre­ich­er machen.. Schön ist, dass er dabei — trotz des grundle­gend ana­lytis­chen Zugangs — in seinem emphatis­chen Wer­ben für die Musik auch Platz für deren Geheimnisse. Und her­vorzuheben ist auch, dass er immer wieder ein­räumt und klar macht, dass Freie Impro­vi­sa­tio­nen nicht die bessere, beste oder einzig wahre Musik sind. Und dass sie auch nicht im ethis­chen Sinn bess­er sind oder bess­er machen. Mir scheint aber, dass er dabei aus­lässt, dass das Hören (bzw. das Goutieren) dieser Musik dur­chaus soziale/ethische Qual­itäten fördert, die man (wenn man möchte — und ich tue das) dur­chaus bew­erten und hochschätzen kann. Ins­beson­dere das “Aushal­ten” (das ja mehr ein Wertschätzen als ein Tolerieren ist) von Frei­heit, d.h. von Ungewis­sheit, das pos­i­tive, erwartungsvolle Erfahren von Neuem, Unbekan­ntem ist schon, so meine ich, eine wertvolle Sache. Deshalb müssen free-impro­vi­sa­tions-Anhän­gerin­nen natür­lich nicht zwangsläu­fig bessere Men­schen sein — aber sie tendieren dazu, unter anderem offen für eine Gesellschaft zu sein, die sich (auch) verän­dert — zumin­d­est ist das meine Erfahrung.

Ergänzt wird Cor­betts Text übri­gens noch um ein paar Lis­ten — näm­lich drei sehr kurze und damit sehr angreif­bar konzen­tri­erte Auflis­tun­gen den grundlegenden/wichigen Auf­nah­men der freien Impro­vi­sa­tion sowie ein­er zweit­en Liste der „poly-free-music“ und schließlich dem Hin­weis auf einige Büch­er zum The­ma. Und im Anhang find­et sich noch eine deut­lich aus­führlichere Liste wichtiger/bekannter Musik­er und Musik­erin­nen der Impro­vi­sa­tions-Szene, die alle zusam­men zugle­ich den Rest des Buch­es in ein­er angenehmen Weise vom name­drop­ping ent­las­ten. So macht näm­lich nicht nur das Hören, son­dern auch das Lesen Spaß. Vor allem, wenn man dazu die passende Musik hört — bei mir waren es Wada­da Leo Smiths CDs “Kabell Years: 1971–1979”.

Our duty, as lis­ten­ers, is to be rest­less­ly curi­ous, to root around this big globe and dig up new things to fill our ears and minds. It’s more a mat­ter of being inquis­i­tive than of being eclec­tic. (162)

John Cor­bett: A Listener’s Guide to Free Impro­vi­sa­tion. Chica­go, Lon­don: The Uni­ver­si­ty of Chica­go Press 2016. 172 Seit­en. ISBN 978–0‑226–35380‑7.

Geheimarmee von Improvisatoren

Das sind Erfahrun­gen und Hal­tun­gen, die verbinden. Aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass wir eine Geheimarmee von Impro­visatoren waren, ver­schworen, rebel­lisch, unbeir­rbar. Unsere Mis­sion war der Avant­garde-Jazz und Irène [Schweiz­er] war an vorder­ster Front. Kei­th Tip­pett, in: Chris­t­ian Broeck­ing, Dieses unbändi­ge Gefühl der Frei­heit, 117

Ins Netz gegangen (8.1.)

Ins Netz gegan­gen am 8.1.:

  • “Mein Kampf”: Wer hat Angst vor einem Buch? | Zeit — ich glaube, nils mark­wardt text zur “mein kampf”-edition hat das poten­tial, der beste dazu zu wer­den — schon wegen dem beginn (“Faschis­mus ist bewaffneter Phonozen­tris­mus. Klingt komisch, ist aber so.”), aber auch wegen sätzen wie

    Die Tat­sache, dass Hitler drin ist, wo Hitler drauf­ste­ht, sollte 2016 in Gui­do-Knopp-Coun­try ja eigentlich keinen mehr über­raschen.

    oder

    Für alle anderen dürfte die gle­icher­maßen stumpfe wie mäan­dernde Melange aus Ras­sis­mus, Anti­semitismus und Impe­ri­al­is­mus, die nur ansatzweise den Ver­such macht, so etwas wie eine Argu­men­ta­tion zu simulieren, kaum ver­führerisch wirken. Men­schen­hass zu predi­gen, das kriegt heute jede mit­telmäßig gemachte Broschüre von Recht­sradikalen hin.

    oder dem schluss

    Falls jemand dieser Tage nun aber gar nicht ohne “Irgend­was-mit-Hitler” auskom­men kann, dem sei vielle­icht ein­fach ans Herz gelegt, sich statt Mein Kampf einen der aus­gewiese­nen Lieblings­filme von Hitler zu besor­gen: Walt Dis­neys Schnee­wittchen und die Sieben Zwerge. Da hat auch die ganze Fam­i­lie was von.

  • Nachruf: Freigeist mit dem Ohr nach innen | taz — die taz reicht ihren nachruf von franziska buhre auf paul bley nach:

    Wohl deshalb hat Paul Bley eine Vielzahl an Alben mit Solo-Impro­vi­sa­tio­nen einge­spielt, sich dem eige­nen Freigeist auf diese Weise von Neuem vergewis­sert. Aus dem beträchtlichen Reper­toire an Komposi­tio­nen sein­er ersten Frau, der Pianistin Car­la Bley, schöpfte er ein Leben lang, gemein­sam mit ihr und anderen exper­i­men­tier­freudi­gen Gle­ich­gesin­nten, darunter die Sax­o­fon­is­ten Son­ny Rollins und Archie Shepp, die Pia­nisten Sun Ra und Cecil Tay­lor sowie die Trompeter Bill Dixon und Michael Mantler, hat­te er 1964 in New York die „Okto­ber­rev­o­lu­tion des Jazz“ angezettelt und die Jazz Com­posers Guild gegrün­det.

  • Joachim Bess­ing: »2016 – The Year Punk Broke« Tage­buch — joachim bess­ing hat ange­fan­gen, zu bloggen (er nen­nt es tage­buch …), unter dem schö­nen titel “the year punk broke” — manch­mal etwas arg insid­erisch, aber das kön­nte dur­chaus span­nend wer­den …
  • Pierre Boulez — Der Unruh­es­tifter | Süd­deutsche Zeitung — rein­hard brem­beck hebt in seinem boulez-nachruf die his­torische dimen­sion von dessen schaf­fen beson­ders her­vor.
  • Zum Tod des Diri­gen­ten Pierre Boulez: Der Vorkämpfer der Mod­erne | NZZ — der große nachruf von peter hag­mann auf pierre boulez

    Weg­weisend und ein­flussre­ich, wie er war, hin­ter­lässt er ein Erbe von imposan­ter Dimen­sion.

    Mit Boulez’ Tod geht die Mod­erne zu Ende – die Mod­erne im stren­gen Sinn. Ihr hat er sich ver­schrieben, als er 1944 in Paris Olivi­er Mes­si­aen begeg­nete. Und ihr ist er treu geblieben über alle restau­ra­tiv­en Bewe­gun­gen des späten 20. Jahrhun­derts hin­weg: in seinen Grun­dauf­fas­sun­gen, im Reper­toire dessen, was ihn inter­essierte, in seinem Kom­ponieren. Wie kein ander­er Vertreter sein­er Zun­ft repräsen­tierte, ja lebte er die Mod­erne – und hat er für sie gestrit­ten, bis­sig zunächst, in den reifer­en Jahren mit gütiger Hart­näck­igkeit.

  • Zum Tod des Jaz­zpi­anis­ten Paul Bley: Spie­len mit dem Risiko | NZZ — ueli bernays schreibt in der nzz den nachruf auf den am sam­stag ver­stor­be­nen paul bley

Taglied 30.3.2015

auszüge aus ein­er sehr schö­nen cd: rudi fis­cher­lehn­er & olaf rupp, live at lyd­fes­ti­val aarhus:

Tanz mit dem Saxophon

Wie geil ist das denn: Eine ganz großar­tige Solop­er­for­mance von Mats Gustafs­son mit seinem Bari­ton­sax­ophon (und zwis­chen­durch auch mit dem Sopran) in Rek­javik gibt es auf YouTube zu sehen. Eines der besten Sets, die ich in let­zter Zeit in die Ohren und vor die Augen bekom­men habe. Und das Schauen lohnt sich, beim Betra­cht­en der Bewe­gung und der Arbeit im Moment des Entste­hens dieser großar­ti­gen Musik erhält sie noch eine ganz andere Tiefe. Das ist so — selb­st in dieser eher beschei­de­nen Auf­nah­me­qual­ität — schon beein­druck­end und faszinierend. Und aus Erfahrung weiß ich, dass das live noch viel mitreißen­der und über­wälti­gen­der sein kann. Die Energie, die solche Momente freiset­zen, ist es, die den Free Jazz immer wieder so span­nend, berührend und ein­fach großar­tig machen — und so lohnend! (Ich bin ger­ade ein­fach ziem­lich begeis­tert …)

Playlist: Mats Gustafs­son @ Rek­javik 2013-08-16
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Taglied 27.3.2013

“Plan­ets”, von der bei Intakt erschiene­nen wun­der­baren Impro­vi­sa­tions-CD “Super 8″ des Duos “Secret Keep­er” (Stephan Crump & Mary Halvor­son):

Secret Keep­er (Stephan Crump & Mary Halvor­son) — Mar­g­ing: Plan­ets

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Taglied 20.2.2013

Toot (Axel Dörn­er, Phil Minton, Thomas Lehn) — großar­tig hier vor allem der destruk­tiv-kreative Lehn!

Toot (Minton,Dörner,Lehn), in Read­ing, UK

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Taglied 2.12.2012

Ein “Selb­stver­such” von Hans Koch:


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Taglied 18.10.2012

Lean Left, Live @ Schlachthof Wels, 22.9.2011:


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