Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: improvisation Seite 3 von 7

Schlippenbachs Monk

Eine neue CD, die mir mein Abon­nement der Intakt-Veröf­fentlichun­gen ins Haus bringt: Schlip­pen­bach plays Monk. Das macht er ja nicht zum ersten Mal, Intakt hat ja auch seine grandiose “Gesam­tauf­nahme” des Monkschen Oeu­vres mit den großar­ti­gen Musik­ern von Die Ent­täuschung veröf­fentlich. Das hier ist aber noch ein­mal etwas anderes. Ob bess­er oder schlechter, ist schw­er zu sagen. Schlip­pen­bachs Musik ist hier lockere Kom­plex­ität: Jed­er Moment atment Luft, jed­er Klang bleibt offen, Lück­en in der Form beflügeln Monks geniale Kom­po­si­tio­nen in dieser Ein­spielung von Alexan­der von Schlip­pen­bach, die neun Kom­po­si­tio­nen (eine dop­pelt einge­spielt) mit kurzen, frei impro­visierten Zwis­chen­spie­len Schlip­pen­bachs kom­biniert.
In kom­plex­en Mustern und Abläufen bleibt diese Inter­pre­ta­tion Monks quick­lebendig. Sich­er, immer wieder kann man die (geistige) Nähe zur kom­ponierten Neuen Musik hören. Über­haupt kann man hier schon mal (wieder) die Frage stellen, ob das Jazz ist (oder sein soll). Das klan­gliche Ergeb­nis unter­schei­det sich — ger­ade bei den Eigenkompositionen/Improvisationen Schlip­pen­bachs — zumin­d­est beim ersten hören nicht wesentlich von vie­len Kom­po­si­tio­nen der let­zten 50 jahre oder so. Bei den Monk-Inter­pre­ta­tio­nen, die so etwas wie das Gerüst dieser Ein­spielung bilden, ist das jazz­ig-impro­visatorische Moment stärk­er zu hören — weil hier mit klas­sis­chen Vor­gaben gear­beit­et wird: ein­er Melodie und zuge­höriger Akko­rd­folge als Aus­gangspunkt. Aber selb­st das stimmt nicht immer, man kann sich da schnell täuschen: Weil Monk sich Schlip­pen­bach annähert und Schlip­pen­bach sich monk anver­wan­delt. Ulf Drech­sel schreibt im Begleit­text deshalb ganz tre­f­fend:

MonkIst­MonkWird­Schlip­pen­bach­Bleibt­MonkBleibtSchlip­pen­bach

Das triff die Qual­ität dieser CD vielle­icht am besten: Dass sich hier zwei Musik­er, zwei See­len tre­f­fen, ver­mis­chen, ver­wan­deln und doch sie selb­st bleiben. Klan­glich ist das faszinierend und belebend, der Sound der Auf­nahme ist wun­der­bar lebendig und detailgesät­tigt, so dass man Schlip­pen­bachs behut­sames Spiel auf dem großen Stein­way in allen Facetten wahrnehmen, nach­spüren und mit-/nachvol­lziehen kann. Diese schein­bar ganz schlichte Musik, die solis­tis­che Impro­vi­sa­tion mit und über neun Monk-Kom­po­si­tio­nen ist aber unge­heuer ein­nehmend. Nicht nur durch ihre kul­tiviert-ver­fein­erte Gelehrsamkeit und for­male Klarheit — von dem wun­der­baren Klang sprach ich ja schon -, son­dern auch dadurch, dass sie ganz unbeküm­mert frisch und lebendig bleibt. Das Alter der Werke und des Pianis­ten hört man eben ger­ade nicht. Höch­stens mal in der abgek­lärten Entspan­ntheit, mit der Schlip­pen­bach das monksche Mate­r­i­al benutzt und ver­ar­beit­et — er muss sich und uns nichts mehr beweisen. Und das hört man unbe­d­ingt — mit großer Freude. Irgend­wie spüre ich da mehr Wahrheit und Wahrhaftigkeit als in der meis­ten Musik, die uns son­st so umgibt (ohne jet­zt direkt sagen zu kön­nen, welche Wahrheit das ist): Das hat die Wirkung erhaben­er Kun­st — sie verän­dert den Hör­er, läutert ihn oder lässt ihn zumin­d­est die Erhaben­heit de Schön­heit wahrnehmen.

Alexan­der von Schlip­pen­bach: Piano Solo. Schlip­pen­bach plays Monk. Intakt CD 207, 2012.

Taglied 16.9.2012

Zeena Parkins, Thomas Lehn und Jason Wil­lett in einem (zumin­d­est zeitweise) grandiosen flow:

Thomas Lehn , Zeena Parkins and Jason Wil­lett at High Zero 2011

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Taglied 1.9.2012

Aki Takase war nicht nur mit dem New Blues Project in Saalfelden, son­dern auch mit dem “Kanon”, d.h. mit Axel Dörn­er (das ist ja nie falsch …) und Kazuhisa Uchi­hashi an der Gitarre:

AKI TAKASE’S KANON live @Saalfelden Jaz­zFes­ti­val 2012

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Taglied 12.4.2012

Ein Zufalls­fund mit ziem­lich grauseligem Video, aber genial freier Musik von Thurston Moore, Ikue Mori & Okkyun Lee:

Thurston Moore / Okkyung Lee / Ikue Mori Trio

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Taglied 3.4.2012

Hier kann man — in zwei lei­der etwas abrupt geschnit­te­nen Auss­chnit­ten — Ken Van­der­mark (der solche Auf­nah­men ja dankenswert­er­weise immer fleißig twit­tert …) und Christof Kurz­mann in São Paulo bei der Arbeit (?) in Barcelona sehen und v.a. hören: Van­der­mark mit Bar­tion­sax­ophon und der Klar­inette, Kurz­mann hin­term Lap­top (oder so).


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Taglied 28.2.2012

Lap­slap, hochw­er­tiges Impro­vi­sa­tions-Trio mit viel, ganz viel Elek­tron­ik (also genau das richtige für mich …) aus Schot­t­land, bei Leo-Records ihre CDs veröf­fentlichend (das garantiert ja auch schon eine gewis­sen Qual­ität — und Offen­heit, die Pro­gramm dieses rühri­gen Labels ist). Die vierte CD, “grani­ta”, der drei Frick­ler lag heute in meinem Briefkas­ten (für wenige Euros zu erwer­ben bei Leo direkt, vor allem wenn man die Rabatt-Aktion aus­nutzt …).

Ein paar kurze Auss­chnitte aus der Ensem­ble-Home­page:

[wpau­dio url=“http://www.michael-edwards.org/lapslap/mp3/hungry-taster.mp3” text=“Lapslap: hun­gry (Auss­chnitt)” dl=“0”] [wpau­dio url=“http://www.michael-edwards.org/lapslap/mp3/rhapsody-taster.mp3” text=“Lapslap: rhap­sody in light yel­low (Auss­chnitt)” dl=“0”]

und noch ein län­geres Stück aus dem Lap­Cast:

[wpau­dio url=“http://www.lapslap.co.uk/wp-content/uploads/2009/04/stutter.mp3” text=“Lapslap: stut­ter” dl=“0”]

Altherrenmusik

Manche Musik geht irgend­wie an mir vor­bei. Die neue CD von Ulrich Gumpert und Gün­ter Baby Som­mer zum Beispiel. Bei­des sind Musik­er, die zwar nicht zu meinen aller­größten Helden zählen, die ich aber dur­chaus schätze. Aber trotz­dem hat mich “La Palo­ma”, ger­ade bei Intakt erschienen, kalt und vor allem unberührt gelassen.

Sich­er, einige schöne Momente gibt es — Gumpert und Som­mer sind Profis, die ihr Handw­erk ganz und gar ver­ste­hen. Die “Preußis­che Elegie” etwa klingt wun­der­schön. Aber selb­st das erscheint mir arg kühl: Nichts dringt zu mir durch, keine Begeis­terung, keine Unbe­d­ingth­eit, keine Frei­heit, keine Idee. Und das sind halt ger­ade die Momente, die ich eigentlich an der (impro­visierten) Musik in ihrer Vielfalt so schätze. Aber vielle­icht wird das ja bei einem späteren Wieder­begeg­nen anders und bess­er.

Ander­er­seits hat Christoph Wag­n­er wahrschein­lich recht, wenn er im Book­let schreibt: “Das Album schägt einen weit­en Bogen in die Ver­gan­gen­heit: Blues, Boo­gie-Woo­gie, Hard­bop, deutsche Volk­slied­bear­beitun­gen, freier Jazz — alles ist präsent.” Aber daraus fol­gt (für mich) nichts neues, das ruft alte Zeit­en noch ein­mal auf, mi Raf­fi­nesse und wun­der­barem Schön­klang (ger­ade des Klavier­parts), aber es — so scheint es mir beim ersten und anderthal­ben Hören — daraus fol­gt nichts: Die bei­den genü­gen sich ein­fach damit, in der Erin­nerung zu schwelge. Beson­ders deut­lich wird das im titel­geben­den “La Palo­ma”: Bis auf eine kleine Lücke im Takt ist das wun­der­bar affir­ma­tiv — mit ein­er eige­nen, geset­zten Schön­heit der Erhaben­heit des Alters. Alther­ren­musik eben.

Ulrich Gumpert & Gün­ter Baby Som­mer: La Palo­ma. Intakt 2012.

Taglied 6.2.2012

… Göt­ter des schweiz­er Jazz — naja, Göt­ter vielle­icht nicht (trotz des Namens), aber Größe — und vor allem Energie — hat das schon, was “The Young Gods” mit Koch-Schütz-Stud­er auf die Beine stellen:

The Young Gods, Koch, Schütz & Stud­er live

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(nur echt mit dem Räuch­er­stäbchen)

Taglied 6.1.2012

Heute hat mir Intakt, dieses bewun­dern­swerte Zürich­er Label, eine grandiose DVD geschickt: “Har­mos” von Bar­ry Guy, gespielt vom Lon­don Jazz Com­posers Orches­tra beim Schaffhausen­er Jaz­zfes­ti­val 2008 — eine wun­der­bar klare, ener­getis­che und hell­sichtige Musik, auch über 20 Jahre nach ihrer Entste­hung. Oder wie es Bert Nog­lik im Bei­heft schreibt: “Ein gross­er Gesang. […] Eine Feuer, ein Fest.” Einige kleine Auss­chnitte davon gibt es hier zu sehen und zu hören:

BARRY GUY LONDON JAZZ COMPOSERS ORCHESTRA: HARMOS

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schweizer musik

(der kalauer musste sein). es geht natür­lich um irène schweiz­er, eine der besten leben­den pianistin­nen der impro­visierten musik, um das gle­ich mal klarzustellen.

beim anhören ihrer allerneuesten cd, einem live-mitschnitt (der lei­der klan­glich nicht ganz top of the line zu sein scheint …) fragte ich mich wieder ein­mal (und nicht zum ersten mal), was — für mich — eigentlich das große an ihrem spiel aus­macht. ich glaube, es ist ihre mis­chung aus energie und poe­sie. das klingt nach all­ge­mein­platz und ist es wahrschein­lich auch. aber in der kom­bi­na­tion dieser bei­den pole — nicht so sehr der mis­chung, als der vere­ini­gung zweier schein­bar­er gegen­sätze — liegt, glaube ich, ihr indi­vidu­eller stil. der macht sich bemerk­bar, egal, ob es sich um eigene kom­po­si­tio­nen han­delt oder um fremdes mate­r­i­al (hier zum beispiel von car­la bley, thelo­nious monk oder dol­lar brand). man­fred papst nen­nt das im book­let übri­gens “das Wech­sel­spiel von lyrisch­er Ver­schat­tung und hero­is­ch­er Gebärde auf kle­in­stem Raum” — wobei ich mir nicht sich­er bin, ob “hero­isch” den aus­druck dieser musik wirk­lich triff. vielle­icht, “hero­isch” dann im sinne von stand­fest, auch unbeugsam — indi­vid­u­al­is­tisch eben. aber nicht auftrumpfend, besiegend. gewis­sheit­en ver­sagt sie sich allerd­ings nicht, das ist mehr als reine brechung. vielle­icht ist das ja auch etwas, das ihre fasz­i­na­tion aus­macht: trotz der vielfalt der aus­drucks­for­men (schweiz­er ist in gewis­sem sinne auch eine “gelehrte” pianistin — und deshalb in so einem klas­sis­chen musen­tem­pel wieder der zürich­er ton­halle gar nicht so verkehrt am platz) schim­mert immer die posi­tion, der ort und die kraft der pianistin als selb­st­be­hauptetem sub­jekt durch: das gibt sie nicht auf, nie und nir­gends.

schon der titel markiert das sehr gut: “to whom it may con­cern”. das ist selb­st­gewiss und selb­st­be­wusst. aber eben auch — ver­mute ich — im vollen bewusst­sein der exk­lu­siv­ität (oder lim­ität) der kreise, die das tat­säch­lich wahrnehmen und die das inter­essiert: eigentlich müsste & sollte das ja möglichst alle ange­hen. so gut ist diese welt aber lei­der nicht … dafür ist die musik dieser welt aber so gut. grandios eigentlich sog­ar, wenn man sich etwa das “final end­ing” anhört, das in einem rie­seigen run­dum­schlag noch ein­mal alles erfasst und umfasst, ohne sein eigenes zu ver­lieren, das span­nend in jedem ton ist, aber doch ganz gelassen und natür­lich vor allem aus­ge­sprochen fol­gerichtig wirkt: vom mate­r­i­al kön­nte man es fast als eine etüde des free jazz anse­hen. aber dann höch­stens im chopin­schen sinn: etüde als konz­ert­stück und so weit­er.

das nur schnell beim ersten hören. die cd, aufgenom­men übri­gens im april 2011 in der züriche ton­halle anlässlich ihres 70. geburt­stages (kaum zu glauben!), wird meinen play­er sich­er nochöfter von innen sehen, das ist sich­er.

Irène Schweiz­er: To Wom It May Con­cern. Piano Solo Ton­halle Zürich. Intakt CD 200, 2012.

 

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