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Schlagwort: geschlechter

Helden-Potenziale

Für Bubenge­hirne muss die Stadt ein Paradies sein. Sie sehen die Omnipräsenz von Helden und spe­ich­ern das ab unter: Optio­nen. Für Mäd­chen sind Stadt und Land ohne Heldin­nen, wie ein Spiegel mit einem Loch darin, in das das Poten­tial hinein rin­nt. Da spe­ichert sich gar nichts.

— Ger­traud Klemm, Herzmilch (S. 175)

Geschlechterspiel in absurder Übertreibung — Franz von Suppés “Fatinitza” in Mainz

Fatinitza-Titel­bild
(Quelle: http://www.planet-vienna.com/musik/operette/Handlungen/fatinitza.htm)

Eine Frau, die sich als Mann verklei­det, um sich dann als Frau auszugeben und schließlich in dieser Rolle wieder einen Mann darzustellen — so etwas gibt es nur in der Oper. Und in der Operette. Franz von Sup­pé und seine bei­den Libret­tis­ten Friedrich Zell und Richard Genée haben das Geschlechter­wech­sel- und Ver­wirrspiel in ihrer Operette “Fatinitza” auf die Spitze getrieben. Auch son­st geht es dort tur­bu­lent zu, genau­so aus­ge­lassen wie auf der Bühne des Großen Haus­es, wo Lydia Steier die “Fatinitza” insze­niert. Die Geschichte der 1876 in Wien urauge­führten Operette ist reich an zer­set­zen­der Komik und amüsan­ten Ver­wech­slun­gen: Der rus­sis­che Leut­nant Wladimir (gesun­gen von Patri­cia Roach) lang­weilt sich im Heer­lager und insze­niert mit seinen Kam­er­aden eine kleine Komödie, für die er in Frauen­klei­dung schlüpft. Ger­ade als sie das Spiel betreiben, kommt aber ihr Gen­er­al ins Lager, dem Wladimir früher schon ein­mal als Fatinitza verklei­det begeg­net ist und der seit­dem in die geheimnisvolle Frau ver­liebt ist. Da Wladimir aber zugle­ich die Nichte des Gen­er­als begehrt, doch bish­er am Veto des Onkels scheit­ert, gibt es nun eine Menge
Möglichkeit­en für Tricks und Intri­gen, zumal Wladimir auch noch auf die Unter­stützung und Ein­mis­chung seines Fre­un­des, eines Jour­nal­is­ten, set­zen kann.

Und wenn dann auch noch die Osma­n­en — gegen die die Russen eigentlich Krieg führen — ins Spiel kom­men und Lydia mit Wladimir alias Fatiniza enführen, geht es natür­lich beson­ders hoch her. Selb­stver­ständlich wer­den die bei­den „Frauen“ aber von ihren Kam­er­aden wieder aus dem Harem des Paschas befre­it, damit das Hap­py End nach eini­gen weit­eren Ver­wick­lun­gen, Ver­wech­slun­gen und Täuschun­gen doch noch möglich wird: Am Ende löst sich — wie es sich gehört — alles in Wohlge­fall­en auf. Wladimir heiratet Lydia, der Gen­er­al tröstet sich mit der ange­blich bis in den Tod dauern­den Liebe Fatinitzas — das sie ein Phan­tom war, wird er nie erfahren …

Im Kaiser­re­ich war die “Fatinitza” ein großer Bühnen­er­folg und wurde über Jahrzehnte ständig gespielt. Seit dem Ersten Weltkrieg ver­schwand die Operette aber von den Spielplä­nen und wurde so gründlich vergessen, dass die Neuin­sze­nierung in Mainz ein­er Wieder­ent­deck­ung gle­ich kommt. Doch Lydia Steier sieht neben den unter­hal­tenden Momenten dur­chaus auch aktuelle Anknüp­fungspunk­te: „In der „Fatinitza“ wird der Stil des Krieges in der Form der Operette par­o­diert”, erk­lärt die amerikanis­che Regis­seurin, „auch die Operette muss immer aktuell sein, mehr noch als die Oper — aber vor allem muss sie unter­hal­ten.“

Sie sieht in der Sup­pés Erfol­gswerk vor allem ein “Geschlechter­spiel in absur­der Übertrei­bung — und das ist ein­fach sehr, sehr lustig, eine gigan­tis­che Abend-Unter­hal­tung, die auch ohne politsche Agen­da auskommt.” Doch so ganz und gar unpoli­tisch bleibt Steier in ihrer Insze­nierung nicht: “Natür­lich spielt auch die Rolle der Medi­en eine große Rolle — das ist wahrschein­lich die erste Operette, in der das aus­drück­lich the­ma­tisiert wird: Wie medi­ale Bilder — zum Beispiel von Kriegs­geg­n­ern — entste­hen. Und wie sie wieder aufgelöst wer­den, weil die Wirk­lichkeit dann doch immer ganz anders ist.”

Die spritzige Musik Sup­pés, die vie­len Dialoge und die mitreißen­den Ensem­bles sor­gen aber dafür, dass aus der Operette kein trock­enes Lehrstück wird. „Das fängt an wie eine Fotografie von Boris Mikhailov und endet in ein­er Märchen­hochzeit“, bringt die Regis­seurin Lydia Steier ihre Insze­nierung der „Fatinitza“ auf den Punkt: „Und um so zu unter­hal­ten, muss die Insze­nierung vor allem schnell und klar sein, in der Operette will nie­mand gelang­weilt oder ver­wirrt sein.”

Pre­miere am 2. Novem­ber im Großen Haus des Staat­sthe­aters Mainz. Die Pre­mierenkri­tik gibt es hier: klick.
(geschrieben für die “Spielzeit” der Mainz­er Rhein-Zeitung.)

Fatinitza-Suite

Eine Klavier­suite nach/aus der Fatinitza
(Quelle: http://www.albabarozzi.it/luisa_kapp_young_suppe.html)

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