“Raus hier.” schließt die FAS ihre Kri­tik der Mainz­er Insze­nierung der Fatinitza von Franz von Sup­pé. Ganz so harsch würde ich die Regiear­beit von Lydia Steier nicht beurteilen, aber in der Ten­denz komme ich zum gle­ichen Ergeb­nis: Das war dann doch etwas unbe­friedi­gend und ein biss­chen ent­täuschend, was das Team aus der sel­ten gespiel­ten komis­chen Oper/Operette, die im Kaiser­re­ich ein bom­bastis­ch­er Erfolg war, gemacht hat. Geblieben ist näm­lich rein­er Kla­mauk … Natür­lich darf (und muss!) Operette auch unter­hal­ten, da hat Steier schon recht. Aber sie kann es auch mit Niveau tun. Vor allem mit solch einem Libret­to und so ein­er Par­ti­tur wie bei der Fatinitza.

Olga bleibt stumm: Das Huhn nickt nur hin und wieder oder schüt­telt den Kopf. Aber eigentlich geht es um etwas ganz anderes in Franz von Sup­pés komis­ch­er Oper Fatinitza, die im Staat­sthe­ater Mainz Pre­miere hat­te: Da ist Wladimir, der sich mit seinem Liebeskum­mer im trost­losen Kriegslager lang­weilt. Herun­tergekom­men ist der junge Offizier, auch das ver­wahrloste Con­tain­er­lager im rus­sis­chen Nir­gend­wo hat schon bessere Zeit­en gese­hen (Büh­nen­bild: Katha­ri­na Schlipf). Und noch ver­wahrloster sind die Kadet­ten — Sol­dat­en kann man sie in ihren schmud­deli­gen pinken Schlafanzü­gen kaum nen­nen (Kostüme: Ursu­la Kudr­na). Vor dem Auge der Kam­era des Fernsehre­porters Julian von Golz reißen sie sich aber zusam­men – und begin­nen ein kleines The­ater­spiel mit Wladimir in der weib­lichen Haup­trol­le. So nimmt das Vex­ier­spiel seinen Lauf: Natür­lich kommt ger­ade in dem Moment, als Wladimir als Frau verklei­det ist, der Gen­er­al zur Inspek­tion. Und natür­lich hat er “Fatinitza” schon ein­mal gese­hen — und sich heftig in sie ver­liebt. Die bzw. Wladimir liebt aber aus­gerech­net Lydia, die Nichte des Gen­er­als, die auch ganz zufäl­lig ger­ade jet­zt ihren Onkel besuchen kommt. Und dann wer­den die bei­den „Frauen“ auch noch von einem türkischen Pascha, der im rhein­hes­sis­chen Dialekt großschwätzt (her­rlich unernst: Alexan­der Spe­mann), ent­führt … Das alles zum Hap­py-End zu brin­gen, dafür benötigt der Reporter, den Thorsten Büt­tner wun­der­bar selb­st­gerecht und eit­el verkör­pert und der sich die Wirk­lichkeit gerne mal so macht, wie er sie haben will, dann noch die zweite Hälfte der Operette.

Im Akt II

Akt II (Thorsten Büt­tner, Vida Miknevi­ciute, Patri­cia Roach) — Foto: Mar­ti­na Pip­prich

Aber auf der Bühne ergibt sich das in der Insze­nierung von Lydia Steier dank des spiel­freudi­gen Ensem­bles erstaunlich natür­lich. Patri­cia Roach in der Titel­rolle gibt eine wun­der­bare männliche Darstel­lung ein­er Frau — und singt durch­set­zungs­fähig und kraftvoll, wie es sich gehört. Auch Vida Miknevi­ciute als Lydia gefällt mit entspan­nter Kraft und Leichtigkeit , etwa im zen­tralen Duett im zweit­en Akt, in dem sich Wladimir/Fatinitza ihr zu erken­nen gibt .

Schade ist nur, dass die Musik of fast ver­schwindet. Denn in der Par­ti­tur ver­heiratet Sup­pé Wiener Operette mit ital­ienis­ch­er Leichtigkeit – beim Phil­har­monis­chen Orch­ester unter Flo­ri­an Csiz­ma­dia hört man das wun­der­bar lebendig-ein­füh­lend und klangschön. Aber der Kla­mauk auf der Bühne drängt das immer wieder in den Hin­ter­grund. Das Huhn Olga ist typ­isch für die Insze­nierung: Alles ist der Regis­seurin recht, solange sich nur ein Witz draus machen lässt. Das hat großar­tige, wun­der­bar unter­halt­same Momente — im neu getex­teten Reporter-Lied Julians etwa, der lange erzählt, welche Skan­dale er ange­blich aufgedeckt und wie er Wulff aus dem Schloss Belle­vue geschrieben hat. Aber das sind nur Momente, Ver­satzstücke — das bleibt eine Art ver­frühte Fast­nacht­sposse inklu­sive Kon­fet­tire­gen im Hap­py-End-Finale, die es vorzüglich schafft, sich von Kla­mauk zu Kla­mauk zu hangeln. Am deut­lich­sten wird das im drit­ten Akt (der dra­matur­gisch aber auch bei Sup­pé eher schwach ist): Da ist das auf der Mainz­er Bühne nur noch eine Rei­he von losen, vor sich hin plätsch­ern­den Gags. Der Fatinitza von Sup­pé und seinen Libret­tis­ten wird es jedoch nur halb gerecht: Alles, was über den unter­halt­samen Spaß hin­aus­ge­ht, fehlt — zum Beispiel die hier the­ma­tisierte Rolle der Medi­en und ihr Bezug zur Wahrheit und Wirk­lichkeit, aber auch die Rolle der Geschlechter(-verwirrungen) und natür­lich die des Krieges – das deutet Steier höch­stens hin und wieder an. Und dann ist am Schluss auch noch Olga ver­schwun­den, so dass der arme Steipann (sehr pointiert: Jür­gen Rust) doch ganz alleine im all­ge­meinen Frohsinn unglück­lich suchend heru­mir­ren muss.

(so ähn­lich, etwas kürz­er vor allem, habe ich das für die Rhein-Zeitung geschrieben.)