Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: debatte

Lyrikkritik, nächste Runde

Die Debat­te um den Zustand der Lyrik­kri­tik geht in die nächs­te Run­de. Nun sind – mit eini­ger Ver­zö­ge­rung – die Meta­bei­trä­ge dran: Jan Drees schreibt in sei­nem Blog eine gute Zusam­men­fas­sung der wesent­li­chen & wich­tigs­ten Bei­trä­ge. Und Gui­do Graf weist beim Deutsch­land­funk auf ein wei­te­res Spe­zi­fi­kum die­ser inzwi­schen ja eigent­lich ein­ge­schla­fe­nen Debat­te hin: Der Streit, der sich unter ande­rem ja auch um das Pro­blem der (zu) engen und inti­men Ver­knüp­fun­gen zwi­schen Lyri­ke­rin­nen und Kri­ti­ke­rin­nen dreht und dabei nach den kri­ti­schen Stan­dards und den Zie­len einer mög­lichst (in ver­schie­de­nen Sin­nen) wirk­sa­men Lyrik­kri­tik fragt, fin­det selbst in einem sehr engen, über­schau­ba­ren Zir­kel (oder, wie man heu­te sagen wür­de, inner­halb der „Sze­ne“) statt und scheint außer bei den mehr oder weni­ger direkt Betei­lig­ten auf über­haupt kei­ne Reso­nanz zu stoßen:

Inter­es­sant ist eben auch, wo die­se aktu­el­le Debat­te aus­ge­tra­gen wird und wo nicht. Ins­be­son­de­re dann, wenn man sie mit der letzt­jäh­ri­gen über die Lite­ra­tur­kri­tik ver­gleicht, wie sie – auch online – haupt­säch­lich im Per­len­tau­cher statt­ge­fun­den hat. 

[…]

Signa­tu­ren, Fix­poet­ry, Lyrik­zei­tung und immer wie­der Face­book: Das sind die Orte, an denen debat­tiert wird. In den Feuil­le­tons der Tages­zei­tun­gen, auf deren Online-Platt­for­men oder im Radio dazu kein Wort. Auch eine kun­di­ge Lyrik-Lese­rin wie Marie-Lui­se Knott ver­liert in ihrer Online-Kolum­ne beim Per­len­tau­cher kein Wort über die aktu­el­le Debat­te. Berüh­rungs­los zie­hen die Dich­ter und ihre wech­sel­sei­ti­gen Selbst­be­ob­ach­tun­gen ihre Kreise.

Das ist in der Tat rich­tig beob­ach­tet – und auch aus­ge­spro­chen scha­de. Man muss ja nicht unbe­dingt erwar­ten, dass die „gro­ßen“ Feuil­le­tons der Debat­te selbst viel Platz ein­räu­men. Dazu ist der Kreis der dar­an Inter­es­sier­ten wohl ein­fach zu über­schau­bar. Aber dass sie die Exis­tenz der Debat­te – die ja schließ­lich auch ihr Métier, ihren Gegen­stand (inso­fern sie über­haupt noch Lyrik bespre­chen …) betrifft – gera­de­zu ver­schwei­gen, ist schon bedau­er­lich und sagt viel­leicht mehr zum angenommenen/​wahrgenommenen Zustand der Lyrik und ihrer Rele­vanz aus als alle Debat­ten. Gui­do Graf schlägt dann in sei­nem Schluss­satz als eine Art Lösung vor, „die Nischen­gren­zen zu ver­schie­ben“. Wie das zu errei­chen ist, ver­rät er aber lei­der nicht – das hät­te mich schon interessiert …

Lesen und Kritik

Jan Kuhl­brodt, der einen der bes­se­ren Bei­trä­ge zur Lyrik­kri­tik­de­bat­te der letz­ten Woche(n) – eine Über­sicht der ein­zel­nen Wort­mel­dun­gen (die im Ping-Pong zwi­schen „Signa­tu­ren“ und „Fix­poet­ry“ nur sehr zurück­hal­tend wirk­lich auf ein­an­der ein­ge­hen) gibt es bei fix­poet­ry – schrieb, ver­fasst da auch die­se klu­ge tref­fen­de Bemerkung/​These/​Wahrheit:

Ein Leser, der nicht zugleich Kri­ti­ker ist, ist eigent­lich auch kein Leser, son­dern ein Blät­te­rer, unab­hän­gig davon, ob er sei­ne Kri­tik for­mu­liert und schrift­lich fixiert oder nicht. 

Recht hat er, das gilt auch unab­hän­gig vom kon­kre­ten Enste­hungs- & Dis­kur­zu­sam­men­hang. Übri­gens liegt Kuhl­brodt auch mit den ande­ren sei­ner 11 Antworten/​Sätze zur Debat­te rich­tig, die sehr auf mei­ner eige­nen Linie liegen …
Der Rest der „Debat­te“ ist für mich in wei­ten Tei­len nur so mit­tel­mä­ßig erkennt­nis­för­dernd, aber immer­hin ein guter Anlass zur Selbst­ver­ge­wis­se­rung der eige­nen Posi­ti­on (so schei­nen das auch die meis­ten Teil­neh­mer zu ver­ste­hen – ich sehe nicht, dass sich jemand von jeman­dem von irgend etwas hät­te über­zeu­gen lassen …).

PS: Bert­ram Rei­ne­cke legt noch ein­mal (sehr umfas­send) sortierend/​abschließend bei der lyrik­zei­tung nach …: „Jeder wird ohne­hin so wei­ter­re­zen­sie­ren, wie sein Furor es ihm gebietet.“

Ins Netz gegangen (26.2.)

Ins Netz gegan­gen am 26.2.:

Ins Netz gegangen (11.2.)

Ins Netz gegan­gen am 11.2.:

  • Lite­ra­tur­blogs: Die­ses Buch wird Ihr Leben ver­än­dern! | Zeit – ana maria michel schreibt am mythos der guten, objek­ti­ven lite­ra­tur­kri­ti­ken in (zeitungs)feuilletons und der schlech­ten, sub­jek­ti­ven wer­ben­den bespre­chun­gen in blogs und you­tube-kanä­len fort. eines der kri­te­ri­en ihres ziem­lich unzu­läng­li­chen tex­tes: in blogs gäbe es nur posi­ti­ve, loben­de bespre­chun­gen – als ob das in feuil­le­ton anders wäre!
  • Stra­di­va­ri: Frau Gene­ral lässt bit­ten | ZEIT ONLINE – wolf­ram goertz kann sich nicht ein­krie­gen vor begeis­te­rung, dass frank peter zim­mer­mann für drei jah­re eine neue gei­ge hat.
  • Der Online-Freud – alle 17 bän­de der „gesam­mel­ten wer­ke“ von freud gibt es hier online: zum lesen im brow­ser oder als pdf- bzw. epub-download.
  • Open Access zer­stört die Wis­sen­schaft. Meint Urs Heft­rich in der FAZ. | LIBREAS.Library Ide­as – ben kaden setzt der ver­lags­pro­pa­gan­da der faz entgegen

    fak­tisch ist die Bedro­hung des wis­sen­schaft­li­chen Ver­lags­we­sens durch Open Access und Zweit­ver­öf­fent­li­chungs­rech­te kei­nes­falls so akut, wie sie ihren Lesern glau­ben machen wol­len. Zum Dis­kurs gehört also auch, dar­auf hin­zu­wei­sen. Ursäch­lich für einen Rück­gang bei den Erwer­bun­gen sind sicher nicht vor­ran­gig die Repo­si­to­ri­en und Open-Access-Ver­la­ge, son­dern viel­mehr die gro­tes­ken Preis­stei­ge­rung der STEM-Mono­po­lis­ten sowie Kür­zun­gen in den Biblio­theks­etats. Wie sehr wür­de man sich über regel­mä­ßi­ge, gern auch schar­fe Feuil­le­ton-Bei­trä­ge aus Hei­del­berg gegen die Preis­po­li­tik von Else­vier und für die bes­se­re finan­zi­el­le Aus­stat­tung von deut­schen Hoch­schul­bi­blio­the­ken freuen.

  • Deutsch­land: Off Duty | NEO MAGAZIN ROYALE mit Jan Böh­mer­mann – ZDF­neo – You­Tube – so bescheu­ert, dass es schon wie­der gut ist: jan böh­mer­manns neu­es­tes video „Deutsch­land: Off Duty“
  • Geschich­te der Gegen­wart – „eine Grup­pe von Geis­tes- und Kultur­wis­sen­schaft­le­rInnen“ v.a. aus zürich star­te­te gera­de die „Geschich­te der Gegen­wart“ als platt­form, um sich in die öffent­li­che dis­kus­si­on einzumischen.

    Tex­te, in denen die Gegen­wart nicht ver­neint wird durch das, was man immer schon zu wis­sen glaubt, son­dern zugäng­lich wird durch das, was man erschlie­ßen und rekon­stru­ieren, erör­tern und analy­sieren, begrei­fen und ein­schät­zen ler­nen kann.

    Gegen­wart liegt nicht ein­fach vor, son­dern sie pas­siert, wobei sie sich unse­rer Aufmerk­sam­keit lau­fend wie­der ent­zieht… Hal­ten wir sie fest! Dabei gilt: Wie sie pas­siert und was in ihr pas­siert, folgt aus all ihren Vergan­gen­heiten, die nicht abge­schlos­sen sind.

    Geschich­te der Gegen­wart bie­tet bewusst kei­ne Möglich­keit, Arti­kel unmit­telbar zu kommen­tieren. Die­se heu­te so verbrei­tete Form der media­len Öffent­lich­keit hat u. E. den Nach­weis ihrer publi­zis­ti­schen Unabding­bar­keit und politi­schen Produk­ti­vität bis­lang nicht erbrin­gen kön­nen, son­dern öff­ne­te das Feld nicht zuletzt dem ungefil­terten Vorur­teil, der Ran­kü­ne und der blos­sen Mutmas­sung, die sich um Argu­men­te nicht zu küm­mern braucht.

    könn­te inter­es­sant werden …

  • Stel­lung­nah­me zu “Sie­ger­kunst” | ideen­frei­heit – wolf­gang ull­rich berich­tet per­ver­si­tä­ten des urhe­ber­rechts: künstler_​innen nut­zen das zuneh­mend, um abbil­dun­gen ihrer (öffent­lich aus­ge­stell­ten) wer­ke in publi­ka­tio­nen, die ihnen nicht gefal­len, zu ver­hin­dern und somit eine wis­sen­schaft­li­che aus­ein­an­der­set­zung (fast) unmög­lich machen. und das spiel kann man bis zu 70 jah­re nach dem tod der urhe­be­rin­nen weiterspielen …

Ins Netz gegangen (31.12.)

Ins Netz gegan­gen am 31.12. (Auf­räu­men zum Jahresende ..):

  • Jah­res­rück­blick 2014: Blick zurück im Kreis | ZEIT ONLINE – die his­to­ri­ke­rin fran­ka mau­bach ist mit dem gedenk­jahr 2014 nicht so ganz zufrieden:

    Es ist doch legi­tim, ja sogar gut, über den ritu­al­haft wie­der­keh­ren­den Kreis der Jah­res­ta­ge ein gemein­sa­mes his­to­ri­sches Reflek­tie­ren zu sti­mu­lie­ren. Das Pro­blem ist nur: Es gelingt nicht mehr. Die his­to­ri­schen Ereig­nis­se, derer gedacht wer­den soll, las­sen sich kaum noch in Bezie­hung zuein­an­der set­zen. Die Flieh­kraft des Geden­kens sprengt sie aus­ein­an­der. Das Ein­zel­er­eig­nis wird nur noch kurz auf­ge­ru­fen und kaum mehr in lang­fris­ti­ge Zusam­men­hän­ge eingeordnet.

    am ende emp­fiehlt sie: 

    Wie also kön­nen wir Geschich­te schrei­ben, ohne deter­mi­nis­tisch zu den­ken und doch mit lan­gem Atem zu argu­men­tie­ren? Wie kön­nen wir Ereig­nis­se in deu­ten­de Ord­nun­gen fügen und zugleich zum Wider­spruch ein­la­den? Wie kön­nen wir offen blei­ben und uns trotz­dem für eine Per­spek­ti­ve entscheiden?

    Dazu bedarf es eines Stand­punkts, der ent­schie­den ist, sich also über sich selbst auf­zu­klä­ren ver­mag. Und es bedarf einer his­to­ri­schen Urteils­kraft, die peni­bel aus­buch­sta­bier­te Details in ihr Vor­her und Nach­her und nach Rele­vanz ord­net. Bei­des kön­nen wir vor­aus­sicht­lich noch brau­chen. Spä­tes­tens dann, wenn die Flieh­kraft des Geden­kens auch den Natio­nal­so­zia­lis­mus von sei­ner Vor- und Nach­ge­schich­te isoliert.

  • Rumä­ni­en: Die unvoll­ende­te Revo­lu­ti­on – karl-peter schwarz erin­nert beschrei­bend (weni­ger erklä­rend) an die revo­lu­ti­on 1989 in rumänien.

    Vor 25 Jah­ren stürz­te der rumä­ni­sche Dik­ta­tor Ceauşes­cu. Die Revo­lu­ti­on, die 1989 mit blu­ti­gen Kämp­fen das Land in Cha­os und Gewalt stürz­te, blieb unvollendet. 

  • 2014 – Die hilf­reichs­ten Kun­den­re­zen­sio­nen – Frei­text
  • Revi­si­ons­be­rich­te der NSA: War­ten auf die Ankla­ge – nils mink­mar ganz unauf­ge­regt, aber voll­kom­men zustim­mungs­fä­hig und ‑pflich­tig:

    Doch wenn der Wes­ten sei­ne Iden­ti­tät nicht ver­lie­ren will, sich gegen isla­mi­sche, chi­ne­si­sche, rus­si­sche und sons­ti­ge Tota­li­ta­ris­men abgren­zen möch­te, dann kön­nen die nun hin­läng­lich doku­men­tier­ten Über­grif­fe und Geset­zes­brü­che nur eine Fol­ge haben, näm­lich eine ordent­li­che rechts­staat­li­che Auf­ar­bei­tung ohne Anse­hen der Person.

  • BOX2FLY – Hand­ge­päck­kof­fer aus Well­pap­pe – coo­le idee: ein kar­ton, der genau ins hand­ge­päck passt, den platz also bei mini­ma­lem eigen­ge­wicht opti­mal ausnutzt 
  • Tod einer Revo­lu­tio­nä­rin – Die Zeit­schrift „Mit­tel­weg 36“ erin­nert an die außer­ge­wöhn­li­che Radi­kal-Femi­nis­tin Shul­a­mith Fires­tone : lite​ra​tur​kri​tik​.de
  • Unbe­kann­te Auto­bio­gra­phie Georg Phil­ipp Tele­manns auf­ge­fun­den | nmz – neue musik­zei­tung – Im His­to­ri­schen Staats­ar­chiv Lett­lands (Riga) wur­de eine bis­her unbe­kann­te Auto­bio­gra­phie des Kom­po­nis­ten Georg Phil­ipp Tele­mann (1681−1767) ent­deckt. Die auto­gra­phe Skiz­ze befin­det sich in Mate­ria­li­en aus dem Nach­lass des Riga­er Kan­tors Georg Micha­el Tele­mann, dem Enkel des berühm­ten Ham­bur­ger Musik­di­rek­tors und Johan­neum­kan­tors. Der Musik­wis­sen­schaft­ler Ralph-Jür­gen Reipsch, Mit­ar­bei­ter des Zen­trums für Tele­mann-Pfle­ge und ‑For­schung Mag­de­burg, hat den sen­sa­tio­nel­len Fund sowie eine bis­her gleich­falls unbe­kann­te deutsch-fran­zö­si­sche Lebens­be­schrei­bung in der aktu­el­len Aus­ga­be der Zeit­schrift Die Musik­for­schung publiziert.
  • Liquid Ecsta­sy: Töd­li­cher Schluck aus der Fla­sche – Mün­chen – Süddeutsche.de – gran­di­os: dass „GBL nicht vom Betäu­bungs­mit­tel­ge­setz erfasst ist, weil sie in der che­mi­schen Indus­trie … uner­setz­lich ist“ – so funk­tio­niert also dro­gen­pli­tik in deutschland
  • ünter-Eich-Preis für Ror Wolf « Lyrik­zei­tung – Der fan­tas­ti­sche Ror Wolf erhält den Günter-Eich-Preis
  • Jut­ta Dit­furth: News – LG Mün­chen ent­sorgt die dt. Anti­se­mi­ten: Anti­se­mit ist nur, „wer sich posi­tiv auf die Zeit von ’33 bis ’45 bezieht“ (ach, kön­te man doch nur ale pro­ble­me so lösen ..)
  • http://​eco​watch​.com/​2​0​1​3​/​l​o​b​s​t​e​r​-​b​o​a​t​-​v​s​-​c​o​a​l​-​s​h​ip/ | Grist – unglaub­lich: Seat­tle ver­senkt sich im Abgrund … – das ist wahr­haf­tig geun­ge­ne (Verkehrs-)Politik
  • 57. Nach­schlag zu einem “fröh­li­chen” Ver­riss « Lyrik­zei­tung & Poet­ry News – auch ein „veriss“:

    am Boden liegt ein Bün­del von Zei­tungs­aus­ris­sen, die offen­sicht­lich das feh­len­de Klo­pa­pier erset­zen sol­len. Auf einer der Zei­tungs­sei­ten steht ein Gedicht. Ich grei­fe nach dem zur Hälf­te zer­ris­se­nen Blatt, ver­su­che den Text – ukrai­nisch – zu lesen, lese ihn mehr­mals, und er kommt mir dabei immer bekann­ter vor. Der Name des Autors wie auch der Gedicht­an­fang fehlt, ist weg­ge­ris­sen. Unter dem Gedicht steht, dass es sich um eine Über­set­zung aus dem Deut­schen han­delt. Vom Namen des Über­set­zers blei­ben bloss ein paar Buch­sta­ben: Wolod… ‒ Doch nun däm­mert es mir: Das ist mein Gedicht. Das ist eins mei­ner Gedich­te, zumin­dest ein Teil davon. 

  • Femi­nis­mus-Debat­te: Wir brau­chen kei­nen Zum­ba-Jesus – taz​.de – mar­ga­re­te stokowski:

    Femi­nis­tin­nen vor­zu­wer­fen, sie sei­en nicht wit­zig, ist auf drei­fa­che Art unan­ge­mes­sen. Ers­tens ist Humor ein­fach eine Fra­ge des Geschmacks. Zwei­tens wie­der­holt sich hier das alt­be­kann­te „Lach doch mal“ alt­be­kann­ter Onkels, und drit­tens gibt es denk­bar vie­le Momen­te im Leben, in denen Kämp­fen und Lachen ein­an­der ausschließen. 

  • Fol­ter bei der CIA: Der Sieg der Ter­ro­ris­ten – FAZ – nils mink­mar denkt über fol­ter nach:

    Es herrscht ein erschre­cken­der Man­gel an poli­ti­scher Phan­ta­sie. Was wird schon hel­fen gegen Mör­der wie Kha­lid Scheich Moham­med? Es fällt uns nur wie­der Gewalt ein. Dabei gibt es längst ande­re Erkennt­nis­se, wie man den Krieg gegen den Ter­ror erfolg­reich füh­ren kann.

  • 500 Jah­re alte Naum­bur­ger Chor­bü­cher wer­den digi­ta­li­siert | nmz – neue musik­zei­tung – Es soll ein biblio­phi­ler Schatz für die Ewig­keit wer­den: Die über 500 Jah­re alten über­di­men­sio­na­len Naum­bur­ger Chor­bü­cher wer­den restau­riert und digi­ta­li­siert. Die kom­plet­te Finan­zie­rung muss noch geklärt wer­den, aber ein Anfang ist gemacht. «Mit acht Büchern ist es eine der umfang­reichs­ten mit­tel­al­ter­li­chen Hand­schrif­ten­samm­lun­gen», sagt Mat­thi­as Lud­wig, wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter im Dom­stifts­ar­chiv Naumburg.
  • Inte­gra­ti­on durch Sprach­vor­schrif­ten? – Sprach­log – Es ist also klar, dass aus der Per­spek­ti­ve des Sprach­er­werbs kei­ne Not­wen­dig­keit gibt, Migrant/​innen dazu „anzu­hal­ten“ oder auch nur zu „moti­vie­ren“, zu Hau­se Deutsch zu spre­chen. Wir erin­nern uns: 65 Pro­zent tun es ohne­hin, ganz ohne Moti­va­ti­on sei­tens der Politik.

Ins Netz gegangen (12.6.)

Ins Netz gegan­gen am 12.6.:

Medienarchälogie bei Suhrkamp

Der Streit um den Suhr­kamp-Ver­lag, der ja über­haupt eigent­lich ein Streit im Suhr­kamp-Ver­lag ist, könn­te – so schwant mir die­ser Tage wie­der – mal ein sehr inter­es­san­tes Bei­spiel wer­den, um die Rea­li­tät des Medi­en­dis­kur­ses im Deutsch­land am Anfang des 21. Jahr­hun­derts zu rekon­stru­ie­ren. Da ist zum einen natür­lich die Ver­schie­bung der Rele­vanz­en und Bedeu­tun­gen: Auch wenn der Suhr­kamp-Ver­lag ohne Zwei­fel tol­le Bücher macht: so debat­ten­be­stim­mend wie in frü­he­ren Jahr­zehn­ten der alten Bun­des­re­pu­blik ist er schon lan­ge nicht mehr. Den­noch über­stür­zen sich Zei­tun­gen, Feuil­le­tons und (Literatur-)Kritiker in der Bericht­erstat­tung über den Streit zwi­schen den bei­den Besit­zer­par­tei­en. Bezeich­nend ja auch, dass die­ser Streit über­wie­gend nicht im Wirt­schafts­teil doku­men­tiert und/​oder beglei­tet wird – da müss­te doch (eigent­lich) der Sach­ver­stand der Redak­tio­nen für sol­che Gescheh­nis­se und Ereig­nis­ket­ten sitzen …

Und dann ist da natür­lich noch die Art, wie berich­tet wird. Sel­ten fiel mir eine der­ma­ßen fast unbe­grenz­te Par­tei­lich­keit ein. Man könn­te das sehr schön schon an der Rhe­to­rik und Begriff­lich­keit fast jeden ein­zel­nen Tex­tes über die ver­schie­de­nen Ebe­nen des Strei­tes unter­su­chen. Dass ein Teil der Ver­lags­au­to­ren mit rabia­ten Begrif­fen um sich schmeißt – geschenkt, die dür­fen ja sozu­sa­gen kei­ne Ahnung haben (auch wenn ich es im Detail nicht ganz ver­ste­he …). Aber dass das in der „Pres­se“ ganz ähn­lich geschieht, das wun­dert mich doch immer wie­der. Viel­leicht liegt das dar­an, dass hier der mög­li­che Unter­gang eines Ver­la­ges zu beob­ach­ten und zu doku­men­tie­ren ist, der als Sym­bol für das steht, was die Feuil­le­tons auch für sich in Anspruch neh­men (und was oft nur noch ein Traum ist): Der maß­geb­li­che Ort intel­lek­tu­el­ler Debat­ten der Gesell­schaft (die auch noch irgend­wel­che Ergeb­nis­se erzie­len) zu sein. Mit dem „Ver­lust“ des Suhr­kamp-Ver­la­ges wird dann über­deut­lich, dass sie sich selbst genau­so ver­lo­ren haben und es bis­her nur noch nicht wahr­ha­ben wollten …

(Kei­ne Links, weil ich zu faul bin, alle die not­wen­di­gen Bei­spie­le her­aus­zu­su­chen. Anlass war aber die­ser Arti­kel der „Zeit“, der Bar­lach einen „Tri­umph“ unter­stellt und erst kurz vor Schluss erwähnt, dass Bar­lach eben offi­zi­ell im Recht ist – was übri­gens nie­mand anzu­zwei­feln scheint. Wie auch, die Lite­ra­tur­kri­ti­ker ken­nen sich wohl nur sel­ten gut genug mit dem Wirt­schafts­recht aus. Bezeich­nend auch, dass die­ser Text – wie so vie­le – den eigent­li­chen Streit­an­lass für die­se Gerichts­ent­schei­dung gar nicht mehr erwähnt: Dass näm­lich Unseld-Ber­ké­wicz vor dem Umzug nach Ber­lin einen ent­spre­chen­den Ver­trag mit Bar­lach abge­schlos­sen hat …)

willensfreiheit – aber richtig, bitte!

end­lich das mer­kur-heft von märz ange­gan­gen. wie so oft steht das bes­te am anfang: ein text von jan phil­ipp reemts­ma, das schein­pro­blem wil­lens­frei­heit. ein plä­doy­er für das ende einer über­flüs­si­gen debat­te. denn reemts­ma gelingt – mit zunächst erstaun­lich gerin­gem, sehr schnell aber bewun­dernd beob­ach­tet öko­no­mi­schen ein­satz von gehirn­schmalz und argu­men­ta­ti­on, die von den neu­ro­lo­gen (um wolf sin­ger und kon­sor­ten) ange­zet­tel­te debat­te um die neu­ro­lo­gi­sche vor­be­stim­mung aller mensch­li­chen ent­schei­dun­gen und die damit angeb­lich ein­her­ge­hen­de unmög­lich­keit des kon­struk­tes, der idee einer per­so­na­len, sub­jek­ti­ven, ich-gebun­de­nen wil­lens­frei­heit, – ja man muss sagen, abzu­schmet­tern und mit eini­gen ver­nich­tend genau plat­zier­ten schlä­gen auf den boden zu schi­cken. wenn ich das rich­tig ver­stan­den habe, geht die argu­men­ta­ti­on unge­fähr so: zunächst muss man natür­lich erst mal klar­stel­len, was wil­lens­frei­heit ist – näm­lich die unter­stel­lung, „men­schen hät­ten auch anders han­deln kön­nen, als sie es getan haben”. das impli­ziert ja gera­de die idee der ver­w­ant­wor­tung des sub­jek­tes für sei­ne ent­schei­dun­gen und v.a. taten, und ent­spre­chend sei­ne schuld­fä­hig­keit. der ent­schei­den­de schritt, der reemts­ma von den schein­bar phi­lo­so­phi­schen argu­men­ten der neu­ro­bio­lo­gen trennt, ist nun fol­gen­der: „nichts spricht gegen die annah­me, daß sol­che phä­no­me­ne [d.h. ent­schei­dun­gen, gedan­ken, stim­mun­gen etc.] als hirn­vor­gän­ge in einem neu­ro­bio­lo­gi­schen respek­ti­ve bio­che­mi­schen voka­bu­lar voll­stän­dig beschrie­ben wer­den kön­nen. nichts spricht für die annah­me, daß mit der mög­lich­keit einer sol­chen beschrei­bung ein voka­bu­lar der mora­li­schen oder eines der ästhe­ti­schen oder eines der juris­ti­schen beschrei­bung sol­chen ver­hal­tens über­flüs­sig wür­de.” und vor allem dann: „eben­so­we­nig spricht dafür, daß die letzt­ge­nann­ten voka­bu­la­ri­en das wesent­li­che an die­sen phä­no­me­nen erfaß­ten, woge­gen die ers­te­ren nur die ‚mate­ri­el­le erschei­nungs­form’.” par­al­lel dazu weist reemts­ma natür­lich auch das kau­sa­li­täts­ar­gu­ment zurück – das lässt sich ja durch ein­fa­chen regress ad adsur­bum füh­ren: „wenn alles vom urknall an wie eine gut gebau­te linie domi­no­stei­ne durch die jahr­mil­lio­nen klap­pert, dann ist auch die art und wei­se, wie ernst jemand dies als argu­ment nimmt, eben­so deter­mi­niert wie das vor­brin­gen des argu­ments selbst. dann ist das für-läp­pisch-hal­ten die­ses argu­ments bei eini­gen eben­so not­wen­dig deter­mi­niert wie das vor­brin­gen des argu­ments selbst.“ der nächs­te schritt ist nun, das libet-expe­ri­ment als argu­ment für einen neu­ro­lo­gi­schen deter­mi­nis­mus zurück­zu­wei­sen. denn das expe­ri­ment sagt ja bei genau­er betrach­tung nur aus, dass „das bereit­schafts­po­ten­ti­al ent­steht, bevor die ver­suchs­per­son der emp­fin­dung, einen ent­schluß gefaßt zu haben, aus­druck ver­leiht.” das ent­schei­den­de hier­bei ist näm­lich, nicht aus den augen zu ver­lie­ren, dass „wir nie­mals jene momen­te des bewuß­ten über­gangs, des schwan­ken zwi­schen meh­re­ren mög­lich­kei­ten” einer ent­schei­dung über­haupt erle­ben. der wich­ti­ge schritt von den neu­ro­bio­lo­gi­schen vor­gän­gen zu den gedan­ken schafft näm­lich die neu­ro­bio­lo­gie offen­bar noch nicht, da ist noch eine – ent­schei­den­de – lücke. wie reemts­ma nun aber zei­gen kann, muss sin­ger die „vor­stel­lung eines sub­jek­tes ‚hin­ter’ den neu­ro­na­len pro­zes­sen, das sich ihrer gleich­sam bedient” über­haupt erst eta­blie­ren, um es dann ach so wir­kungs­voll abweh­ren zu kön­nen. und die ursa­che die­ser argu­men­ta­ti­ven mise­re sieht reemts­ma in der man­gel­haf­ten phi­lo­so­phi­schen bil­dung sin­gers. denn: „das kurio­se dabei ist, daß in die­ser wei­se ambi­tio­nier­te aka­de­mi­ker den anspruch der phi­lo­so­phie zunächst ernst neh­men müs­sen, um ihn dann vehe­ment bestrei­ten zu kön­nen.” „denn die unkennt­nis der phi­lo­so­phi­schen tra­di­ti­on ist ja bei die­sen tex­ten oft mit hän­den zu grei­fen.“ und aus all dem folgt schieß­lich ganz unauf­dring­lich: „die moder­ne hirn­for­schung zeigt uns, wie wir im lau­fe unse­res lebens zu dem wer­den, was wir sind. … wenn wir unter ‚frei­heit’ ver­ste­hen wür­den, daß men­schen han­del­ten, als hät­ten sie ein­ge­bau­te zufalls­ge­nera­to­ren, wür­den wir die frei­heit nicht schät­zen” – „die bedeu­tung von ‚wil­lens­frei­heit’ ist nie­mals die unter­stel­lung, jemand kön­ne oder sol­le han­deln, als wäre er nicht er selbst oder jemand ande­res.” frei­heit meint also – das ist nicht über­ra­schend – auto­no­mie: „frei­heit heißt nicht han­deln, als wäre ich nicht ich selbst, son­dern anders han­deln zu kön­nen als jemand ande­res.” und dann ist die gan­ze neu­ro­bio­lo­gie und ihr deter­mi­nis­mus doch ziem­lich belang­los: „was tut es hin­zu, zu erwäh­nen, daß dies ‚wol­len’, ‚die ent­schei­dung’, wie immer wir es nen­nen, im gehirn statt­fin­det? … was tut es hin­zu, daß sich dies ‚wol­len’, ‚die ent­schei­dung’, wie immer wir es nen­nen, als eine abfol­ge neu­ro­na­ler pro­zes­se beschrei­ben läßt? nichts.” genau, das ist es!

reemts­ma ergänzt das gan­ze dann noch um eini­ge anmer­kun­gen zum pro­blem der mora­li­schen (und recht­li­chen) ver­ant­wor­tung, der schuld – fra­gen, die ja die neu­ro­bio­lo­gen auch ger­ne auf­wer­fen. auch hier besteht reemts­ma natür­lich auf die wei­ter­hin gül­ti­ge vor­aus­set­zung der wil­lens­frei­heit: „daß jemand gehan­delt hat, wie er gehan­delt hat, beweist natür­lich über­haupt nicht, daß er nicht anders han­deln konn­te, son­dern allein, daß er nicht anders han­deln woll­te.“ –> „wer meint, die neu­ro­bio­lo­gie kön­ne das straf­recht auf ein ganz ande­res wis­sen­schaft­li­ches fun­da­ment stel­len, hat das funk­tio­nie­ren moder­ner gesell­schaf­ten nicht ver­stan­den. denn das straf­recht ruht auf über­haupt kei­nem wis­sen­schaft­li­chen (oder phi­lo­so­phi­schen) fun­da­ment, son­dern beruht auf den unter­schei­dun­gen, die sein spe­zi­fi­sches voka­bu­lar erlaubt, in der welt zu tref­fen.” und damit wäre das jetzt auch end­lich mal geklärt.

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