Niemand mag politische Parteien, und das ist nichts Neues. Ihr Aufkommen war ein theoretisch nicht vorgedachter Betriebsunfall praktizierter Demokratie. […] Ihre Funktion, zwischen einem eingesessenen gesellschaftlichen Establishment und dem demokratischen Wahlvolk zu vermitteln, bestätigt den Verdacht, dass Parteien demokratische Herrschaft weniger ermöglichen als verhindern, indem sie eine weitere Ebene korporatistischer Oligarchie in die Politik einbauen. Der Widerspruch zwischen allgemeiner Abneigung und der schwer zu bestreitenden praktischen Notwendigkeit von Parteien für Demokratien ließ sich solange überdecken, wie Parteien zumindest Teilhabe an Macht versprachen. Heute haben sie in westlichen Demokratien auch deswegen einen so schlechten Ruf, weil niemand mehr an dieses Versprechen glaubt. Im Verfall politischer Parteien verbindet sich die politische Selbstentmächtigung derjenigen, die von ihrer Herrschaft profitieren könnten, mit einer Radikalisierung moralischer Anforderungen an Politik.
Christoph Möllers, Wir, die Bürger(lichen), in: Merkur 818, 7
Schreibe einen Kommentar