Jazz­ge­schich­te ist meist mit inten­si­vem Plat­ten­sam­meln ver­bun­den. Es geht aber auch anders. Zum Bei­spiel so, wie es Sebas­ti­an Sternal macht. Der Main­zer Pro­fes­sor für Jazz­kla­vier hat näm­lich nicht nur zusam­men mit der Stadt Mainz eine neue Kon­zert- und Jam­ses­si­on-Rei­he im Frank­fur­ter Hof ins Leben geru­fen. Er nutzt die ers­te Ver­an­stal­tung des „Treff­punkt Jazz“ auch gleich für eine for­mi­da­ble Lek­ti­on in Sachen Jazz­ge­schich­te. „We want Miles“ ist das über­ti­telt – und löst die­sen Wunsch auch gleich ein: Miles Davis gibt es an die­sem Abend eine Men­ge.

Im zum Club umge­bau­ten Saal des Frank­fur­ter Hofes ist das Publi­kum dafür um die in der Mit­te plat­zier­ten Instru­men­ta­lis­ten grup­piert und kann sich aus allen Rich­tung an Wis­sen und Unter­hal­tung ergöt­zen. Sternal und sei­ne Band mit Dozen­ten der Main­zer Musik­hoch­schu­le und dem Gast-Trom­pe­ter Fre­de­rik Kös­ter spie­len sich nicht nur durch die High­lights der lan­gen Kar­rie­re des wahr­schein­lich berühm­tes­ten Jazz­trom­pe­ters, son­dern erläu­tern die Musik von Davis auch noch. Oder zumin­dest eini­ge aus­ge­wähl­te Sta­tio­nen davon – der spä­te Miles zum Bei­spiel bleibt lei­der voll­kom­men außen vor. Er muss es ja auch, denn das bräuch­te noch ein­mal eine ganz ande­re Band. Aber ander­seits muss man sagen: Ein Ver­lust ist das über­haupt nicht. Denn Sebas­ti­an Sternal zeigt sich nicht nur als infor­mier­ter Mode­ra­tor, son­dern vor allem eben wie­der ein­mal als aus­ge­zeich­ne­ter Pia­nist und Band­lea­der, der leicht, prä­zi­se und poe­tisch über die Tas­ta­tur schwirrt. Die schwers­te Auf­ga­be hat aber unbe­strit­ten Fre­de­rik Kös­ter, der Miles Davis mit des­sen eige­nem Instru­ment, der Trom­pe­te, ehrt. Kös­ter zeigt sich davon aber weit­ge­hend unbe­ein­druckt und bril­liert mit vol­lem, sono­rem Ton und melo­diö­sem Ein­falls­reich­tum.

Über­haupt macht der ers­te Treff­punkt deut­lich: Jazz­ge­schich­te muss nicht in der Stil­ko­pie enden. Denn obwohl sich das Quar­tett natür­lich genau aus­kennt und sich Bebop, moda­lem oder Cool Jazz anpasst, ist doch auch immer wie­der unüber­hör­bar, dass sie einer ande­ren Gene­ra­ti­on als Miles Davis ent­stam­men. Behut­sam fügen sie auch mal eini­ge moder­ne Ele­men­te ein, auch wenn sie Stan­dards wie „Some­day my prin­ce will come“ oder „My fun­ny Valen­ti­ne“ in den Miles-Ver­sio­nen vor­füh­ren. Denn die­se Jazz­ge­schich­te hat immer bei­des: Vor­füh­ren der Geschich­te und Leben im Moment. Der his­to­ri­sche Aspekt wird noch ver­stärkt durch Erläu­te­run­gen Sternals und die Text­pas­sa­gen aus der Auto­bio­gra­phie von Miles Davis, die Alex­an­der Gel­hau­sen zwi­schen­drin noch vor­trägt. Das ist dann zusam­men kunst­voll authen­tisch und authen­tisch kunst­voll – ein schö­ner Spa­gat, den das Quar­tett hier voll­bringt. Ein gro­ßes Man­ko bleibt aber: Das ist viel zu wenig. Aber nach dem offi­zi­el­len Teil gibt es ja noch Gele­gen­heit zum gemein­sam Jam­men.

(geschrie­ben für die Main­zer Rhein-Zei­tung.)