Der Star und der Höhepunkt des Abends ließ lange auf sich warten. Zunächst war erst einmal das Pflichtprogramm zu absolvieren. Genau so spielte die Deutsche Staatsphilharmonie unter Karl-Heinz Steffens Mozarts Posthorn-Serenade am Beginn des zweiten Meisterkonzerts allerdings auch: mit fülligem Klang, aber ohne jede erkennbare Idee und leider auch ohne hörbare Energie. Sicher, das ist nicht gerade Mozarts spannendste Partiur. Aber so langweilig muss es nicht zwangsläufig sein. Es blieb also beim Warten. Und auch nach der Pause war das Warten beim Meisterkonzert in der Rheingoldhalle noch nicht ganz vorbei. Das Orchester saß schon längst bereit, bis Maximilian Hornung dazu stieß. Aber es hat sich gelohnt, auf den jungen Instrumentalisten zu warten. Denn der Münchner Cellist brachte das dringend notwendige Leben in die Musik, mit dem ersten Cello-Konzert von Camille Saint-Saens, und machte endgültig Schluss mit dem Warten. Sein sehr tragfähiger, aber nie aufdringlicher Ton vibrierte vor Lebendigkeit. Ständig veränderte er sich, ließ Nuancen ohne Zahl schimmern und gleißen. Mit Vehemenz attackierte sein Bogen die Saiten – und schaffte es doch, die Töne weich schweben zu lassen und harmonisch abzurunden. So dynamisch wie seine Tongebung war auch seine Interpretation: Bestimmtheit und Selbstbewusstsein waren die entscheidenden Charakteristika. Jeder Ton, jede Phrase verkündete: Das muss jetzt hier unbedingt genau so klingen. Und Hornung kann das auch so spielen. Er versank – was bei Saent-Sains durchaus nahe liegt – nie in sentimentalem Gehabe, sondern entwickelte eine präzise Emotionalität. Nur leider ist das alles viel zu schnell wieder vorbei.
Und nach diesem Höhepunkt in der Konzertmitte schien auch das Ludwigshafener Orchester wie ausgewechselt. Die Staatsphilharmonie spielte nun deutlich freier und vitaler, mit mehr Einsatz und mehr Seele. Claude Debussys „La mer“ wurde deshalb zum passenden Abschluss einer Reihe zunehmend exotischerer Musik. Zunächst ließ Steffens sein Orchester ein richtig unfreundliches, ausgesprochen unwirtliche Bild des Meeres malen. Mit einigen Kanten und Haken widersetzte sich das jeder Romantisierung. Und er steigerte das noch: Die dritte sinfonische Skizze Debussys, den Dialog zwischen Wind und Meer, dirigierte er als reinsten Nervenkitzel – ein echter Thriller. Und die Staatsphilharmonie belebte diese ausgesprochen kunstvoll geschaffene Klangwelt bis zur wilden Dringlichkeit und der Beinahe-Ekstase– das Warten hat sich doppelt gelohnt.
(geschrieben für die Mainzer Rhein-Zeitung.)
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