Es ging noch einmal wild zu im Großen Haus. Beim letzten Konzert für junge Leute in dieser Spielzeit ließ das Philharmonische Orchester seinem Publikum kaum Zeit zum Luftschnappen: Immer war alles in Bewegung, immer ging es drunter und drüber – so ist es eben auf der hohen See. Denn vom Meer und seine Bewohner unter und auf dem Wasser handelte die Musik.
Material dafür gibt die Musikgeschichte mehr als genug her. Catherine Rückwardt hat sich vor allem bei den Filmkomponisten umgesehen. Das ist wunderbar spektakulär und zugleich immer so unmittelbar eingängig, dass sie überhaupt nicht viel erklären muss. Stattdessen liess sie einfach ihr Orchester spielen. Und das ging mit spürbarer Lust am unkomplizierten Schwelgen im permanenten Klangrausch voll zur Sache. Von Beginn an fetzten sie richtig los. Erich Wolfgang Korngolds Ouvertüre zu „Captain Blood“ gab dem ganzen Orchester viel Arbeit: Die Trompeten schmetterten, die Posauen dröhnten und selbst die Schlagwerker hatten alle Hände voll zu tun. Und so ging es fast ausnahmlos weiter. Ruhepunkte boten höchstens Anton Rubinsteins Adagio aus seiner zweiten Sinfonie und die zwei Ausschnitte aus Claude Debussys „La Mer“. Die zeigten aber auch, dass die subtilen Feinheiten dieser Klangbilder hier nicht so recht am Platz waren und die Musiker es dieses Mal lieber handfest hatten. Dafür gab es ja auch genügend andere Gelegenheiten. Mit der brodelnden See und der flirrenden Spannung bei der Begegnung mit dem weißen Hai aus John Williams’ Filmmusik etwa. Catherine Rückwardt ließ sich von dem gefährlichen Räuber übrigens genauso wenig einschüchtern wie von den immer wieder aufkreuzenden Piraten: Mit lockerer Hand führte sie ihr Orchester sicher und kontrolliert. Selbst durch die aufgewühltesten, wild aufbäumenden Wogen, wie sie etwa Granville Bantocks „Hebridean Sea Poem“ stürmisch und schrill zeichnet, kommt sie immer wieder in geordnete musikalische Bahnen. Bei so viel Lust am puren Klang und soviel Hingabe störte auch kaum, dass die Musik sich vorwiegend in Klischees bewegte: Die Geigen seufzen schmachtend, die Harfe klimpert mal ein Arpeggio dazwischen, die Bläser gibt es fast nur in der Blechvariante, die dafür aber auch ordentlich dröhnen darf. Das Spektakel gipfelt dann auch sehr folgerichtig in der Musik aus dem „Fluch der Karibik“ — kein Fluch, vielmehr ein Segen an pochender, mitreißender Musik.
(geschrieben für die mainzer rhein-zeitung)
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