Nein, ein Neu­jahrskonz­ert war das nicht: Keine Walz­er gab es und auch keine große Abendgader­obe. Dafür war es schon eine Woche zu spät. Stattdessen gab es aber eine Menge große Musik: Mit­ten aus der Pracht des Barocks war das Pro­gramm des „Konz­ertes zum neuen Jahr“, das das Mainz­er Staat­sthe­ater nun schon zum neun­ten Mal als Bene­fizkonz­ert für die Stiftung Mainz­er The­aterkul­tur ver­anstal­tete, geschöpft. Und die barock­en Herrsch­er wussten, wie man die Musik zur öffentlichen Repräsen­ta­tion benutzt, ob in der Oper, der Instru­men­tal­musik oder dem Ora­to­ri­um. Von den offen­sichtlichen Beispie­len der Musik für herrschaftliche Fes­tak­te ganz zu schweigen. In die let­zte Kat­e­gorie fall­en zum Beispiel die Krö­nungskan­tat­en von Georg Friedrich Hän­del. Die dritte, „The King shall rejoice“, war im Großen Haus mit dem Staat­sthe­ater-Chor und dem Phil­har­monis­chen Staat­sor­ch­ester zu hören. Andreas Hotz dirigierte das dur­chaus fes­tiv, aber vor allem sehr maßvoll.
Doch Hän­del blick­te nicht nur gütig-ver­schmitzt vom Pro­grammheft, son­dern steuerte auch die meiste Musik bei. Etwa die Feuer­w­erksmusik. Die ist, ger­ade bei solchen Konz­erten, ja fast ein
unver­mei­dlich­er Kracher. Und man kön­nte meinen, der jugendliche Über­schwang, mit dem Andreas Hotz immer wieder auf die Bühne stürmt, schlüge sich nun auch in der Musik nieder. Und ger­ade hier, in diesem Hit. Das war dann aber kaum der Fall. Viel prä­gen­der war seine Ele­ganz. Die wurzelte in der Ele­ganz der Bewe­gun­gen des Diri­gen­ten, die das Klang­bild sehr stark bes­timmten. Ohne Großspurigkeit oder Auftrumpfen kamen alle die instru­me­na­torischen Effek­te daher, macht­en sich aber auch nie klein oder ver­steck­en sich. Im Gegen­teil: Der sauber gear­beit­ete Klang, der ohne gesuchte Extreme auskam, klang vol­lkom­men selb­st­sich­er und selb­stver­ständlich. Die Pauken dröh­n­ten, die Trompe­ten strahlten, die Stre­ich­er klan­gen satt, aber nie fett: Genau so ken­nt man das. Darin liegt, bei allem Maßhal­ten, dur­chaus eine gewisse Grandez­za. Und klar wird auch: Das hat schon seinen Grund, warum Feuer­w­erksmusik immer wieder aufge­führt wird – auch wenn es nicht Hän­dels raf­finierteste Kom­po­si­tion ist.

Damit das Konz­ert aber noch etwas großar­tiger wurde, kamen auch noch drei Solis­ten auf die Bühne. Zum Beispiel die gut aufgelegte Tan­jana Char­al­gi­na, die Vivald­is Wut des gerecht­en Zorns (in ein­er Motet­ten-Arie) eben­so herun­ter­sausen ließ wie sie der großar­ti­gen Freude Hän­dels (natür­lich aus dem „Mes­sias) vol­len­dete Strahlkraft mit­gab. Die Haupt­last trug aber ein­deutig das Orch­ester. Und das trug sie sehr selb­stver­ständlich. Nicht nur mit dem ganzen Hän­del-Pot­pour­ri, son­dern auch mit deutschen und franzö­sis­chen Kol­le­gen. Etwa dem berühren­den Plainte von Tele­mann, einen instru­men­tal­en Klage­sang, von Hotz mit klaren Lin­ien dirigerte und zwis­chen Solo-Oboe und Stre­ich­ern har­monisch aus­tari­erte. Oder der far­ben­prächti­gen Suite „Les Indes Galantes“ von Jean-Philippe Rameau, die er selb­st aus sein­er beliebten Indi­an­er-Oper bastelte. Die bot dem Phil­har­monis­chen Staat­sor­ch­ester mehr als genug Gele­gen­heit, kraftvoll und doch immer aus­geglichen die exo­tis­chen Seit­en des Barock vorzuführen. Und das ist dann doch bess­er als jed­er Walz­er.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung.)